Walthari – Zeitschrift für Literatur

1984 bis 2018, Herausgeber: Univ.-Prof. Dr. Erich Dauenhauer

Hinweise des Herausgebers

WALTHARI erscheint anzeigenfrei, subventions- und verbandsfrei – aus Gründen der Unabhängigkeit und der Freiheit des Wortes.

WALTHARI ist einzig der Sprache verpflichtet, nimmt also keine Fotos usw. auf – in bewusster Gegenhaltung zum Bildertrend (Ikonophagie) unserer Zeit.

Gegen die idolatrische Mode steht auch das Gestaltungsprinzip, den Texten einen höheren Rang einzuräumen als den Autorennamen. Das hat zur Folge: Der Autor tritt hinter seinem Text zurück; daher keine Anschriften.

Warum der Titel WALTHARI?

Ein Blick in das Ausgangskapitel des Walthari-Liedes gibt Aufschluss. Die poetische Phantasie des Walthari-Dichters (wahrscheinlich 9. Jahrhundert) nahm das Schicksal Europas im zweiten Jahrtausend vorweg. »Waltharisch« steht für Versöhnung, Toleranz, Pluralität, Geschichtsbewusstsein, Tapferkeit und Identitätsbewusstsein zugleich: »Wieder erneuerten sie ihre Freundschaft« (Vers 1443 WL).

Fühlt sich WALTHARI einer Kunstrichtung verpflichtet?
Ja: MAGIL (vgl. die WALTHARI -Hefte 9 ff.).

Werkstattbericht

Zum Hintergrund der Literaturzeitschrift und seiner publizistischen Aktivitäten verfasste der Autor einen Werkstattbericht, dessen wesentlicher Inhalt unter “Warum Walthari?” verarbeitet wurde.

WALTHARI Literaturzeitschrift

Alle erschienenen Hefte

Die Literaturzeitschrift Walthari erschien seit ihrer Gründung 1984 bis 2013 zweimal im Jahr. Von 2014 bis 2019 gab es nur noch eine Ausgabe im Jahr.

HEFT 1/1984: Literatur als Tribunal, vergriffen
HEFT 2/1984: Smarty. Erzählung aus den Grauzonen, vergriffen
HEFT 3/1985: UNGARN. Östlicher Waltharius, vergriffen
HEFT 4/1985: Weltmuseum. Sprachspiele zwischen Tradition und Postmoderne, vergriffen
HEFT 5/1986: Literatur der Pfalz und der Pfälzer, Teil I, vergriffen
HEFT 6/1986: Medienlust. Ironische Literatur, vergriffen
HEFT 7/1987: BURGUND – Bourgogne (zweisprachig)
HEFT 8/1987: Literatur der Pfalz und der Pfälzer,Teil II, vergriffen
HEFT 9/1988: BRASILIEN – Magil, vergriffen
HEFT 10/1988: Wortwohnungen, vergriffen
FESTSCHRIFT zum 65. Geburtstag des Künstlers Heinrich Renaud Gruber
HEFT 11/1989: Zwischen Haß, Armut und Friedensbekundung, vergriffen
HEFT 12/1989: PERU. Trauer um Inti, vergriffen
HEFT 13/1990: Wende-Zeit zwischen Elbe und Oder, vergriffen
HEFT 14/1990: West-östliche Niederauffahrt
HEFT 15/1991: Weltübelglück, vergriffen
HEFT 16/1991: GeWörTel
HEFT 17/1992: MEXIKO, vergriffen
HEFT 18/1992: Alles Theater, vergriffen
HEFT 19/1993: Weisheitsliteratur, vergriffen
HEFT 20/1993: Lachen und Weinen, vergriffen
HEFT 21/1994: Wirtschaft – Sprache – Literatur
HEFT 22/1994: CHINA. Reisebilder aus dem Reich der Mitte, vergriffen
HEFT 23/1995: Literaturkritik, vergriffen
HEFT 24/1995: Erdichtete Natur
HEFT 25/1996: INDIEN
HEFT 26/1996: Lesen
HEFT 27/1997: MECKLENBURG-VORPOMMERN
HEFT 28/1997: Literatur als Zeitgeist-Avantgarde
HEFT 29/1998: Capriccio-Literatur
HEFT 30/1998: Fausts verwandelte Wiederkehr
HEFT 31/1999: Nachmoderner Exitus, vergriffen
HEFT 32/1999: Feiges Bürgertum
HEFT 33/2000: Neue Mytho-Logien?
HEFT 34/2000: Erzähltes Ich – Erzählendes Sein
HEFT 35/2001: Poetische Transformationen
HEFT 36/2001: Aura und Metapher
HEFT 37/2002: Der Autor und sein Fell
HEFT 38/2002: Stadtmythos
HEFT 39/2003: Schamvolle Erhabenheit
HEFT 40/2003: Nichtendes Erschaudern
HEFT 41/2004: Erinnern – Vergessen – Ent-Täuschen
HEFT 42/2004: Ästhetik literarischer Empfindungen

Sonderdruck 2008 (zu Heft 49/2008)

Die elsässische Doppeltragödie (Dauenhauer/Kuhn)

22 Seiten, flexibler Einband

Leseprobe

»Das Elsaß ist wie ein zerbrochener Spiegel.« Redewendung unter Elsässern

Über den Verlust einer jahrhundertealten Kultur und ihres kollektiven Gedächtnisses

Untergang einer regionalen Primärkultur. Der hochdramatische Vorgang hat sich leise aus dem alltäglichen Leben in die dunkle Geschichte geschlichen. Unwiderruflich. Eine Region deutsch-alemannischen Ursprungs kappt gerade ihre letzten Wurzeln und schmückt ihr teils aufgezwungenes, teils freiwillig angenommenes Doppelgesicht gänzlich gallisch ein. Noch vor zwanzig Jahren konnte jeder Dorfbub im Elsaß dem Fremden auf alemannisch Auskunft geben. Seit der Jahrtausendwende liegt auch die letzte Grabplatte bereit: zur Eindeckelung des elsässischen Dialekts, der als kulturelle Schatzkammer die lange Geschichte der Region aufbewahrte und wachhielt. Mit dem Verlust einer Sprache geht bekanntlich eine ganze Kultur unter. Das einfranzösisierte Elsaß hat keinen originären Zugang mehr z.B. zu seinen großen Humanisten (Jacob Wimpfeling u.a.). Es war ihm mehr als einmal sogar verboten, sich seiner deutschen Vergangenheit zu erinnern. Nun bedarf es keiner Verbote mehr. Die kulturelle Abkoppelung ist endgültig geschafft und macht staatsoffizielle Nachhilfe überflüssig.

HEFT 43/2005: Machtmasken und literarische Komik
HEFT 44/2005: Das Böse als literarische Vorlage
HEFT 45/2006: Leiden aus literarischer Leidenschaft
HEFT 46/2006: Das Weibliche als literarische Provokation
HEFT 47/2007: Das Politische imLiterarischen
HEFT 48/2007: De-Kadenzen
HEFT 49/2008: Literatur und Religion
HEFT 50/2008: Autofiktion – Zur Poetik der Selbsterfindung
JUBILÄUMSBROSCHÜRE 2008 zum 50. Heft (25. Jahre Literaturzeitschrift, 10 Jahre Netzausgabe walthari.com)
HEFT 51/2009: Literarischer Byzantinismus
HEFT 52/2009: Literatur und Ökonomie
HEFT 53/2010: Überschrei-tungen
HEFT 54/2010: Poetische Labyrinthe
HEFT 55/2011: Ästhetischer Horiontverschleiß
HEFT 56/2011: Im Quantenkosmos. Literatur im Emergenz- und Kontingenzstress
HEFT 57/2012: Literatur des Unsagbaren und Ungesagten
HEFT 58/2012: Literarische Gestimmtheiten
HEFT 59/2013: Ästhetik literarischen Nichtwissens
HEFT 60/2013: Literatur als Überschreitung, Jubiläumsheft
HEFT 61/2014: Literatur als Widerstand
HEFT 62/2015: Literarische Phantastik im neuen Realismus?
HEFT 63/2016: Das Unbewußte als literarische Agentur.
HEFT 64/2017: Traum und Bricolage.
HEFT 65/2018: Literatur in Digitalistan.
HEFT 66/2019: Literarische Ohn-Macht angesichts….

Nach dieser Ausgabe wurde die Literaturzeitschrift nach 35 Jahren ununterbrochenen Erscheinens eingestellt.

Sonderdruck 2010 (zu Heft 53/2010)

Lothringen – Reisebericht über ein Walthari-Land

Aus dem Inhalt
1. …
2. Historische Schlüsseldaten
3. Dramatischer Mentalitätswechsel und Sprachverlust
4. Über den Einstigen Deutsch-Lothringer
5. Im Lothringer Zipfel
6. So nach – so fern
7. Vergessene Lothringische Volkslieder
8. Verblasste Residenzpracht an der Moselschleife
9. Diedenhofen (Thionville)
10. Benachteiligtes Lothringen
11. Zweierlei Geschichtsschreibung
12. Gorze
13. Metz

28 Seiten, 5,- Euro zzgl. Versandkosten

Leseprobe

WALHARI-LÄNDER

Das Sonderheft faßt die beiden Teile des Reiseberichts zusammen, die in den WALTHARI-Heften 52 und 53 erschienen sind. Erklärungsbedürftig ist die Bezeichnung ›Walthari-Land‹. Das fränkische Epos ›Waltharii poiesis‹, das wohl im ersten Drittel des 9. Jahrhunderts im Benediktinerkloster zu Weißenburg/Elsaß niedergeschrieben wurde (ausführlich besprochen in mehreren WALTHARI-Heften), bezieht sich auf folgende Städte, Landschaften, Flüsse und Länder: Aquitanien (Vers 77 u.a.), Burgund (Vers 34 u.a.), Châlon (Vers 53), der Rhein (Vers 432), der Wasgenwald (Vers 490 u.a.), die Donau (Vers 19), Franken (Vers 87 u.a.), Griechenland (Vers 729), Irland (Vers 1132), Italien (Vers 1135), Metz (Vers 644 u.a.), Pannonien (Vers 59 u.a.), Sachsen (Vers 756 u.a.), Speyer (Vers 1011), Straßburg (Vers 1010), Thule (Vers 1131), Troja (Vers 28), Umbrien (Vers 1340), Worms (Vers 87 u.a.).

Rund die Hälfte dieser geographischen Bezugspunkte waren bereits Gegenstand einer Reisebeschreibung in der Heftreihe. Mit Lothringen (Metz) kommt ein weiteres ›Walthari-Land‹ hinzu. Es ist nicht mein Ehrgeiz, über alle geographischen Bezugspunkte im Walthari-Epos Reiseberichte anzufertigen, doch wenn sich die Gelegenheit bietet, will ich den europaweiten Eposraum (Ceylon wird vom Dichter lediglich als symbolisch-rhetorische Formel gebraucht) weiter bereisen und beschreiben.

Auswahl an Heft-Inhalten

Literaturzeitschrift Walthari

Heft 66/2019

Literarische Ohn-Macht angesichts …

Inhalt
  • Zu diesem Heft
  • Rückblende
  • Ohn-Mächtig
  • Macht und Gewalt
  • Auf dem Weg zur literarischen Ohn-Macht
  • Die Macht der Moral (in) der Literatur
  • Literaturbrief
  • Machteffekte des literarischen Kanons
  • Die verstörende Macht der Hypermoral
  • Gedenkblatt: »Die Rednerschule«
  • Universalistische Utopien
  • Klosterdämmerung
  • Narzißmus und Macht
  • Der Papst-Franziskus-Code
  • Tagebuchnotizen im Jahr epochaler Machtverschiebungen
  • Buch- und Medienschau
  • Das Erscheinen der Literaturzeitschrift Walthari wird eingestellt
  • Hinweise des Herausgebers
  • Impressum

Heft 65/2018

Literatur in Digitalistan

Inhalt
  • Zu diesem Heft
  • Rückblende
  • poetors wonnelied
  • Digitalisierung als techno-evolutionärer Überschlag
  • Entfesselte Zauberlehrlinge4
  • Zur Rolle der Literatur im digitalen Zeitalter
  • Werk-Stätten-Gespräch
  • Kurznachrichten aus Digitalistan
  • Der verborgene Algorithmus im Roman ›Gerichtsasche‹
  • Erinnern im Erinnern nach 25 Jahren: Brief an Václav Hável
  • Universalistische Utopien
  • Digitalisierte Weltseele?.
  • Tagbuchnotizen im Jahr der Brände
  • Buch- und Medienschau
  • Namensverzeichnis
  • Stichwortverzeichnis
  • Digitalisierung als techno-evolutionärer Überschlag
  • Entfesselte Zauberlehrlinge4
  • Zur Rolle der Literatur im digitalen Zeitalter
  • Werk-Stätten-Gespräch
  • Kurznachrichten aus Digitalistan
  • Der verborgene Algorithmus im Roman ›Gerichtsasche‹
  • Erinnern im Erinnern nach 25 Jahren: Brief an Václav Hável
  • Universalistische Utopien
  • Digitalisierte Weltseele?.
  • Tagbuchnotizen im Jahr der Brände
  • Buch- und Medienschau
  • Namensverzeichnis
  • Stichwortverzeichnis

Heft 64/2017

Traum und Bricolage

Inhalt
  • Zu diesem Heft
  • Rückblende
  • Jenseitsproben
  • Traumwissen
  • Zwei Erschütterungen
  • Träumende Literatur
  • Bricolage
  • Stürze – Eine Kurzgeschichte
  • Mikroformate in der Literatur
  • Duft-Magie
  • Vom Ende der Briefkultur
  • Geist und Gehirn
  • Lobreden
  • Idolenkult
  • Langsamkeit und Langeweile
  • Literaturbrief
  • Tagebuchnotizen im Halbjahr der Gärungen
  • Buch- und Medienschau
  • Namensverzeichnis
  • Stichwortverzeichnis
  • Hinweise des Herausgebers
  • Impressum

Heft 63/2016

Das Unbewusste als literarische Agentur

Inhalt
  • Zu diesem Heft
  • Rückblende
  • Traumatisch
  • Das Unbewußte als literarische Agentur
  • Halbschlaftechniken als Öffnung zur terra incognita
  • Was weiß das wache Bewußtsein über das Unbewußte?
  • Gehirnverwalter
  • Gottfried Benn-Zitat
  • Der Traum als Spielplatz des Unbewußten
  • Über den gezähmten Reisetrieb. Einkehr ins literarische Exil
  • Jean Paul (1763 – 1825)
  • Postmoderne Wirklichkeits- und Transzendenzverweigerung
  • Seelengewiß im Gehäuse der Sprache
  • Im Kreuzverhör
  • … und kamen nach Santo Domingo
  • Die Jahre 1960 bis 1971
  • Tagebuchnotizen im Halbjahr des Migrationsdruckes
  • Buch- und Medienschau
  • Namensverzeichnis
  • Stichwortverzeichnis
  • Hinweise des Herausgebers
  • Impressum

Heft 62/2015

Literarische Phantastik im neuen Realismus

Inhalt
  • Zu diesem Heft
  • Walthari-Rückblende
  • Übermächtig
  • Traumatische Aufarbeitung
  • Literatur als Einladung ins Phantastische
  • Lukianismus
  • Begegnung mit der Wirklichkeit
  • Vom Romane-, Gedichte- und Stückeschreiben
  • Kleists Novelle ›Der Findling‹ im Vergleich
  • Kriegslied
  • In der Genderei – Ein Satyr zu Besuch ‒
  • Die Jahre 1955 bis 1960
  • Herzbücher
  • Das A in Magil
  • Schelling im Gespräch
  • Tagebuchnotizen
  • Buch- und Medienschau
  • Namensverzeichnis
  • Stichwortverzeichnis
  • Hinweise des Herausgebers
  • Impressum

Heft 61/2014

Literatur als Widerstand

Inhalt
  • Zu diesem Heft
  • Walthari-Rückblende
  • Im Orakelblütenreich
  • Wider-Stehen als Urmuster
  • Literatur als Widerstand
  • Kontrapunkt
  • Tsunamische Apokalypse
  • Literaturbrief
  • Tugendrenaissance?
  • Literaturzeitschriften  als Konterbande
  • Arbeitsgemeinschaft deutschsprachiger Literaten
  • Die Sprache schlägt Alarm
  • Lexikalische Visionen
  • Die Jahre 1949 bis 1955
  • Tagebuchnotizen
  • Hexagonales Urmuster
  • Buch- und Medienschau
  • Namensverzeichnis
  • Stichwortverzeichnis
  • Hinweise des Herausgebers
  • Impressum

Rezensionen von Erich Dauenhauer

Taylor, Ch.: Das sprachbegabte Tier

Grundzüge des menschlichen Sprachvermögens

Aus dem Englischen von Joachim Schulte, Suhrkamp Verlag, Berlin 2017, 656 Seiten, 38,- Euro, ISBN 978-3-518-58702-7

Buchbesprechung von Erich Dauenhauer, 16. Mai 2018

Das Original erschien 2016 mit einem Untertitel (›The Full Shape of Human Linguistic Capacity‹), der in der deutschen Vorlage nicht nur unkorrekt übersetzt wurde; übergangen wird dadurch auch das Hauptanliegen Taylors: die vollständige (!) Gestalt des menschlichen Sprachvermögens. Diese nämlich erschöpft sich nicht im Codieren und Vermitteln von Informationen, wie es die ältere Sprachtheorie von Hobbes, Locke und Condillac behauptet hatte. Darüber ist die Bewußtseinsphilosophie und Kognitionswissenschaft hinweggegangen. Die Gegenposition vertraten allerdings schon früh deutsche Aufklärer (Hamann zuerst), Romantiker und Klassiker, die Taylor ausführlich zitiert und die er für die argumentationsstärkeren hält. Um diese holistische Version zu verdeutlichen, holt der Autor weit aus, zieht neben Philosophen, Naturwissenschaftlern, Dichter, Komponisten und sogar Religionsstifter heran. Sprache ist nicht allein ein Instrument der Benennungen und Vermittlung von Dingen außerhalb ihrer, sie selber erschafft Bedeutungen im (!) Sprachgehäuse, darunter moralische, ästhetische und rechtliche Konstituenten. Auf diesem Erkenntnisstand angekommen, sieht man sich, über Taylor hinaus, zwei besonderen Problematiken gegenüber, erstens dem Verhältnis von unbestreitbaren Phänomenen (mit Aristoteles) und Konstituenten, zweitens dem Verhältnis von Konstituenten und dem Konstruktivismus, der mehrere Welten hervorbringt und Sprache als originäre Erschafferin von Welten betrachtet, während Phänomenologen von einer Welt ausgehen. Der Sachverhalt verkompliziert sich noch einmal um eine Stufe, bedenkt man, daß das Sprachvermögen trotz aller evolutionärer Entwicklungsschübe von Voraussetzungen (Apriori) ausgehen muß, die auch bei Kontingenzannahme nicht allein naturalistisch herleitbar sind. Taylor tippt diese Problematik, die der holistischen (!) Konstitutionstheorie der Sprache immanent ist, nur an, wenn er fragt, warum wir trotz der behaupteten Vielzahl von Welten, auf einen universalistische Moral- und Rechtsrahmen setzen, um human zu bleiben. Gänzlich übersieht Taylor den Neuen Realismus (Markus Gabriel), der die deutsche Philosophenszene seit Jahren befeuert. Und nicht erst »in den 1790er Jahren in Deutschland« entwickelte sich die holistische Sprachtheorie, sondern mit Herder schon 1772 (›Über den Ursprung der Sprache‹).

© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen die Originalzitate.

Baldwin, James: Von dieser Welt, Roman

Aus dem amerikanischen Englisch von Miriam Mandelkow, Mit einem Vorwort von Verena Lueken, dtv Verlagsgesellschaft, München 2018, 318 Seiten, 22,- Euro, ISBN 978-3-423-28153-9

Buchbesprechung von Erich Dauenhauer, 16. Mai 2018

Der Roman erschien zuerst 1953 in New York und gilt als Klassiker amerikanischer Gesellschaftsverhältnisse bis in die Gegenwart. Darauf verweist das Vorwort (über 11 Seiten!) von Verena Lueken, um Leser, die das nicht wissen, auf die Lektüre einzustimmen. Sind schon die Platzierung und Länge des Vorworts ungewöhnlich, so erst recht die sonstige Besorgtheit des Verlages: der Leser wird auf Hintergrundmaterial verwiesen und mit allerhand Empfehlungstexten auf dem Umschlag bedacht.

Baldwin gewährt Einblicke in die Tiefenschichten der US-Gesellschaft aus der Perspektive der Afroamerikaner, nur eine der zahlreichen Minderheiten im Lande, die sich mit Identitätsproblemen plagen und sich häufig in Parallelgesellschaften abschotten. Unter den tiefsitzenden Kränkungen sind die Sklavenvergangenheit und die Niederwerfung der Urbevölkerung (Indianer) die nachwirkendsten. Beide nationale Verletzungen sind bis heute nicht ausgeheilt, zum einen, weil das Sklavenbewußtsein als mentales Erinnerungsmuster nicht heilbar ist, zum anderen, weil die Nachkommen der weißen Eroberer sich nur halbherzig der Vergangenheit stellen. Hinzu kommt die asiatische Kränkung (pazifische Einwanderer zeigen sich den Schwarzen karrieristisch meist überlegen). Verstärkt wird das Identitätsproblem durch andere Minderheiten (aus Mittel und Südamerika) und dem anhaltenden Einwanderungsdruck. Die Ungleichheiten und die daraus sich ergebenden Spannungen erzeugen eine explosive Dauerstimmung im Lande, die sich sichtbar im Waffengebrauch und in Trumps Politik äußert. Das alles sollte man vor Augen haben, wenn man Baldwin (1924-1987) zu lesen beginnt.
Schon nach wenigen Seiten spürt man hinter den Alltagsschilderungen das Vibrieren der nervösen Seelenlage. Die Handlung fällt schlicht aus: John, ein schwarzer Junge, lebt in einer bigottischen Familie und Umgebung, die seine Selbstfindung erschweren. Da er seinem Verstand mehr vertraut als den üblichen Aggressionsmustern, plagen ihn Zweifel über sich, über die Kirche und sein Milieu. Er wird »von Visionen überschwemmt« (118) und bricht schließlich aus – wie Baldwin selber, der nach Europa umsiedelte, nachdem sein Versuch, die negride Kultur umzugestalten, gescheitert war. Auch die Hauptfigur (John) versteht man besser, wenn man weiß, daß Baldwins Vater Prediger und sein Sohn jugendlicher Laienprediger waren. Daraus speist sich das Romanmilieu, das durch die einseitige Opferneigung an Spannung verliert. In diese Kerbe schlägt auch Lueken, die der »weißen Kultur« alle Schuld zuschiebt, wo doch die Sache komplex ist und sich seit 1953 gewandelt hat.

© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen die Originalzitate.

Kaube, Jürgen: Die Anfänge von allem

Rowohlt Verlag, Berlin 2017, 3. Auflage, 448 Seiten, 24,95 Euro,
ISBN 978-3-87134-800-6

Buchbesprechung von Erich Dauenhauer, 14. Mai 2018

Da hat sich der Feuilleton-Chef und Mitherausgeber der FAZ ein gewaltiges Vorhaben aufgeladen. Es liegt nichts weniger vor als der Versuch einer Universalgeschichte, an die sich neuere Historiker nicht mehr wagen.

Die weite Bogenerzählung (sie beginnt mit 3,6 Millionen Jahren vor unserer Zeit) muß sich auf archäologische Befunde und zugleich auf Hypothesenkonkurrenzen berufen, d. h. unzählige Wissenslücken spekulativ schließen oder sich an nicht wenigen Stellen schlicht zu einem Nichtwissen bekennen. Die Befunde sind häufig deutungs- und zeitoffen, lassen also erhebliche Spielräume. Kaube entschied sich für eine narrative Geschichtsschreibung, welche die Lesbarkeit und die Publikumserreichbarkeit erhöht, sich aber gleichzeitig auf das unsichere Feld der spekulativen Geschichtsphilosophie begeben muß, denn Narrative ohne Verlaufs- und Zielspekulationen verlören ihre ›Seele‹.

Wie Kaube mit dieser komplexen Konstellation zurechtkommt, kann man in den sechzehn Buchkapiteln anschaulich erfahren. Lockere Überschriften locken den Leser: ›röhrende Hirsche‹, ›Bordell vor dem Jenseits‹, ›Die Königsmafia‹ u.a. Der immense Stoff soll auf diese Weise attraktiver gemacht werden. Dazu macht es sich der Autor nicht leicht: fünfzig Seiten Anmerkungen, vierzig Seiten Literaturangaben. Wie ein beruflich ausgelasteter Feuilletonchef dafür allein die Lesezeit aufbringen kann, von der Textgestaltung ganz abgesehen, läßt sich kaum ausdenken. Damit unterstelle ich nicht, daß Kaube insgeheim den Text sich hat schreiben lassen, vielmehr bewundere ich die rätselhafte Zeithandhabe. Für die Gesamtperspektive entscheidend ist die Grundeinstellung des Autors: Referiert er als naturalistischer Positivist oder als geistbewegter Evolutionist? Im ersten Fall sollen Sprache, Bewußtsein usw. aus der Materie hervorgegangen sein, im zweiten Fall ist der Geist der primäre Entwicklungsbeweger, wie es z.B. Thomas Nagel zum Schrecken aller Biologisten vermutet (in: ›Geist und Kosmos‹, Berlin 2013; vgl. meine Rezension in diesem Walthari-Portal vom 10.12.2013). Kaube übergeht dieses ›Wendebuch‹. Das Testkapitel dafür lautet bei ihm ›Der Anfang der Sprache‹ (81 ff.). Gleich der erste Satz beantwortet die obige Frage: »Am (!, also nicht ›Im‹) Anfang war es vielleicht (?) wüst und leer, aber am (!) Anfang war nicht das Wort«, also nicht der Logos, kein Schöpfergeist, sondern in logischer Ableitung ex nihilo das pure Materiewunder (wobei Wunder schon geistaffin ist). Damit übergeht Kaube den kontingenten dialektischen Entwicklungsprozeß, wie er sich aus der Quantentheorie schöpfungsnotwendig ergibt. So liest sich das Schlüsselkapitel als Unsinns-Spiel geistloser Materie (Sinn hat nur der Geist). Bei Nagel wird der »universellen Intelligenz« noch etwas zugemutet, bei Kaube hängt das Materie-Spiel im naturgesetzlichen Nichts, dazu im Selbstwiderspruch, denn universelle Naturgesetze setzen eine universelle Schöpfungsintelligenz voraus. Liest man das Sprachkapitel (und andere) mit einem Metablick, stößt man auf Fallen wie in dem Satz, daß Sprache »über Bilder und Zeichen hinaus aus Zeichen« besteht, die sich von den Sachverhalten (darunter auch die Materie, E.D.) ablösen, die sie bezeichnen« (82 f.). Eine klassische Geistbewegung. Die Sprachgewalt des Autors bietet beim Lesen dennoch gute Unterhalteng.

© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen die Originalzitate.

Schrott, Raoul: Erste Erde Epos.

Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2018, 844 Seiten, 30,- Euro
ISBN 978-3-423-14627-2

Buchbesprechung von Erich Dauenhauer, 27. März 2018

Um dieses großformatige und voluminöse Buch durchzulesen, muß man drei Wochen ansetzen. Beim Lesen erfährt man eine weitere Leserbeschränkung: Ohne außerordentlich gehobene Allgemeinbildung sind weite Textteile nicht zugänglich. Nimmt man, drittens, die vom Verlag übernommene Wendung »Eine Bibel für Atheisten« hinzu, läßt sich der beschränkte Leserkreis unschwer ausdenken. Dieser aber wird für einen außerordentlichen Leseaufwand belohnt, auch wenn man nicht mit allem einverstanden sein kann. Schrott hat die halbe Welt bereist und versucht nichts weniger, als das »Wissen über die Welt« vom Urknall bis in die Gegenwart nachzuerzählen, und zwar naturwissenschaftlich und zugleich literarisch. Die Bücher sind zeitlich gegliedert, vom Urknall vor 13,82 Jahrmilliarden bis zum Anthropozän. Danach folgt ein Anhang von Seite 687 bis 844. Die thematische Vielfalt ist gigantisch und wird von endlosen naturwissenschaftlichen Datenreihen unterfüttert. Darin liegt das große Risiko der Überholbarkeit, denn die Wissenschaften lassen auch scheinbar unverrückbare Erkenntnisse hinter sich: man denke an das Schicksal der Newton-Physik durch die Quantenphysik und die Relativitätstheorie. Das mag Schrott nicht stören, weil er das Werk literarisch immunisiert und hoffen kann, daß ›Erste Erde‹ als Epos den Sachstand zu Beginn des 21. Jahrhunderts notiert und später so als historisches Inventar gelesen werden kann wie Vieles in der Wissenschaftsgeschichte. Trotz der ausladenden Gliederung (S. 5-15) ist es nicht leicht, den Überblick zu behalten, zumal der Textband verschachtelt ist und Fakten und Fiktionen häufig verschränkt werden, so etwa wenn es heißt: »Die unterschiedlichen Definitionen von Leben lassen sich… mit der Form des Gedichtes abgleichen – Zellen von Worten, die dem Rohmaterial der Aussenwelt mittels ihres Stoffwechsels zu einem Innenleben verhelfen« (als Kommentar von S. 8 in den Seiten 201 bis 209). Mancher Text hat die Form eines tagebuchartigen Reiseberichts, andere Texte erscheinen stichwortartig hingeworfen, häufig verziert mit Randnotizen: »Fussspuren am Strand von Formby, 5.000 Jahre alt« (S. 618). Der Leser wird ordentlich durchgeschüttelt, er kann sich zwischendurch erholen, wenn Schrott im Anhang aus dem Eposlabyrinth heraustritt und zur Alltagssprache zurückfindet. Dort entfaltet er auf mehr als 150 Seiten einen lehrbuchartigen Unterricht über das Werden der Welt und des Lebens. Viel Biologie und Chemie. Der Autor will sich nichts entgehen lassen und dem Leser nichts schenken.

© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen die Originalzitate.

Morsbach, Petra: Justizpalast.

Roman. Knaus Verlag München, 4. September 2017, 480 Seiten, Fadenbindung, 25. Euro, SBN 978-3-8135-0373-9

Buchbesprechung von Erich Dauenhauer, 25. März 2018

Die deutsche Justiz ist gewiß eine der angesehensten der Welt, aber zugleich auch mit allen System- und Mentalmängeln befallen, die einem durch Gesetz geschützten Unabhängigkeitssektor eigen sind. Fehlurteile, selbst existenzvernichtende und ganz offensichtliche, werden nur widerwillig eingestanden, häufig auch beschwiegen (parochial silence). Ich habe selbst erlebt, wie ein Obergericht einem unsäglich falschen Sachverständigengutachten blind glaubte und sich in ökonomische Begründungen verstieg, die keinem Ökonomikstudenten im ersten Semester unterlaufen dürften. Mit Überlastung der Justiz ist das so wenig zu rechtfertigen wie die immanente spezifische Gesinnung. Richter haben bei ihrer Rechtfindung bekanntlich keine Vorgesetzte, und oberhalb des Bundesverfassungsgerichts gibt es nur den freien Himmel. Das prägt. Auch der Justiz gegenüber ist daher ein skeptisches Vertrauen angebracht, und sogenannte Justizromane sollten sich daher eher der negativen Ästhetik als einer noch so versteckten Akklamation verpflichtet fühlen. Zwischen beiden Erzählhaltungen liegen Welten. Die Autorin hat zehn Jahre an dem Roman gearbeitet und hospitierte an einem Gericht, um eine Binnensicht zu erfahren. Das verlangt Entgegenkommen in der Grundhaltung, auch wenn ein realistisches Bild vermittelt. Realistisch – soll das überhaupt ein Roman? Eine gerechtigkeitsfanatische Richterin wird desillusioniert. In wechselnder Perspektive läuft die Handlung nicht chronologisch ab. Es werden Fälle aus dem Zivil- und Verwaltungsrecht geschildert, wobei es sehr menschlich zugeht. Die Richterin identifiziert sich stark mit dem Recht, verzichtet also auf Distanz, die im Rechtsberuf durchaus erforderlich ist. Denn die konstruierte Rechtswelt der Gesetze deckt die weit komplexere Lebenswelt nicht ab. Die Richterin leidet unter den Verhältnissen, findet aber aus der Gerechtigkeitsmaschine selbst mental, auch nicht rechtsphilosophisch heraus (spurenhaft auf S. 201). Besonders die Justizszene in München wird weiterhin den Roman goutieren.

© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen die Originalzitate

Literaturbriefe

Walthari Nr. 66 / 2019

Literarische Ohn-Macht

… Du irrst, wenn Du glaubst, das alles sei nicht vorherzusehen gewesen. Zwar nicht in den einzelnen Auswirkungen, aber auf der großen Linie, wie man sagt. Dazu mußte man kein Futurologe sein und auch kein Schwarzseher oder Nihilist, sondern einfach genauer hinschauen und vor allem in den großen Hallen der Geschichte die Zeichen wahrnehmen.

Ich will Dir ein Beispiel geben. Die Kunstszene im technischen Anthropozän, sagen wir ab den zivilisatorischen Verwüstungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, hat ihr Tiefenlot verloren, wenn man sie unter der historischen Perspektive seit der Antike sieht. Modisches im raschen Wechsel, und dann das Schwarze Loch, worin das Ästhetische verschwand: Alles sei Kunst, wenn es ein ›Künstler‹ dafür hält. Subjektiver Konstruktivismus mit kommerziell hochtourischem Leerlauf. Gemäldepreise wie beim Geschacher um Fußballprofis. Die reine Hybris. Da war es für Kenner der Szene keine Überraschung als ein international agierender Kunstprofessor auf Bilderfälschungen im Max-Ernst-Stil ›gutachterlich‹ hereinfiel und am Verkauf der Plagiate hochdotiert beteiligt war. Eine Wochenzeitung sprach von einer »Kameralia aus Politikern, Händlern und Kunsthistorikern«, ohne selbstkritisch zu erwähnen, daß auch sie kunsttheoretisch an der allgemeinen Verwirrung mitwirkte. Jahrelang hatte ein Frankfurter Intelligenzblatt den Kunstexperten als Hofberichterstatter engagiert und ihn mit Superlativen bedacht: »Vorbild« – »Ohne ihn sähe die Kunst anders aus«. Der Feuilletonchef gratulierte überschwenglich zum 70. Geburtstag, nannte ihn ein »Genie« ‒ und blamierte die Redaktionsintelligenzler bis auf die Knochen. Der Fall wurde schnell vergessen. Dennoch hängt der Fälscherskandal – und nicht nur er – wie ein Fallbeil über der Szene. Wo Geschmacksambivalenzen im Werk angelegt sind, pflanzen sie sich über Galleristen, Gutachter und Kritiker bis zum Publikum fort.

Jedesmal, wenn so ein Fall die Gemüter bewegt, lockt es mich in meiner Hausbibliothek in jene Ecke, deren Bücher ich zum Kernbestand der lebensphilosophischen Weltliteratur rechne. Darunter Christian Meiers wunderbares Essay ›Politik und Anmut‹ mit dem Untertitel: Eine wenig zeitgemäße Betrachtung (Stuttgart und Leipzig 2000). Keineswegs belehrt der Autor seine Leser nur über die Kunst des politisch-strategischen Handelns Athens. Man solle auf direkte Mitsprache und Bürger-Identität, auf Öffentlichkeit, Ordnung, Selbstgenügsamkeit und Mut achten. Darüber redete Perikles in seiner berühmten Rede über die Gefallenen und verriet, worauf es dabei ankommt: auf den Modus der Teilnahme, auf die unangestrengte Eleganz und gegenseitigen Rücksichtnahmen, auf charis und Anmut eben. Beide bestimmten das Selbstverständnis und den Stil des Auftretens und verliehen kulturellen Glanz (lambrotes). »Selten oder nie in der Geschichte ist eine Hochkultur zugleich in solchem Maße Volkskultur gewesen… bis in die Reihen der Ärmsten hinein«, schreibt Meier (77). Es herrschte die Kultur der kalokagatia, die Schönheit mit Vortrefflichkeit verband (28). Peitho führte Regie, der Geist der Versöhnung und des Ausgleichs. Wie aber, wirst du fragen, schafften das die Griechen, die keine Gewalt über sich kannten? Lag es daran, daß sie dem Häßlichen keinen Platz einräumten, es im Schönen verdrängten, von dem sie glaubten, daß es die Mutter der Anmut und charis sei? Dem Schönen, so Meier, räumten sie einen »anfällig hohen Rang« ein (81) und damit zugleich auch der Literatur. Um das zu begreifen, muß man in die Tiefenschichten der Orestie von Aischylos eindringen. Glanzstücke der literarischen Ohn-Macht, auf das ich hier nicht tiefer eingehe. Nur so viel: Gegenüber den Mächten des Rechts, der Politik, Wirtschaft, Technik und des Militärs sind Kunst und Literatur wahre Ohn-Mächte, weil sie ganz auf Anmut, Schönheit und elegante Überredungskunst (Peitho) vertrauen. Dafür hatten die Athener ein Gespür. Mondweit sind sie davon entfernt, unsere Kulturschneider, unsere Kunst- und Weltvermesser. Die Athener verstanden was von Nähe und von der Versöhnung mit den Erinnyen (im Stück Eumeniden).

Nähe, plötzlich will man sie im Globalisierungsbetrieb entdeckt haben, indem man von der Natur schwärmen läßt und Heimatministerien einrichtet. Flugs haben die Transkulturalisten zwischen Makro- und Mikroebene in ihren utopischen Luftschlössern unterschieden und bedienen sich eines üblen Tricks. Auf der Makroebene wird der Globus zur Weltheimat aller Menschen erklärt, wobei das Identitätsdefizit kampagneheftig und pseudowissenschaftlich zu schließen versucht wird. Vergeblich, wie Du weißt. Zum Standbein soll die Mikroebene dienen, die örtlichen Milieus, die Wohlfühlzonen. Dazwischen wird außer der EU-Utopie nichts geduldet, weder die Nationen noch Regionalkulturen. Wer national fühlt, wird als verblendeter Rechtskonservativer verunglimpft. Regionalpatrioten, in Bayern eine häufige Spezies, gelten als ewig Gestrige, mental zurückge-bliebene. Es gibt eben nicht nur Finanz- und Immobilienblasen, sondern auch globale Utopieblasen, eine Geisteshybris seit der Antike. Daran ändern weder Warnbeispiele noch der Glanz der Griechischen Regionalkultur.

Woran das liegt, läßt sich anhand einer oft verschmähten Tugend erfahrungsmächtig erklären: Dankbarkeit. Sie verlangt Nähe und ein Gesicht, vor dem man sich innerlich verneigen kann, wenn man die äußere Geste der japanischen Respekthaltung verschmäht. Dankbarkeit ist mehr als eine zivilisatorische Routine oder ein oberflächliches Ritual, sie hat einen tiefen ethischen und sogar einen politisch-gesellschaftlichen Grund, was Dich vermutlich überrascht. Das wußte man schon in Altägypten: In der Máat-Kultur war dankbares Erinnern der wichtigste gesellschaftliche Kitt. Bei Aristoteles steht Dankbarkeit für dreierlei: für dankbare Gesinnung und entsprechende Geste sowie für zurückgebendes Tun (nachzulesen in seiner Nikomachischen Ethik (1132 b – 1133 a). Erläutert findest Du diese und andere Quellen in meiner kleinen Schrift Wozu noch Tugenden? ‒ Ein fälliges Erinnern (2014). Das leuchtet für den privaten Bereich ein, doch Dankbarkeit auch in Politik und Gesellschaft? Ja, auch auf dieser verschränkten Ebene, wenn ihre innere Stabilität nicht ins Wanken geraten soll.

Jede Generation lebt von den Leistungen der Vorgenerationen, kulturell, wirtschaftlich, wissenschaftlich und vieles mehr. Beethoven sollten wir heute noch dankbar sein und auch den zahlreichen Wissenschaftlern und Erfindern. Wer mit dem Flugzeug unterwegs ist, vergißt leicht, welche lange Entwicklungsspur diesem Transportmittel vorausging. Intergenerationellen Transfer nennt man das. Demokratien, Rechtsstaat und Menschenrechte mußten buchstäblich den Verhältnissen abgerungen werden. Indem wir uns daran erinnern, ragt die Vergangenheit in die Gegenwart und sollte uns mit Dankbarkeit erfüllen, auch dafür, daß wir die schwarze Seite der Geschichte vor uns sehen und daraus lernen. Das Helle und das Dunkle gehören seit Anbeginn der Welt zusammen. Wenn nun aber die deutsche Memorialkultur im Rausch einer Hypermoral nur die dunkle Seite in der Erinnerung pflegt, erscheint die gesamte Geschichte als schwarzer Block, von dem man sich angewidert abwendete. Einer solchen total eingedunkelten Vergangenheit gegenüber kann man nicht dankbar sein, weil alle Übergänge zum Positiven, Hellen verwehrt werden. Unsere Vorgenerationen erscheinen als Versager, die man zu verachten hat. Die Politik, die Medien und die Kulturwissenschaften haben Deutschland in die mentale Folterkammer manövriert. Daher die Identitätskrise und die Denksperren vor einer Leitkultur, die ja die zweiwertige Vergangenheit zum gesellschaftlichen und politischen Stabilitätsfaktor machen will.

Der Schaden reicht aber noch tiefer. Von den klassischen Griechen kann man lernen, daß jede beständige Kultur auf Opferbereitschaft beruht. Wer die Kultur und ihr Gewordensein erhalten will, muß dem Nehmen ein Geben gegenüberstellen. Dazu gehören Erinnern und eine Handlungsbereitschaft, die über bloße Steuerzahlungen hinausgeht. Das Geben kann weh tun, ja bis zum Lebensrisiko reichen, etwa bei der militärischen Selbstverteidigung. Wer glaubt, niemandem etwas schuldig zu sein, kann sich aus alledem heraushalten, weder dankbar sein, noch eine Opferhaltung einnehmen. Ich spreche damit den wundesten Punkt unseres defizitären Gesellschafts- und Demokratieverständnisses an. Wer sich davonstiehlt, begeht politischen Selbstmord und untergräbt die Demokratie, die doch auf erarbeitete Zugehörigkeit und dankbare Erinnerung angewiesen ist. Dazu rechnet ein Opfermythos, den ich hier nicht weiter entfalten kann. Seine immense Bedeutung kannst Du bei allen Religionen erkennen, so im Christentum in der Lehre von der Kreuzestheologie. Keine tiefe Verankerung ohne Opfer, ein Existenzial, das im Medien- und Politikbetrieb so leicht ausgeblendet wird. Der Wohlfahrtsstaat als Popanz. Wohlfahrt in der üblichen funktionalistischen und materiellen Form ist das Antidot des Opfermythos. Du kannst die Rolle des Opfergeistes über Religionen, Gesellschaften und Demokratien hinaus auf das Leben schlechthin übertragen, wenn daraus etwas Besonderes werden soll. Keine herausgehobene Leistung ohne persönliche Opferbereitschaft, auf Verzicht und Risikoübernahme. Du mußt dazu nur mal die Biographie eines Musikers oder Schriftstellers lesen.

In einer ruhigen Stunde kannst du die aufgezeigten Stränge behutsam zusammendenken. Es wird ein Menschenbild herauskommen, das mit den gängigen politischen Ideologien nichts zu tun hat. Dort regieren Hypermoral, falsche Gleichheits- und Wohlfahrtspostulate. Lauter Konstruktivismen, die sich die Realitäten zurechtbiegen wollen. Die Genderei als absurdestes Beispiel, womit man nicht allein den gewachsenen Sprachgebrauch ruiniert hat. Jeglicher Opferwille erscheint menschenfeindlich. Man ist sarkastisch eingeübt genug, um den Opfergedanken zu pervertieren und zu instrumentalisieren. Mit einem lauthals verkündeten Opferstatus erreicht man höchste Aufmerksamkeiten. Dutzende Beispiele, ich muß sie Dir nicht nennen.

Was hat das mit Literatur zu tun? Buchstäblich alles. Ein einfaches Beispiel zuerst: Lesen ist mühsamer als die Fingerei auf einem E-Gerät, die Bilder und Kurztexte in Serie ausspucken. Der Buchverkauf ging in den müden westlichen Demokratien bis zu fünfzig Prozent zurück. Dennoch schreiben Literaten dicke Wälzer, und die Jurys vergeben Literaturpreise an mediokre Werke, die ausgereizte Muster bloß variieren. Weder die Kultur- noch die Bildungsverweser haben die Zeichen der Zeit verstanden. Die Literaturszene schrumpft auf einen immer engeren Kreis germanistisch geschulter und marketingversessener Experten, die ein Werk nur preisen, wenn es die Motivladung der Literaturgeschichte antönt. Damit erreichen sie nicht das allgemeine Publikum. Wenn die Literatur der kunstvollste Resonanz- und Speicherraum der jeweiligen Epoche bleiben soll, dann muß sie innovativ agieren und Tabus attackieren. Es ist Mode geworden, Romane zur Selbstermächtigung und Resozialisierung zu schreiben, nicht nur in Frankreich, wo man sich als literarischen Vorreiter versteht. Dem Autismus (»Lite-ratur hat nichts zu sagen«, Maurice Blanchot) folgten der Formalismus und die écriture engagée, alles weit entfernt von dem schönen Satz in der Nobelpreisrede von Patrick Modiano: »Sie (die Literatur) gibt den Menschen, die im Alltag unterzugehen scheinen, und den scheinbar banalen Dingen ihr Mysterium zurück.« Das Mysterium der Literatur, Verzauberung durch Sprache, die das Abgeschattete anklingen läßt im verweilenden Lesen. Auf diesen Geschmack kommt man weder mit Smartphone-Fingereien noch mit einer überangestrengten Identitätssuche. Dazu muß man Betroffenheit empfinden, die aufwühlt, da, wo es wehtut, wogegen man opponiert und wovon man gleichzeitig angezogen wird. So erscheint es wieder, das Opfer, worin die Macht der Literatur erfahrbar wird. Ganz individuell, aber auch im Wellengang der Medien, Schulen und Universitäten. Dabei fungieren Romane und Bühnenstücke nicht als psychologische und gesellschaftliche Reparaturanstalten, schon gar nicht als moralisches Erziehungs- und Selbstfindungsmittel. Wenn ein Gedicht erschüttert, wenigstens innehalten läßt, ist die Einstiegsstufe gefunden.

Alles zu ehrgeizig, zu elitär? Wer das einwendet, übersieht die Wunden, mit denen man in jedem Alter leben muß. Wo es flutscht, wo man unter Bilderbergen begraben ist und unter Textblitzen zusammenzuckt, hat die Literatur nichts mehr zu sagen. Der homo universalis war vor Zeiten ein Weltbürger im humanistischen Sinne, danach mutierte er zum Globalisierer und gegenwärtig zum homo digitalis. Wie es weitergehen könnte, kannst du in der Medienschau dieses WALTHARI-Heftes bei Max Tegmark nachlesen…

Mit nachdenklichem Gruß
Waltharius

Walthari Nr. 64 / 2017

Lieber Freund,
Du fragst, wie weit sich ein Literat (ich beharre auf dem grammatikalischen Geschlecht, um die blödsinnigen Wort-Verdoppelungen und das Geschwänzel der Endungen zu vermeiden), wie weit also sich ein Literat in die Öffentlichkeit vorwagen kann, ohne sich darin zu verlieren? Diese Frage treibt Schriftsteller, wohl alle, seit der Antike um. Auch wenn manche vorgeben, sich komplett zurückziehen zu können, so bleiben sie doch Teil der Gesellschaft, von der sie auf vielfältige Weise abhängen. Natürlich kann man sich in einer Stadtwohnung oder in einer Behausung auf dem Land oder in den Bergen abschotten, dafür gibt es Beispiele genug. Solche Literaten verweigern in aller Regel Interviews, öffentliche Lesungen und die Teilnahme an Protestaktionen. Dennoch sind sie stille Teilhaber an der Öffentlichkeit und beobachten, was in der Welt draußen geschieht. Sie lesen Zeitungen und klinken sich auch ansonsten in die Medienwelt ein. Die neugierigsten unter ihnen, und ohne Neu-gierde bliebe man stumm, informiere sich insgeheim, was in Literaturkreisen geschieht und auf Symposien besprochen wird. Ein Musterbeispiel dafür war Maurice Blanchot (1902 bis 2003!), dem wir zugleich die Beschreibung des zweiten Schriftstellertyps verdanken. Um es kurz zu machen: Der zweite Typ nimmt mit großem Einsatz am öffentlichen Geschehen teil, reitet auch literarisch auf gängigen Themen, mischt sich in die Politik ein und weiß sich in den Medien professionell zu platzieren. Namen muß ich Dir wohl nicht nennen, wenn doch, dann wirst Du auf der langen Liste der Preisverleihungen dutzendfach fündig.

Blanchots große Sympathie gehört dem zweiten Schreibertyp, den wenigen Fundamentalisten, die ganz im Gehäuse der Sprache beheimatet sind und denen die Spannung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit gleichgültig ist. Sichtbare Zeichen für den Status auf dem literarischen Olymp: Verzicht auf Einflußnahme, Macht, Anerkennung, Reichtum, psychische und physische Gesundheit. Die meisten unter ihnen starben früh, was ihrer thanatographischen Einstellung entsprach. Sie waren wirklich einsam und ließen sich nicht durch profane Absichten und Teilhabe kompromittieren. Gemeinsam ist ihnen eine radikale Opferbereitschaft im Dienste der Sprache: Novalis, Hölderlin, Kafka, Musil, Rilke, Mallarmé, der vom »Streik angesichts der Gesellschaft« sprach, ganz in der Tradition Novalis‘: das »Eigenthümliche der Sprache« bestand für ihn darin, »daß sie sich blos um sich selbst bekümmert«. Damit will ich es genug sein lassen, denn ich habe mit diesem Schreiben etwas im Sinn, mit dem der zweite Schreibertyp sein Aufmerksamkeitsgeschäft betreibt und der erste sich im Stillen so lange quält, bis er den Druck nicht mehr aushält.

Worauf die Welt zuläuft, ist so ungeheuerlich, daß man sich nicht auf das poetische Zeigegeschäft beschränken kann, will man sich nicht schuldigt machen. Den literarischen Typen eins ist das zwar gleichgültig, es kommt ihnen ja nicht auf ihre Außenwirkung an, und ihre meist späte, unbeabsichtigte Ruhmwirkung kommt zu spät, um aktuell etwas auszurichten. Die Ungeheuerlichkeiten sind aber so aktuell, daß man nicht warten kann. Auf der anderen Seite agieren die Typen zwei zwar lärmig, verzetteln sich jedoch in Alltäglichkeiten und haben daher kaum einen Blick für die großen bedrohlichen Verschiebungen. Ich rechne mich, es wird Dich nicht überraschen, zu den epikureischen Typen, die sich mit der Frage quälen, wofür sie sich entscheiden sollen: für den Aufschrei oder für den Protest in ihren Werken. Wenig hilfreich ist der Gedanke, daß Romane, Gedichte usw. nur noch von Menschen gelesen werden, die ohnehin Bescheid wissen. Die große Mehrheit ist damit nicht zu erreichen, aber auf sie kommt es im Getriebe an. Denn in einer Demokratie entscheiden Mehrheiten und nicht poetische Kunstwerke. Also bleibt nichts anderes übrig, als gelegentlich die Fahne zu hissen, um seinen Bedenken im medialen Raum Resonanz zu verschaffen, freilich nicht im Stil der ubiquitären und lauten Typen. Genau darum geht es mir, und ich schreibe Dir ausführlich, um Deinen Rat einzuholen.

Als Bevölkerungswissenschaftler und resignierter Entwicklungshelfer stehst du, wie Du mir häufig genug gesagt hast, der Literatur ziemlich fern. Kaum ein Roman im Jahr und dann meist nur angelesen. Lyrik verstehst Du als poetische Spielerei, bestenfalls als Träumerei. Ein Roman könne auch nicht entfernt wiedergeben, was Du mit eigenen Augen gesehen hättest, in Accra zum Beispiel, der Hauptstadt Ghanas, wo auf den Lavender Hills seit einem Jahrhundert Exkremente abgekippt werden und die Stadt im Müll zu ersticken droht. Außer Addis Abeba verfüge in Afrika keine Metropole über eine Kläranlage. Auch in mittleren und kleinen Städten flössen Jauche und Abwässer durch offene Kanäle, vorbei an Blechhütten am Stadtrand. Stinkende Schaumgürtel um jede Stadt. Hilfsgelder aus den reichen Ländern versickerten im Korruptionsnetz und festigten Diktatoren. Was könne dagegen schon ein Roman ausrichten? Er trage zur Gewissensberuhigung im nördlichen Wohlstandsgürtel der Erde bei. Der UNO-Bericht ›World Urbanisation Prospect‹ prognostiziert, ich hab’s gelesen, daß in wenigen Jahren sechzig Prozent der gesamten afrikanischen Bevölkerung in Städten leben werden und damit ein ganzer Kontinent weiter vermüllt. Trotzdem wird die Bevölkerung explodieren, was mit der geringen Beschäftigungsquote der Frauen zusammenhängt. In Niger gebärt im Durchschnitt jede Frau mehr als sieben Kinder, in Somalia mehr als sechs usw., so daß sich die Bevölkerungszahl auf dem Kontinent in wenigen Jahrzehnten verdoppeln wird. Heute leben sechshundert Millionen Afrikaner ohne Strom und sauberes Wasser, daran wird sich nicht viel ändern, weil das Wirtschaftswachstum mit der steigenden Gesellschaftszahl nicht Schritt hält.

Und auch darin sind sich die meisten Forschungsinstitut einig: Zwischen 23 und 39 Prozent der Afrikaner wollen derzeit auswandern, das sind rund sechshundert Millionen Menschen. Und in Zukunft erst? Die Mehrheit strebt in den sozial eingefetteten europäischen Kontinent, dessen Einwohner sich keine Vorstellung machen, was das bedeutet für ihren Lebensstil und ihre Kultur. Und die Politiker hierzulande reden die Lage schön. Damit ist freilich nur eine der weltweiten epochalen Problemlagen angesprochen – ohne die geringste Hoffnung, der Entwicklung Herr zu werden. Du hast es mir selbst so gesagt.

Worin liegt die Hoffnungslosigkeit begründet? In den Unmöglichkeiten: In mehr als fünfzig Ländern der Erde ist die hohe Fertilisationsrate sozial und religiös so stark verwurzelt, daß Abhilfe illusorisch erscheint. Die Anziehungskraft der Wohlfahrtsstaaten ist so gewaltig, daß der Flüchtlingsstrom nicht aufzuhalten ist. Und drittens: Die reichen Länder werden auch durch beste Aufklärung nicht davon lassen, ihre luxuriöse Lebensstile zu halten. Byzanz in historischer Neuauflage. Es liegt an der festgefahrenen Mentalität und am System. Um die Wende herbeiführen zu können, müßte das Lebensniveau in reichen Staaten halbiert werden, halbiert! Schlicht unmöglich. Statt zweimal Urlaub im Jahr nur einmal, statt zwei Autos und mehr nur eines, ganz unmöglich durchzusetzen, auch wenn die Umwelt schon sichtbar kollabiert und Millionen Flüchtlinge vor Grenzzäu-nen lagern. Die Wohlstandsbürger wollen die Fakten nicht wahrhaben und flüchten sich in Scheinlösungen.

Ja, ich stimme Dir zu, mit Romanen und Gedichten sind weder Flüchtlingsströme aufzuhalten, noch eine Überlebensvernunft zu stiften. Alles Ästhetische scheint am Profanen wenig ausrichten zu können, die menschliche Natur entfaltet sich vornehmlich nur in einer der beiden Welten. Hölderlin kann man sich nicht als tüchtigen Verlagskaufmann und zugleich als Dichter vorstellen, es paßt einfach nicht poetologisch zum Typ eins, der ohnehin mit dem Lauf der Welt wenig oder gar nichts zu tun haben will und so alles hinnehmen muß.

Und Typ zwei? Kann er sich rühmen, den Ungeheuerlichkeiten Einhalt geboten zu haben? Lassen sich die Schöpfer der transhumanistischen Gestalten (vgl. die Figuren in meinem Roman ›Stimmen im Labyrinth‹) von deren Protesten und literarischen Aktivitäten beeindrucken? Hören die mächtigen Manipulierer der Natur überhaupt hin, wenn Literaten die genetische und digitale Revolution brandmarken und kunstvoll ins Werk setzen? Nicht einmal die stachelige Alltagserfahrung, daß man nicht mehr Herr seines eigenen Rechners und Telefons ist (alles wird von anonymen Dritten abgegriffen und im Dunkeln verwertet), nicht einmal diese Ohnmacht schreckt die Masse auf. Die einstige Auslieferung des Menschen in der Natur ist der Auslieferung der Natur in der Gentechnologie, der Wissenschaft generell gewichen.

Literaten unterschätzen sträflich den maßlos aufgeputschten szientistischen Geist. Seine Handlanger beherrschen die Technik im Kleinen und Kleinsten wie im Großen und Allergrößten. Literaten kommen meist zu spät, weil sie in den ›harten‹ Wissenschaften nicht zuhause sind und statt dessen lieber Geschichten und Gedichte nach ausgereiztem Muster erfinden. Literatur als nostalgischer Werkstattbetrieb. Ist man endlich erwacht, plappert Typ eins nach, was der Papst als »anthropozentrische Maßlosigkeit« anprangert und als »terrestrische Verantwortung« einfordert. Der Pontifex empfängt die digitalen Inquisitoren, ermahnt sie, richtet aber nichts aus. Die Inquisitoren und Technopotentaten machen ungerührt weiter: mit selbstfahrenden Autos, mit organoptimierenden Genmanipulation usw. Die Hybris der totalen Machbarkeit hat Forscher und Ingenieure zu neuen Göttern installiert. Dagegen nehmen sich wortfeinsinnige Literaten als esoterische Spinner aus, bestenfalls als protestierende Laienschar. Die neuen Weltmelodien werden in Silicon Valley komponiert, nicht in literarischen Zirkeln. Wenn Feuilletons und Jurys sogenannte neue Epochenromane rühmen, hebt in den Forschungszentralen der Konzerne niemand den Kopf. Nüchtern betrachtet gleicht die literarische Szene den vormaligen Schmink- und Puder-Etablissements an Fürstenhöfen, wo es verführerisch geduftet haben soll. Entschieden über Krieg und Frieden haben die Perückenträger, nicht die Perücken.

So nimmt sich die Lage im Anthropozän aus. Auf weitere Ungeheuer will ich heute nicht eingehen. Du hast mir vorgehalten, wie bequem sich manche Schriftsteller in ihrer literarischen Ohn-Macht eingerichtet haben. Vanitas und infirmitas als Pose. Gewiß, aber der Literatur selber wirst Du keine gelernte Hilflosigkeit unterstellen können. Sie bäumt sich werkimmanent und auch lauthals auf und weiß zugleich, daß sie mit ihrem pindarischen Schicksal zufrieden sein muß. Hast Du mir einen Rat?

Mit nachdenklichem Gruß
Waltharius

Walthari Nr. 59 / 2013

Literarische Helden

Mit einem quantendarwinistischen Blick auf die ikonische Wende (iconic turn)

›Helden‹ einst und heute

Länger als drei Jahrtausende feierte die Literatur den strahlenden Helden. Aus dem Kampf mit bösen Mächten und Figuren ging er stets als Sieger hervor. War er anfänglich selber in Böses verstrickt oder an sich böse, so konnte er sich im Laufe des Geschehens läutern und zum Ideal entwickeln. Walther von Aquitanien ist im Walthari-Epos ein Beispiel für die erste Heldenspezies, Gilgamesch im gleichnamigen Epos (Anfang des 2. Jahrtausends vor Christus), kann als Urgestalt für den Läuterungsweg gesehen werden. Es entsprach der geforderten Anregungs- und Vorbildfunktion, aus dem Gewirr des Lebens positive Gestalten herauszupräparieren und sie gegenüber tugendschwachen oder -feindlichen Figuren abzuheben. Die Differenz lag nicht nur im moralischen Unterschied, es konnten auch andere Schwächen den erwünschten Stärken gegenübergestellt werden: Feigheit versus Tapferkeit, Tölpelhaftigkeit versus Gewitztheit, Barbarisches versus Kultiviertheit, Spielsucht versus bürgerliche Gesetztheit, Querulantentum versus Angepaßtheit, Narrheit versus Ernsthaftigkeit usw. Um jeden der vier Pole (moralisch ‒ unmoralisch, stark – schwach) gruppieren sich variantenreich unzählige Helden und Antihelden, meist klar gegeneinander abgehoben, so daß eine Identifizierung mit dem Erwünschten leicht möglich war. Gunther wird im Walthari-Epos als Schwächling dargestellt, in scharfem Gegensatz zu Walther und Hagen. Im alttestamentarischen Buch wird Belsazar (gest. 539 v. Chr.) als Gotteslästerer beschrieben, weil er geraubte Tempelgefäße als Trinkgefäße entweiht; die negative Figur reizte noch Heinrich Heine zur gleichnamigen Ballade (1827). In der europäischen Antike herrschten andere idolatrische Maßstäbe als im christlichen Mittelalter. Bei den Griechen mußten Helden nicht durchweg moralisch im Sinne der Bibel handeln. In der Argonautensage etwa gilt Jason als Idol, weil er das Goldene Vlies zurückerobert, obschon er nach seiner Rückkehr Medea, die ihm geholfen hatte, als Gattin verstößt.

Klare Oppositionen zwischen moralischen und unmoralischen, starken und schwachen Figuren lösten sich mit der Aufklärung zunehmend auf. Das lag an dem sich wandelnden Menschenbild und an den sich verschiebenden gesellschaftlichen und ästhetischen Vorstellungen von Heldenhaftigkeit. Spätestens seit Kant erkannte man, daß Dispositionen des Bösen und der Schwäche zur menschlichen Natur gehören und daß der makellose Held, wie er auch in der Literatur gefeiert wurde, eine Illusion ist. In Goethes Faust agiert Mephisto durchtrieben und verwerflich, Faust aber ist keineswegs sein vorbildhafter Widerpart. Das Zwiespältige im Menschen wurde zwar in Ausnahmefällen immer schon thematisiert (so in Shakespeares Hamlet), dennoch herrschte bis ins 19. Jahrhundert eine recht eindeutige Figurenzuordnung in vorbildliche und verwerfliche Gestalten. Eine Literaturgeschichte, die der Auflösung dieser Einteilung ästhetisch-anthropologisch nachginge, ist noch nicht geschrieben. Der Auflösungsprozeß wurde im 20. Jahrhundert tiefgreifend unterbrochen durch die kulturunterminierenden Greuel der beiden Weltkriege. Besonders mit den Nazi-Schergen betrat ein Ausbund des Bösen die Weltbühne, womit die These, nach der auch noch in der verruchtesten Figur gute Seiten zu entdecken seien, erschüttert wurde. Es gibt sie offenbar, die absolut bösen Charaktere, die dem Verwerflichen total verfallen sind, was für offenbarungsgläubige Theologen keine Überraschung ist. Denn die Bibel, der Koran und wohl die meisten Schöpfungsgeschichten lassen an der Existenz des absolut Bösen keinen Zweifel. Der seit den Vorsokratikern einsetzende europäische Aufklärungsprozeß unter der Herrschaft der Vernunft, der sich ab dem 18. Jahrhundert beschleunigte, konnte es sich als kulturellen Fortschritt anrechnen, ein differenziertes Menschenbild entdeckt (genauer: entwickelt) zu haben. Darin haben Schwarz-Weiß-Zeichnungen keinen Platz mehr. Beleg dafür ist u.a. das ›Handbuch Anthropologie‹ (2009; rezensiert im WALTHARI-Portal), das die Opposition
Gut ‒ Böse nicht in ihren Begriffskanon aufnimmt, das Böse nur verstreut anspricht, das Gute lediglich indirekt unter den Stichworten ›Naturalisierung der Ethik‹ und Unmenschlichkeit anspricht. Ganz allgemein wird die ›Neigung‹ des Menschen, für das Gute oder Böse heroisch einzutreten, nicht so sehr oder gar nicht von seiner biologischen Veranlagung oder gar schöpfungssystematisch begründet, sondern von den gesellschaftlichen Verhältnissen her. Auch die Soziobiologie verkündet eine an sich richtungs- und wertfreie Offenheit des Menschen, die sozial geprägt wird. Der Unterschied ist essentiell: Das Böse schrumpft auf Gewaltfreiheit.

Zum Ergebnis dieser geistesgeschichtlich hochdramatischen Entwicklung rechnet, aufklärerisch gesprochen, eine regressive Figurenzeichnung, weit über die Literatur hinaus. Gehörte es lange Zeit zum unbezweifelten Bestand im modernen Menschenbild, daß es den rein guten oder rein bösen Helden nicht gibt, so widerlegte die Geschichte zumindest das negative Postulat. In der Literatur lebte der diabolische Bösewicht wieder auf, während gleichzeitig die durchgängig heroische Figur keine Aufnahme fand. Diese Asymmetrie gibt den Rahmen ab für Figurenvariationen im alten Aufklärungsstil: Die gezeichneten Charaktere sind moralische Mischwesen und agieren als kleinformatige ›Heroen der Alltäglichkeit‹. So besteht eine aufklärungs- und literaturtheoretische Lizenz für den absolut verwerflichen Täter, wobei in der Regel offen bleibt, ob dessen Wurzeln soziobiologisch oder essentiell-schöpfungs¬polar zu verorten sind. Hier zeigt sich die moderne Literatur gleich doppelt in Überzeugungsnöten: den durchtriebenen Bösewicht läßt sie, geschichtsbelehrt, zu, der heldenhaften ›reinen Seele‹ hingegen versperrt sie den Zugang; und sie schreckt außerdem davor zurück, sich zu entscheiden, ob das Böse bloß ein sozialkonstruiertes Produkt ist oder eine evolutionsimmanente Potenz, die sich im Menschen entfalten kann.

Diese Schieflage in der Literatur steht in auffälligem Gegensatz zum Idolenwesen in Politik und Sport, Musik, bildenden Kunst u.a.m. Zwar legt man hier keine moralischen Maßstäbe an, es handelt sich um Virtuosen in ihrem jeweiligen Fach, aber immerhin um das anerkennende Hervorheben besonderer Leistungen. Solche Idole werden trotz moralischer Makel verehrt. Verkündet man mit dem Heldenbegriff vor allem Mut zum Risiko und aufopferndes Handeln, so kann man einem Idol, sagen wir einem Dirigentenstar, Züge beider Heldeneigenschaften nicht absprechen. Auch Künstler brauchen Mut zum Risiko. Wagnersänger z.B. haben vierstündige Aufführungen aufopfernd durchzustehen. Solche Gestalten sind zwar weit entfernt von den Heldenvorstellungen in antiken und mittelalterlichen Epen, aber selbst die geminderte Form ist heutzutage kaum literaturfähig. Ein Dirigentenstar kann nur zur Romanfigur werden, wenn man ihm problematische Züge andichten kann. ›Saubere‹ Figuren gelten als langweilig, weil lebensfremd, ganz im Gegensatz zu den abgründig negativen Protagonisten. Die Asymmetrie läßt sich am Wandel des militärischen Heldentums in Deutschland anschaulich studieren. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gedachte man »unseren gefallen Helden« auf Denkmälern und Feiern. Der preußische Napoleonbezwinger Blücher etwa wurde als Held hoch geehrt. Es waren die absurden Untaten im Ersten und Zweiten Weltkrieg, die selbst heroische Einsätze bei genialen militärischen Schachzügen später einer Heldenverehrung entzogen. Im Fall Rommel wurde dieser Bruch erst jüngst filmisch demonstriert. Dem einstigen Helden Hindenburg entziehen neuerdings manche Städte die Ehre eines Straßennamens. Was vor einhundert Jahren als positive außerordentliche Tat (ein notwendiges Heldenmerkmal) bewertet wurde, ist einem Mentalitätswandel zum Opfer gefallen – allerdings nur in Deutschland. Frankreich, Polen, Rußland, England, kurz: rings um Deutschland werden militärische Helden ungebrochen verehrt, sogar dann, wenn ihnen schwere Verbrechen anzulasten sind (Napoleon, Bomber-Harris u.a.). Hierzulande hingegen ist der positive Heldenstatus abgeschafft. Der Zwiespalt geht sogar so weit, daß Rommel in den USA und in England bewundert wird, während seine Landsleute ihn aus dem heroischen Pantheon verbannt haben.

Ein quantendarwinistischer Blick auf die ikonische Wende

Die Heldenproblematik erscheint aus der Sicht der ikonischen Wende in einem neuen Licht. Nach den Erkenntnissen der Kultur- und insbesondere der Bildwissenschaften kommt Bildern nicht allein die Rolle ergänzender Information zu Texten zu (Illustration), sie selber besitzen einen eigenen Logos schon deshalb, weil sie bereits vor der Sprachentwicklung dem Bewußtsein lebenswichtige Informationen liefern. Entwicklungsgeschichtlich rangiert daher die primäre Anziehungskraft von Bildern vor der Sprache. Menschen sind danach grundlegend (im bewußtseinspsychologischen Sinne) visuell konditioniert, was die Bildverfallenheit in der Medienwelt erklärbar macht. Alles Denken und Sprechen kann nach dieser Lehre als bildgrundiert betrachtet werden.

Die ikonische Wende nimmt dramatische Züge an, wenn man auch die kulturelle Entwicklung quantendarwinistisch interpretiert. Bekanntlich erklärt die Evolution die biologische Entwicklung mit den Kriterien Mutation, Lernen und Selektion. Alles sei auf survival of the fittest ausgerichtet. Das gelte auch, so die umfassende Variante, im kosmologischen Maßstab. Ob Zufall oder Plan, das evolutionäre Spiel sei auf die Verhältnisse unserer Erde zugelaufen, wo eine menschliche Entwicklung und damit die Geistwerdung in Gang gekommen sei. Dieses anthropische Prinzip kann mit einer quantendarwinistischen Unterstützung rechnen. Nachweislich entsteht Materie aus vieldeutig überlagerten Mikrowellen (vgl. WALTHARI-Heft 56: ›Im Quantenkosmos‹). Nach dem bekannten Physiker Hans-Peter Dürr gibt es »im Grunde… nur Geist. Aber dieser Geist ›verkalkt‹ und wird, wenn er verkalkt, Materie« (in: ›Das Leben lebendiger werden lassen‹, 2011, S. 25). Verstofflichung bedeutet ein Wechsel von der quantenpragmatischen Vieldeutigkeit zur Eindeutigkeit, vom Möglichkeitsraum zum Eindeutigkeitsraum unserer Alltagswelt. Dieser Prozeß findet ständig statt, auch auf der Kulturebene, die evolutionär, als biosozialer Organismus, ebenfalls den evolutionären Kriterien unterliegt, einer Auslese also, einem Lernprozeß und der Mutation. Erzählen als Kulturphänomen folgt demnach darwinistischen Regeln, darunter dem auslesenden Wettbewerb. Diese kühne Analogie entstammt nicht esoterischen Kultkreisen, es sind US-amerikanische Wissenschaftler, die in einer der angesehensten Zeitschriften (Science 332, S. 654, Jg. 2011) eine soziobiologische Interpretation von Romanen und Epen, von Literatur überhaupt, vorschlagen. Dazu führen sie Beispiele an: Homers Helden kämpfen gegeneinander nicht so sehr aus einem Rache- oder Ehrmotiv, vielmehr vollführen sie untereinander einen Ausleseprozeß angesichts des Mangels an gebärfähigen Frauen. Literaturdarwinisten weisen den Romanfiguren einen evolutionären Lesenutzen zu: Bösewichte werden verabscheut, sie stärken Verhaltensmuster, wie sie zum Überleben wichtig sind. Mit positiven Helden identifiziert sich der Leser, um seine ebenfalls überlebenswichtige Kooperationsbereitschaft aufzufrischen. Aus soziobiologischer Sicht dient somit auch die Literatur dem Fortbestand der menschlichen Spezies, indem sie individuell und kollektiv einen soziobiologischen Überlebensnutzen stiftet. Zweifellos erschöpfen sich Kunst und Literatur nicht in dieser doppelten naturalistischen (quantenpragmatischen und darwini¬stischen) Interpretation. Beide ästhetischen Phänomene begleiten zwar alle Kulturentwicklungen; das läßt sich historisch leicht belegen. Es wird auch nicht zu bestreiten sein, daß sie als kulturrevolutionäre Produkte selektive Vorteile verschaffen: kulturell und literarisch hochentwickelte Völker haben die besseren Überlebenschancen, wenn sie diesen Vorteil zu nutzen verstehen. Das ist aber ab einer bestimmten Reifephase meist nicht mehr der Fall. Der Untergang kulturell hochstehender Völker (Hellas, das Römisches Reich, das Gotenreich in Spanien u.v.a.) liefert dafür schlagende Beweise. Geblieben sind heldenhafte Mythen: überlebt haben mit ihnen Kunst und Literatur, nicht die soziobiologischen Manifestationen.

27. Januar 2012

Sehr geehrter …,
in einem Feuilletonbeitrag haben Sie, nach drei Jahren der Abstinenz, zu einem Rundumschlag ausgeholt … es verstärkt die öffentliche Debatte, die in Deutschland längst nicht so heiß und aktuell geführt wird wie in Frankreich.

Sie beklagen die Kluft zwischen Arm und Reich, den »Ruin des Sozialstaates«, »die Privatisierung und damit Ökonomisierung aller Lebensbereiche«, »die Blindheit für den Rechtsextremismus«, »das Geschwafel der Medien«, »die offene und verdeckte Zensur« u.a.m. Die Politiker seien gar nicht mehr in der Lage, sprachlich die Wirklichkeit abzubilden, womit Sie sich an die Verhältnisse wie einst in der DDR erinnert fühlen – ein scharfer Hieb, den Sie sich als ehemaliger DDR-Bürger erlauben können. Der Hieb trifft ebenso ins Schwarze wie Ihr Satz: »Unser Gemeinwesen wurde und wird von den demokratisch gewählten Volksvertretern systematisch gegen die Wand gefahren…« Auch dies kein neuer Befund, doch kann man nicht oft genug darauf hinweisen. … Indes regt sich Widerstand allerorten, freilich diffus und nicht selten mit Altmüll belastet. Häufig geistlos und ohne historische Bildung. Die Netzposteingänge und das »Geschwafel der Medien« belegen es täglich.

Man muß sich im Klaren sein: Wer das Fernsehen einschaltet, hat es mit einem kollektiv meinungsprägenden Giganten zu tun, der ohne Abnehmerkontrolle sein Geschäft betreibt. Vermutlich nur wenigen Lesern der überregionalen Presse ist bewußt, daß sie großkalibrige Infogeschütze in Händen halten, deren Feuerkraft soziale Existenzen auslöschen und Firmen ruinieren können. Feuern sie abgestimmt, wie derzeit im Falle des Bundespräsidenten, erschüttern sie, um ihre Macht zu demonstrieren, die halbe Republik und jagen den Bürgern Angst und Schrecken ein. So wenig das Verhalten des Bundespräsidenten Anlaß gibt, ihn zu verteidigen: die Dauerkampagne ekelt vermutlich die meisten Bürger an und zeugt von einer demokratieverachtenden Medienhybris. Quotengeilheit und Wirkungshybris sind die antreibenden Mediengötter. Die großen Meinungsmacher bestimmen, was kollektiv gedacht werden darf und was nicht.

Sie schreiben: »Der Bürger wird auf den Verbraucher reduziert.« Genau so schlimm ist, daß er am medialen Gängelband geführt wird, täglich, ja stündlich. Geschickt präsentieren sich die Mediengrafen als schlichte Zeitgenossen, harmlos wie freundliche Nachbarn, wo sie doch über eine gewaltige und gewalttägige Feuerkraft verfügen, der keine wirksame Gegenmacht gegenübersteht.

Es grüß Sie
Erich Dauenhauer

Erinnern im Erinnern nach 25 Jahren

Brief an Václav Hável

Walthari Nr. 65 / 3. Juni 2002

Werter Herr Hável,

daß Menschen sich durch eigene Machtgelüste oder gesellschaftlichen Druck korrumpieren lassen, ist wahrlich kein seltener Fall. Wenn freilich Schriftsteller, die ihr halbes Leben lang gegen die Willkürherrschaft angelebt haben und sich ihrer demokratisch-humanen Überzeugung wegen haben einkerkern lassen, später ohne persönliche Not sich so verhalten wie die schwächlichsten Figuren in ihren Romanen oder Bühnenstücken, erzittert die Fraktion derer, die bislang an literarische Moral geglaubt haben. Denn moralisches Versagen von Literaten ist nicht einfach eine subjektive Tragödie, es wird als Unfall mit weitreichender Wirkung empfunden.

Was ist geschehen und geschieht immer noch, um mit guten Gründen Ihren Namen mit einem solchen Unfall in Verbindung zu bringen? Sie sind Tscheche – mit drei Gesichtern aus drei Lebensperioden. Als Dramatiker und Dissident durchlitten Sie die Diktatur der Kommunisten (übrigens: wo sind diese Leute heute?) und erfreuten mit Ihren Stücken den Westen. In dieser Rolle stiegen Sie zur Kultfigur des literarischen guten Gewissens auf. Nach der friedlichen, völlig unblutigen Revolution in Deutschland schaffte auch Ihr Land die Wende und hob Sie in die Position des Staatspräsidenten. Zwar kein Philosoph im Sinne Platons, aber immerhin ein leidgeprüfter Poet an der Spitze eines Staates, der sich demokratisch einzuüben begann – das weckte Hoffnungen und vermehrte Ihre Preissammlung und weltweite Anerkennung.

Doch aus diesem Amt erwuchs Ihnen ein zweites Gesicht, jenes, das man in der politischen Arena nur wendigen Überlebenskünstlern zubilligt, die den Versuchungen der Macht erlegen sind. Wir wissen es tausendfach aus der Geschichte: Wer einmal die politische Macht gekostet hat, kommt kaum mehr davon los, er ist süchtig geworden und opfert dieser Sucht fast alles, seine Gesundheit und notfalls auch seine früheren Überzeugungen. Ich trete Ihnen nicht zu nahe, wenn ich exakt diese Wandlung an Ihnen beobachte. Trotz schwerster Krankheit bleiben Sie im Amt und vernachlässigen ihr schriftstellerisches Talent. Haben Sie auch Ihre ehemals so hehren Überzeugungen geopfert? Sie stehen einem ethnisch gesäuberten Volk vor, das heute noch mehrheitlich der Auffassung ist, die Vertreibung von über drei Millionen Deutschen nebst einer nicht geringen Anzahl von Ungarn sei eine gerechtfertigte, ja gerechte Sache gewesen, eine legitime Bestrafung. Die vertriebenen Sudentendeutschen werden von allen Parteien und von sämtlichen politischen Führern Ihres Landes pauschal mit den Nazis oder Nazihelfern in Verbindung gebracht. Daher verteidigen die Regierung, das Parlament und auch hohe und höchste Gerichte Ihres Landes die Beneš-Dekrete und das Amnestiegesetz vom 8. Mai 1945, das alle Verbrechen, die an den Deutschen, die bis zum 28. Oktober 1945 verübt wurden, im voraus für straffrei erklärte. Und diese Straffreiheit gilt bis heute. Wer die Beneš-Dekrete und die vorausgegangenen Londoner Aufrufe Beneš’ (im Rundfunk) nachliest, findet darin Ermunterungen zum Völkermord und zur Vertreibung – und so geschah es denn auch: Ich erinnere

– an den Todesmarsch von Brünn,
– an das Blutbad auf der Brücke von Aussig,
– an die Massenmorde in Wostromiersch,
– an die Erschießungen in Totzau
– an die Morde im Konzentrationslager Mörischau bei Pilsen,
– an die Hinrichtungen in Postelberg und Nachod,
– an die Massaker an deutschen Soldaten durch die Zivilbevölkerung in Nachod u.a.m.

Lauter unsägliche Verbrechen, d.h. Massenmorde, Massenvertreibungen, Massenenteignungen, begangen an Sudetendeutschen (und Ungarn), die bis heute durch fortgeltende Dekrete, durch neuerlichen Parlamentsbeschluß und sogar durch höchstrichterliche Urteile gedeckt werden – eine unfaßbare politische und rechtliche Verrohung.

Sie, Herr Hável, stehen einem Staat vor, dessen Verfassungsgerichtshof (in Brünn) am 8. Mai 1995 in seinem sog. Dreithaler-Urteil für Recht erkannt hat, daß die Konfiskations- und Nationalisierungsdekrete »lediglich eine angemessene Reaktion auf die Aggression des nazistischen Deutschland« waren. Man übernehme die Verantwortung, aber keine Schuld, heißt es in einem neuerlichen Dokument des Außenministeriums Ihres Landes. Das ist politischer Zynismus und ein Justizskandal der europäischen Sonderklasse, es ist staatlich gedeckter Rassismus.

Damit aber noch längst nicht genug des menschen- und moralverachtenden Gesinnungssumpfes in Ihrem schönen Land, das von seinem westlichen Nachbarn hätte lernen können, wie man sich zur eigenen historischen Schuld bekennt. Mit ihrer wahnwitzigen Rabulistik scheuen sich tschechische Politiker nicht zu verlangen, daß die Beneš-Dekrete Bestandteil der europäischen Rechtskultur werden sollen und dies, obschon das Europäische Parlament im April 1999 die Tschechei aufgefordert hat, »die fortbestehenden Gesetze und Dekrete aus dem Jahre 1945 und 1946 aufzuheben, soweit sie sich auf die Vertreibung von einzelnen Volksgruppen in der ehemaligen Tschechoslowakei beziehen«.

Ihre Landsleute und politischen Führer haben in der deutschen Bundesregierung und im Bundestag indirekt gute Verbündete. Im Jahre 1992 unterzeichneten die Regierungen unserer beider Länder einen sog. Nachbarschaftsvertrag, der auch von beiden Parlamenten in Bonn und Prag angenommen wurde und der beide Seiten verpflichtet, »die Folgen der leidvollen Kapitel der gemeinsamen Geschichte in diesem (20.) Jahrhundert zu bewältigen«.- Doch wie fiel die parlamentarische ›Bewältigung‹ in Ihrem Lande aus? Während die deutschen Parlamentarier ein uneingeschränktes Schuldeingeständnis Deutschlands zu Protokoll gaben, waren die tschechischen Abgeordneten nur bereit zu bedauern, daß durch »Enteignung und Ausbürgerung unschuldigen Menschen viel Leid und Unrecht zugefügt wurde«. Ausbürgerung statt Vertreibung; viel Leid und Unrecht statt Massenmord – daß die deutsche Seite diese Verharmlosung staatskriminellen Handelns hingenommen hat, sollte sich alsbald rächen. Denn Miloš Zeman, der Ministerpräsident Ihres EU-willigen Landes, verstieg sich jüngst erst in ungeheuerliche Beleidigungen der Opfer und ermunterte das Außenministerium Ihres Landes zu der Verstiegenheit, die seinerzeitige Vertreibung und entschädigungslose Enteignung als »unvermeidliches Übel« zu klassifizieren. Ethnische Säuberungen in Ihrem Land als unvermeidliches Übel – der moralische Nullpunkt in Prag.

Um den tschechischen Lügensack voll zu machen, wird allen Ernstes behauptet, die »Vorgänge« hätten dem Aufbau der Demokratie in Ihrem Land gedient. Beneš: ein Demokrat und die Tschechoslowakei der Jahre 1945 und 1946 eine Demokra-tie? Soll man vergessen, daß Beneš schon am 12. Dezember 1943 in dem Freundschaftsvertrag mit Stalin die Zustimmung erhalten hatte, nach dem Krieg die Sudentendeutschen zu vertreiben? Daß Beneš den ebenfalls im Exil lebenden Nazigegner und späteren Sprecher der Sudentendeutschen, Wenzel Jaksch, schon 1943 als Landesverräter bezeichnet hatte? Kein Zweifel, die Massenvertreibung und Massenmorde waren lange vorbereitet und von Anfang an gewollt – und unverändert politisch gewollt sind sie bis heute!

Und wie verhalten Sie sich? Hochskandalös. Anders läßt sich Ihr drittes Gesicht nicht beschreiben. Kurz nach der Wende plädierten Sie für das Eingeständnis tschechischer Schuld. Anderes hätte niemand von Ihnen erwartet. 1991 boten Sie den Sudentendeutschen in Geheimverhandlungen die doppelte Staatsbürgerschaft an, wenn die deutsche Seite bereit gewesen wäre, einen »dicken Schlußstrich« unter den tschechischen Holocaust zu ziehen. Vermutlich hat Kanzler Kohl dieses Angebot ausgeschlagen, man weiß es nicht, es wurde ja geheim verhandelt. Dann aber gerieten Sie im eigenen Land mächtig unter Druck, zogen das Angebot eilig zurück und wollten einen »Schlußstrich« mit dem schäbig ausgehandelten Nachbarschaftsvertrag von 1992 erreichen. 1995 schwenkten Sie in einer Rede an der Prager Karlsuniversität auf die rassistische Position der Regierung ein – ein Hohn schon auf den Spiritus loci, denn diese Universität, gegründet 1347, war die erste im deutschen Reich und lange Zeit ein Muster für eine friedliche Zusammenarbeit europäischer Magister und Scholaren. Hoffnung auf anhaltende Vergangenheitsverdrängung konnten Sie noch 1997 aus dem schäbigen Diplomatenstück der sog. Deutsch-tschechischen Erklärung schöpfen, wonach künftig beide Seiten »ihre Beziehungen nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden politischen und rechtlichen Fragen belasten«! Es rettet Sie nicht, daß Sie in einer ARD-Sendung vom 31. Mai 2002 »klarstellten«, die Vertreibung der Sudentendeutschen nie gutgeheißen zu haben. Wie paßt das zu Ihrer Haltung gegenüber dem ›Demokraten‹ Beneš? Auch machtpolitisch korrumpierte Schriftsteller winden sich taktisch durch die Zeitläufte: Zwar nehmen Sie die rassistischen Äußerungen des Regierungschefs Ihres Landes, Zeman, und seines Stellvertreters, Spidla, »sehr ernst« (!), hatte doch Spidla die Frechheit, die Vertreibung als »Quelle des Friedens« zu bezeichnen. Ihr Kommentar im deutschen (!) Fernsehen ist keine klare Distanzierung: »So etwas freut (!) mich überhaupt nicht.« Zwischen Unfreude und Ablehnung besteht ein Unterschied. Das war zudem mit Blick auf den EU-Beitritt Ihres Landes gesagt.

Man muß Ihre moralischen Volten in Zeitlupe mental wiederholen: Václav Hável verteidigt die Beneš-Dekrete mit der Begründung, (1) sie seien aus den schrecklichen Erfahrungen nach dem Münchner Abkommen verständlich und (2) Beneš habe sich zu den »besten liberalen und demokratischen Traditionen« bekannt. Wohlgemerkt: Beneš, der Anstifter zum Völkermord und zur Massenvertreibung – diesen Polit-Kriminellen suchen Sie zu salvieren.

Geben Sie Ihre vielen Preise und Auszeichnungen, mit denen man Sie als Hoffnungsträger im Westen ausgezeichnet hat, zurück! Schreiben Sie Ihre Stücke um und erklären Sie Ihren enttäuschten Verehrern: Ich, Václav Hável, der Beneš-Apologet, stehe dazu. Beste demokratische Traditionen in Ihrem Land? Die ungarischen und deutschen Bürger wurden seit 1918 diskriminiert. Die Slowaken enteigneten schon vor dem letzten Weltkrieg ungarische Grundbesitzer. Bei staatlichen Aufträgen gingen Deutsche und Ungarn leer aus – lange vor 1938. Vergessen Sie nicht, was bei der Volkszählung 1921 herauskam: 59,8 % Tschechen, 23,4 % Deutsche, 5,6 % Ungarn, 14,7 % Slowaken und 3,4 % Ruthenen. Dennoch wurde Deutsch und Ungarisch nicht als Staatssprache an-erkannt, wohl aber das Slowenische. Vergessen Sie weiterhin nicht: Die ersten Opfer der einmarschierten Nazis waren Sudentendeutsche: Tausende steckte man in Konzentrationslager; die schätzungsweise 30.000 in die Rest-Tschechoslowakei geflohenen Sudentendeutsche wurden von tschechischen Behörden an die Nazis ausgeliefert! Und das angeblich demokratische Beneš-Regime unterhielt 1945 mehr als 1.200 Konzentrationslager (centracni tabor) – für wen wohl?

Die Blindheit, mit der in Prag auf Moral, Geschichte und Rechtskultur herumgetrampelt wird, erinnert mich an… Doch die Geschichte hat noch jede Selbstsalvierung irgendwann nachtherapiert. Eine moralische Entwüstung Prags in Sachen Beneš steht noch bevor.

Einstweilen mit Nachtgedanken bei Ihnen im Hradschin.
Waltharius

Erstveröffentlichung des Volltextes in der elektronischen Ausgabe der Literaturzeitschrift ›Walthari‹ am 3. Juni 2002. – © WALTHARI®

Walthari Nr. 34 / 2000

Zur gentechnischen Umgeburt des Ich
Literaturbrief zur Anthropodizee

Herrn Kollegen
Peter Sloterdijk
Feuilletonopfer und trotziger Sphärologe

Sehr geehrter Herr Kollege,
nachdem der Lärm beleidigter Feuilletonisten abgeebbt ist (s. den Beitrag zu deren geschmacksgräflichem Benehmen in diesem WALTHARI-Heft: Feuilletontribunale), nachdem also die Blättchenmacher spruchweise sich wieder einmal kräftig verhustet haben, nehme ich mir Ihr ›Antwortschreiben zum Brief über den Humanismus‹ in der Internetausgabe zum zweiten Mal vor und greife Ihren schönen Gedanken vom ›Kettenbrief‹ auf, mit dem ein ›unbekannter Freund… zum Beitritt in den Freundeskreis zu bewegen‹ sei. In der Tat: ›alle Humanismen‹ leben vom ›kommunitarischen Phantasma auf das Modell einer literarischen Gesellschaft…, in der die Beteiligten durch kanonische Lektüre ihre gemeinsame Liebe zu inspirierenden Absendern entdecken‹.

Ich fühle mich also eingeladen, ein Wegstück mit Ihnen zu gehen, um aus meiner Perspektive auf Ihre, zugleich auf unsere gemeinsame, von Dritten zerrupfte Sache einzugehen, mehr plaudernd als systematisch ordnend, wie es sich für Spaziergänger eben gehört.

Meine Perspektive auf die Humanität ist ökonomisch eingefärbt. Ich sehe schon Ihre skeptischen Blicke, sind es doch gegenwärtig die Ökonomen in Wissenschaft und Praxis, die globalisierend die halbe Welt ummodeln und den Menschen aus der Nachbarschaft zum Sein weglocken – hin zu Geld, Macht, Ruhm, kurz: zum oberflächlichen Treiben, mit dem man die Erde, diese singuläre kosmische Perle, zertrampelt bis in die letzten Urwaldreservate. Dagegen nehmen sich die von der ›Kaste der Alt- und Neuphilologen‹ bewachten und seit Nietzsche gebeutelten ›Gymnasial¬ideologien der bürgerlichen Nationalstaaten‹, die, das antike Humanitätsideal überkanonisierend, verfehlt haben, geradezu als leichte Spielverfehlungen aus. ›Seiner Substanz nach‹, schreiben Sie, ›war der bürgerliche Humanismus nichts anderes als die Vollmacht, der Jugend die Klassiker aufzuzwingen und die universale Geltung nationaler Lektüren zu behaupten.‹

Unvergleichlich seinsvergessener und damit humanitas-ferner wirken sich die ökonomischen und die damit einhergehenden medialen sowie gesellschaftlich-politischen Globalisierungen aus. In dieser Massenkultur ist Literatur als humanistisches Medium zur Subkultur degeneriert: statt lesend aktiv nachzudenken, läßt man sich von ›Enthem¬mungsmedien‹ denk-entwöhnt unterhalten.

Wo bleiben Ihre kritischen Einwände? höre ich Sie fragen. Geduld, Geduld, wir spazieren ja gesellig die erste Strecke gemeinsam; ich werde schon noch stehenbleiben und an einer Kreuzung Ihren Richtungssinn verunsichern. Wie könnte ich denn auch für’s erste Ihrer These widersprechen, daß das ›amiable Modell der literarischen Gesellschaft‹, an dem sich neuzeitlicher bürgerlicher Gymnasialhumanismus vergeblich versucht hat, in Zeiten globaler Rasereien noch geringere Möglichkeit hat, sich in der Welt einzurichten? Die Renaissance, die Aufklärung, vor allem aber die deutschen Romantiker haben das Modell zu leben versucht, ehe Nietzsche das gescheiterte Vor-Haben (!) als Konkursverwalter gnadenlos bilanzierte.

Wenn ich Ihnen lesend weiter folge, kommen Sie mir wie ein moderner Diogenes Laertius vor, der, ehe er in sein Corpus mysticum einkehrt, den Horizont abschreitet und erbarmungslos referiert: Alle ›Reanimationen des Humanismus‹, befinden Sie, versackten im ›Schwärmen‹ und versagten schon im Vorprogramm zum Ziel, nämlich den ›Menschen aus der Barbarei‹ zu holen und sein ›barbari¬sches Potential‹ zu zähmen. Gefeiert werden demgegenüber die ›aktuellen Verwilderungstendenzen beim Menschen‹ und die ›alltägliche Bestialisierung des Menschen in den Medien‹ – in Gestalt ›enthemmter Unterhaltung‹. Gefeiert wird die Bestie, nicht gezähmt – so ist es.

Lange vorher schon, in der Antike, habe das Buch den Wettlauf mit dem blutrünstigen Amphitheater verloren, und in der Moderne sei die Langsamkeitskultur des Lesens im Wettlauf mit der Beschleunigungszivilisation des alltäglichen Medientheaters, das um keinen Tropfen weniger existenzvernichtend agiert als die Menschenhatz-Gaudis in römischen Arenen, hoffnungslos unterlegen. Vom Humanisten fordern Sie ›Abstinenz von der Massenkultur in den Theatern der Grausamkeit‹ – das gehört zur Selbstachtung, ist aber noch keine Lösung vom Schrecken, den die ›entmenschende Eskalation der theatralischen Brüllmeute‹ verbreitet. Nebenbei: Bei dem Wort ›Brüllmeute‹ werden Sie nicht nur an die heutigen Luxusarenen im Sport-, Unterhaltungs- und Politikbetrieb gedacht haben.

Auf unserer Wanderung stoßen wir auf Heideggers Berghütte, unausweichlich schon vom Thema her. Wir lassen uns eine Weile nieder in der Aura der existential-ontologischen Seinsweise im ›Hochland mystischer Besinnlichkeit‹. Hier erfahren wir, daß der Humanismus als antikes, christliches, aufklärerisches und marxistisches Programm der Menschwerdung an der Menschenwesensfrage vorbeigeführt hat; denn, so fügen Sie hinzu, der Mensch sei kein animal rationale, sondern ein biologisch offenes und moralisch ambivalentes Wesen, wogegen sich der Hüttendenker ärgerlich mit dem Argument wehrt, vom Gewächs und Getier hin zum Menschen gebe es kein ontologisches Kontinuum; einzig der Mensch werde vom Sein angesprochen und sei zum Hüter des Seins berufen; deswegen habe er Sprache, die mehr sei als ein Verständigungsmittel. Worin mehr, das erfahren wir beide aus den Worten des Pastoralphilosophen: »Vielmehr ist die Sprache das Haus des Seins, darin wohnend der Mensch ek-sistiert, indem er der Wahrheit des Seins, sie hütend, gehört. So kommt es bei der Bestimmung der Menschlichkeit des Menschen als der Ek-sistenz darauf an, daß nicht der Mensch das Wesentliche ist, sondern das Sein als die Dimension des Ekstatischen der Ek-sistenz.« Wir verstehen: die Kehre.

Wenn nicht der Mensch das Wesentliche ist, sondern das Sein, und wenn die Bestimmung der Menschlichkeit, die Humanität also, nicht aus dem Menschen herauszupräparieren ist, vielmehr aus seiner Funktion als Hirte des Seins, die ihn in ›die Dimension des Ekstatischen der Ek-sistenz‹ zwingt, dann haben wir es mit einer fundamentalen Perspektivverschiebung zu tun. In der Ekstase tritt der Mensch aus den gewohnten Lebensbezügen heraus und gelangt zu einem herausgehobenen, eben ek-sistenten Bewußtsein. Im Außer-sich-Sein kommt der Mensch erst zu sich selber. Darin findet die ontologische Besinnung statt, auf einer Lichtung, wie Heidegger sagt, in deren Helle Mensch und Sein zu Nachbarn werden. Mehr noch: Sobald die ›ahnungsvollen Wenigen‹, die den Sprung ins ›Ekstatische der Ek-sistenz‹ gewagt haben, dem Sein nahe sind, werden sie von diesem zu seinem Hüter ernannt – still, mental weit entfernt von der Brüllmeute, dennoch aber mitten in der Welt, ganz nah bei den Dingen, die gelassen und achtsam zu hüten sind.

Für esoterische Existenzen können also Lichtungen überall sein, ›wo das Sein aufgeht als das, was da ist‹, weil die Welt offen ist. Der Mensch muß sich allerdings darauf verstehen, im Haus der Sprache zu wohnen und aufmerksam darauf zu hören, was das Sein ihn ahnen läßt.

›Das Sein also schickt die entscheidenden Briefe, genauer gesagt, es gibt Winke… an gesammelt stille Hirten‹ – darin stimmen gewiß alle Weisen überein. Auf diesem Weg werden die Wenigen entbestialisiert. Weder ein neuhumanistischer Bildungskanon noch ein umfassendes Gebildetsein, sagen Sie, führen zur ekstatischen Existenz, die abwartend im Hause der Sprache lauscht, ›was vom Sein selbst her zu sagen aufgegeben‹ sei. Im stillen Warten werde der Mensch gezähmt.

Mit dieser Zu-Mutung hat sich schon Heidegger viel Ärger eingehandelt, denn die ›dunkle Kommunion‹ in der ›unsichtbaren Kirche von verstreuten Einzelnen‹ ist dem investigativen und scheindemokratischen Zeitgeist und selbst noch einem aufgeklärten Denken teuflisches Ekelwerk: Askese, Stille, Ekstase, Elitäres und dann dieses ominöse Sein – zwar lauter Mahnschilder für die rasenden Missionare der technisch-ökonomischen Zivilisation, aber keine Haltestationen.

Auch Sie haben gewaltigen Ärger auf sich gezogen, indem Sie zwar auf die ›Realgeschichte der Lichtung‹ verweisen, aber dennoch ›Heideggers ontologische Hirtenspiele‹ sympatisierend referieren. Und womit Sie noch mehr Verwirrung stiften: Sie werfen die elitäre ›Onto-Anthropo¬logie‹ des Hüttendenkers rundweg über Bord. Zwar wollen auch Sie eine ›Gesellschaft der Besinnlichen…, die den Menschen aus der Mitte‹ rücken, ›weil sie begriffen‹ haben, ›daß sie nur als Nachbarn des Seins existieren – und nicht als eigensinnige Hausbesitzer‹. Diese neue Gesellschaft soll aber keine ›unsichtbare Kirche von verstreuten Einzelnen‹ mehr sein, sondern die Heimat von Vielen, was nur über Zucht und Züchtigung zu haben wäre.
Damit sind wir bei der Erziehung des ganzen Menschengeschlechts, ein immerwährendes Kultivierungsvorhaben, das ohne Oberflächenkanon und ohne Zwänge niemals auskam und stets gescheitert ist, wenn man seine Ergebnisse an den strengen Maßstäben der Seinsnachbarschaft beurteilt: Immer nur Wenige wurden berührt und drangen zur Lichtung vor; die Masse war nie zur Besinnung zu bringen, ihre Bemächtiger belächeln stets die Askese und stille Verhaltenheit der Wenigen.

Weil nun alle Versuche, den Menschen über Erziehung und das heißt über Sprache, Sozialisation und guten Willen aus seiner ›chronischen animalischen Unreife‹ herauszuführen, zur erbärmlichen Realgeschichte gerannen, verlegen Sie Ihre Hoffnung auf die Amelioration der Vielen, wechseln von Erziehung auf Zucht, setzen auf eine ›anthropogenetische Revolution‹.

Wenn die ›Frühgeburtlichkeit‹ dafür herhalten muß, daß der Mensch ›in seinem Tiersein und Tierbleiben gescheitert ist‹, dann kann die Chance, daß möglichst Viele in das Haus des Seins einziehen, konsequenterweise am besten durch eine ›systematische Neuzüchtung‹ verbessert werden. Indem Sie das biologische Schicksal, aus dessen animalischer Schale erfahrungsgesichert sich nur Wenige bis zur Ekstase des besinnlichen In-der-Welt-Seins aus eigener Kraft durchringen, für alle verbessern und damit eine Gen-Demokratie installieren wollen, unternehmen Sie den Versuch, dem Menschengeschlecht auf bessere Beine zu verhelfen, mit denen Jedermann bis zur Lichtung vormarschieren kann…

Der ganze Literturbrief ist veröffentlicht unter E-WALTHARI in: www.walthari.com und www.dauenhauer-walthari.de

Kein anderer Denkansatz verunsichert stärker als dieser Ausgriff auf die Kontingenz der Evolution. Selbst die Einsichtigen runzeln die Stirn, und die Wächter über den Enthemmungsbetrieb toben. Lassen wir die Pseudowächter weiter lärmen und halten wir uns auch nicht länger bei den historischen Vordenkern auf, denn sie konnten unmöglich wissen, was die Gentechnologie unserer Tage dem Evolutionsprogramm abzuluchsen versteht. Noch Heidegger besaß ja nur eine schlechte Ahnung von biologischen Eingriffen, und Nietzsche sah überhaupt keinen ameliorativen Ausweg aus der animalischen Verbunkerung des Menschen. Daher seine Verspottung der Stichwortgeber falscher Hoffnungen; er beließ es bei den Wenigen und ermunterte sie zum ›Übermenschentum‹, was ihm von Pseudowächtern bis heute nicht verziehen wird.

Nun also Sie mit der mißverständlichen Idee vom Menschenpark. Lassen Sie es sich gesagt sein: Sie können noch so wortkunstreich argumentieren, die Feuilletonisten wissen es immer besser. Die Ängstlichen bekreuzigen sich bei jedem Ihrer Ideensätze, und die Siegelbewahrer der jeweils einzig gültigen Epochenwahrheit halten Ihren Menschenpark für das Einfallstor faschistischer Wiedertäufer. Den Lärm der ersten Gruppe und das Apokalypsegeheul der dritten werden Sie wegstecken. Es wird Sie auch nicht sonderlich beunruhigen, daß Sie die Ängstlichen nicht trösten können, mag auch Ihre frohe Parkbotschaft gerade deren Nachfahren zugute kommen, denn zum frühgeburtlichen ›Tierbleiben‹ gehören auch übertriebene Lebensängste. Aber einer wie Sie sollte schon den skeptischen Wenigen erklären, was von der Anthropodizee noch mitgeschleppt werden muß, wenn die Sloterdijkiana als neues Zeitalter anbricht.

Denn daß einige menschliche Übel auch die besten Ameliorationsprogramme der Forschung und die trefflichsten Homilisationsethiken überleben werden, bezweifeln auch Sie gewiß nicht. Sonst wäre nämlich der Himmel auf Erden auszurufen und die Philosophen hätten nichts mehr zu philosophieren. Einige Brocken vom alten Daseins-Widerspruch müssen uns also bleiben, damit wir das Klettern und Herunterfallen nicht verlernen.
In Ihrem Menschenpark gibt es nämlich Gräben, die zu überspringen schwerfallen wird. Einen davon will ich nennen: Was läßt Sie hoffen, daß eine verbesserte (was heißt das?) genetische Ausstattung der Menschen auch deren geistig-moralische Disposition verbessert? Es ist die alte Frage nach dem Zusammenhang von Leben, Geist und Moral, die auch durch die neueren Resultate der Biotechnik und Künstlichen Intelligenz um keinen Deut einer Lösung näher gerückt ist.

In Ihrem Fall geht es zudem nicht allein darum, wann und wie Geist und Moral in das Lebensgehäuse einziehen oder darin entstehen, Ihr humanitärer Geist soll ja nicht nur mit technischem Verstand, sondern auch mit soviel ethischer Anfangsvernunft ausgestattet sein, daß jeder Mensch zur Lichtung wandern kann, was unter den gegenwärtig waltenden Kontingenzverhältnissen der launischen Evolution nur bei Wenigen zu beobachten ist. Indem Sie in das genetische Handwerk der Evolution eingreifen, haben Sie aber noch lange nicht die ekstatische Formel gefunden, mit dem die Schöpfungsmaja den Geist und die Moral in die Menschwerdung hineinzaubert. Ihr moralischer Geist soll genetisch lichtungsfähig vorprogrammiert sein. Alle Einsichtigen fragen sich, wie die Karlsruher Zauberformel zu diesem wahrhaft göttlichen Akt lautet.

Vergeblich sucht man in Ihrem ›Antwortschreiben zum Brief über den Humanismus‹ nach Andeutungen. Bei Platon, Nietzsche und Heidegger, die Sie heroisch umkreisen, können Sie nicht fündig werden, haben doch diese Menschenzüchter böse Erfahrungen mit Zuchtprogrammen für die Vielen machen müssen, Platon auf Sizilien, Nietzsche, ›der Meister des gefährlichen Denkens‹, bei seinen Wagnerhoffnungen und Heidegger kurzzeitig als Rektoratsredner. Alle drei beließen es am Ende resignativ bei den Wenigen – vielleicht eines Tages auch Sie, wenn Sie Ihre bösen Erfahrungen hinter sich gebracht haben.

Genau an dieser Stelle verlasse ich unseren gemeinsamen Pfad und wandere, es wird Sie erstaunen, in die Niederungen der Welt, deren Zivilisationsprozeß fraglos auch ökonomisch angetrieben wird und ›in dem eine beispiellose Enthemmungswelle anscheinend unaufhaltsam rollt‹. So wenig ich hinter Ihre Karlsruher Geheimformel gekommen bin, sowenig werden, vermute ich, meine Landauer Thesen Ihre Neugier befriedigen. Daraus müßte ich, wie Sie, ein Buch machen, damit alles verständlicher wird und die Angriffsflächen größer. Hier stelle ich einige Ansichten als Platzhalter für Ausführlicheres vor.

Als Ökonom unterliege ich dem Zwang zum Modellbau, vergleichbar etwa der philosophischen Manie zur Abfrage historischer Zunftautoritäten. Sie geben selber zu, ›daß die Wissenschaften durch Isolation und Modellabstraktion zu ihren Gegenständen kommen ‹ muß. Ein Modell besteht bekanntlich aus frei gesetzten fixen Daten und aus Spielvariablen. Die Ökonomen glauben (manchmal ist es natürlich ein Irr- und Aberglaube), daß sie den Realitäten am besten auf die verquere Spur kommen, wenn sie ihre Modelle so konstruieren, daß die Realitäten antworten müssen. Lassen wir den komplizierten erkenntnistheoretischen und kategorialen Begleitapparat beiseite und begnügen wir uns mit nackten und daher provozierenden Thesen. Hier also meine Wegweiser auf dem ökonomisch geschotterten Modellpfad in die Niederungen des Daseins.

An der Kreuzung, die uns trennt, ist zu lesen: 1. Der Philosophenweg nach oben ist nur für Wenige. 2. Auch nach unten, ins Tal des Zivilisationsbetriebes, führen Denkwege.

Weitere Hinweisschilder stelle ich auf dem immer breiter werdenden Schotterweg auf: 3. Unterwegs stehen genügend Rastplätze für noch unbehauste Vorausdenker zu Verfügung. 4. Im Weiterwandern möge jeder sein eigenes Haus planen, mit einem hohen Eingangstor und so geräumigen Stuben, daß die Menschen größer werden können (ein Seitenhieb auf Ihre Zarathustra-Anleihe, übrigens ein Pfandbrief mit schlechter [humanistischer] Verzinsung). 5. Auf dem Talgrund ist nach Märkten zu suchen; sie sind Plätze unentdeckter Lichtungen. 6. Keine Zeit verschwenden mit unnützem Wortmüll; gelebte Marktordnungen sind wichtiger als Marktschreier und Aufpasser. 7. Sogenannten Marktführern so wenig folgen wie dem Trendpöbel; jene verstehen sich auf haustierliche Domestikation des Menschen, diese vegetieren es nach. 8. Der lange Arm des Marktes war und ist der unerbittlichste Menschenzüchter, auf lange Frist gesehen, aber auch dann noch, wenn sein Arm gefesselt wird. 9. Keine Auslese ist strenger als die von fairen Märkten organisierte und keine Zähmung wirkungsvoller als die über Marktsanktionen (Sie sagten es selber: ›Lektionen und Selektionen haben miteinander mehr zu tun als irgendein Kulturhistoriker zu bedenken willens und fähig war‹). 10. Marktlektionen zähmen den Trendpöbel, es sei denn, die Marktführer verfälschen die Ordnungen, was leider zur Wohlfahrtsregel mißraten ist. 11. Auf fairen Märkten werden Menschen nicht zu Objekten (der Züchtung) und zu Subjekten (des Züchtens), vielmehr handeln sie als Partner im Entscheiden. 12. Auf fairen Märkten muß wenig in das Entscheidungsspiel eingegriffen werden, es genügen wenige Verbote und Gebote. 13. In summa: Es gibt kein demokratischeres, wirkungsvolleres und billigeres ›Verfahren der Selbstzähmung‹ als Fairnißmärkte; diese korrigieren ›Enthemmungswellen‹ ebenso wie ›Geburten-fatalismus‹, wenn, ja wenn man den Sanktionsmechnismus wirken läßt (aber genau daran mangelt es, werden Sie einwenden: gewiß, doch das ist schlechte Politik, nicht Markt). 14. Gentechniken zur Defektheilungen (Erbkrankheiten) sind erlaubt und längst Praxis, weiß man doch bei diesen Fällen, was Amelioration ist (im Gegensatz zu Genmanipulationen am Gattungsbild).

Sie sagen: ›Ob aber die langfristige Entwicklung auch zu einer genetischen Reform der Gattungseigenschaften (!) führen wird‹, ›ob die Menschheit gattungsweit eine Umstellung vom Geburtenfatalismus zur optionalen Geburt und zur pränatalen Selektion wird vollziehen können – dies sind Fragen, in denen sich, wie auch immer verschwommen und nicht geheuer, der evolutionäre Horizont vor uns zu lichten beginnt‹.

Da ist er, Ihr Sprung über den talweiten Graben im Menschenpark. Nach einer ›pränatalen Selektion‹ soll sich’s lichten, im neuen ›evolutionären Horizont‹. Ob sich aber der Geist und seine Spezialausgabe, die humanitas, mit der ›optionalen Geburt‹ vermählen lassen? Dafür legen Sie offenbar Ihre philosophische Hand ins Feuer (der göttlichen Evolution) – die Philosophie als Trauzeuge einer Vermählung, die den zeugenden Samen der humanitas der Evolution ablockt – welch eine Versuchung!

Die philosophische Trauzeugenschaft (das ›Handwerk-liche‹ der Zeugung und Geburt einer humanisierten Menschengattung überlassen Sie den Anthropotechnikern) erblicken Sie in den Ursprüngen des weisheitsliebenden Nachdenkens angelegt – eine zweite, gewagte Annahme: Gewiß ist es richtig, daß es zum Menschsein gehört, sich existenziell mit Problemen konfrontiert zu sehen, die seine Kräfte übersteigen, denken wir nur an das häufig würdelose Sterben. Sie werden auch die animalisch-aggressive Grundierung des Menschen im Auge haben, der Sie ja buchstäblich zu Leibe rücken wollen.

Gegenüber unseren Ohnmachtserfahrunen gibt es aber nicht nur ein, sondern zwei Reaktionsmöglichkeiten, einmal das Beste daraus zu machen, zum andern am Lebens¬code solange zu drehen, bis sich die ›Menschheit gattungsweit‹ geändert hat.

Ich begnüge mich mit der ersten, herkömmlichen Version, aus guten Gründen, unter denen zumindest ein Gedankenstrang Sie als Philosophen stutzig machen müßte. Was, erstens, bei einer pränatalen Selektion herauskommen kann, läßt sich angesichts der unsäglichen Realtölpeleien der menschlichen Probiergeschichte unschwer ausmalen. Der unfertig Homilisierte als halbgöttlicher Schöpfer seiner neuen Gattung? Aus Halbfertigem soll emergent humanitär Fertiges werden? Für Systemtheoretiker und Sphärologen kein Problem, umso mehr für Logiker und Skeptiker, wobei es nicht ohne pikante Ironie ist, daß Sie als Sphärologe mit dem von Ihnen bekämpften Quasi-Monaden-Designer N. Luhmann in einem Boot rudern.

Noch weniger wird Sie beeindrucken, daß, zweitens, das marktwirtschaftliche Händchen von allen unkalkulierbaren Risiken abrät. Sie mögen – mit den meisten Intellektuellen – indigniert darüber sein, daß ich den Markt, diesen verrufenen Gesellen, in die feine Gesellschaft geistadeliger Debattierer einführe. Ich bitte jedoch nicht zu übersehen, daß Märkte in der Geschichte immer die letzten Sieger waren. Mögen Zensoren, Diktatoren, Gesetzgeber im irdischen und göttlichen Namen noch so eigenwillig in den Austauschprozeß von Gütern und Ideen eingegriffen oder zeitweilig ihn gar außer Kraft gesetzt haben, die menschliche Bedürfnisgewalt hat sich letztlich unabweisbar durchgesetzt, und sei es auf Schwarzmärkten oder in Untergrundschriften. Sind doch Märkte hochaufgeladene Dauermagnete, zu denen sich alles menschliche Denken und Handeln hingezogen fühlt, in den Wissenschaften (beim Ideenaustausch) ebenso wie in der Politik und erst recht in der Wirtschaft.

Es marktet also überall und jederzeit. Nichts ist uns Menschen lebenspraktisch näher als Tauschen: Güter gegen Güter, Geld gegen Güter, Geld gegen Geld (Devisen), Rechte gegen Geld, Vorträge gegen Honorare, Wahlversprechen gegen Machtgewinn usw. Wenn im Prozeß und Ergebnis immer auch vieles Unangenehme dabei herauskommt, dann liegt das nicht am magnetischen Treffpunkt, nein, und das ist meine Konkurrenzthese zu Ihrem gattungsgenetischen Revolutionsprogramm, dann sind falsche Marktordnungen im Spiel.

Während Sie vom philosophischen Himmel herab die Anthropotechniker ermuntern, den ›Geburtenfatalismus‹ pränatal-selektiv abzuschaffen, aber nicht wissen (können), wohin die neuhumanitäre Reise geht und wo und wie sie endet, braucht der Marktmensch weder den himmlischen noch den genetischen Halbgott zu spielen; er agiert ganz irdisch, indem er immer aufs Neue überlegt und ausprobiert, wie das Magnetfeld optimal zu polen ist, damit die Menschen fair und human einander begegnen: wirtschaftlich, politisch, gesellschaftlich, kurz: auf allen Lebensfeldern. Gut geordnete Märkte, so könnte man sagen, sind die besten, weil unbestechlichsten, gerechtesten und billigsten Erzieher des Menschengeschlechts. Sie sind die sozialen Kinder der Evolution, die im strategischen Langsamgang sehr wohl zu Mutationssprüngen in Richtung Humanität fähig sind. Die neuere Geschichte belegt es beispielhaft, man sollte nämlich nicht nur auf den Konzerngigantismus und die Fusionsräuberei schauen.

Im Gegensatz zum philosophischen Händchen bleibt das Markthändchen also ganz im irdischen Kontingenzgang der Evolution: es handelt berechenbar und vertraut auf kleine Fortschritte, die sich zyklisch zu Mutationen verdichten können. Damit weise ich mich als Anhänger der Nahethik aus, während Sie zumindest ein Spurenleger für fernethische Gattungshoffnungen sind.

Noch sind Sie, ich möchte wetten, nicht von Ihrer Höhenwanderung abzubringen. Philosophen lassen sich von profanen Marktreflexionen eben nicht so leicht beeindrucken. Aber mein dritter Einwand gegen die optionale Gattungsschöpfung – unter dem hohen Humanitätsgewölbe der Philosophie – müßte Sie endlich zur Umkehr bewegen. Hölderlin beklagte sich einmal (wie Tausende andere verstreute Einzelne vor und nach ihm), daß das Böse in der Welt sei; er tröstete sich aber damit, daß sonst das Gute um seine Geltung käme. Sein Studienfreund Schelling wich davon ab, indem er das absolute Selbst ausrief und damit eine relationslose Freiheit (also auch ohne die Negativfolie des Bösen) zum Lebensziel erklärte. Doch dieser romantische Idealismus findet erst wieder bei den transkategorialen Bewußtseinsphilosophen unserer Zeit Beachtung.

Die herrschende Denkmeinung ist: (1) Das Böse ist nicht aus der Welt zu schaffen, auch nicht durch gentechnische Humanitästprogramme. (2) Am Bösen profiliert sich das Gute, also hat das Böse auch sein Gutes. (3) In der Versuchung zum Bösen kultiviert sich der Mensch, er ist auf diese Gefährdung sogar angewiesen, wenn er zu sich selber kommen will. (4) Wenn Humanität scheitert, dann liegt es an einer Übermacht des Bösen um und im Menschen. – Danach besteht die äußere Kultivierung darin, die Welt wirtschaftlich, sozial, rechtlich und politisch zu zivilisieren, daher die Armada von Hilfs-, Menschenrechtsprogrammen usw.; bei der inneren Kultivierung vertraut man auf Erziehung und auf die moralische Kraft guter Argumente.

Was Sie zum nachdenklichen Stehenbleiben und vielleicht zur Umkehr anregen könnte, steckt in Satz 3: Ohne Gefährdung keine Kultivierung! Das ist übrigens die Humanitätsthese bei Brentano (»offene Wunde« in Godwi) und Schelling (»rotatorische Unruhe« am »Abgrund«). Die Frage, die Ihnen ein Weitergehen auf Ihrem Weg versperren müßte, ist: Inwieweit wird durch pränatale Selektion nicht nur das Humanitätspotential erhöht, sondern auch das Böse so vermindert, daß es keine kultivierende Gefährdung mehr darstellt? Da Sie vom Tiersein des Menschen sprechen, wecken Sie nämlich die Hoffnung, daß durch Anthropotechniken zumindest das animal-böse Tiefennaturell der menschlichen Gattung entschärft werden kann. Von innen her drohen dann dem Menschen kaum noch Gefahren, und in einem kultivierten Menschenpark sollte es auch nicht schwerfallen, die äußere Kultivierung zu bewerkstelligen. Heraus käme eine Welt ohne sonderlichen Gefährdungen, eine friedliche Gutmenschenkultur, eine Vor-Friedhof-Gesellschaft.

Mal abgesehen vom Utopiegehalt dieser Vorstellung: Ist Humanität ohne furchterregende Blicke in Abgründe wirklich möglich? Wo schmerzen in Ihrem Weltmodell die offenen Wunden? Sind nicht die größten Kulturleistungen von Melancholikern und anderen Grenzgängern am Abgrund entstanden? Sind überhaupt noch Lichtungen (Heidegger) im gen-befriedeten Menschenpark auffindbar?

Diese Fragen stellen Sie sich nicht. Deshalb kann ich in Ihrem Antwortschreiben dazu auch keine Antworten finden. Stattdessen zwingt Sie Ihr Vorhaben, eine ›neue gewaltdämpfende Kultivierungsstruktur‹ zu schaffen, ein Experiment mit dem Ziel, das platonische Vorbild auf seine vertikale Stabilität und modern-demokratische Verträglichkeit zu überprüfen – ein extrem riskantes Unterfangen, das marktgeleiteten Kultivierungen fremd ist; denn Märkte vernetzen horizontal, und wo Herrschaftswissen entsteht, ebnet freier Wettbewerb die Vormachtstellung früher oder später wieder ein. Das züchterische Königswissen oder Expertenwissen in Ihrem Modell unterliegt diesem Ausgleichsprozeß nicht, ein machtsichernder Vorsprung ist genetisch lebenslang gesichert.

Ich frage schon nicht mehr, ob, sondern wann Sie umkehren. In fairen Marktordnungen kann es keine ›falschen Zoodirektoren‹ und keine ›Pseudostaatsmänner‹ mehr geben. Jeder ist auf diesem freien Gelände sein eigener Hirte und muß außerdem – es besteht Tauschzwang – immer auch der Hüter der Anderen sein, wenn er ›Geschäfte‹ machen will. Und was die Gefährdungen angeht – der Versuchungsteufel steckt in tausend Tauschkalkülen. Daß sich Zeus zurückgezogen und den Menschen selber unter dem ›Leitbild des Weisen‹ die Verantwortung übertragen hat, bereitet den Philosophen seit Platon Sorgen, zumal, wie Sie sagen, auch die Weisen sich zurückgezogen und das Feld den Enthemmungsmedien und der Brüllmeute überlassen haben. Von Märkten kann sich niemand zurückziehen, weder Menschen noch Heroen noch Götter.

Insgeheim, das mag Sie trösten, wird das gattungsrevolutionäre Gen-Projekt längst vorbereitet, mögen die Feuilletonjodler, die übrigens den Markt zeitgeistbeflissen blind hassen, noch so jämmerlich trällern. Mir freilich ist das Marktprojekt weitaus sympathischer, auch wenn ringsherum Zeder und Mordio geschrien wird. Warten wir gelassen ab, von woher mehr Licht in die Welt kommt, aus den geheimnisvollen Gen-Labors unter Aufsicht von Ethikkommissionen oder von menschenfreundlich geordneten Märkten, die ohne Oberaufseher auskommen.

Literaturbezug: Heidegger, M.: Brief über den Humanismus, Erstausgabe 1946, 9. Auflage, Frankfurt/M. 1991. – Biemel, W.: Martin Heidegger, Reinbek 1973, S. 98 ff. – Heinrichs, H.-J.: Gespräch mit Peter Sloterdijk, in: Sinn und Form, Heft 4/5/1999, S. 701 ff. – Herrmann, Fr. W. v.: Wege ins Ereignis, Frankfurt/M. 1996, bes. S. 328 ff. – Platon: Politikos, Rowohlt Klassiker, Hamburg 1959. – Natorp, P.: Platons Ideen-lehre, Hamburg 1961, S. 349 ff. – Safranski, R.: Das Böse oder das Drama der Freiheit, München 1997. – Sloterdijk, P.: Regeln für den Menschenpark. Ein Antwortschreiben zum Brief über den Humanismus, Internet-Text vom 20. Sept. 1999. – Dauenhauer, E.: Wirtschaftskategorien. Ein Beitrag zur wirtschaftswissenschaftlichen Grundlagenforschung, Münchweiler 1999 – Dauenhauer, E. (Moderation): Persönlichkeitsmanagement im Zeitalter der Globalisierung

Glossen – Interpretationen – Tagebuchnotizen

10. Oktober 2017

Grande Nation trickst

Das Gastland auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse ist Frankreich. Nach den Regeln soll die Literatur des jeweiligen Landes vorgestellt werden. Paris hat sich herausgenommen, nicht Frankreich, sondern gleich die gesamte Frankophonie vorzustellen, also alle Länder und Regionen auf der Welt, die ganz oder teilweise französisch geprägt sind. Das reicht von Afrika über Europa bis nach Kanada. Bekanntlich fühlen sich die gallischen Oberen als kulturelle Missionare, weshalb die Frankophonie zur Staatsräson rechnet. Kultureller Rassismus. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels läßt sich diese Hybris gefallen.
Gewiß: Die Literatur Frankreichs ist ein kultureller Schatz, ihre politische Instrumentalisierung eine Aufnötigung.

28. Juni 2017

Gefälle Stadt – Dorf.

Die Mehrheit der Menschen in ›entwickelten‹ Staaten wohnt in Städten. Die Gründe wurden in diesem Walthari-Portal schon öfter genannt: Nähe der Berufs- und Versorgungsstätten, kulturelles Angebot, Anonymität u.a.m. Die Nachteile: erhöhte Kriminalität, wenig Natur, geringes Nahklima, verödete Innenstädte, erhöhte Lebenshaltungskosten usw. Immer stärker treten urbane Kosmopoliten gegen sog. dörfliche Banausen an und umgekehrt, vor allem politisch bei Wahlen. Die Abgehängten rächen sich und befördern so den Trennungsprozeß. In den lange gerühmten kosmopolitischen Stadträumen ist es ungemütlich geworden, die Toleranz gegenüber den prägenderen Minderheiten schrumpft, und die Terrorgefahr ist in Städten viele Male höher als auf dem Lande.

Sprachmanipulierer. Aus Migranten wurden Flüchtlinge, aus diesen Geflüchtete und aus diesen Schutzsuchende. Dahinter steckt eine gendergeprägte Ideologie, die auch ansonsten unsägliche sprachliche Tricksereien feilbietet. Die evangelische Kirche und die Universitäten sind bevorzugte Exerzierfelder.

Genetische Narrative. Unter jüdischen Wissenschaftlern wird über die Bestimmung der jüdischen Identität heftig diskutiert. Da jeweils die jüdische Mutter maßgebend ist, fühlen sich die Biologisten im Vorteil. DNA-Tests sollen die Einwanderungsaussichten nach Israel erleichtern. Man stelle sich eine ähnliche Debatte in Deutschland vor. Das Schwingen der Rassismuskeulen schwärzten den Himmel ein.

Exzentrischer Literaturbetrieb. Es scheint, daß alle Motive und Stoffe literarisch durchgespielt sind und daß die Wiederholungen langweilen. Wer das so sieht, sucht Zuflucht zur Exzentrik, als Person und in seinen Werken. Der Kampf um Aufmerksamkeit überwuchert die stille Arbeit an der Textqualität.

31. März 2018

Tagebuchnotiz: Seitenlicht

Der agile Schweizer Literat Thomas Hürlimann hat der NZZ ein Interview gegeben (8. Februar 2018, S. 19, ganzseitig), das die Thematik meiner Autobiographie (›Mein sonderbares Leben‹, 2018) berührt. Er wie ich in einem katholischen Internat. Hürlimann lehnte sich exzessiv auf: Fluchtversuch, Fremdlektüre während des Gottesdienstes, subversive Oppositionsgesinnung (Mitbegründer eines Atheisten-Clubs), Pauschalurteile (»…der Katholik ist nicht, wie der Protestant, seinem Gewissen verpflichtet…«) usw..

Bei aller Distanz: auf all das wäre ich nicht gekommen, war ich doch froh, den beschwerlichen Bildungsgang für das Abitur nehmen zu dürfen. Bei Hürlimann keine Spuren von Dank oder Neugier auf theologisch-philosophische Schätze. Zudem widerspruchsvoll: einerseits empfand er die tägliche Messe als »Gehirnwäsche«, andererseits preist er die abgeschaffte Tridentinische Messe als »großes Kunstwerk“.

26. Mai 2014

Bildbetrachtung der antiken Dichterin Sappho

Man weiß sehr wenig Verläßliches über diese Lyrikerin: geboren im späten 7. Jahrhundert vor Christus auf der Insel Lesbos, wo sie, unterbrochen von einem kurzen Sizilienaufenthalt, einen Kreis von Mädchen und Frauen um sich scharte, um ein Leben in Verehrung der Musen und der Göttin Aphrodite zu führen. Von ihren neun Büchern sind nur wenige Gedichte erhalten. Die Dichterin widmete der Göttin ein Kultlied, worin sie bat, sie von einer unerwiderten Liebe zu erlösen. Daraus entstand die Legende, daß sie sich in einen Jüngling verliebt hatte und sich aus unglücklicher Liebe von einem Felsen stürzte.

Ein klassischer Fall für die Fruchtbarkeit von Nichtwissen, wie ich es in Heft 59/2013 der Literaturzeitschrift Walthari beschrieben habe. Wissenslücken regen zur Legendenbildung und spekulativen Interpretationen an. Seit mehr als zweieinhalb tausend Jahren zieht Sappho einen Schweif aus beiden Elementen hinter sich her. Herodot spekulierte über sie, und der Dichter Anakreon (geboren um 570 v. Chr.) interpretierte Sapphos Liebeszeilen für Mädchen als homoerotisch. Doch die Verse geben das nicht her. Auf griechischen Vasenbildern ist die rezitierende und singende Dichterin abgebildet. Besonders anrührend das Duo Alkaios (geboren um 630 v. Chr.), die Lyra zupfend, und die singende Sappho auf einem Weinkübel des Brygos-Malers (um 470 v. Chr.). Auf einem pompejanischen Fresco (um 50 v. Chr.) ist eine sinnende Frau mit einem Schreibstift in der einen Hand und mit mehreren Schreibtäfelchen in der Linken abgebildet, die man als Bildnis der Sappho deutet – ein hochatmosphärisches Porträt, das die NZZ mitten in ihren Bericht über einen jüngst entdeckten Papyrusfund stellt (Nr. 43/2014, S. 24). Der Papyrus diente als Mumienkartonage und wurde radiometrisch auf die Zeit 100 – 300 n. Chr. datiert. Der Schreiber orientierte sich an einer Originalvorlage, in der Sapphos Brüder Charaxos und Larichos erwähnt werden. Angerufen werden die Götter, um »aus unserer Schwermut erlöst« zu werden, sobald Charaxos von einer langen Reise (vermutlich Ägypten) heil heimkehrt. Statt Liebeslyrik die Sehnsucht nach einer schützenden Familie.

Bemerkenswerte Zitate

zusammengestellt von Prof. Dr. Erich Dauenhauer, zwischen 2000 und 2018

2. Januar 2016

Bemerkenswerte Zitate, Teil 41

»Die EU hat uns schon längst verlassen… Großbritannien hat kein Solidaritätsgefühl zur EU.«
Gisela Stuart MP, Abgeordnete des Britischen Unterhauses für die Labour Partei, in:
›Politische Studien‹, 2/2015 Themenheft, S. 91)

»Politiker antworten im Grunde gar nicht auf die Bürger und ihre Sorgen, sondern beschränken sich auf die Rückmeldung ihrer eigenen Vollzüge. Die Probleme einer modernen Gesellschaft sind nämlich unlösbar – man kann sie nur von außen nach innen verschieben. Parteien, die überhaupt noch Bodenhaftung haben, können gar nicht anders als divergierende Anforderungen von außen in interne Konflikte zu transformieren. Es geht dabei vor allem um die Folgelasten der Modernisierung und des Wohlfahrtsstaates.«
Univ.-Prof. Dr. Norbert Bolz, in:›Forschung & Lehre‹ 8/2002, S. 415)

»Der Rückzug der christlichen Religion in Deutschland ist in vollem Gange. Wir Christen werden im Jahr 2050 dafür dankbar sein, wenn man uns wenigstens in Ruhe lässt. Doch die Kirchenleitungen haben längst den Blick für die Prioritäten verloren….«
Michael Inacker, Vorsitzender der Internationalen Martin Luther Stiftung.

»„Die deutsche Islam-Show“ in Berlin im Juli 2015. Zwischen 3000 und 4000 Teilnehmer zählte die Polizei zuerst, später war sogar von 10.000 die Rede. Und die meisten derer, die den Pariser Platz nicht einmal annähernd füllten, waren wohl Mitglieder deutscher Parteien und Gewerkschafter.«
Ali Ertan Toprak, Präsident der säkularen Immigrantenverbände: „Das war eine staatliche Inszenierung“, Welt am Sonntag, Nr. 30/2015, S. 5.

»Deutschland verschwindet jeden Tag immer mehr, und das finde ich einfach großartig.«
Jürgen Trittin, zitiert in: FASZ vom 02. Jan. 2005

»Was unsere Urväter vor den Toren Wiens nicht geschafft haben, werden wir mit unserem Verstand schaffen!«
Cem Özemir, in: Hürriyet vom 08. 09. 1998 (auf türkisch), abgedruckt im Focus am 14.09.1998

»Der Generalverdacht gegenüber Männern ist nämlich gleichzeitig eine Generalamnestie aller Frauen – ich habe aber in meiner Berufslaufbahn auch Kindergärtnerinnen, Mütter, Großmütter, Lehrerinnen, Sporttrainerinnen kenngenlernt, die Kinder sexuell missbraucht haben.«
Werner Meyer-Deters, Sozialpädagoge und Traumaberater, in: ›chrismon‹ vom 01/2015, S. 44

»Aber Range ist nicht der persönliche Referent des Ministers, sondern oberster Ankläger des Landes. … Offenbar soll die Anklagebehörde nur dann gänzlich unabhängig sein, wenn vorher die Regierung das gewünschte Ergebnis festgelegt hat. Womöglich soll das dann auch gleich für die Gerichte gelten. Gut, dass viele sich jetzt daran erinnern, wie wichtig eine freie Presse für unser Gemeinwesen ist, und dafür kämpfen. Aber in einer Bananenrepublik ist dieser Kampf von vornherein vergebens.«
Reiner Müller, in: FAZ Nr. 179/2015, S. 1

»In jenem Sommer 1948 fuhr eine junge Journalistin und promovierte Volkswirtin von Hamburg nach Frankfurt am Main, um für die Wochenzeitung ›Die Zeit‹ die erste Pressekonferenz des neuen Direktors der Verwaltung für Wirtschaft im bizonalen Wirtschaftsrat zu besuchen. Ihr Eindruck von dem bis dahin gänzlich unbekannten Mann, von seinen neoliberalen Visionen? Blankes Entsetzen. Marion Gräfin Dönhoff jedenfalls berichtete den Redaktionskollegen: »Wenn Deutschland nicht schon eh ruiniert wäre, dieser Mann mit seinem vollkommen absurden Plan, alle Bewirtschaftungen in Deutschland aufzuheben, würde das ganz gewiss fertigbringen. Gott schütze uns davor, dass der einmal Wirtschaftsminister wird. Das wäre nach Hitler und der Zerstückelung Deutschlands die dritte Katastrophe.«
Marion Gräfin Dönhoff mit Bezug auf Ludwig Erhard, in: FAZ vom 20. Nov. 2015, S. 16

»Erst vor wenigen Tagen wurden sämtliche Bürger Deutschlands in Gestalt der Vorratsdatenspeicherung unter Generalverdacht gestellt. Generalverdacht steckt hinter den gläsernen Bankkonten sämtlicher Bürger. Die Regeln gegen die Geldwäsche stellen ebenfalls einen Generalverdacht gegenüber jedermann dar und so weiter und so weiter. Wir lernen, jeder Bürger darf generell verdächtigt werden, der Flüchtling aber ist über jeden Verdacht erhaben.«
Lutz Bauermeister, Wilhelmshaven, in: FAZ vom 27. Nov. 2015, S. 29

»Der Übergang zur Demokratie war nach den Worten des Jenaer Historikers Norbert Frei auch innerhalb der Redaktion in der Schwebe. Antisemitische Klischees, personelle NS-Kontinuitäten und ein forscher Landserton lebten in den Fünfzigern fort. Lutz Hachmeister nannte die ehemaligen SS-Hauptsturmführer Georg Wolff und Horst Mahnke, die Augstein ganz gezielt an wichtigen Positionen installiert habe, weil er mit den NS-Apparaten vertraute Leute für seine investigativen Erfolge brauchte. Alte NS-Leute saßen freilich auch noch in anderen Redaktionen.
Thomas Thiel über Augsteins ›Spiegel‹,, in: FAZ Nr. 224 vom 25. Sept. 2012, S. 33

»Langsam erkennen die Länder der Euro-Zone, dass die Zeit des Augenzwinkerns im Angesicht der Krise vorbei ist: Man kann keinen Staat wie Griechenland retten, der gar kein Staat ist.«
Clemens Wergin, in: ›Die Welt‹ vom 17. Febr. 2012, S. 3.

»Zum Kreislauf der Korruption gehört auch die Tatsache, dass man in China für alles Beziehungen braucht, sei es ein Arzttermin, ein Spitalaufenthalt, medizinische Pflege oder auch nur Kostenrückerstattung durch eine Krankenkasse, insbesondere aber für die Schulauswahl, den Schuleintritt und schliesslich die Arbeitssuche. Die Höhe der zur Bestechung eingesetzten Beträge nimmt dabei inflationär zu. Bestehende Beziehungen müssen auch gepflegt werden. Wer sich die hohen ›Investitionen‹ in die richtigen Beziehungen am besten leisten kann, sind die hohen Beamten selber.«
Wie Zhang, in: NZZ Nr. 150/2014, S. 26

»Gerade hatte sich ein Freundschaftskartell zwischen dem Springer-Verlag, dem Spiegel und der FAZ gebildet, das allerlei Zauberstückchen vollführte – von der versuchten Konterrevolution in Sachen Rechtschreibung über das Cross-Marketing eigener Bücher, orchestrierter Meinungsmache bis hinzu geschäftlichen Allianzen im Druckgeschäft. Kaum hatte andererseits die SPD versucht, diesem neuen Amigo-Dreieck mit der umstrittenen Einverleibung der Frankfurter Rundschau in die parteieigene Zeitungsgruppe ein Gegengewicht zu setzen…«
Detlef Gürtler, in: ›Cicero‹ Nr. 4/2005, S. 104

»Er wird heute als Retter des Vaterlands und genialer Heerführer verehrt – der Eroberer Berlins und Marschall der Sowjetunion, Georgi Schukow. Das Geheimnis seiner Kriegskunst hatte Schukow einmal dem amerikanischen Kollegen General Eisenhower verraten: ›Wenn wir auf ein Minenfeld stossen, greifen unsere Soldaten so an, als ob es gar nicht da wäre. Auf Schukows Tod hin schreib Joseph Brodsky ein Gedicht, eines seiner besten.«
Boris Schumatsky, in: NZZ Nr. 106/2014, S. 25

»Wir werden das Ausbeutergeschmeiß, das heute den Young-Plan auf dem Rücken der Arbeiterklasse durchführt, unter die Diktatur der Arbeiterklasse beugen. Dabei werden die Köpfe rollen, nicht jene Köpfe, von denen heute Hitler spricht, nicht die Köpfe der Arbeiter, sondern die Köpfe der besitzenden Klasse…«
Herbert Wehner, nach: Harmut Soell: ›Der junge Wehner. Zwischen revolutionärem Mythos und pragmatischer Vernunft‹, Stuttgart 1991.

»Am BGH studieren meistens nur zwei von fünf Richter die Akten.«
Reinhard Müller, in: FAZ vom 15. Sept. 2013, S. 14.

»Frankreichs Politik seit der Unabhängigkeit seiner Kolonien. Die französischen Regierungen betreiben dort seit 1960 ein System aus Korruption, Kriminalität und Ausplünderung und haben die Politik zu sehr von den Wirtschaftsinteressen großer Konzerne abhängig gemacht. Zum Beispiel vom Nuklearkonzern Areva und der Erdölgesellschaft Total.«
Werner Ruf, pensionierter Professor für Internationale Beziehungen und Außenpolitik, in: ›chrismon‹ Nr. 04/2014, S. 47.

»Heute sind die politischen Parteien keine Vereinigung von Bürgern, sondern Zusammenschlüsse von Berufspolitikern, denen die Ambitionen ihrer leitenden Damen und Herren wichtiger sind als die Interessen ihrer Mitglieder und Wähler.«
Konrad Adam, in ›Merkur‹ Nr. 4/2009, S. 385

17. August 2015

Bemerkenswerte Zitate, Teil 40

»In Wahrheit beschäftigen sich die Eurokraten allerdings 99,9 Prozent ihrer Zeit weiter mit dem ganz normalen Wahnsinn, den wir Europa nennen. Und wer sich diesen alltäglichen Aktenlauf anschaut, der bekommt heftigen Zweifel an einer zentralen Idee zur Bewältigung der Euro-Krise: der schnellen Übertragung weiterer nationaler Hoheitsrechte an die Europäische Union.«
Bernd Ziesemer im ›Handelsblatt‹ Nr. 239/2012, S. 27.

»Die Datenkonzerne manipulieren Nachrichten und Märkte, sie rechnen jeden nach seinen Daten aus. Sie machen die Welt, wie sie ihnen gefällt. Das sollten wir uns nicht gefallen lassen. Und die Politik sollte wissen, dass es jetzt an der Zeit ist, zu handeln.«
Michael Hanfeld

»Die Päderasten waren bei den Grünen keine Splittergruppe, sondern ein von der Bundestagsfaktion finanzierte Arbeitsgruppe, die ganz formell in der Parlamentsarbeit eingebunden war. Das heißt, sie konnte unmittelbar auf die grüne parlamentarische Willensbildung einwirken. Nie waren Sexualstraftäter näher am Gesetzgerber als bei den Grünen.«
Christian Füller

»Die deutschen Euromantiker und Entnationalisierer merken gar nicht, dass sie, bei aller antinationalistischen Rhetorik, deren nationalistischem Pathos auf postnationaler, europäischer Ebene selbst aufsitzen.«
Rainer Hank

»Wenn sich bei uns einer zufrieden auf die Bank setzt, dann würde ich ihn verkaufen. Ich will, dass er unzufrieden ist, denn sonst wäre er überbezahlt. Außerdem soll er Druck auf die Spieler ausüben, die auf dem Platz stehen. Sie müssen damit nur diszipliniert in der Öffentlichkeit umgehen.«
Karl-Heinz Rummenigge

»Im Ergebnis wendete sich die Analyse von der Vorstellung ab, Politiker seien am Gemeinwohl orientiert. Neben das in der traditionellen ökonomischen Analyse dominierende Marktversagen tritt die Möglichkeit des Staatsversagens. Die Politik wird ihrer Romantik beraubt.«
Lars Feld

»Ich habe immer gesagt und bleibe dabei, dass das, was wir im Jahre 1945 begangen haben, heute als schwere Verletzung der Menschenrechte verurteilt werden würde. Wahrscheinlich würde sich die damalige Regierung einschließlich des Präsidenten Beneš in Den Haag befinden.«
Karel Schwarzenberg, Außenminister

»Sie betrachten uns nicht nur als Dhimmi, sondern sogar als Ungläubige. Es gibt selbst Muslime, die uns Christen in der Vergangenheit für Spione des Westens hielten.«
Patriarch Ibrahim Isaac Sedrak, Oberhaupt der koptisch-katholischen Kirche

»Was zeichnet den Westen noch aus, wenn er die Grundwerte seiner Bürger nicht mehr garantiert, foltern lässt und Kriege ohne guten Grund beginnt, aber nicht jemanden vor Gericht stellt deswegen.«
Nils Minkmar

23. September 2014

Bemerkenswerte Zitate, Teil 39

»Ihr wißt, weshalb mir so elend zumute ist. Unser Ziel war, einer großen Menge von Menschen die Freiheit zu bringen. Aber unsere Methoden und unser Einfluß haben schlimmere Übel gebracht. Jetzt ist es zu spät. Wenn wir unser Land, Rußland, hätten retten wollen, hätten wir zehn Männer wie Franz von Assisi gebraucht. Mit zehn solchen Männern hätten wir Rußland retten können.«
Lenin (1870-1924)

»Dieser europäische Westen ist längst auf dem Weg zu einer geschichtslosen Weltregion. Der Sieg der ›bärtigen Frau‹ im Europäischen Song Contest ist nur ein strahlendes Symbol dafür, wie weit die europäische Dekadenz infolge verirrter Toleranz, die ›Diktatur des Relativismus‹ (Benedikt XVI.) inzwischen vorangeschritten ist.«
Leserbrief in FAZ vom 6. Juni 2014

»Wenn die Menschen wüssten, was ihnen steuerlich geschieht, würden sie auf die Barrikaden gehen.«
Paul Kirchhof

»Ähnlich grenzt es schon an Selbsthypnose, geflissentlich zu übersehen, dass die überall als Garanten unseres Wohlbefindens beschworenen Grundwerte sich längst in ihr Gegenteil verkehrt haben: ›Freiheit‹ steht für Standortverlagerung und Casinokapitalismus, ›Demokratie‹ für eine Kulisse, hinter der die wahre Macht längst in die Hände von Lobbys und technokratischen Eliten gelangt ist. ›Toleranz‹ für die Selbstkasteiung des Abendlands und seiner Unterwürfigkeit unter alles, was irgendwie ›anders‹ anmutetet, usw.«
Die Welt vom 8. Juli 2014

»Die Geschichte wird festhalten, daß die Amerikaner und die Englänger eine Bombe bauten, daß zur selben Zeit die Deutschen unter dem Hitler-Regime eine funktionsfähige Maschine herstellten. Mit anderen Worte, die friedliche Entwicklung der Uranmaschine fand in Deutschland unter dem Hitler-Regime statt, während die Amerikaner und Engländer diese grässliche Kriegswaffe entwickelten.«
Carl Friedrich von Weizsäcker

»Der BND sammelte für Adenauer Daten über dessen Gegner.«
FAZ vom 5. Dezember 2013

»Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.«
SPD-Abgeordneter Otto Wels im Reichstag am 23. März 1933

»Kriegsverbrechen der Niederländer im Indischen Ozean.
Vor 71 Jahren wurde die ›Van Imhoff‹ nach einem japanischen Angriff versenkt; es ertranken über 400 deutsche Zivilinternierte auf diesem holländischen Schiff vor der Küste Sumatras. Als am 10. Mai 1940 deutsche Truppen die Niederlande besetzt hatten, wurden im damaligen Niederländisch-Indien alle 2436 Deutschen (Ingenieure, Ärzte, Wissenschaftler, Pflanzer, Erdölexperten, Diplomaten, Seeleute, Missionare, Kaufleute) interniert. Im Februar 1942 landeten aber japanische Truppen auf Sumatra. Die Deutschen sollten daher auf holländischen Schiffen in die britische Kronkolonie Indien gebracht werden. Zwei Schiffe erreichten ihr Ziel. Das dritte, die ›Van Imhoff‹, beladen mit 48 Besatzungsmitgliedern, 62 holländischen Soldaten und 487 in Käfigen zusammengepferchten deutschen Zivilinternierten, wurde von japanischen Fliegern angegriffen in der Annahme, es handle sich um einen holländischen Truppentransporter. Beim Sinken des Schiffes ging die gesamte niederländische Besatzung mit ihrem Kapitän als erste in fünf fast leeren Landebooten von Bord. Nur 65 der deutschen Eingekerkerten gelang es, sich aus den Verliesen zu befreien, auf einem kleinen Rettungsboot und auf Flößen den Haien zu entkommen und sich auf die 90 km entfernte Insel Nias zu retten. Das die Unglücksstelle passierende holländische Motorschiff ›Boelongan‹ lehnte es ab, die Schiffbrüchigen aufzunehmen, als es hörte, daß es sich um Deutsche handle. In der Nachkriegszeit stellte ich heraus, daß niederländische Marinedienststellen auf Sumatra die Kapitäne angewiesen hatten, deutsche Schiffbrüchige bewußt nicht zu retten. So starben bei diesem Unglück 411 zivilinternierte Deutsche.«
Mitteilungen des Allgemeinen Deutschen Kulturverbandes, Wien, im März 2013

»Wenn man in Moskau einen Buchladen besucht, wird man eine monströse Auswahl jüngerer Publikationen über Stalin, den Grossen Terror und den Zweiten Weltkrieg finden – Bücher, die alle möglichen historischen Wahrheiten, Verschwörungstheorien und politischen Botschaften auftischen. Auch im Internet ist das Andenken an Stalin in Putins Russland höchst lebendig.«
Neue Zürcher Zeitung vom 3. April 2014

»Es sind jedoch weniger die Bürger als vor allem die tonangebenden Eliten, die ein gespaltenes Verhältnis zur eigenen Nation haben. Aus einer Art Selbstekel heraus wird das Fremde höher gehoben, gilt das eigene Land als ›spießig‹, rückwärtsgewandt, langweilig, dröge. Es gilt nicht als Glück, sondern als Strafe, Deutscher zu sein. Zugleich sorgt eine im Zuge der Globalisierung sich wie ein Schleier über die Wahrnehmung legende ›Weltkultur‹ (zu besichtigen in den Einkaufspassagen mit den immer gleichen Ketten, Marken und Schnellrestaurants) dafür, daß das Besondere der eigenen Region aus dem Blick gerät.«
Junge Freiheit vom 11. April 2014

5. Februar 2014

Bemerkenswerte Zitate, Teil 38

»Die jüngste Gefahr geht von gewieften rumänischen Trickbetrügern aus. Über das Hütchenspiel sind diese Ganoven weit hinaus. Sie lungern auch nicht mehr an der Ecke und betteln um Almosen. Nein, sie heuern einfach Anwälte, gehen rotzfrech vor Gericht – und bekommen möglicherweise am Ende auch noch recht. Wo sind wir bloß gelandet, wenn mittellose Ausländer in Deutschland einen Anspruch auf Sozialhilfe durchsetzen können? Nun, so hart es klingen mag, vermutlich im europäischen Rechtsstaat‹.«
Welt am Sonntag, 12. Januar 2014.

»Kommt es aber zur Großen Koalition, werden sich die Bürger und Wähler selbst mit einer neuartigen Herausforderung konfrontiert sehen: die gefährdete Gewaltenteilung und ihre machtbegrenzende Wirkung durch Initiativen zu ersetzen, die innerhalb der demokratischen Ordnung angesiedelt sind.«
Handelsblatt, Wochenende 22./23./24. November 2013, NR 226.

»Der Begriff der Familienplanung enthält in nuce die Ausrottung der Familie. ›Diese Welt erlaubt (oder verdient) nicht, dass ich Kinder in sie setze‹, ist ein Gedanke, der nur in hochzivilisierten Ländern gedeihen kann. Natürlich kann man Geschlechtsverkehr praktizieren und die Empfängnis verhüten, aber mir scheint – jedenfalls lehrt es die japanische Erfahrung -, dass der mangelnde Wille, Kinder in die Welt zu setzen, mit einer Verkümmerung des Sexualtriebs einhergeht… Die einzige Möglichkeit, dem Erlöschen des Menschengeschlechts etwas entgegenzusetzen, ist die Wiedereinführung von Sinnlichkeit in den Alltag… Die fortgeschrittenste Gesellschaft arbeitet eifrig an ihrer Unterwanderung. Will man diesen Vorgang ernstlich – ja, ernstlich! – aufhalten, empfiehlt es sich, Lust auf Kultur, Sinnlichkeit und Arbeit nicht streng zu trennen (die Trennung geht in der Regel auf Kosten des ersten der beiden Termini)… Ein Mehr an Lust, nicht nur durch die Nähe schöner Frauen (und Männer), die ihre Schönheit nicht verbergen, sondern auch an der Arbeit selbst.«
Leopold Federmair. Schriftsteller und Übersetzer, lebt seit elf Jahren in Japan, wo er an der Universität Hiroshima lehrt. (In: NZZ Nr. 178 vom 5. August 2013, Feuilleton S. 22)

»Das Geschäftsmodell der Politiker dabei ist immer dasselbe: Belaste die Minderheit und kaufe dir damit die Stimmen der Mehrheit… Diese Art der asymmetrischen Steuerpolitik ist nicht nur perfide, sie treibt ein Land auf längere Sicht auch in den Ruin.«
Prof. Dr. Ulrich van Suntum in: FAS vom 6. Oktober 2013, S. 27

Frage: »Wenn Sie auf die Gespräche über eine Große Koalition schauen, können Sie dort Gedanken von Hayek entdecken?
Antwort: »Nein. Die Union hat sich ja mit einer außerordentlichen Wendigkeit von ihrer liberalen Reformagenda des Leipziger Parteitages 2003 entfernt. Frau Merkel hat sich damals die Finger verbrannt und ist dann in die Sozialdemokratisierung gegangen.« Anstoß:Ö »Und das Volk geht mit, wie die Wahlen gezeigt haben.«
Antwort: »Richtig. Dafür wird die CDU zurzeit noch nicht bestraft. Das liegt vor allem an der großen machtpolitischen Geschicklichkeit der Kanzlerin. Aber inhaltlich ist die CDU ausgehöhlt. Von einem ordnungspolitischen Kompass ist da nichts mehr zu spüren. Das zeigt sich nicht nur beim Mindestlohn. Der Geist Hayeks ist wieder in der Flasche.«
Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué, in einem Interview im: ›Handelsblatt‹, Wochenende 25./26./27. Oktober 2013, S. 58

»Aber man sollte dann doch auch einen Blick auf die Demokratie der Gegenwart werfen. Die Freiheit der Bürger, damals Kernziel der Politik, die Rolle des Volks als Träger der Staatsgewalt, sie sind kaum noch wahrnehmbar, geopfert fundamentalistischer Gängelung und gutmenschenartiger Beglückungspolitik. Political Correctnesses aller Art sind an Stelle des politischen Diskureses getreten. Die Wahlkämpfe erschöpfen sich in Populismen und Sprechblasen auf Nebenschauplätzen. In der Finanzkrise ist ständiger Bruch von Verträgen zu Lasten der Bürger politischer Alltag. Überhaupt entsteht der Eindruck, dass der Politikbetrieb hauptsächlich sich selbst dient und bedient und das Volk nur noch Objekt dieser Politik ist.«
Prof. Dr. Werner Kahrs, Fischerhude, in: FAZ vom 7. Nov. 2013

»Die Einsätze im Euro-Spiel sind hoch: Die Währungsunion war dazu gedacht, Wohlstand zu schaffen (und gleichzeitig Deutschland enger einzubinden!). Wenn das Ergebnis wirtschaftliche Not und politische Instabilität ist, dann wird die EU das Schicksal der Habsburgermonarchie teilen.«
Sir Robert Cooper, ehemaliger britischer Diplomat, in: NZZ Nr. 214 (Internationale Ausgabe) vom 16. Sept. 2013, S. 25.

»Die Hoffnung auf Wiedervereinigung wird gerade zur Lebenslüge der Zweiten Republik.«
Willy Brandt als SPD-Vorsitzender am 15. Sept. 1989 in der Frankfurter Rundschau.

»Laßt uns um alles in der Welt aufhören, von der Einheit (Deutschlands) zu träumen oder zu schwätzen.« Egon Bahr nur acht Tage vor dem Mauerfall (zitiert in: Deutschland-Journal SWG. Heft 86/2013, S. 94).

»Unerträglich wäre Sonntagsrederei, wonach die Wiedervereinigung vordringlichste Aufgabe bleibt. Das ist Lüge, Heuchelei, die vergiftet, und politische Umweltverschmutzung.« Egon Bahr als Mitglied des SPD-Präsidiums am 13. Dez. 1989 zitiert in: Deutschland-Journal SWG. Heft 86/2013, S. 94).

7. November 2012

Bemerkenswerte Zitate, Teil 37

»Was nun das politische Verhältnis zur islamischen Welt angeht, bin ich höchst skeptisch, ob der Höhepunkt der Konfrontation zwischen dieser und dem Westen schon überwunden ist. Die Kehrseite des Arabischen Frühlings ist der Aufstieg des Salafismus. In den Ländern, in denen es Revolution gegeben hat, befindet sich diese extreme Form des Islam im Aufwind.«
Salman Rushdie, in: Neue Zürcher Zeitung vom 6. Okt. 2012, Seite 18.

»Die Bundesregierung schreibt deutschen ›Qualitätsjournalisten‹ vor, was berichtet und was auf keinen Fall gemeldet werden darf. Ulfkotte warnt für den Fall des Euro-Crashs vor bürgerkriegsähnlichen Unruhen. Von der Öffentlichkeit unbemerkt werden jetzt überall in Europa Sondereinsatzkräfte darauf vorbereitet, erwartete soziale Proteste mit Gewalt niederzuschlagen.«
Verlagswerbung zum Buch von Bandulet/Hankel u.a: ›Gebt uns unsere D-Mark zurück!‹

»CSU-Generalsekretär Dobrindt, der den EZB-Präsidenten Draghi einen ›Falschmünzer‹ nannte, hat recht.«
Prof. Dr. Joachim Starbatty, in: FAZ vom 5. September 2012, Seite 7.

»Die Kommission manipuliert also merklich die Umfragen, um positive, europafreundliche Ergebnisse zu erhalten. Wie Höpner und Jurczyk darstellen, geschieht dies wohl vor allem in dem Willen, der mangelnden demokratischen Legitimation der EU eine Scheinlegitimation der Bürgerzustimmung gegenüberzustellen. Die Kommission will damit wohl auch die eigene Existenz rechtfertigen.«
Oliver Kühn zur EU-Praxis, in Eurobarometer-Umfragen ihre Beliebtheit zu legitimieren, in: FAZ vom7. November 2012, Seite N 4..

2. September 2012

Bemerkenswerte Zitate, Teil 36

»Gleichwohl kann es in hoher Zahl zu sexuellen Kontakten sowie zu ungefähr 20 000 ›Russenkindern‹ – nicht nur, aber vornehmlich infolge Vergewaltigung. Barbara Stelzl-Marxs geht jetzt davon aus, dass 270 000 Frauen von Rotarmisten vergewaltigt worden sein dürften: 240 000 in Wien und Niederösterreich, 20 000 im Burgenland, 10 000 in der Steiermark. Zu welcher Rücksichtslosigkeit Requirieren und Beutemachen – die Konfiskation hunderter Betriebe und die Demontage von Anlagen ließ 13 000 Waggonladungen gen Moskau rollen – bisweilen führte, machen Gemeindienstberichte deutlich. Sie legen offen, dass die ›Befreier vom faschistischen Joch‹ nicht einmal vor dem Eigentum ›befreiter‹ einheimischer Kommunisten haltmachten.«
Reinhard Olt, in: FAZ Nr. 200/2012, Seite 7.

»Auch der Rest der Wahlversprechungen war das Papier nicht wert. Die CDU am Ende dieses verregneten Sommers: Atomkraft, nein danke; Steuererleichterungen, bitte nicht; Wehrpflicht, ade; Mindestlohn willkommen. Die Chamäleon-Partei hat ein fast rot-Grünes Programm, und zwar ohne jeden Parteitagsbeschluss, die ›Financial Times‹ konstatiert in Deutschland mittlerweile dank Merkel ›Planwirtschaft‹, und die Zukunft unserer Kinder wird gerade in Griechenland verfrühstückt. Die Art und Weise, in der der deutsche Steuerbürger trotz bindendem Bail-out-Verbot zum Garanten griechischer Lebensart mutiert, ist beispiellos« (Hervorhebung nicht im Original).
Hans-Hermann Tiedje (war Wahlkampfberater von Helmut Kohl), in: Neue Zürcher Zeitung Nr. 213/2011, Seite 13.

»Die Berechnungen der staatlichen KfW zugunsten des Euros stimmen vorne und hinten nicht.«
Hans-Werner Sinn (Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung), in: Handelsblatt, Nr. 176/2011, Seite 11.

»Die Leute sind diese ritualisierten Auftritte und diese geschauspielerten Einlagen der Politiker satt, das will kein Mensch mehr hören.«
Peer Steinbrück, in: Handelsblatt Nr. 183/2011, Seite 16.

»In der deutschen Politik herrschen Mittelmass und Führungsschwäche vor. Der Kanzlerin schadet dies kaum.«
Jürg Dedial, in: Neue Zürcher Zeitung Nr. 223/2011, Seite 1.

»Es war verantwortungslos vom IWF, der EU und der EZB, die Griechen auf den jetzigen Kurs zu schicken… Die Unabhängigkeit der EZB ist hin. Damit ist die Kritik und die Befürchtung vieler konservativer deutscher Professoren bestätigt.«
David Marsh, in: FAZ Nr. 155/2011, Seite 11.

»Die ›Ultima-Ratio-Massnahmen‹ zur Rettung der stark verschuldeten Euro-Staaten wurden weitgehend ohne parlamentarische Mitwirkung in den Mitgliedsstaaten beschlossen. Gegen die drohende Rechtserosion sind in Deutschland Klagen hängig. Es ist zu befürchten, dass dem Hohen Gericht die institutionelle Unabhängigkeit fehlt.«
Stefan Städter, in: Neue Zürcher Zeitung Nr. 174/2011, Seite 13.

»Wie würde Schiller den Verlust an demokratischen Rechten betrachten, den wir unseren nichtgewählten Meistern in Brüssel und den multinationalen Konzernen, die nirgends zu Hause sind, verdanken?… Europa befindet sich – und das nicht zum ersten Male – in einem furchtbaren Durcheinander.«
John le Carré, in: FAZ Nr. 200/2011, Seite 25.

»Wozu quält man Studenten mit den Hauptsätzen der Thermodynamik und den Grundlagen der Energietechnik, wenn letztendlich die Entscheidungen über die künftige Energieversorgung von Juristen, Soziologen, Germanisten und Theologen getroffen werden?«
Prof. Dr.-Ing. Eckhard Wiederuh, in: FAZ Nr. 127/2011, Seite 6.

»Für all die Biedermänner des Berliner Politikbetriebs war Guttenberg der gefährliche Brandstifter, der mit seiner Beliebtheit alle herkömmlichen Gesetze dieses Betriebs ausser Kraft setzte. Das war es, was kein Biedermann ihm verzeihen konnte. Das erklärt das seltene Ausmass an Missgunst, das ihn selbst nach seinem Rücktritt von allen Ämtern noch verfolgte.«
Jörg Himmelreich, in: Neue Zürcher Zeitung Nr. 83/2011, Seite 7.
»Gaddafi war einst einer der verehrten Revolutionsführer, die Frankreichs Intellektuelle zur Zeit der Dritte-Welt-Euphorie und vor der historischen Wende verehrten wie Mao, Castro, Ho Chi Minh.«
Jürg Altwegg, in: FAZ Nr. 65/2011, Seite 35.

» ›Die Migranten bereichern uns.‹ Mit diesem putzigen Klischee verweigerte sich die demokratische Linke in nahezu allen westeuropäischen Ländern ihrer aufklärerischen Pflicht: aus Drittweltromantik, aus elitärer Lust am pittoresken Multikulti, aus paternalistisch motivierter Fürsorge für die armen Ausgebeuteten… »Die Burka? Wird doch freiwillig getragen, ja geradezu als Symbol der Religionsfreiheit. Wer sich über eine derart krude Logik empört, wird aus der links-grünen Ecke als ›Islamophobie‹ bezichtigt, der nur noch psychiatrisch beizukommen sei. Wer Mädchen von der Kopftuchpflicht befreien möchte, gilt schlicht als intolerant. Das linksintellektuelle Milieu duldet Reservate für religiös-autoritäre Riten und Regeln des Migrantenislam.«
Frank. A. Meyer, in: P.T. Magazin Nr. 2/2011, Seite 11.

»Das kann man nur loben. Es gibt kein Land auf der ganzen Welt, das sich so sehr mit seiner Geschichte beschäftigt hat wie Deutschland.«
Dieter Graumann, in: FAZ Nr. 7/2011, Seite 6.

»Frau Ashton galt schon als inkompetent, bevor sie überhaupt einen Fuß in ihr Büro gesetzt hatte. Sie bekam den Job, weil sie Britin, links und Frau ist. Das waren zum Zeitpunkt ihrer Ernennung gerade die drei Anforderungen, die der erfolgreiche Kandidat nach dem Proporzsystem der EU zu erfüllen hatte. Fachkenntnisse waren nicht gefragt, und die hatte sie auch nicht.«
Nikolas Busse, in: FAS Nr. 6/2011, Seite 8.

»Den vornehmlich linken deutschen Steuer-Imperialisten allerdings geht es um mehr: Sie wollen den Wettbewerb der Rechtssysteme beseitigen, um die Macht des Staates gegenüber dem Bürger zu erhöhen. Ein freiheitliches Land wie die Schweiz mit einer starken Währung und einer Staatsauffassung, die dem Staat Grenzen setzt, stört ihr Kalkül. Die Schweiz dient als Sündenbock. Deutschland muss sein Schwarzgeld-Problem selber lösen.«
Roger Köppel (Verleger der in Zürich erscheinenden ›Weltwoche‹), in: FAZ Nr. 197/2012, Seite 10.

27. August 2012

Bemerkenswerte Zitate, Teil 35

»Fakt ist: Mit jedem neuen Rettungspaket, jeder neuen Idee steigt das Risiko für den deutschen Steuerzahler. Insgesamt haftet Deutschland inklusive der Risiken der EZB-Politik für mehr als 700 Milliarden Euro.«
Helmut Schlesinger, Ex-Bundesbank-Präsident, in: HB Nr. 109/2012 Seite 9.

»Längst schon haben wir uns daran gewöhnt, dass kein Spitzenpolitiker mehr die Frage beantwortet, die ihm gestellt wird – schon gar nicht eine, die ihn in Verlegenheit bringen könnte.«
Reinhard Mohr, in: FAS Nr. 42 vom 24. Okt. 2010, Seite 11.

»Die 27 EU-Staaten haben für das vergangene Jahr deutlich mehr Unregelmäßigkeiten im Umgang mit EU-Geldern gemeldet. So wurden 10.332 Fälle registriert – 33 Prozent mehr als im Vorjahr, sagte der Direktor der EU-Behörde für Betrugsbekämpfung (OLAF), Nicholas Ilett, in Brüssel.«
dpa: „EU-Gelder: Betrug und Irrtümer nehmen zu“, in: Handelsblatt Nr. 190/2011, Seite 22.

»Nur ein qualvoll sterbender, möglichst protestantischer Deutscher ist für Léon Bloy ein guter Deutscher, seine Erzählungen triefen vor nationalistischem Wahn, blindem Hass und katholischem Fanatismus.«
Georg Renöckl, in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 231 vom 4. Oktober 2011, Seite 17.

»Schlarmann legte in der „Leipziger Volkszeitung“ seiner Partei einen Führungswechsel nahe. Er sagte, er habe erhebliche Zweifel daran, dass die Unionsparteien unter Führung von Frau Merkel die kommende Bundestagswahl gewinnen könnten. Die Parteivorsitzende lasse mögliche Nachfolger für ihr Amt nicht „nach oben“ kommen.«
FAZ Nr. 190 vom 16. August 2012, Seite 4.

»Inzwischen produzieren Rechenzentren mehr Emissionen als die Luftfahrt. Die Betreiber müssen sich etwas einfallen lassen.«
Jens Koenen, Frankfurt, in: Handelsblatt Nr. 188/2011, Seite 24.

23. August 2012

Bemerkenswerte Zitate, Teil 34

»Das Einzige, was man sich realistischerweise als ›Argument‹ für eine Erweiterung der Zuständigkeiten (im EU-System) vorstellen kann, ist der Hinweis auf den stummen, argumentlosen Zwang des Ausnahmezustands, in dem wir uns faktisch befinden, und die demokratische Diktatur der Kommission als Lösung!«
Prof. Dr. Dr. H.C. Karl-Heinz Ladeur, in: FAZ Nr. 193 vom 20. August 2012, Seite 6.

»Frau Merkel vertritt nicht die Interessen des deutschen Volkes. Gerechtigkeit gehört nicht zu den Maximen ihrer Politik. Namhafte Staatsrechtler bezeichnen die Entscheidungen von Frau Merkel als kriminell.«
Dr. Hans Penner in einem Brief vom 21. Aug. 2012 an den Generalsekretär der CDU, Herrn Hermann Gröhe.

»Der Schweizer Verteidigungsminister erklärte kürzlich: ›Niemand in der Schweiz, der noch alle Tassen im Schrank hat, möchte mehr in die EU.‹ So denken offenbar Länder, die – wie auch Norwegen – noch ein bisschen Geld auf dem Konto haben. Nur die Finger weg von der Umverteilungsmaschine EU. Nur ein Land ist so dumm, ohne echte Gegenleistung dreistellige Milliardenbeträge an die Politbürokratie in Brüssel zu überweisen: Deutschland.«
Bernd Lippelt, in: FAZ Nr. 170 vom 24. Juli 2012, Seite 12.

»Der junge Paul Ryan (Vizepräsidentschaftskandidat Romneys) hat sich in den letzten Jahren von einer Randschen Heldenfigur in einen typischen Bösewicht ihrer Bücher verwandelt. Er ist, kurz gesagt, Politiker geworden.«
Gregor Quack, in: FASZ Nr. 33 vom 19. August 2012, Seite 21.

15. Juli 2012

Bemerkenswerte Zitate, Teil 33

»Natürlich glauben manche, ein neuer Krieg in Europa sei inzwischen unmöglich. Ich glaube das nicht: Das Außergewöhnliche in Europa ist nicht der Krieg, sondern der Frieden. Es reicht schon, dass Probleme auftreten wie jetzt, und schon blüht wieder der Nationalismus auf, der stets die Hauptursache aller europäischen Kriege war.«
Javier Cercas in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Nr. 26 vom 1. Juli 2012, Seite 21.

»In der Wissenschaft, aber teils auch in der Politik wird kritisiert, dass lange Zeit die beiden großen Parteien die Richterstellen wie Erbhöfe unter sich aufgeteilt hatten und das Verfahren nicht transparent sei.«
FAZ Nr. 154 vom 5. Juli 2012, Seite 4.

» ›Verzicht ist Verrat, wer wollte das bestreiten?‹, sagte er auf dem Schlesiertreffen 1963. Und: ›Das Recht auf Heimat kann man nicht für ein Linsengericht verhökern.‹ Das war damals allgemeine Meinung. Kurt Schumacher hielt die Oder-Neiße-Linie als Grenze für ›unannehmbar‹; keine deutsche Regierung oder Partei könne bestehen, die diese Grenze anerkenne.«
Reinhard Müller, in: FAZ Nr. 135/24 D2 vom 13. Juni 2012, Seite 1.

»Viele der Arbeiten der deutschen Spezialisten sind inzwischen in europäische Projekte wie Ariane, Eurocopter oder Airbus eingeflossen. Unter Fachleuten ist unstrittig, dass der Beitrag dieser Pioniere für die französische Raumfahrt und die nukleare Abschreckungsmacht von unschätzbarer Bedeutung war. ›Fast das gesamte französische Raketenprogramm hat seinen Ursprung in Vernon. Die Deutschen haben erheblich dazu beigetragen, dass Frankreich zur drittgrössten Weltraummacht wurde‹, urteilt der Technikhistoriker Jacques Villan.«
Gerhard Bläske in: Neue Zürcher Zeitung Nr. 46 vom 25. Februar 2012, Seite 4.

20. Oktober 2011

Bemerkenswerte Zitate, Teil 32

Sachentscheidung durch das Volk. »Wir haben alle Chancen, aus der empörten Gesellschaft entscheidungsfreudige Bürger zu machen. Empörung drängt in das Plebiszit, also die Sachentscheidung durch das Volk.«
Prof. Dr. Paul Kirchhof, in: FAZ vom 8. Okt. 2011, S. 33.

Zustupf: »Die Schweizer Wirtschaft braucht keinen staatlichen Zustupf.«
Schlagzeile in: Neue Zürcher Zeitung vom 27. Aug. 2011, S. 17.

Zweifel am Parlament als Forum der Nation: »Dass meine Entscheidung, die beiden reden zu lassen, Ärger verursachen würde, war mir durchaus klar. Dass die parlamentarischen Geschäftsführer aller Fraktionen so geschlossen und massiv auf ein exklusives Benennungsrecht der Redner durch die Fraktionen bestanden haben, hat mich dann doch gewundert und nachdenklich gestimmt. Mit Blick auf die Verfassungslage und die Erwartungen der Öffentlichkeit auf einen repräsentativen Parlamentarismus empfinde ich diese Kritik als erstaunlich: Sie bestätigt eher die Zweifel am Parlament als Forum der Nation, statt die offensiv auszuräumen.«
Norbert Lammert, Bundestagspräsident, nach dem Euro-Regenschirmbeschluß des Deutschen Bundestages; Zitat in: Welt am Sonntag vom 2. Okt. 2011, S. 11.

Staatstrojaner: Verfassungsminister bricht Recht: »Der Mangel an talentiertem, instinktsicherem Nachwuchs und fähigem politischem Personal bis hinein in die zweite und dritte Reihe ist hier, auf dem früheren Heimspielfeld der Konservativen, besonders evident. Und nun macht auch noch der Bundesinnenminister deutlich, warum er eher ein Verlegenheitskandidat seiner Partei als eine politische Traumbesetzung war..«
Frank Rieger, Sprecher des Chaos Computer Clubs, in: FAZ vom 18. Okt. 2011, S. 31.

14. September 2011

Bemerkenswerte Zitate, Teil 31

Berlin in Zitaten

»Zwei Zoos, drei Opern, drei Universitäten – aber kaum Industrie: die Hauptstadt lebt auf Kosten anderer. Kein Wahlkämpfer will daran etwas ändern.«
Ralph Bollman, in: FAS vom 28. August 2011, Seite 33.

»Spaziergang durch den Berliner Lobby-Dschungel«
Paola Carega, in: NZZ vom 22. Juni 2009, Seite 8

»Und schließlich ist Berlin auch die tragische Stadt, die Stadt mächtiger Abwesenheiten, die Stadt der Dinge, die nicht da sind. Es ist die Stadt der Mauer, die nicht mehr existiert.«
David Gelernter, in: FAS vom 11. Juli 2010, Seite 19.

»Neuköllner Lokaltermin bei den Abgeschriebenen: Nichterziehung, Prügel und Gleichgültigkeit in einem Berliner Erziehungsmilieu.«
Regina Mönch, in: FAZ vom 29. Oktober 2009, S. 33.

»Brennende Autos in Berlin lassen alte Diskussionen aufflammen und neue Frontlinien entstehen.«
Ulrich Schmid, in: NZZ vom 27. Juli 2009, S. 27.

»Die fleißigen Schwaben haben wenige Freunde in Berlin.«
Anna Catherin Loll, in: NZZ vom 3. August 2009, S. 8.

»In Zürich leben viele Schwule, trotzdem ist Zürich keine Schwulenstadt. Anders als in den bekannten Schwulenmetropolen dieser Welt wie San Francisco, Amsterdam oder Berlin gibt es kein Viertel, in dem nur Schwulen leben und arbeiten.«
cgü, in: NZZ vom 25. Mai 2009, Seite 25.

»Muntere Debatte in der atheistischen Hauptstadt«
Mechthild Küpper, In: FAZ vom 7. März 2009, Seite 8.

»Das Erzbistum ist durch fehlerhafte Entscheidungen so bankrott wie die Stadt und muß Mitarbeiter entlassen und Immolilien verkaufen.«
Daniel Deckers, in: FAZ vom 28. Mai 2003, Seite 3.

»Die evangelische Kirche in Berlin und Brandenburg muß massenhafte Austritte verkraften und die Mission vorantreiben. … In den Plattenbausiedlungen Ost-Berlins hat die SED-Politik dafür gesorgt, daß das Christentum nahezu verschwunden ist.«
Heike Schmoll, in: FAZ vom 28. Mai 2003, Seite 3.

»Berlin ist ja eine Stadt, der die geschichtliche Basis weggebrochen ist, Die aristokratische ohnehin, aber die großbürgerliche des 19. Jahrhunderts und die industrielle weitgehend auch.«
Adolf Muschg, in: NZZ vom 12./13. Juli 2003, Seite 35.

13. August 2011

Bemerkenswerte Zitate, Teil 30

Bürgerausschaltung. »Die meisten heutigen Staaten spekulieren, durch keine Krise belehrt, auf die Passivität der Bürger. Westliche Regierungen wetten darauf, daß ihre Bürger weiter in die Unterhaltung ausweichen werden; die östlichen wetten auf die unverwüstliche Wirksamkeit offener Repressionen. Man muß kein Prophet sein, um zu ahnen, in welchem Maß die Zukunft vom Wettbewerb zwischen dem euro-amerikanischen und dem chinesischen Modus der Bürgerausschaltung bestimmt sein wird. Beide Verfahren gehen davon aus, man könne das Aufklärungsgebot der Repräsentation von positivem Bürgerwissen und gutem Bürgerwissen im Regierungshandeln umgehen, indem man weiter mit hoher Bürgerpassivität rechnet.«
Peter Sloterdijk in seinem Netzportal (Hervorhebung: E.D.)

»Mit knatterndem Zuwanderungsdeutsch stürmt er leutselig voran, versucht er die Eroberung aller Anwesenden mit rotierendem Zeigefinger und lebhaften, offenen Gesten…Das Gericht braucht auch nicht lange, denn, dem offenherzigen Herrn Gül sei Dank, der Fall liegt ja klar zutage: Zu drei Jahren und drei Monaten wird er verurteilt, wegen gewerbsmäßiger Urkundenfälschung als Mitglied einer Bande. Dann darf Herr Gül zunächst einmal wieder nach Hause, die Familie wartet ja schon. Seinen Reisepass lässt er aber, bitte schön da.«
Klaus Ungerer, in FAZ Nr. 281/2010, Seite 36.

Frauenquote. »Im Übrigen ist es bezeichnend, dass es nicht einmal im Staatsdienst gelingt, wichtige Positionen mit Frauen zu besetzen – was bei politischen Stellen ein Leichtes wäre. Das gilt nicht zuletzt für das Bundesfamilienministerium, in dem es unter der jungen, jetzt schwangeren Ministerin nur eine weibliche Abteilungsleiterin gibt. Und dann soll der Staat privaten Unternehmen vorschreiben, wie sie ihre Führungsgremien zu besetzen haben? Nein, die Forderung nach einer Quote kann nicht ernst gemeint sein.«
Reinhard Müller in: FAZ Nr. 33/2011, S. 1

30. April 2011

Bemerkenswerte Zitate, Teil 29

Verspätete Einsicht

Der Sprecher des ›Chaos Computer Clubs‹ ließ sich im Dezember 2010 wie folgt vernehmen: Zynisch und menschenverachtend sei die Realität für Menschen, »die für Regierungen und Großunternehmen am Computer arbeiten«, weil Ideal und Wirklichkeit nicht übereinstimmten. Die Gründe:
»Das eskalierende Sicherheitstheater, das sich weniger gegen die Terroristen als gegen die Freiheit des Einzelnen richtet. Die auch in westlichen Ländern um sich greifende systemische Korruption und Vorteilsnahme. Die nahezu vollständige Abwesenheit von Ehrlichkeit in Politik und Geschäftsleben. All das führt unweigerlich zu einem Aufbegehren. – Es braucht Öffentlichkeit, die reinigende Kraft des Sonnenlichts, um Korruption, schattige Deals und ethische Verkommenheit im Zaum zu halten. Dass die traditionelle Presse, der diese Funktion eigentlich zukam, ihre Aufgabe wegen wirtschaftlicher Probleme und zu engen Kuschelns mit den Mächtigen zuletzt nur noch zögerlich erfüllt, ist bedauerlich. Durch das Aufkommen funktionierender Leaking-Plattformen haben Menschen, denen das Gewissen noch nicht abhandengekommen ist, ein Ventil für ihre Gewissensnot, ein Mittel gegen die Verzweiflung am Zustand der Welt und eine Möglichkeit, diejenigen, die dafür verantwortlich sind, zur Rechenschaft zu ziehen.« (FAZ Nr. 292/2010, S. 29).

Mit Ausnahme des Leaking-Hinweises kann man die Zeitanalyse sinngemäß seit mehr als zehn Jahren in diesem WALTHARI-Portal nachlesen. Wer auch hier zu spät kommt, kann nicht…
©Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen die Originalzitate. Aus: www.walthari.com

31. Januar 2011

Bemerkenswerte Zitate, Teil 28

»Um den Artenreichtum der Argumente, was alles nicht gesagt oder gemeint werden darf und warum, muß man sich in diesem Land nicht sorgen. Es schrumpft vielmehr der Raum, in dem noch etwas ohne Gefahr für Ruf und Existenz geäußert werden kann. Das betrifft natürlich nicht etwa die Verklärung des Sozialismus, wohl aber alles, was ›rechts‹ ist oder auch nur sein könnte. Schon die sogar von den bürgerlichen Parteien übernommene Gleichsetzung von ›rechts‹ mit ›rechtsextrem‹ ist ein Beispiel dafür, wie erfolgreich die Linke in diesem Land das Spektrum dessen verengte, was noch als zulässige Ansicht gilt. Außerhalb dieses Meinungskorridors soll kein Heil sein.«
Berthold Kohler, 9. Oktober 2009

»Vor allem die Glotze brauchte Kanzler Schröder zum Regieren. Seine Nachfolgerin hält es nicht viel anders. Sie schart bei Medien-Abendmahlen viele Fernsehleute um sich, ihr Regierungssprecher kommt aus diesem Milieu. Für das Bundesverfassungsgericht ist eine große Breitenwirkung noch wichtiger, denn es hat letztlich nichts außer seinem Ansehen. So erklärt sich die großzügige Karlsruher Rechtsprechung zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit zwangsgebührenfinanzierter ewiger Bestands- und nahezu unbegrenzter Entwicklungsgarantie. So lebt die Karlsruher Justizpressekonferenz von den obersten Gerichten, die Gerichte leben aber auch von den Journalisten.«
R. Müller, 26. November 2010

»Für den ehemaligen Verfassungsrichter Willi Geiger begann die deutsche Einheit mit ›einem irreparablen, tief in das Verfassungsgefüge hineinreichenden Verfassungsbruch. Der gewaltengeteilte Verfassungsstaat hat seine Bewährungsprobe nicht bestanden. Daran werden nicht nur die Geschichtsbücher uns und unsere Nachkommen immer wieder erinnern.‹ Der Kassandra-Ruf von 1990 holt uns heute auf immer mehr Gebieten von Politik und Gesellschaft ein.«
Thorsten Hinz, 5. November 2010

»Gravierende Divergenzen in der makroökonomischen Politik, insbesondere in der öffentlichen Verschuldung, erzeugen Spannungen und Druck auf finanzielle Transfers, um das Auseinanderbrechen der Währungsunion zu verhindern. Damit entsteht ein Potential für Versuche der Erpressung der solideren Länder durch Mitgliedstaaten mit hoher Verschuldung. Dieser Mechanismus geht noch über ein von den Ökonomen als Moral Hazard bezeichnetes falsches Anreizsystem hinaus.. Die Forderung, die stärkeren Länder müßten die schwächeren im gemeinsamen Interesse unterstützen, pervertiert den vielbeschworenen Gedanken ›finanzieller Solidarität‹.«
Otmar Issing, 11. November 2010

»Warum erfährt die Öffentlichkeit erst nach zig Jahren, daß in Deutschland nicht – wie von der Politik beharrlich falsch behauptet und von Presse, Funk und Fernsehen fast durchgängig nachgesungen‹ – nur etwa sieben Millionen‹, sondern längst schon mindestens 16,5 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund‹ Wohnsitz gefunden haben?«
Rolf Dressler, 5. November 2010

»Ohne Selbstbehauptungswillen kann ein Volk aber nicht bestehen. Ein besonderer Ort, diese Identität auszuhöhlen ist das Geschichtsbewußtsein. Hier wird seit Kriegsende mit unnachsichtiger Härte versucht, eine bestimmte von den Siegern ausgehende Geschichtsdeutung durchzusetzen, und sogar das Schicksal der Flüchtlinge kleinzureden beziehungsweise zu rechtfertigen. … Die neuere umfangreiche und seriöse Literatur über die Ursachen des Zweiten Weltkrieges wird von Politik und Presse ignoriert. Hier wie auch sonst eine an der schlichten Wahrheit orientierte differenzierte Betrachtung anzustellen wird verpönt. Wenn ein Volk jenseits der Wahrheitssuche unter politischen Zielsetzungen von seiner eigenen Geschichte abgeschnitten und über sie getäuscht wird, ist auch das eine Form der ›Abschaffung‹ dieses Volkes, nämlich seiner Identität. Diese Erkenntnisse sind allesamt das Produkt des demokratischen Staates. Die Abgeordneten haben sich von dem Volk, das sie gewählt hat, weit entfernt, nehmen es kaum mehr wahr und entscheiden in Lebensfragen gegen dieses Volk: obwohl sie dessen abweichende Meinung kennen oder erahnen. Formell abgefragt wird diese Meinung deshalb schon gar nicht. Wer auf das Volk hört, wird als ›Populist‹ beschimpft.«
Wolfgang Philipp, 5. November 2010

»Wieso sollten die Weinberge an der Mosel anders behandelt werden als die Plantagen der Kokabauern in den Anden? Auch die bauen eine uralte Kulturpflanze an, mit deren Früchten sie verantwortungsvoll umgehen können und Rituelles verbinden. In Deutschland fällt auf Wein nicht einmal Alkoholsteuer an, er wird als Kulturdenkmal behandelt. Beim Wein ist der Alkohol, wie das die Kenner so schön formulieren, grundsätzlich ›gut eingebunden‹ – und zwar in tanninreiche Strukturen aus Kultur, Tradition, Prestige und Ehrfurcht.«
Peter Richter, 8. August 2010

»Im Schrank gewebtes Multikulti: Boss-Hose aus der Türkei, Joop-Hemd aus Bulgarien, Mexx-Shirt aus Malaysia. Deutsch sind hier nur die Mottenkugeln.«
Jörg Thomann, 30. Januar 2011

»Zur europäischen Parade der Schwulen und Lesben in Warschau schreibt die polnische Tageszeitung ›Rzeczpospolita‹: ›Die Organisationen der Schwulen und Lesben sind zur großen Kraft geworden und haben einflußreiche Schirmherren gewonnen… Ungeachtet dessen spielen sie die Rolle einer unterdrückten Minderheit. Diese bequeme Rolle des ewigen Opfers ermöglicht ihnen, in alle Richtungen Fußtritte zu verteilen und jedem Intoleranz, Diskriminierung, Rückständigkeit und Provinzler-Mentalität vorzuwerfen, der sich erlaubt, eine andere Meinung über ihre Aktivitäten zu haben. Heute reicht es nicht mehr aus, ihre auf Privatsphäre beschränkte Lebensweise zu tolerieren. Man muß unbedingt auch Verständnis für ihre Zügellosigkeit sowie sittliche und religiöse Provokationen haben… Die Toleranz für anderes Sexualverhalten verwandelt sich damit unbemerkt zur Zwangsakzeptanz.‹«
Stimme der Anderen: ›Immer nur unterdrückt‹, FAZ Nr. 164 F vom 19. Juli 2010

»Auch die ›Action Française‹ ist nicht ganz tot. Ihre Zeitschrift veröffentlicht die Namen zweier Spender, die zwanzig und dreißig Euro geschickt haben. Für die Krise machen die Altfaschisten die Sozialdemokratie verantwortlich, sie habe ›die Länder Europas verschlungen‹. Der Hass auf den Erbfeind wird nur noch in selbstironischer Form mobilisiert: ›Uns bleibt die historische Grandeur, sie haben die Industrie.‹ Es herrsche eine ›Wirtschaftslage wie nach einem verlorenen Krieg.«
Jürg Altwegg, 12. Juli 2010

»Wie Gauck da hochgejubelt wurde und wie zuletzt, inszeniert von aufstrebenden Greisen wie Kurt Biedenkopf oder Richard von Weizsäcker, die Freiheit der Wahl in Frage gestellt wurde – das war nur noch aberwitzig. Hatte etwa ein Staatsstreich stattgefunden?«
Volker Zastrow, 4. Juli 2010

»Der Verlust an Wirtschaftskompetenz verwundert nicht angesichts einer Kanzlerin, die keine starken Figuren neben sich duldet, sondern höchstens Ministranten der Macht. Man könnte das den Merz-Effekt nennen. Anders formuliert: Das Wegräumen von Konkurrenten ohne Rücksicht auf Kompetenz und Sachverstand. «
Konrad Mrusek, 4. Juli 2010

»Eine bis zur Debilität glückselige Oralkultur ist aber deswegen das Paradebeispiel für den idealen Konsumenten, weil sie den im Primärprozess aufgehenden Infanten keine Umwege, keinen Lustaufschub, keine Distanzierung zumutet, sondern in demselben Maß unverzüglich Stillung gewährt, wie sie nach Stillung verlangt. Konsumabhängigkeit und Konsumlust sind untrennbar verbunden. Die alterslosen Kinder der neuen Nichtgenerationen haben dagegen überhaupt keine Reserven mehr. Die kommerzielle ›Declaration of independence‹ ist ihnen noch fremder, als es die politische je war. Selbst die akustischen Medien, die angeblich am signifikantesten für die Gesellschaft der Hörigen sein sollen, fügen sich dem Oralitätsgebot. Das Handy… ist der kommunikative Schnuller der altjungen Kids, ohne den sich das Leben überhaupt nicht mehr vorstellen lässt.«
Ludger Lütkehaus, aus: Die infantilisierte Gesellschaft, in: Scheidewege, Jahresschrift für skeptisches Denken, Jahrgang 39, 2009/2010

»Die Pariser Finanzzeitung ›La Tribune‹ bemerkt zum deutsch-französischen Verhältnis nach den Feiern zum Mauerfall und zum Ende des Ersten Weltkriegs: ›Nichts kann uns besser eine Träne entlocken als eine deutsch-französische Zeremonie… So läuft das in Europa, das zu einer Gedenkmaschine für große Ereignisse und große Menschen geworden ist.‹«
Stimme der Anderen: ›Die deutsch-französische Gedenkmaschine‹, FAZ Nr. 264 F vom 13. November 2009

»Ja, ich glaube, es gibt so etwas wie Besessenheit. Ich kenne Politiker, die sofort krank wurden, wenn sie in die Sommerpause oder in die Weihnachtspause gingen, so als ob der Adrenalinspiegel dann abstürzt und das Immunsystem darüber auch plötzlich ganz schwach wird.«
Peer Steinbrück, 15. November 2009

»Die Haltung eines Kissinger, Brandt oder Giscard d’Estaing, die vor den Unterdrückten im Osten die Türe zuschlugen; die Haltung Thatchers oder Mitterands, die, wie wir heute wissen, bis zum letzten Augenblick alles taten, um die Wiedervereinigung Deutschlands zu verhindern und die alte Ordnung zu retten; die Haltung schließlich eines intellektuellen Klerus, der in seiner übergroßen Mehrheit in Schweden oder Norwegen wie in Frankreich nichts über den fortdauernden Skandal zu sagen wußte, der die Hälfte Europas in einem Raum, einer Zeit und einer Zivilisation gänzlich anderer Art gefangen hielt – wir sind dabei, all das zu verwechseln mit der scheinbaren Stummheit, dem langen, stillen Grollen jener Völker, die dort im Osten längst alles verstanden hatten und nur auf den letzten Funken warteten, der ihnen den Mut gab zu sagen, dass der König, also die Diktatur, nackt war.«
Bernard-Henri Lévy, 12. November 2009

»Wenn ich mich umschaue in unserem Musikbetrieb und sehe, wie hoch diejenigen geschätzt werden, die rasch zu größtem Ruhm, zu höchstem Umsatz kommen, frage ich mich: Wo sind die Furtwänglers unserer Zeit? Will sagen: Künstler, denen es in aller Stille nur um die Musik geht?«
Violinist Gidon Kremer, 25. Oktober 2009

»Musial beschreibt den Partisanenkrieg als eine Orgie hemmungsloser Gewalt, in der die Grenzen zwischen Freund und Fein verwischt wurden. In diesem Kosmos der Gewalt lösten sich die Praktiken der Vernichtung von den Motiven, die sie ursprünglich ins Werk gesetzt hatten. In der Isolation gedieh der Verfolgungswahn. Niemand konnte sicher sein, wer zu den Freunden, wer zu den Feinden gehörte. Musial erzählt von jüdischen Flüchtlingen, die in den Wäldern von Partisanen aufgespürt und als ›Spione‹ der Deutschen erschossen worden seien. In den Partisanengruppen herrschte das Regiment der Willkür. Die lokalen Warlords waren jeglicher Kontrolle entzogen, sie konnten nach Belieben brandschatzen, foltern und töten und ihr Herrschaftsgebiet in eine blutige Despotie verwandeln.«
Jörg Baberowski, 8. Oktober 2009, Besprechung von Bogdan Musial: Sowjetische Partisanen.

»Es ist an der Zeit zu überlegen, ob Deutschland nicht zu diesem Schritt gezwungen ist, wenn das Gleichheitsprinzip zwischen den Teilstaaten der EU nicht gilt und Deutschland genötigt ist, ihm erst für sich selbst in der EU Geltung zu verschaffen. Die Rechtsgleichheit forderte diesen Schritt der Sezession selbst dann, wenn mit ihm Nachteile für die deutsche Industrie verbunden sind, weil vielleicht Märkte verlorengehen. Die eigene Würde und der eigene Vorteil erfordern es, diese Nachteile in Kauf zu nehmen.«
Peter Koslowski, Amsterdam, 17. Oktober 2009

»Ich beschäftige mich mit diesem Thema nicht. Ich glaube, auch sonst tut das kaum jemand in der SPD. Oskar Lafontaine: Wer ist das schon?«
Olaf Scholz, 4. Oktober 2009

»Der ziemlich merkwürdige, holzkasperlehaft wirkende Ministerpräsident des Landes kündigt mit seiner hoch krähenden Diskant-Stentorstimme schon mal an, man müsse eventuell, wenn das so weitergehe, demnächst an der Kultur kürzen – dem Besten, was dieses Land überhaupt noch hat. Wirft aber dem badischen Herrscherhaus Millionen für eine marode Schloß-Salem-Immobilie in den Rachen.«
Gerhard Stadelmaier, 8. Mai 2009

»Klar, wir Boxer sind Roboter. Was ist unser Leben? Aufstehen, frühstücken, trainieren, Mittagessen, eine Stunde ruhen, trainieren, Kältekammer, Massage, Abendessen, schlafen. Das ist unser Leben. Das Leben eines Roboters. Drei, vier Monate lang. Wir haben im Jahr drei Kämpfe, und nach jedem Kampf haben wir drei Wochen Pause. Der Rest ist Training.«
Arthur Abraham, 21. November 2010

»Die Rentengarantie ist ein typisches Produkt der Ausgleichs-, Beschwichtigungs- und – wenn es opportun erscheint – auch politischen Bestechungsstrategie der Kanzlerin.«
Hans D. Barbier, 3. August 2010

»Wenn Journalisten auf Wikileaks einschlagen, treffen sie vor allem sich selbst. Paradox ist der Vorwurf, Wikileaks inszeniere seine Enthüllungen und verpasse ihnen ›das Gütesiegel von seriösen Medien‹, um Wirkung zu erzielen. Was finden ausgerechnet Journalisten daran auszusetzen?«
Stefan Tomik, 12. Dezember 2010
Aus: www.walthari.com

7. November 2010

Literatur als Geschäft

Der diesjährige Literaturnobelpreisträger Mario Varga Llosa gibt sein neuestes Buch ›Der Traum des Kelten‹ als Roman aus, obschon es eher ein Sachbuch ist. Beschrieben werden die unsäglichen Kongogreuel, die Belgien als Kolonialmacht zwischen 1885 und 1910 zu verantworten hat. Hauptverantwortlich war König Leopold II., der durch Ausplünderungen zum reichsten Mann der Welt wurde und mit dem Blutgeld in Brüssel Paläste u.a. baute, die heute noch von den Belgiern bewundert werden.

Llosa tischt nichts Neues auf, macht aber aus seinem Buch ein Weltereignis – dank geschichtsvergessener Medien. Adam Hochschild hat bereits vor zehn Jahren ein Sachbuch über das Jahrhundertverbrechen vorgelegt, W. G. Sebald nahm sich 2001 poetisch des Themas an (in: ›Die Ringe des Saturns‹), ohne daß ›die Weltöffentlichkeit‹ sonderlich aufmerkte. In Heft 35/2001(erschienen im Oktober 2000) der gedruckten Ausgabe der Literaturzeitschrift WALTHARI wurde an das finstere Kapitel ebenfalls ausführlich erinnert (Seite 35 ff. und später im Archiv). Dem belgischen Kongo-Greuel sind fünf bis acht Millionen Todesopfer anzulasten. Die Hälfte der dortigen Bevölkerung wurde ausgerottet, ohne daß Belgien sich holocaustisch erinnert. So ist das mit dem Umgang historische Schuld. Vielleicht stiftet Llosa mit seinen immensen Buchgewinnen in Brüssel und Umgebung einige Denkmäler und ein Museum. Tritt er doch sonst überall für Moral ein und scheut sich nicht, der Literatur einen gesellschaftlichen Nutzen aufzubürden.
Poetisch ist dieses Nutzendenken von gestern.
© E. Dauenhauer. Aus: www.walthari.com

29. Oktober 2010

Bemerkenswerte Zitate, Teil 27

Abwerbung von Abgeordneten
»Erstens gibt es Abgeordnete, die einfach nur Geld wollen. Gegenwärtig liegt der Tarif für einen Seitenwechsel bei einer Million Dollar. Zweitens gibt es die, gegen deren Frauen und Kinder Strafverfahren eingeleitet worden sind.«
Julija Timoschenko, Politikerin in der Ukraine

Heimatlos
»Trotz seiner großen militärischen Stärke ist es Israel noch immer nicht gelungen, seinen Bürgern jenes natürliche, entspannte Gefühl zu geben, das ein Mensch hat, der sicher in seinem Land wohnt. Es ist – und das ist tragisch – Israel nicht gelungen, den jüdischen Menschen von seiner bitteren Grunderfahrung zu heilen: dem Gefühl, auf der Welt heimatlos zu sein.«
David Grossmann, Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2010

Vertrauensverlust
»Ein beachtlicher Teil der Bevölkerung steht dem Berliner Politikbetrieb mit Distanz, Gleichgültigkeit und Zynismus gegenüber. Die Erregungen des politisch-medialen Komplexes teilt die Bevölkerung kaum, weil sie diesem Komplex das Vertrauen entzogen hat – nicht erst seit diesem Frühjahr.«
Klaus-Dieter Frankenberger in der FAZ Nr. 228/2010

Mea Culpa
»Wir haben Opfern zu wenig zugehört, Fehler falsch beurteilt und unser Handeln oft zu sehr drauf ausgerichtet, dass das Ansehen der eigenen Institution, der Kirche, bewahrt bleibe.«
Erzbischof Robert Zollitsch, Freiburg i.Br.

Merkels Exzerptismus
»Man muß heute offenbar ein Buch nicht mehr lesen, um seinen Inhalt und sein Anliegen beurteilen zu können. Der Bundeskanzlerin reichen Auszüge – die irgend jemand gemacht hat -, um sich ein Urteil zu bilden. Das ist die Spitze des Kulturverlustes in Deutschland. «
Prof. P. von Wichert, Hamburg, über Merkels Sarrazin-Urteil

Denunziation
»Ein gewisser Marceli Ranicki reihte sich … 1954 in den Chor sozialistischer Zensoren ein, die bemüht waren, diesen für Jünger günstigen Resonanzboden zu versiegeln. Marcel Reich-Ranicki, wie er sich später nannte, sprachlich firm sich aus dem Wörterbuch des kommunistischen Unmenschen bedienend, denunzierte Jünger als ›neonazistischen‹ Schriftsteller, der wie Dwinger, Johst oder Ernst von Salomon ›das Gift des Chauvinismus und des Hasses‹ verspritze und an der ›Remilitarisierung der (westdeutschen) Gesellschaft‹ mitwirke.«
Malte Schwartz in ›Junge Freiheit‹ Nr. 38/2010

Der Fall Bertelsmann
»Die Ausnutzung von deren gutem Ruf durch hybride Gebilde, die Eigennutz als Gemeinnutz tarnen, ist der wahre Skandal des Falles Bertelsmann.«
Prof. Peter Rawert, Kiel

Leichtigkeit des Sein?
»Wer hat je versprochen, dass Menschsein leicht ist? In unserer Zeit hat eine Mehrheit von Menschen das Gefühl, sie hätten ein Recht darauf, nicht zu leiden, keine Probleme zu haben… Wer hat das je versprochen? … Ich weiß nicht, warum wir dieses Gefühl haben, dass wir ein Recht auf Leichtigkeit hätten. Wir haben kein Recht darauf! … Menschsein heißt, seine Freiheit zu üben an dem, was man so schwer erträgt.«
Jeanne Hersch, Schweizer Philosophieprofessorin

Mumbai
»Es ist kein Ort zum Verweilen; er wird bespuckt, vermüllt, bepinkelt, und an den Bahngleisen kann man morgens den Männern sogar beim Defäkieren zusehen.«
Ulla Lenze in NZZ 158/2010

Italienischer D-Zynismus
»Deutschland muß sich von der Zwangsvorstellung befreien, der Hauptbeitragszahler des EU-Haushaltes zu sein; es darf nicht glauben, es sei das einzige Land, das Opfer bringt; es muß seine selbstgefällige Haltung bei der Durchsetzung seiner Interessen in Brüssel ablegen. Umgekehrt darf es stolz auf seinen einzigartigen Beitrag zum europäischen Gemeinwohl sein…«
Antonio Puri Purini, ehem. italienischer Botschafter in Deutschland

Koran und Grundgesetz
»Diese Politiker wollen der Öffentlichkeit immer noch weismachen, dass der Islam mit dem Grundgesetz vereinbar ist und somit auch allen anderen Religionen gleichzustellen sei. Am Beispiel der Stellung der Frau im Islam wird noch einmal auf erschütternde Art nachgewiesen, wie verantwortungslos die politisch Verantwortlichen hier handeln beziehungsweise nicht handeln. Es ist ja gerade die Sure 4,34, die zusammen mit Mohammeds letzter Predigt die Frauen ihren Männern geradezu ausliefert.«
Prof. em. Dr. Karl-Heinz Kuhlmann, Bohmte

Politikdefinition
»Wenn die eine Hand nicht weiß, was die andere tut, und wenn ein kurzes Gedächtnis das Geschwätz von gestern auch nicht mehr gewärtig hält, dann könnte es sich um Politik handeln.«
Georg Paul Hefty in der FAZ Nr. 199/2010

Rechtswandel
Schon eine Ohrfeige gilt heute als Kindesmißhandlung und nach höchstrichterlichen Urteilen als strafbar. 1952 hatte das höchste Zivilgericht (BGH) dagegen geurteilt: »Eltern, die ihre 16jährige sittlich verdorbene Tochter durch Kurzschneiden der Haare und Festbinden an Bett und Stuhl bestrafen, überschreiten nicht das elterliche Züchtigungsrecht.«
Thomas Vormbaum in: ›Jahrbuch der juristischen Zeitgeschichte‹, Heft 2/2010 (FAZ v. 25/8/2010, S. N5)

Moderne Jungmänner
»Dennoch soll der moderne Mann Elternzeit nehmen, Kuchen backen und ›ein Meister am Bügelbrett‹ sein, in einer vierschrittigen Illustration wird ihm erklärt, wie man einen Knopf annäht, er darf aber weiterhin Harleys gut finden, eine Stammkneipe haben und – ups – wenn er schon fremdgeht, dann bitte schön richtig. Mit Champagner sollte er sich auskennen, einen Stammmetzger haben, aber doch eher vegetarisch essen, … den Whiskyrausch genießen, … auf Frauen hören und keine Angst vorm Psychotherapeuten haben…«
Antonia Baum in einer Rezension (FAZ Nr. 32/2010). Auffällig: kein Kinderwunsch
© WALTHARI® – Aus: www.walthari.com

3. Juli 2010

Bemerkenswerte Zitate, Teil 26

»Es bedürfe weiterer Emotionalisierung. Ein Wahlkampf werde mit Haltungen entschieden, nicht mit Themen.«
Sigmar Gabriel, zitiert in der FAZ Nr. 230/2010

»Ich habe immer der Mehrheitsmeinung mißtraut. Ich mußte immer unabhängig denken. Das hat sich später auch auf die Wissenschaft übertragen.«
Reinhart Selten

»Das Risiko der strukturellen Nichtverantwortlichkeit ist das Kernproblem unseres Krisenszenarios.«
Paul Kirchhof

»Der Grund liegt nicht etwa in der Geschichte der Deutschen, sondern in der verachtenswerten Scheckbuchpolitik, mit der deutsche Politiker glauben, sich in der Welt beliebt machen zu können. Dazu kommen bereitwilligst aufgegebene nationale deutsche Interessen. Dies alles führt nicht zu Achtung, sondern zu Verachtung und Verhöhnung.«
Dr. Peter Probst, Wien.

»Der Euro ist ein fehlerhaftes Konstrukt. Ich glaube, seine Väter wußten das auch.«
George Soros

»Unzählige Tschechen schlafen noch heute in den Betten der ermordeten Juden, unzählige ausländische Botschaften befinden sich in einst ›arisierten‹, aber nie restituierten Villen, die der Staat als keineswegs gutgläubiger Erwerber vermietet.«
Stephan Templ in der NZZ 10/07/2010

»Der Euro wird die Mark vergessen lassen.«
Helmut Kohl, April 1998

»Bei der Aufarbeitung der NS-Zeit war die Kernfrage über Jahrzehnte: Was wußten die Deutschen? Bei der RAF-Aufarbeitung schien es irgendwie darum zu gehen: Was sollen die Deutschen nicht wissen?«
Corinna Ponto

»Wer vom Volk als dessen Interessenvertreter gewählt ist, hat nicht das Recht, die ihm auf Zeit verliehenen Rechte an andere, vom Volk nicht mehr kontrollierbare Gremien wegzugeben oder auch nur einen entsprechenden Mechanismus in Gang zu setzen.«
Peter Gauweiler

»Eine Transferunion ist die größte Gefahr für den Euro und für Merkels Kanzlerschaft.«
Holger Stelzner

»Die Sparkassen sind von der Politik fest vereinnahmte Organisationen. Kein Wunder, dass auch der alle drei Jahre stattfindende ›Sparkassentag‹ eine politische Veranstaltung ist. Regelmäßig tritt auf dem zwei Tage dauernde Treffen vor 2000 Sparkassen-Funktionären der Bundeskanzler auf.«
Hanno Mußler, FAZ Nr. 103/2010

»Eigentlich ist es gut, dass die Menschen unser Banken- und Währungssystem nicht verstehen. Würden sie es nämlich, so hätten wir eine Revolution vor morgen früh.«
Henry Ford

»Daimler, dessen größte Eigner arabische Staatsfonds sind, nähert sich einen Schritt dem Staatskapitalismus. Und was das an Grauen bedeutet, haben die Stuttgarter mit ihrer EADS-Beteiligung hinreichend erfahren. Viel haben Daimler-Manager schon geflucht über deutsch-französische Intrigen, Milliardenverluste und den immerwährenden Einfluss der Politik, deren Interessen in den seltensten Momenten mit denen des Kaufmanns übereinstimmen: Warum dann jetzt ein Pakt mit Renault?«
Georg Meck, FASZ Nr. 11/2010

»Diese Milde, die Grass politischen Gegnern sonst nicht zugesteht, hat seine Gründe, hegte er doch, zumindest nach dessen Untergang, eine offenkundig unerwiderte Liebe zum SED-Staat.«
Andreas Öhler, Rheinischer Merkur Nr. 10/2010

»Ich bin hier nicht als Tourist in kurzen Hosen unterwegs, sondern als Außenminister. Und was ich sage, das zählt.«
Guido Westerwelle (bei seiner Türkeireise)

»Nunmehr sehen wir, dass andere Teile der Gesellschaft, die eben nicht in einer politischen Partei verfaßt sind, in unserem Gemeinwesen fast marginalisiert sind. Die Parteien bestimmen über Schulleiterposten, Dezernentenstellen, Richter in relevanten Positionen, Staatsanwälte höheren Ranges und nicht zuletzt über die Besetzung relevanter Posten in den öffentlich-rechtlichen Medien. Wie eine Krake hat sich die Parteienherrschaft über unser Gemeinwesen ausgebreitet…. Wir brauchen zivilgesellschaftliche Widerstandmechanismen, die die Parteien in ihrer maßlosen Einflußmehrung zurückdrängen. Auf diesen Weg sollten sich alle interessierten und kundigen Bürger begeben.«
Dr. Martin Schmidt-Schweflinghaus, Köln
©WALTHARI® – Aus: www.walthari.com

16. Juli 2009

Bemerkenswerte Zitate, Teil 25

Wider die deutsche Leitkultur
»Solange wir nicht wagen, nach dem harten Kern dieser kulturellen Differenzen zu fragen, solange wir bei der von der Migrationswissenschaft und den Islamverbänden ausgegebenen Parole bleiben, dass Integrationshindernisse ›mit dem Islam nichts zu tun‹ haben, werden wir wie Sisyphos den schweren Stein immer wieder den Berg hinaufschleppen müssen, nur um festzustellen, dass er gleich darauf wieder unten angekommen ist.«
Necla Kelek, in: FAZ Nr. 134/09, S. Z 1.

Auf dem Weg zum real existierenden Sozialismus
»Auf dem Weg zum real existierenden Sozialismus sind wir heute 20 Jahre weiter. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück rechnet für 2010 wieder mit einer Staatsquote über 50 Prozent. Dies Quote hatte die DDR noch zehn Jahre nach dem Mauerbau.
Erst der DDR-Ministerratsbeschluss vom 9. Februar 1972 zur Zwangsenteignung des industriellen Mittelstandes schuf mit 11.000 neu ›gegründeten‹ volkseigenen Betrieben andere Tatsachen. Waren 1958 noch 57,5 Prozent der DDR-Betriebe in privater Hand, waren es 1987 nur noch 4,6 Prozent. 1990 war die DDR ganz weg. Zuviel Buttercremetorte verdirbt eben den Magen.«
Chefredakteur H. Schmidt in: P.T. Magazin 4/2009, S. 3.

Lissabon-Urteil
»Europarecht gilt in Deutschland nicht, weil die europäischen Organe es beschlossen haben, sondern weil das deutsche Parlament dessen Geltung für Deutschland anordnet. Das Gesetz darf Hoheitsrechte nur sachlich begrenzt, hinreichend bestimmt und prinzipiell widerruflich auf die Europäische Union übertragen (Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung). Die Europäische Union darf sich nicht aus eigener Machtvollkommenheit neue Zuständigkeiten zusprechen oder Mehrheitsentscheidung erschließen, ihre politische Herrschaft nicht gegenüber den Mitgliedstaaten verselbständigen.
Der deutsche Gesetzgeber darf einen Zustimmungsvorbehalt nicht im Vertrag aufgeben, erforderliche Zustimmungen nicht auf Vorrat erteilen, nicht durch Schweigen eine Vertragsänderung gutheißen, vor allem nicht durch unbestimmte Ermächtigungen seine Integrationsverantwortung aus der Hand geben.«
Univ.-Prof. Dr. P. Kirchhof, in: FAZ Nr. 152/2009, S. 12. .

Knabendämmerung
»Um eine Gymnasialempfehlung der Grundschullehrerin zu erhalten, müssen beispielsweise Jungen höhere Leseleistungen erbringen als Mädchen, weil sie schlechter bewertet werden bei gleicher Leistung. Unter anderem aufgrund dieser Benachteiligung ergibt sich eine spezifische Verteilung auf die Schularten: Mädchen besuchen häufiger das Gymnasium als Jungen und diese wiederum öfter die Hauptschule als ihre weiblichen Altersgenossen.«
Univ.-Prof. Dr. D. Lenzen, FU-Präsident, Berlin.

Ausnutzung demokratischer Spielregeln
»Andererseits hat der Staat dafür Sorge zu tragen, dass, solange die… aufgezeigten Vorbehalte fortbestehen, die Angehörigen des Islams durch geeignete Maßnahmen im Bereich von Freizügigkeit und Migration – nicht zuletzt im Hinblick auf die Türkei – in ihrer Minderheitenposition verbleiben, ihnen mithin der Weg verlegt ist, über die Ausnutzung demokratischer politischer Möglichkeiten seine auf Offenheit angelegte Ordnung von innen her aufzurollen.«
Univ.-Prof. Dr. E.W. Böckenförde in einer Rezension vom 23. April 2009.

Deutsche Wiedervereinigung
»Die haben gesagt – und das hat mich, da ich früher einmal Geschichte studiert habe, auf jeden Fall attackiert -, die deutsche Teilung sei eine Strafe für die deutschen Verbrechen in Auschwitz. Ich habe allein nur vom Zuschauen gemerkt, die deutsche Teilung hat sich durch den Kalten Krieg immer mehr etabliert unter Andreotti, unter Mitterrand, der Lady Thatcher. Sie alle waren für diese Teilung.«
Hellmuth Karasek in: Welt am Sonntag Nr. 2/2009, S. 70.

Feigheit vor dem Islam
»Also endlich Schluß gemacht mit der deutschen Scheu, ja, der deutschen Feigheit, Kritik am Islam und dem inflationären Bau von Großmoscheen zu üben; Schluß mit der Blauäugigkeit einer von der Regierung einberufenen ›Islamkonferenz‹, an deren Tisch in Gestalt muslimischer Verbandsfunktionäre potentielle Zerstörer der demokratischen Republik sitzen und sich eins in Fäustchen lachen, weil ihnen Freiheiten gewährt werden, die sie sofort abschaffen würden, wenn sie könnten, wie sie wollten. Schluß vor allem aber mit dem niederträchtigsten aller niederträchtigen Totschlagargumente der Political Correctness, dem ›Wer sich islamkritisch äußert, ist ein Rassist und macht die Sache der Nazis von heute‹: Nein und dreimal nein! Man braucht kein Überlebender des Holocaust zu sein, um mit Selbstbewußtsein auf seiner kulturellen Selbstbehauptung zu bestehen. Was sind das für Leute, die mit Erfolg versuchen, ein ganzes Volk in Kritikstarre zu versetzen, jede Hinterfragung in eine Beleidigung zu verfälschen und den moralischen Cicerone zu mimen?«
Ralph Giordano am 3. April 2009.

Stabilitätskriterien sind obsolet
»Es ist surrealistisch, wie EU-Kommission und Rat die Disziplin des Stabilitätspaktes predigen, obwohl er gerade explodiert.«
Philippe Herzog, Ex-Europa-Abgeordneter, in: Handelsblatt Nr. 58/2009, S. 8.

SPD und die Kommunisten
»Das bedeutet: Wenn ich die Sozialdemokraten ankreuze, wähle ich die Linken mit. Seit meiner Ankunft in der Bundesrepublik 1981 stimme ich für die SPD. Wenn ich sie diesmal wähle, leiste ich Vorschub für einen kommunistischen Ministerpräsidenten. Kultusminister könnte Volker Külow werden, ein ehemaliger Stasi-Spitzel. Auf den Straßen der untergehenden Weimarer Republik skandierten Rotfrontkämpfer: ›Wer hat uns verraten – Sozialdemokraten!‹ Das könnte zum Slogan für die Bürgerrechtler von 1989 werden. Für mich ist die sächsische wie die Leipziger SPD unwählbar.«
Erich Loest, Schriftsteller, am 18. April 2009.

Öffentlich-rechtliche Rundfunkgremien
»Wer ihnen durchgehen läßt, dass sie eine Personalpolitik nach Parteibuch wie in der alten Republik durchziehen, schafft angesichts der Vergesellschaftungstendenzen in der Gesamtgesellschaft und der Krise traditioneller Medien die Voraussetzungen für eine staatlich kontrollierte Bewußtseinsindustrie.«
Frank Schirrmacher, in: FAS Nr. 2/2009, S. 22
©WALTHARI® – Aus: www.walthari.com

25. März 2009

Bemerkenswerte Zitate, Teil 24

Benedikt-Schelte
»So jemanden zu tadeln, wie es die Bundeskanzlerin getan hat, gleichsam im Vorbeigehen zwischen dem Präsidenten Kasachstans und dem nächsten Krisengespräch – das schafften nur Deutsche, wunderten sich manche im Vatikan.«
Heinz Joachim Fischer in der FAZ Nr. 53/2009, S. 1.

Privatsphäre ade
»Mit der grundsätzlichen Zulassung der Online-Durchsuchung, für die es gute sachliche Gründe geben mag, ist es mit der Illusion eines geheiligten Innenrums des Privaten endgültig und für jedermann sichtbar vorbei.«
Prof. Dr. U. Volkmann, Rechtsphilosoph an der Universität Mainz, am 26. Februar 2009.

Politiker anstelle der Verfassung
»Politiker sind nicht eine Gefahr für die Demokratie, sondern ihre Grundlage.«
Roland Koch, Ministerpräsident in Hessen, am 25. Februar 2009.

Moralischer Relativismus
»Da wird die Toleranz von jenen hochgehalten, die keinen Unterschied mehr gelten lassen wollen zwischen Kulturen, in denen Frauen Menschenrechte genießen, und solchen, in denen sie als störende Elemente angesehen werden, deren Gesicht und Körper es um jeden Preis zu verhüllen gilt. Der moralische Relativismus ist das andere Erbe des Falls Rushdie.«
Bernard-Henri Lévy am 15. Februar 2009.

Tod durch Unterernährung
»Uns in Europa geht es gut. Nahrungsknappheit spielt bei uns zurzeit so gut wie keine Rolle. Rund um den Globus aber sterben laut Weltgesundheitsorganisation täglich 20.000 Menschen an Unterernährung. Mir scheint, der Respekt vor den Armen dieser Welt geht verloren.«
Jürgen Hambrecht, Vorstandvorsitzender der BASF, am 12. Februar 2009.

Öffentlicher Meinungskampf
»Nicht ob etwas wahr ist, interessiert, sondern ob man es sagen darf.«
Robert Spaemann, Philosoph, am 15. Februar 2009.

Öffentliche Gehaltsliste
»Die Tabelle im Bundesanzeiger liest sich wie die Gehaltsauflistung deutscher Topmanager: Fast 224.000 Euro landen jedes Jahr auf dem Konto des Vorsitzenden der Deutschen Angestellten-Krankenkasse, 192.000 Euro gönnt sich der Barmer-Chef, 191.000 Euro darf der Vorsitzende der Kaufmännischen Krankenkasse sein Gehalt nennen und der AOK-Vorstand in Baden-Württemberg wird mit 160.000 Jahressalär geführt.«.
Kommentar in: ›durchblick gesundheit‹, Oktober-Dezember 2008, S. 8.

Spaltung der Gesellschaft
»Die Hauptwirkung der demographischen Veränderungen besteht darin, daß sich die Gesellschaft spaltet.«
Prof. Dr. H. Birg am 2. März 2005.

Yes, we can
»Ich würde gerne von euch einmal ganz kurz was hören, was Barack Obama dauernd sagt, nämlich: ›Yes, we can‹. Sprecht mir mal nach: ›Yes, we can‹. – Das war ein bißchen leise, könnt ihr das lauter?, Yes, we can.‹«
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil auf dem Zukunftskonvent seiner Partei im Jahre 2008.

Auf dem Weg in eine Edel-DDR
»Meine These ist ja schon länger: Wir sind auf dem Weg in eine Edel-DDR. Honecker hat sein Reich mit Stacheldraht und Beton abgeschirmt. Berlin schafft Gesetze, damit keiner wegrennen kann: Zinsschranke, Funktionsverlagerungsgesetz, Steueroasenaustrocknungsgesetz oder wie die Dinger alle heißen. Wahnsinn!«
Unternehmer Reinhold Würth am 22. März 2009.

Oskar-Schelte
»Der aktuelle Chef-Linke Lafontaine war übrigens in nicht ganz wiedervereinigten Zeiten SPD-Kanzlerkandidat und kämpfte bis zur Erschöpfung gegen die Wiedervereinigung und die damit verbundene wirtschaftliche und moralische Ossifizierung Westdeutschlands. Heute findet er, dass die anderen Parteien ›Menschenrechtsfragen wichtigtuerisch instrumentalisieren‹, und ›im Zentrum der Sozialismusdebatte‹ stehen für ihn ›Machtkontrolle und Steigerung der Produktivität‹. So redet nur einer, der kein Gehirn mehr zum Denken hat. Oder der vom Ossivampir gebissen wurde.«
Maxim Biller am 22. März 2009.

Der Staat als Bandit
»Der große Ökonom Mancur Olson hat den Staat als ›stationären Banditen‹ beschrieben, der, der Mafia nicht unähnlich, aus dem Schutzversprechen für die Untertanen zugleich die Legitimation ihrer Ausplünderung ableitet.«
Rainer Hank am 13. März 2009

Islam
»Es gibt kein Recht, nicht beleidigt zu werden. Wenn wir keine Religionskritik äußern dürfen, können wir die Demokratie aufgeben. Ich halte den Islam sowieso für eine totalitäre Ideologie, die mit Kommunismus und Faschismus eher vergleichbar ist als mit Religionen.«
Geert Wilders, niederländischer Abgeordneter, am 20. März 2009.
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23. Januar 2009

Bemerkenswerte Zitate, Teil 23

Vergöttlichter Obama
»Dieser Mann hält nicht, was man sich von ihm verspricht.«
E.P. Jones, afroamerikanischer Schriftsteller.

Konjunkturpaket
»Auch das zweite Paket setzt auf steigende Staatsausgaben, es ist durchdrungen von der Geringschätzung der persönlichen Freiheit.«
FAZ-Redakteur Holger Stelzner.

Staatskapitalistische CDU
»Mit der Einordnung einer Partei, in der ernsthaft erwogen wird, eine – jetzt noch von niemandem auszulotende – Rezession auf Kosten der Steuerzahler mit einer Staatsbeteiligung an Unternehmen abzufedern, hatte Ludwig Erhard auch heute keine Schwierigkeiten. In ›Gedanken aus fünf Jahrzehnten‹ liest man dazu bei ihm: ›Staatskapitalismus und Staatssozialismus sind gleich fluchwürdige Formen des menschlichen Zusammenlebens und müssen in ihren Wurzeln ausgerottet werden.‹ Die CDU hat nie programmatisch konsequent nach der Chance gesucht, ›seine‹ Partei zu werden.«
Hans D. Barbier, in: FAZ Nr. 13/2009, S. 13.

Merkels Wirtschaftskenntnisse
»Als ehemalige DDR-Bürgerin haben Sie wahrscheinlich wenig Kenntnisse über die Soziale Marktwirtschaft. Dieses Ordnungssystem der Wirtschaft hatte als dritter Weg zwischen Sozialismus und Kapitalismus den Wiederaufbau Deutschland, die Integration von 12 Millionen Heimatvertriebenen und einen zumindest bescheidenen Wohlstand für alle ermöglicht. Sie torpedieren diese Basis unseres Wohlstandes durch zwangswirtschaftliche Maßnahmen wie die Beibehaltung des EEG. Die sinnlose Verwendung von Wind- und Solarenergie zu einer in hohem Maße unwirtschaftlichen Stromerzeugung ist Betrug an den Bürgern, die zur Finanzierung dieser volkswirtschaftlich schädlichen Maßnahmen gezwungen werden.«
Dr. H. Penner in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin (10.11.2008).

Meistbeschimpfte Frauen
»Wir sind die beiden meistbeschimpften Frauen Deutschlands.«
Romy Schneider im Jahre 1976 an Alice Schwarzer

Gleichstellung der Männer
»Jeder Golfclub würde – zu Recht – sofort aus Gleichstellungsgründen verklagt, wenn er nur Männer aufnähme. Aber Konferenzen, zu denen nur Frauen zugelassen werden, scheinen legal zu sein. Wenn man sich die einschlägigen Internetseiten und Newsletter ansieht, wird klar, worum es geht. Die Frauen bezeichnen sich als ›Betroffene‹ und äußern ›kritische Reflexion‹ über ihr Wissenschaftlerinnendasein. Auf solchen naturwissenschaftlichen Kongressen wird feministische Kritik an Naturwissenschaft formuliert. Es ist eine spezielle Logik, angebliche Diskriminierung durch Männer zu beklagen und gleichzeitig das andere Geschlecht auszuschließen.«
Univ.-Prof. Dr. Axel Meyer, Evolutionsbiologe in Konstanz, in: HB Nr. 241/2008, S. 9.

Lohas
»Der Kern der grünen Anhängerschaft hatte privilegierte Positionen erreicht und goutierte sie jetzt. Das Rebellionsmilieu von 1983, als noch zwei Drittel der Grün-Wähler ohne Erwerb waren, hatte sich im nachfolgenden Vierteljahrhundert zum Elitenmilieu gewandelt und ist nun im Jahr 2008 zum Statusmilieu des avancierten Bildungsbürgertums mittleren Alters geworden. Für das Marketing exklusiver und teurer Konsumwaren bilden die Sympathisanten der Grünen inzwischen ein bevorzugtes Marktsegment, dem man die Bezeichnung Lohas (›Lifestyle of Health and Sustainability‹) gegeben hat. Lohas nehmen für sich einen ökologischen und nachhaltigen Konsumstil in Anspruch, wollen dabei aber nicht asketisch sein, sondern Genuß erleben. Die neugrünen Lohas eines ›subtilen Urbansnobismus‹ legen großen Wert auf Abstand gegenüber den Lebensgewohnheiten der Unterschichten. Man achtet sorgsam darauf, ›entre nous‹ zu bleiben.«.
Univ.-Prof. Dr. Franz Walter, Politikwissenschaftler in Göttingen, in: FAZ Nr. 295/2008, S. 8.

Kunstkriterien
»Ich habe immer gefunden, dass man die Kriterien zur Beurteilung eines Kunstwerkes aus diesem Kunstwerk herausholen muß. Und ich bin immer der Ansicht gewesen, dass überhaupt nur der Kritiker ernst genommen werden sollte, der im Stande ist, auch gegen seinen Geschmack und seine Geschmacksvorlieben zu reagieren. Ich hole, wenn ich es irgend kann, aus jedem neuen belangvollen Buch, die Kriterien zu seiner Beurteilung heraus. Dass diese Kriterien nicht nur mit Inhaltlichem zu tun haben, sondern dass es mir darauf ankommt, wie sich die Kunstform entwickelt, in welchem Verhältnis Sprache und Aussage stehen: das mag eine Konstante in meiner Arbeit sein.«
Joachim Kaiser, Kunstkritiker, anläßlich seines achtzigsten Geburtstages.

Doping im Sport
»Der Berufsradsport hat seine Seele dem Doping verkauft und kommt nicht mehr davon los.«
FAZ-Redakteurin Evi Simoni, in: FAZ Nr. 235/2008, S. 28.

Asylproblem
»Wenn wir uns weiterhin einer Steuerung des Asylproblems versagen, dann werden wir eines Tages von den Wählern, auch unseren eigenen, weggefegt. Dann werden wir zu Prügelknaben gemacht werden. Ich sage Euch – wir sind am Ende mitschuldig, wenn faschistische Organisationen aktiv werden. Es ist nicht genug, vor Ausländerfeindlichkeit zu warnen – wir müssen die Ursachen angehen, weil uns sonst die Bevölkerung die Absicht, den Willen und die Kraft abspricht, das Problem in den Griff zu bekommen.«
Herbert Wehner, ehemaliger Fraktionsvorsitzender im Bundestag, am 15. Februar 1982.

Sarkozy
»Er will nicht nur Europa, sondern die Welt neu ordnen. Seine Initiativen jagen einander…«
NZZ-Kommentar vom 20.12.2008, S. 3, unter der Überschrift: ›Sarkozys Pirouetten auf der Weltbühne‹.

Französische Siegesfälschungen
»Was die französische von der deutschen Kritik unterscheidet, ist ihre grundverschiedene Art der kulturellen Einbettung und – damit verbunden – ihre diametral entgegengesetzte wahrheitspolitische Tendenz. Während die deutsche Kritik zu einer Population sprach, die allen widerstrebenden Tendenzen zum Trotz nicht leugnen konnte, im Sinne der Anklage schuldig zu sein, richtete sich die französische Kritik an eine Gesellschaft von seltsamen Freigesprochenen, denen man ihre drôle de libération erkläuterte. Mag sein, daß deswegen das intellektuelle Deutschland die einzige Weltgegend ist, in der noch eine altmodische Korrespondenztheorie der Wahrheit dominiert. Hier heißt die Niederlage Niederlage (und das Verbrechen Verbrechen) – und an diesem semantischen Ur-Meter werden alle übrigen Wörter gemessen. Nur hier herrscht noch die Religion des objektiven Referenten. Das intellektuelle Frankreich bevorzugt die politisch elegantere und rhetorisch reizvollere Position, nach welcher die Wörter und die Dinge getrennten Ordnungen angehören.«
Peter Sloterdijk in: »Theorie der Nachkriegszeiten«, S. 34 f.
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2. Oktober 2008

Bemerkenswerte Zitate, Teil 22

Direkte Demokratie und die EU
»Im Grunde haben die Iren mit ihrer Zurückweisung des überfrachteten Lissabon-Textes der ganzen EU einen Dienst geleistet. Denn das Nein von Dublin zwingt die EU-Politiker dazu, endlich nach bürgernäheren Lösungen zu suchen. Vertragliche und institutionelle Neuerungen, die von allen Mitgliedsländern gebilligt werden müssen, werden künftig hoffentlich so formuliert, dass sie auch bei Volksabstimmungen mehrheitsfähig sind. Direkte Volksentscheide aber schaffen auch auf EU-Ebene eine nachhaltigere Akzeptanz und Identifikation als Zustimmungen durch die nationalen Parlamente.«
Leitartikel in der Neuen Zürcher Zeitung Nr. 143/2008, S. 1.

Versagen der Ratingagenturen
»Das Versagen der Ratingagenturen sollte klare Konsequenzen haben. So ist gesetzlich zu verhindern, dass diese Agenturen Ratings über Finanzprodukte abgeben, an denen sie selbst durch Beratungs- und Modellierungsdienstleistungen mitgewirkt und mitverdient haben.«
Dennis J. Snower, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, in: FAZ Nr. 230/2008, S. 16.

Gefühl und Kalkül
»Viele sehen keinen Gegensatz mehr zwischen Kalkül und Gefühl. Sie wollen beides. Nur im deutschen Regietheater, das zum Museum der emotionsvibrierenden siebziger Jahre wurde, sind die Manager, Techniker, Ökonomen und Politiker immer noch die Bösen. Regelmäßig kamen in der Geschichte der Moderne neue Propheten des Gefühls auf die Bühne, Pietisten, Romantiker, Wandervögel und Mystiker von Heimat, Blut und Boden. Doch sie waren Wiedergänger ohne Chance auf dauerhafte Oberherrschaft. Das Ideal des Verstandesmenschen hielt sich hartnäckig oben, einem Korken ähnlich, der sich nicht lange unter die Oberfläche drücken ließ.«
Gerhard Schulze, in: NZZ Nr. 131/2007, S. 30..

Die SED und Die Linke
»Die SED hat bis heute nicht, wie öffentlich behauptet wird, eine Rechtsnachfolgerin. Die SED gibt es noch. Sie heißt nur anders. Das ist die Geschichte der Partei ›Die Linke‹«.
Roland Koch, CDU-Vorsitzender und geschäftsführender Ministerpräsident von Hessen, in: FAZ Nr. 188/2008, S. 10.

»Stalinistische Manier«
»Erschreckend ist, dass, sekundiert von Medien und machtgierigen Politikern der SPD, die alte SED, verkleidet als Die Linke, wieder so viel Macht im Land erringen kann, um einen Menschen wie Dr. Peter Krause, der schon vor 1989 Opfer der kommunistischen Diktatur in Deutschland war, auch in der Bundesrepublik wieder zu einem Opfer eben dieser Partei zu machen. – Erschreckend ist ebenso, dass es nicht mehr ausschlaggebend ist, was ein Mensch gesagt oder getan hat, sondern was die gut geölte politisch korrekte Empörungsmaschinerie ihren Opfern zuschreibt. Geradezu kafkaesk wird jeder Verteidigungsversuch umgekehrt und mit gnadenlosen Spitzen ins Fleisch des Opfers eingeschrieben. Das Urteil steht nach guter stalinistischer Manier schon im Vorhinein fest und das Opfer wird so lange mürbe gemacht, bis es durch Aufgabe der blutgierigen Meute scheinbar recht gibt. Warum wird dem Steinewerfer und Besucher von Anti-Israel-Konferenzen der PLO Joseph Fischer oder dem ehemaligen Maoisten Jürgen Trittin die Läuterungs- und Erkenntnisfähigkeit zugestanden, die man Krause verwehrt? Stehen die Linken moralisch höher als konservative, zumal Opfer der kommunistischen Diktatur?«
Daniel J. Hahn, Eichenau, in: FAZ Nr. 111/2008, S. 17.

»Gaukler Berlusconi«
»Berlusconi gaukelt noch immer den Bürgern vor, sich um deren Sorgen und Ängste zu kümmern, während er vor allem seine eigenen Interessen verfolgt. Es ist nicht anzunehmen, dass sich viele Italiener von den Gaukeleien des Cavaliere hinters Licht führen lassen. Dass dieser die letzten Wahlen dennoch gewonnen hat, zeigt vielmehr, dass dies viele Wähler nicht kümmert. Sei es, weil sie überzeugt sind, dass ohnehin alle Politiker das gleiche Spiel treiben, sei es, weil sie die vom Erfolg gekrönte Skrupellosigkeit des Cavaliere bewundern.«
Aufmacher in der NZZ Nr. 155/2008, S. 1.

»Pfälzer Waldschrat«
»Das Scheitern dieses Pfälzer Waldschrats ist ja ganz unbestreitbar, und die SPD wäre sehr gut beraten, wenn sie möglichst schnell einen Mann wie Steinmeier, der bisher nur ein Technokrat mit glücklicher Hand war, präsentieren würde und wenn Müntefering nach dem Tod seiner Frau tatsächlich zurückkehren würde – da würde sich ein gewisses Glücksgefühl einstellen, dass der die Partei wieder anders leiten würde.«.
Hans-Ulrich Wehler, Historiker, in: FAZ Nr. 200/2008, S. 31.

Rechtsbrüche des Bundesfinanzministeriums (BMF)
»Die Beschaffung illegaler Daten einer Liechtensteiner Bank hat Zweifel an der rechtsstaatlichen Praxis des BMF aufkommen lassen. Eine nähere Untersuchung zeigt, dass dieser Rechtsbruch nur die Spitze des Eisbergs ist. – Ob bei der Verletzung eigener und fremder Rechtsnormen in Liechtenstein, bei Nichtanwendungserlassen gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) oder der Außerkraftsetzung von Prüf- und Kontrollpflichten nach § 18 Kreditwesengesetz (KWG) und Basel II bei den Urhebern der jetzigen Kreditkrise, den Asset Backed Securities (ABS), stets zeigt sich das BMF bei der Außerkraftsetzung von Recht und Gesetz eher um eine Maskierung/Legalisierung als um eine Vermeidung von Rechtsbruch bemüht.«
Dr. Volker Gallandi, in: P.T. Magazin 3/2008, S. 8

»Viertes Deutsches Reich«
»Was die deutsch-liechtensteinischen Beziehungen betrifft, warten wir hier auf bessere Zeiten, wobei ich zuversichtlich bin, denn in den vergangenen zweihundert Jahren haben wir immerhin schon drei Deutsche Reiche überlebt, und ich hoffe, wir werden auch noch ein viertes überleben.«
Lichtensteins Fürst Hans-Adam II., in: FAZ Nr. 214/2008, S. 1.

Gernegroß Sarkozy
»Es gibt nicht viele, die derzeit die Bühne beherrschen. Buschs Zeit ist abgelaufen, Blair ist nicht mehr da, Merkel, nein, das ist es auch nicht. Eigentlich gibt es nur mich.«
Quelle: Le Point., zitiert in: FAZ Nr. 190/2008, S. 2.

Ehrenmorde & Co.
»Mittlerweile ist unstrittig, dass hierzulande jährlich Tausende von muslimischen Frauen und Männern durch ihre Familien in Ehen gezwungen werden. Die Frauenhäuser und Beratungsstellen sind voll, weil junge Menschen fürchten, in den Ferien in der Heimat ihrer Eltern verheiratet zu werden. – Die islamische Gemeinschaft gerät nicht nur in dieser Frage, sondern auch bei sogenannten Ehrenmorden, Gewalt in der Ehe und der Erziehung durch die öffentliche Meinung unter Legitimationsdruck. Niemand nimmt ihren gebetsmühlenartig wiederholten Spruch ›Das hat mit dem Islam nichts zu tun‹ mehr ernst.«
Necla Kelek.

Türkischer Geheimbund Gülen
»Betrachtet man aber die Schriften von Fethullah Gülen, zeigt sich eine zutiefst dogmatische und reaktionäre Denkweise. Er schreibt: ›Koran und Hadith sind wahr und absolut. Wissenschaft und wissenschaftliche Fakten sind wahr, solange sie mit Koran und Hadith übereinstimmen. Sobald sie aber eine andere Position einnehmen und von der Wahrheit von Koran und Hadith wegführen, sind sie fehlerhaft. Selbst zweifelsfrei etablierte wissenschaftliche Fakten können nicht die Säulen sein, auf denen die Wahrheiten des imam (Glauben) ruhen. Nicht die Wissenschaft läßt die Wahrheit erkennen, sondern der Glaube an Allah…‹.«
Necla Kelek.

Schwäche der Nato
»Die Nato ist seit langem nicht mehr der Ort strategisch-politischer Debatten zwischen den Europäern und Amerikaner. Die Nato besitzt kein langfristiges Konzept.«
Elmar Brok, Europaabgeordneter und Vorsitzender der außen-, sicherheits- und europapolitischen Kommission der CDU.

Vorbote der Moderne
Friedrich II. von Hohenstaufen (1194-1250) veröffentlichte ein Buch mit dem Titel ›Über die Kunst, mit Vögeln zu jagen.‹ Der Einleitungssatz in diesem Falkenbuch (so die gängige Bezeichnung) lautet: »Es ist die Absicht dieses Buches, die Dinge, die sind, so darzustellen, wie sie sind.« Der Satz galt im 13. Jahrhundert noch als Ketzerei, ist aber ein Vorbote der naturwissenschaftlichen Sicht, wie sie z.B. Francis Bacon (1561-1626) mit seinem ›Novum organum scientiarium‹ (1620) vierhundert Jahre später methodisch installierte.

Irrwitz der Gehirnforschung
»Es gibt etwas, das ich Schuldparadoxon genannt habe, Das Schwere im moralischen Sinne ist die Tat. Alle Untersuchungen zeigen jedoch, dass, je verabscheuungswürdiger das ist, was jemand getan hat, also auch Stalin oder Hitler, desto klarer die Einsicht ist, dass die Leute nichts dafür konnten. Sie haben sich nicht freiwillig dazu entschieden, sondern sie wurden aus extrem starken Motiven dazu getrieben. Das ist bei Hitler und bei Stalin so, ebenso bei Gewalttätern und Pädophilen.«
Gerhard Roth, Gehirnforscher.
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31. Juli 2008

Bemerkenswerte Zitate, Teil 21

Kostspieliger Anglizismus
»Allein der sprachliche Ausrutscher der Daimler Benz AG, die ihre große Erfindung nicht ›Prallkissen‹, sondern Airbag nannte, dürfte die deutsche Automobilwirtschaft Milliarden gekostet haben, denn weltweit glaubt der Normalbürger, es handele sich um eine amerikanische Erfindung. Airbag war also ein ganz besonders teurer Anglizismus, aber letztlich trägt jede einzelne sprachliche Posse zur Imageverschlechterung bei.«
Reiner Pogarell, Leiter des Instituts für Betriebslinguistik in Paderborn, in: Sprachnachrichten Nr. 38/Juni 2008, S. 17.
Systemwechsel durch die Linkspartei
»Beim Vereinigungsparteitag von PDS und WASG wurde nachdrücklich darauf verwiesen, dass die Linkspartei einen ›Systemwechsel‹ in Deutschland anstrebt. Wenn das herrschende System eine Demokratie ist, kann ein ›Systemwechsel‹ nur die Abschaffung der Demokratie bedeuten. Gysi und seine Genossen haben allerdings die beruhigende Erfahrung gemacht, dass sie kaum kritische Fragen befürchten müssen. Gysi kann sich aussuchen, mit wem er in der Talkshow diskutiert und mit wem nicht. Er wagt es nicht, sich den Argumenten von Bärbel Bohley, Freya Klier oder mir zu stellen… Das Problem ist nicht in erster Linie, was Gysi vor zwanzig oder dreißig Jahren getan hat. Das Problem ist, dass er mehr oder weniger erfolgreich versucht, die Wahrheit über die zweite deutsche Diktatur zu verschleiern, bis hin zu dem verschwundenen DDR-Vermögen von geschätzten 24 Milliarden DM, das unter seiner politischen Verantwortung als letzter SED-Chef beiseitegeschafft wurde. Nach meiner festen Überzeugung führt Gysi den von Gauweiler beklagten ideologischen Bürgerkrieg des vergangenen Jahrhunderts bis heute fort. Dafür sitzt er bei den Medien in der ersten Reihe.«
Vera Lengsfeld, Berlin, in: FAZ Nr. 164/2008, S. 9.

Steuergesetze
»Das staatliche Steuergesetz hat den Steuerpflichtigen auf den Weg der Unvernunft, in das ökonomische Unglück geführt. … Und wenn er seine Steuererklärung eigenhändig mit seinem guten Namen unterschreibt, mag er bestätigen, dass er seinen Steuerberater sorgfältig ausgesucht hat. Das Recht verlangt von ihm jedoch die Bestätigung der Richtigkeit des Erklärten; diese Aussage ist ihm schlechthin unmöglich, weil er die Anforderungen des Steuergesetzes nicht versteht, nicht verstehen kann.«
Paul Kirchhof, Univ.-Professor für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg, in: FAZ Nr. 109/2008, S. 13.

Soziale Gerechtigkeit
»Ordnungspolitisch betrachtet, ist das Schlagwort schließlich ein besonderes Ärgernis, denn es liefert die ideelle und argumentative Basis für Vertreter eines weichgespülten Sozialismus, der sich durch alle politischen Parteien zieht und bei der extremen Linken endet. Ignoriert wird von seinen Protagonisten die Erfahrung mit dem real existierenden Sozialismus, insbesondere in Deutschland.«
Manfred E. Streit, Emeritus des Max-Planck-Instituts für Ökonomik in Jena, in: FAZ Nr. 122/2008, S. 12.

Lafontaines Hasardeurentum
»Wer sich ein bißchen Zeit nimmt, Lafontaines Prosa zu verstehen, wird sofort erkennen, dass diese mit politischer Praxis nicht viel zu tun hat. Sie ist reines Hasardeurentum, auf maximale Irritation ausgelegt und dem Zweck dienend, diffuse Ängste in der Bevölkerung auszubeuten und zu verstärken.«
Leitartikel in der NZZ Nr. 125/2008, S. 1.

»Muff von vierzig Jahren«
»Zum Muff der Achtundsechziger nach vierzig Jahren gehört nun allerdings auch die weitherum totgeschwiegene oder voller Entrüstung abgelehnte Ahnherrschaft für die wenig später in Terrorismus ausartende Radikalisierung einer kleinen Minderheit… Doch die Geburt terroristischer Gewalt aus dem Geiste von 1968 war gleichwohl in der Tat in Frankreich, das sonst blutrünstige Eruptionen zuhauf vorweisen kann, für einmal kein besonders markantes Phänomen.«
Christian Müller, in: NZZ Nr. 125/2008, S. 6.

Afghanistan
»Weil die Sicherheit des Westens auch am Hindukusch verteidigt wird, fehlt es gerade in Deutschland nicht an Appellen, Afghanistan mit noch mehr Geld wirtschaftlich und sozial auf die Beine zu helfen. Doch die Aussichten, dass eine Gesellschaft wie die Afghanistans innerhalb weniger Jahre aus dem Mittelalter in das 21. Jahrhundert katapultiert werden kann, sind gering. Ein Essay über Moral und Hypermoral.«
Professor Amiktai Etzioni, in: FAZ Nr. 174/2008, S. 8.

Inflationsdruck
»Die gesamtwirtschaftliche Inflationsdynamik ergibt sich aus dem Preisfestsetzungsverhalten der Firmen.«
Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juli 2008, S. 40.
Die Frankfurter Währungsexperten vergaßen zu erwähnen, daß der Staat die »Inflationsdynamik« dauerhaft und häufig stärker als die Firmen in Gang hält.
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20. März 2008

Bemerkenswerte Zitate, Teil 20

August 2007
»Für mich ist nicht belegt, dass es einen generellen Schießbefehl gab.«
Lothar Bisky, ehem. Chef der ›Linke‹, über ein Dokument zum Schießbefehl für Stasi-Truppen an der innerdeutschen Grenze, im August 2007, zitiert in: FAS Nr. 5/2008, S. 9.

»Die Terroristin mit dem Heiligenschein«
NZZ über Ulrike Meinhof am 25. Febr. 2008, S. 29.

Heide-Simonis-Syndrom
»Wenn Ypsilanti die Linke jetzt erstmals im Westen in den Rang eines Quasi-Koalitionspartners hebt, stärkt sie die Linke. Sie tut das übrigens auch deswegen, weil sie unbedingt Ministerpräsidentin werden will, weil auch sie am Heide-Simonis-Syndrom (›Und wo bin ich dann?‹) leidet. Der Parteichef Beck hat endgültig ein gewaltiges Glaubwürdigkeitsproblem. Beck ist für Ypsilantis Hierarchie von Versprechen und Lüge mitverantwortlich. «
Kurt Kister in: SZ Nr. 55/2008, S. 4

Verlust der Glaubwürdigkeit
»Die Mehrheit der Parteitagsdelegierten und wohl auch der Bundestagsfraktion hielt zu dem Zeitpunkt den Embryonenschutz für höherrangig als den Spielraum der Forscher. Mutmaßlich sechzig bis siebzig Prozent der Delegierten hatten eine andere Meinung als Frau Schavan und hielten diese Frage für eine der seltenen Proben auf der ›C‹ im Parteinamen. Diese Mehrheit erst zerfließen zu lassen, indem die Parteitagsregie zusah, wie rund 350 Delegierte vorzeitig zum vergnüglichen Abend abschwirrten (die Busse wären aufzuhalten gewesen), und dann den Rest in die Enge zu treiben, indem nach den Gegnern eine geballte Riege von Stichtagsverschiebern das Wort erhielt und schließlich die Kanzlerin mit einer angeblichen, in sich widersprüchlichen Kompromißformel das Wort nahm, war ein dramaturgisches Meisterstück.«
Georg-Paul Hefty in: FAS Nr. 49/2007, S. 12

»Merkel hat sich durchgesetzt, aber der CDU die fast letzte Möglichkeit genommen, das C zu rechtfertigen.«
Georg-Paul Hefty in: FAS Nr. 49/2007, S. 12

Parteiwille vor Abgeordnetengewissen
»Man muß auch festhalten, daß der Bundesvorsitzende Kurt Beck jede Glaubwürdigkeit bei der Frage verloren hat, ob er sich mit den Stimmen der Linkspartei zum Bundeskanzler wählen läßt. Nicht einmal ich würde es ihm abnehmen, wenn er das jetzt noch verneint.«
Jürgen Walter in: SZ Nr. 55, S. 5.

April
»Berlin ist mir eine Spur zu hoch. Ich habe immer das Gefühl, dass alles so unehrlich und übertrieben ist. «
Roswitha Beck, Ehefrau von SPD-Chef Kurt Bek, in: FAS Nr. 52/2007, S. 8..

Judenvertreibung in Polen 1968
»Erst jetzt, vierzig Jahre nach dem sozialistischen Pogrom, will Polen den Juden die Staatbürgerschaft zurückgeben. Aber nicht alle brauchen sie jetzt mehr. Die jüdischen Emigranten von 1968 haben bedeutende wissenschaftliche Karrieren auf der ganzen Welt gemacht. Sie haben die Kulturen der Länder bereichert, in denen sie leben – verloren hat allein Polen.«
Leo Kantor in: FAS Nr. 11/2008, S. 9.

Folterverbot versus Tötungsverbot
»Das Folterverbot wiegt in der Tat schwerer als das Tötungsverbot, weil die Folter eine zentrale Struktur der modernen Gesellschaft berührt. Mit Tötungen dagegen muß jede Gesellschaft fertig werden… Die Norm ist wichtiger als die Unversehrtheit des Körpers und das genetische Programm wichtiger als das individuelle Leben. Beides hat mit Moral nichts zu tun. Aber es stößt den Höchstwert des Lebens so deutlich vom Sockel seiner Einzigartigkeit, daß man nicht mehr zu fragen braucht, was Leben eigentlich ist. Jedenfalls geben Bibel und Anthropologie dem baden-württembergischen Polizeigesetz gegen das Bundesverfassungsgericht recht.«
Gerd Roellecke in: FAZ Nr. 280/2007, S. 35.

Öffentliches Interesse am Rechtsbruch
»Aber oft besteht auch ein finanzielles Interesse der öffentlichen Hand am Rechtsbruch. Das gilt vor allem für die Länder. Überaktiv zeigen sich auch die Zollbeamten, die seit dem Wegfall der Grenzkontrollen Aufgaben im Bereich Arbeitsstrafrecht übernommen haben, zum Beispiel für die Durchsetzung des Entsendegesetzes. Sie verfolgen solche Vorgänge wie kriminelles Unrecht… Die Belange der Arbeitgeber werden fast immer ignoriert.«
Alexander Ignor in: FAZ Nr. 4/2008, S. C 2..

Politiker gegen Verfassungsrichter
»Alle grundrechtlich geschützten Bereiche enden irgendo. Wo diese Grenzen sind, wie man die gegensätzlichen Interessen abgrenzt, ist Sache des Gesetzgerber. Ich verstehe, daß manche Verfassungsrichter gern Ratschläge geben würden. Dazu sind sie aber nicht demokratisch legitimiert. Sie haben – und das ist genauso wichtig – zu entscheiden, ob rechtliche Regeln eingehalten werden. Wenn sich alle an diese Begrenzungen der Kompetenzen halten, ist es ein fruchtbares Miteinander.«
Wolfgang Schäuble in: WaS Nr. 3/20089, S. 4

Lafontaine lobte Honecker
»›Man wird Erich Honecker nicht zum Partner haben können, wenn man ihn als Kommunisten nicht respektieren kann‹, schrieb Lafontaine über den SED-Chef, der ›beim Volk nicht einmal unbeliebt‹ sei.«
Zitiert in: FAS Nr. 11/2008, S. 3.

Bildung und Qualifizierung
»Bildung und Qualifizierung – das ist moderne Sozialpolitik. Nur so ist Gerechtigkeit für alle Talente jeglicher Herkunft zu gewährleisten. Aber dazu brauchen wir Parteien, erst recht die großen, die sehr viel tatkräftiger, mutiger und für neue Lösungen offener an die großen Herausforderungen herangehen, als es die derzeitigen tun.«
Wolfgang Clement in: WaS Nr. 11/2008, S. 6.

Wähler als Mittel zum Zweck
»Nein, die sozialdemokratischen Abgeordneten fühlen sich nicht Wählern, sondern Zielen verpflichtet – die sie ohnehin verfolgen. Die Wähler sind nur das Mittel zum Zweck. Da hat der Wortbruch ›viele Facetten‹ (Ypsilanti).«
Volker Zastrow in: FAS Nr. 11/2008, S. 14.

Sozialdemokratisch geprägte Bildungskette
»Wir haben in Rheinland-Pfalz eine Bildungskette, die sozialdemokratisch geprägt ist und im Vorschulalter beginnt.«
Dr. Matthias Krell, SPD-Abgeordneter im Landtag von Rheinland-Pfalz in: Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz Nr. 9/2008, S. 3.

»Nemo potentes aggredi tutus potest.«
Niemand kann die Mächtigen ungefährdet angreifen.
Seneca in: Medea 430.

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19. März 2008

Bemerkenswerte Zitate, Teil 19

Deutscher Feminismus
»Der deutsche Feminismus hat keine Sprache für Liebesbeziehungen zu Männern, und auch keine für das Muttersein. Ganze Universitätsseminare widmen sich in den ›Gender Studies‹ dem Versuch, den Geschlechtsunterschied aus der Welt zu hüsteln, indem man ihn als ›soziale Konstruktion‹ hinstellt. ›Zwangsheterosexualität‹ lautet das Verdikt, wenn der kleine Unterschied ins Spiel gebracht wird.«
Mariam Lau in: WaS Nr. 3/2008, S. 11.

Opfer und Täterin
»Mehr Frauen als Männer setzen Gewalt gegen ihren Partner ein – mehr Männer als Frauen habe schon Gewalt durch ihre Partnerin erlebt.«
Quelle: www. manndat.de

Männergesundheit? Unwichtig!
»Eine Auswertung von 3.000 medizinischen Zeitschriften im Index Medicus ergab, dass auf 23 Artikel über die Gesundheit von Frauen ein einziger kommt, der die Gesundheit von Männern zum Thema hat.«
Quelle: www. manndat.de

Islamische Missionierung
»Sie meinen, die Scharia setzt sich auch bereits in den Parallelgesellschaften in Deutschland durch? – Ja. Seit dem Regierungswechsel 2003 haben Erdogan und seine AKP die Aufsichtsbehörde für Religion, die Diyanet, zu einer Missionsbehörde des Islams umgeformt. Die Anstalt verfügt jetzt über ein Budget von fast einer Milliarde Euro und beschäftigt mehr Beamten und Vorbeter, als es Hochschullehrer gibt in der Türkei. Allein in Deutschland beten und leben über 800 von der Türkei bezahlte Vorbeter in den Moscheen.«
Necla Kelek in: NZZ Nr. 42/2008, S. 26.

Homogene deutsche Volksnation ade
»Die homogene deutsche Volksnation ist Geschichte.«
Birand Bingül, Kommentator der Tagesthemen, zum Thema Integration.
Zitiert in: WaS Nr. 11/2008, S. 2

»Warum fällt es so schwer, zu begreifen, dass man mehrere Identitäten haben – und trotzdem Deutscher sein kann«
Aliertan Toppak, Generalsekretär der Aleviten in Deutschlend.
Zitiert in: WaS Nr. 11/2008, S. 2

Deutsches Nationalgefühl
»Wenn der Franzose sein ›Vive la France‹, der Amerikaner sein ›God Bless America‹ oder der Engländer sein ›Rule Britannia‹ anstimmt, kann der Deutsche nur betreten schweigen. Sein Nationalgefühl kennt keine großen Ereignisse, die man feiern könnte. Stattdessen setzt es hauptsächlich Bedrückung und schlechtes Gewissen frei. Jedes Kind kann sagen, warum: wegen einer Vergangenheit, die niemals vergehen soll. Diese historische Befangenheit lähmt unser Volk, zwingt es zu einer verzerrten Perspektive seiner selbst und übrigens auch zu einer Verleugnung seiner eigenen Geschichte. Während viele Jahrhunderte voll kultureller und wissenschaftlicher Errungenschaften in Vergessenheit geraten, werden immer neue Museen, Denkmäler und Gedenkstätten eröffnet, um an das eine schuldbeladene Jahrzehnt zu erinnern.«
Hans Olaf Henkel in: FAS Nr. 52/2007, S. 17.

BRD-Vokal
»Neiddiskussion – bis zur Aushebelung des Rechtsstaates. Ehemaliger BRD-Botschafter zum Steuerzwist Berlin – Vaduz.«
Frank Elbe in: NZZ Nr. 48/2008, S. 37

Direkte Demokratie und Steuerehrlichkeit
»Verschiedene empirische Studien haben gezeigt, dass ein positiver Zusammenhang zwischen Bürgernähe des Staates und Steuermoral besteht. So ist die Bereitschaft, Steuern korrekt zu zahlen, in der direktdemokratischen und föderalen Schweiz höher als im zentralistischen Deutschland. Wie die letzte und die derzeit laufende Föderalismus-Reform in Deutschland gezeigt haben, fehlt allerdings die Bereitschaft, den untergeordneten Gebietskörperschaften mehr finanzielle Autonomie und damit den Bürgern direkteren Einfluß und Identifikationsmöglichkeit zu geben.«
NZZ Nr. 47/2008, S. 9.

Überholte Vorstellungen der Vergangenheit
»Ich bin fest davon überzeugt, daß wir unsere offene nationale Frage nicht lösen können, wenn wir überholten Vorstellungen der Vergangenheit nachhängen und darüber die Zukunft vergessen; diese Zukunft – das ist meine feste Überzeugung – wird eine Lösung für die deutsche Frage bringen, wenn wir sie auf der Basis von Freiheit, Menschenrechten und Selbstbestimmung für alle Europäer und damit auch für alle Deutschen verwirklichen. Diesen europäischen Weg zur Einheit in Freiheit weist uns schon die Präambel des Grundgesetzes.«
Dorothee Wilms, ehemalige Bundesministerin, in: Deutschlandpolitische Bilanz, Bonn, Januar 1989.

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25. Dezember 2007

Bemerkenswerte Zitate, Teil 18

Volkes Stimme
Quod omnes tangit, debet ab omnibus approbari.
Was alle berührt, muß auch von allen gebilligt werden
Codex Justinianus, 5,59,5,2.

Ökodiktatur
»Man muß heute in Deutschland eher von einer Ökodiktatur sprechen als von einer Demokratie.«
Hans Penner, 76351 Linkenheim-Hochstetten, in einem mailverteilten, also offenen Brief an Frau Bundeskanzler Dr. Angela Merkel v. 18.12.2007, hanspenner@gmx.de

Gesellschaftszerfall
»Wir werden alles gleichzeitig haben: Verelendung, Dritte Welt in Deutschland und daneben einen obszönen Reichtum und Luxus. Die Gesellschaft wird sich spalten oder zerfallen. Es wird Menschen geben, die zwar im gleichen Land leben, aber nicht in der gleichen Welt. Aushalten (aufhalten?) wird man das nur, wenn man die Gründe versteht. Deshalb brauchen wir präzise Analysen.«
Herwig Birg, in: FAZ Nr. 199/2006, S. 33.

Becks Reden
»Becks Reden basieren auf dem Karteikartenprinzip. Dem Vernehmen nach schreibt er sie selbst. Seine Freunde fürchten seine Reden, weil sie nicht wissen, ob die gewagten Satzkonstruktionen zu einem gütlichen Ende gebracht werden. Seine Sätze scheinen nie zu enden. Subjekt, Prädikat, Objekt werden umgeben mit einer Fülle von verschachtelten Parenthesen, deren Inhalt zumeist auch noch ohne Belang ist. Doch Beck hat das nicht geschadet. Die Leute im Saal fanden immer noch Stellen, bei denen sie klatschten.«
Günter Bannas in: FAZ Nr. 256/2007, S. 10.

Über Georges Bataille
»Man kann beobachten, daß Monsieur Bataille einen geradezu delirierenden Verbrauch an Adjektiven hat: besudelt, senil, ranzig, unfähig, zotig, schwachsinnig – und daß diese Wörter ihm nicht etwa zur Beschreibung unerträglicher Dinge dienen, sondern daß er mit ihnen aufs Lyrischste sein Wohlbehagen ausdrückt.«
André Breton

Über Johannes R. Becher
»Klar: Rosegger! Heimatkunst, der natürliche Geruch, die berühmte ›Scholle‹. Ich meine leider weder Rosegger noch Ganghofer! Was die natürliche proletarische Sprache anlangt, so habe ich von dem Vers: ›O du Strahlender, Herrlicher, Glühender, Gläubiger‹ schon genug, und der hymnische Quarkkäse von Johannes R. Becher, alias kantiger Härte, reizt auch nicht meinen Appetit.«
Alfred Döblin

Frankreichs Algerienkrieg
»Im Algerienkrieg 1954 bis 1961 haben französische Truppen anderthalb Millionen Zivilisten umgebracht. Ganze Dörfer wurden von der französischen Armee massakriert. Bis heute wurde keiner dieser Mörder angeklagt.
Am 17. Oktober 1961 wurden mitten in Paris friedliche algerische Demonstranten von der Polizei massakriert. Über 200 Menschen wurden ermordet. Bis heute wurde keiner dieser Mörder angeklagt«.
D. Perinic in: FAZ Nr. 296/2007, S. 38.

Islamische Eroberung Europas
»Libyens Staatschef Muhammad al Kadhdhafi kündigt in einer von einem arabischen Fernsehsender auf Video aufgezeichneten Rede anläßlich einer Islamtagung in Timbuktu die ›islamische Eroberung Europas ohne einen abgefeuerten Schuß und ohne Kanonen binnen einiger Dekaden‹ an.«
Muhammed al Kadhdhafi, Staatschef Libyens, am 10. April 2006 in Timbuktu (von einem WALTHARI-Leser eingesandt).

Literaturpreise
»Ich glaube nicht, daß Preise etwas mit Literatur zu tun haben. Sie haben mit Marketing zu tun, nicht mit Literatur. Mir gefällt das nicht.«
Jonathan Littell

Gar kein Deutschland mehr
»Es gibt kein ›besseres‹ Deutschland, wir wollen kein ›antifaschistisches‹, kein ›antirassistisches‹, kein ›antisexistisches‹ Deutschland – gar kein Deutschland ist unser Ziel.«
›göttinger drucksache‹, Nr. 552 v. 29. Sept. 2006, S. 1.

Öffentlich-rechtliche Sender
»Sie tun buchstäblich, was sie wollen, und behaupten auch noch, allein sie seien in der Lage, ein Medienangebot mit ›Public Value‹, soll heißen: mit Gemeinwohlwert, zu schaffen, ganz so, als gebe es die freie, unabhängige Presse nicht.«
Michael Hanfeld über die öffentlich-rechtlichen Sender in: FAZ Nr. 268//2007, S. 1.

Zweierlei Verbrechen
»Verbrechen gegen die Menschlichkeit werden von Deutschen begangen, Verbrechen für die Menschlichkeit werden an Deutschen begangen.«
Carl Schmitt

Die Grünen
»Die Grünen sind ihrem Ursprung nach (und im Kern immer noch) eine linke, sogar linksradikale Bewegung.«
Günther Nonnenmacher, in: FAZ Nr. 274/2007, S. 1.

Nationale Selbstachtung der Deutschen
»Wer in seinem nationalen Gedächtnis nur noch ein einziges Ereignis speichert, auf das alles ausgerichtet ist, nämlich den Holocaust, der hat gar kein Gedächtnis mehr, sondern nur noch eine Obsession. Wer die Kollektivschuld totalisiert und Ausnahmen nicht mehr gelten läßt, der beleidigt nicht nur die echten Widerständler und entlastet die wahrhaft Schuldigen – er zerstört auch jene nationale Selbstachtung, ohne die Schuldbekenntnisse wertlos werden. Wer nämlich sagt, ich nehme alle Schuld auf mich, ohne weiteres Ansehen, der nimmt nichts auf sich. Erst die Verlängerung des empirischen Ichs ins Über-Ich der Staatsästhetik mit ihren Gedächtnis- und Repräsentanzanforderungen macht den Menschen zum Zoon politikon, man kann auch sagen: zum Bürger, zum Citoyen.«
Gustav Seibt in einer Laudatio über Karl Hein Bohrer, abgedruckt in: ›Sinn und Form‹ Juli/August 2007, S. 562.

Liebdiener
»Wie kann einer, der sich nicht oft in den Vorzimmern der Großen aufhält, sich nicht in ihrem Gefolge befindet, keine Loblieder singt, wie kann der dasselbe erreichen, wie der, der das alles tut? Du bist unbillig und anspruchsvoll, wenn du, ohne jene Auszeichnungen mit diesen Diensten zu erkaufen, sie umsonst empfangen willst.«
Epiktet in: ›Handbüchlein der Moral und Unterredungen‹.

Freie Märkte
»Denn Millionen Bürger unseres Landes haben allein deshalb einen Arbeitsplatz, weil es freie Märkte gibt.«
Ronald Pofalla, Generalsekretär der CDU, allen Ernstes über die ›Neue Mitte‹ seiner Partei, in: FAZ Nr. 290/2007, S. 10.

Die EU als Waschanlage
»Die größte Gefahr besteht darin, daß Europa dank des Euro zur größten Waschanlage von Schwarzgeld wird.«
Leoluca Orlando, ehemaliger Bürgermeister von Palermo.

Blogcencus: die neue Öffentlichkeit
Rund 140.000 Weblogs gibt es in Deutschland, die aktiv betrieben werden, neuerdings auch von Unternehmen, die ihren Mitarbeitern eine Plattform bieten. Die fünf führende Blog-Dienstleister beherrschen zusammen die Hälfte des Marktes. Rund 200.000 Blogger sind in Deutschland in der Szene aktiv, in anderen Ländern weit mehr. Weblogs animieren in Zukunft zur Herdenbildung, etwa als Protestforum von Wählern und Verbrauchern. Eine US-amerikanische Plattform schafft es bis zu 250.000 Stimmen täglich, um Firmen an den Pranger zu stellen. Diese anschwellende Bürgerbewegung bereitet insbesondere den Parteien heute schon großes Unbehagen.
©WALTHARI® – Aus:www.walthari.com

Inflationsprognose
Im Monatsbericht Dezember 2007 der Deutschen Bundesbank kann man auf Seite 17 lesen: »Die Teuerungsrate… dürfte im Durchschnitt des Jahres 2008 wie schon im laufenden Jahr… 2,3 % betragen.« Man muß kein Finanzwissenschaftler sein, um über diese Prognose den Kopf zu schütteln. Nicht allein die enorm gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise, auch die vielen hundert Milliarden leichtes Geld, das die Zentralbanken bereitgestellt haben, um die Bankenkrise abzuwehren, werden die Inflation hochtreiben. Und dazu die anstehenden Lohnforderungen, die erstmals seit Jahren kräftig auf die Unternehmenskosten durchschlagen werden. Auch die Bundesbank denkt manchmal zu politisch. Man wird sie im Dezember 2008 an ihre (Fehl-)Prognose erinnern müssen. Bereits gegenüber der kriminellen Staatsverschuldung war sie allzu lange halb blind.
© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer. Aus: www.walthari.com

2. Dezember 2007

Zum Lachen
Sie: Vieles reizt zum Schmunzeln.
Er: Eigentlich alles. Und nicht nur zum Schmunzeln.
Sie: Du meinst, alles sei zum Lachen?
Er: Fast alles. Im Leben wie in der Kunst.
Sie: Besonders in der Politik.
Er: Die gehört zum Leben wie ein Hustenreiz im Konzertsaal. Oder beim Küssen.
Sie: Sie stört also beim Glücklichsein.
Er: Nicht nur dabei. Sie verstört das ganze Leben, wenn man zu lachen vergißt.
Sie: Wenigstens zerstört sie bei uns nicht mehr Leib und Leben.
Denn bei diesem Zerstören und danach gibt’s nicht mehr zu lachen.
Er: Wohin führst du mich?
Sie: Zu einem Soldatenfriedhof. An diesem Ort vergeht dir das Lachen.
Er: Dir etwa nicht?
Sie: Manche Mütter haben nach dem Heldentod ihrer jungen Söhne durchgedreht und im Wahnsinn gelacht.
Er: Du siehst, das Lachen kennt keine Grenzen und spart keinen Ort aus.
Sie: Dann wäre es ja gleichgültig, wohin wir gehen?
Er: Ja, denn alles ist Komödie.
© Erich Dauenhauer. Aus: www.walthari.com
Aus: ›Im Garten der Ironie. Stich-Worte zwischen Lachen und Lächeln‹, in: WALTHARI-Heft 28/1997, S. 29.

29. Oktober 2003

Sprachseparatistisches Schweizerdeutsch

Das Schwyzerdütsch ist auf dem Wege, sich von seinen letzten Bindungen am Hochdeutschen zu verabschieden. Das ist durchaus die Absicht vieler Eidgenossen in der deutschsprachigen Schweiz, die eine Abtrennung auch öffentlich begrüßen und vermehrte Dialektsendungen in Rundfunk und Fernsehen fordern. Neben dem Röschtigraben zur welschen Schweiz hebt man an der Grenze zu Deutschland eifrig einen Sprachgraben aus, der mit den Dialektunterschieden zwischen dem Bayerischen und Schwäbischen, Pfälzischen und Hessischen usw. nicht vergleichbar ist. Die Sprachgräber buddeln aus politischer Trennungsgesinnung und haben die Abschottung bereits soweit getrieben, daß sich innerschweizerischer Widerstand gegen das völlige Ausklinken aus der am Hochdeutschen orientierten Sprachgemeinschaft regt. Die Trenntendenzen haben bisher kaum die Schriftsprache erfaßt, nach wie vor erscheinen die Zeitungen in Basel, Zürich usw. in hochdeutscher Fassung (mit landesspezifischen Einsprengeln). Doch auch beim Gedruckten sind Trennungsansätze zu beobachten: Homer wird in Berndütsch (Bernerdeutsch) angeboten, und zwar mit der umwerfenden Begründung, dem Berndütsch sei der Hexameter eingeboren. Den Trennungsprozeß vollzogen hat längst die gesprochene Sprache im Alltag und im Geschäftsleben, in Schulen und in den Funkmedien, welche zügige Schrittmacherdienste vollziehen. Für einen Großteil der Jungschweizer südlich des Bodensees ist das Hochdeutsche bereits eine Art Fremdsprache geworden. Schüler und Arbeitnehmer, die hochdeutsch reden, werden gemobbt, und zwar regelhaft, berichten die Medien. Wer in der Schweiz heimisch werden will, muß sich dialektsprachlich unterwerfen.
© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer. Aus:www.walthari.com

Bemerkenswerte Zitate
Teil 17
Verbotsgesellschaft
»Jedenfalls treibt die kleinbürgerliche Auseinandersetzung um Verbote aller Art bereits seltsamste Blüten. So wird derzeit im Kanton Bern (wo ein weitreichendes Werbeverbot in Kraft getreten ist) ernsthaft darüber diskutiert, ob Frau Meier und Herr Müller künftig noch ihren alten Sonnenschirm mit der Bierwerbung auf den Balkon stellen dürfen. Im vergangenen Sommer wurde auf der Höhe der Feinstaub-Hysterie nicht minder ernsthaft ein landesweites Cheminéefeuer-Verbot erwogen. In einigen Städten wird künftig verzeigt, wer unachtsam einen Zigarettenstummel oder einen Kaugummi wegwirft, und in Basel kann bereits gebüßt werden, wer sich zu lange in einem Parkhaus aufhält.«
NZZ Nr. 76/2007, S. 33.

Bürgerentmündigung
»Unter dem Vorwand, es sei doch nur zu ihrem Besten, mischt sich der moderne Staat in alles ein, und zwar auch gegen den ausdrücklichen Willen der Untertanen. Vorsorge und Fürsorge sind jedoch nur fadenscheinige Versprechen. Der Staat ist weder ein Hort der Sittlichkeit noch eine moralische Anstalt. Er hütet kein Gemeinwohl und ist auch keine Quelle väterlicher Geborgenheit. Der Staat ist eine Einrichtung zur Beherrschung der Bürger. Mit dem Umfang der Registraturen und der Zahl der Staatsdiener nimmt die Freiheit der Bürger ab. Fern jedes moralischen Fortschritts kennt die Entwicklung des Staates nur eine Richtung: Vorwärts in der Entmündigung und Enteignung der Bürger! Die Gerechtigkeit, die er zu verwirklichen vorgibt, benötigt immer mehr Gesetze, die Gesetze benötigen immer mehr Bedienstete, und die Bediensteten benötigen immer mehr Geld von den Untertanen, die sich von den Bediensteten zu Unrecht immer mehr Gerechtigkeit erhoffen.«
Wolfgang Sofsky in FAS Nr. 33/2007, S. 9.

Über Minister Sigmar Gabriel
»Unter Fachleuten herrscht die Meinung vor, daß Ihre Sachkenntnisse nicht ausreichen, um ein Ministerium zum Wohle der Bevölkerung führen zu können. Allerdings verlangt die SPD für die Verleihung eines Ministerpostens nicht einmal einen Hauptschulabschluß.«
Hans Penner in einem mailverteilten, also offenen Brief an Umweltminister S. Gabriel v. 24.08.2007, hanspenner@gmx.de

Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse
»Aus meiner Sicht ist die im Grundgesetz postulierte Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ein realitätsferner Hemmschuh für Wettbewerb und Vielfalt. Wir müssen die föderalen Anreizstrukturen so ausgestalten, daß sich Leistung wieder lohnt und starke wie schwache Länder gleichermaßen von ihren Anstrengungen profitieren.«
Oswald Metzger, MdL, finanzpolitischer Sprecher der GRÜNEN im Landtag von Baden-Württemberg.

Mafia-Morde
»Einer der Camorra-Bosse von Mondragone ist Psychoanalytiker, ein Experte für Freud und Lacan. Er hat sechzig Leute auf dem Gewissen. Um die Ausbreitung von Aids in seiner Gegend zu stoppen, hat er eine Todesliste mit HIV-Infizierten zusammengestellt. Sie wurden alle umgebracht.«
Roberto Saviano, Autor des Buches ›Gomorrha‹, 2007.

Hobbesmaxime
»Homo homini lupus est.«
Thomas Hobbes in: ›Leviathan‹, entlehnt dem Plautustück ›Asinaria‹.

Scherbenhaufen der Immigrationspolitik
»Man braucht, verdammt noch mal, kein Überlebender des Holocaust zu sein, um mit bürgerlichem Selbstbewußtsein den nach wie vor in linken Denkschablonen steckenden Multikulti-Illusionisten, xenophilen Einäugigen und Appeasement-Doktrinären couragiert die Stirn zu bieten… Vor uns liegt der Scherbenhaufen einer Immigrationspolitik.
Ralph Giordano in FAS Nr. 32/2007, S. 13.

Feigheit
»Es gibt Fälle, in denen vernünftig sein feig sein heißt.«
Marie von Ebner-Eschenbach.

MP Erdogan
»Tatsche ist, daß der türkische Ministerpräsident noch 1997 wegen öffentlicher demokratiefeindlicher, islamistischer Äußerungen vom Sicherheitsgericht in Diyarbakir zu vier Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Auf einer Wahlkampfveranstaltung im südanatolischen Sürt hatte er aus einem Gedicht des Poeten Ziya Gökalp zitiert: ›Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.‹ Erdogan war damals bereits 43 Jahre alt und Oberbürgermeister der Zwölf-Millionen-Metropole Istanbul.«
Dr. Rainer Rothfuß in FAZ Nr. 194/2007, S. 15

Vollbeschäftigung
»Jedem, der dies wünscht, soll die Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit gegeben sein. Dieses Vollbeschäftigungsziel ist Wirtschaftspolitik und Arbeitsmarktpolitik gemeinsam.«
Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Walter Arendt 1974 in: ›Perspektiven der Arbeitsmarktpolitik‹, S. 7.

Demokratie-Export
»Ich glaube, es ist ganz falsch, Afghanistan oder dem Irak die Demokratie bringen zu wollen. Man weiß dort nichts von Demokratie, es gibt keine demokratische Tradition.«
Literaturnobelpreisträger Imre Kertész in NZZ Nr. 155/2007, S. 25.

Die Kaczinskys
»Die Kaczinskys sind allerdings keine Verrückten, wie im Ausland oft geglaubt wird, sondern katholische Fundamentalisten. Wir erleben derzeit die schärften Angriffe der vergangenen 20 Jahre. Die beiden Brüder würden die Gewerkschaften am liebsten zerschlagen.«
Bojan Stanislawski, Chefredakteur einer polnischen Gewerkschaftszeitung, in: ›metallzeitung‹ Nr. 9/2007, S. 3.

Professoren
»Manche Professoren tragen an ihren vielendigen Ehrengeweihen so schwer, daß sie im Dickicht ihres Disziplingeländes nicht mehr recht vorankommen.«
Waltharius, 2007.

Krankheiten wachhalten
»Die Pharmabranche läßt es sich enorme Summen kosten, die Angst vor Krankheiten wachzuhalten und unsere Blicke auf immer neue Symptome zu lenken. Keine andere Branche verdient so gigantische Summen, in keinem anderen Wirtschaftszweig sind die Absatzmärkte derart lukrativ. Allein 2004 erzielten die zehn führenden Pharmaunternehmen mit verschreibungspflichtigen Medikamenten einen Umsatz von 205 Milliarden Dollar.«
Melanie Mühl in FAZ Nr. 214/2007, S. 41.

Pakistanische Parallelgesellschaft
»In Norwegen blüht die pakistanische Parallelgesellschaft. Sobald die Kinder schulreif sind, werden sie nach Pakistan in die Koranschule geschickt. Little Norway wird die Gegend genannt, aus der sie stammen. Der Integrationsminister staunte, als er die Little Norway Tausende Schüler mit norwegischem Paß vorfand, die ihr Norwegisch vergessen hatten. Wenn sie als Halbwüchsige zurückkehren, sind sie norwegischen Verhältnissen entfremdet.«
Aldo Keel in NZZ Nr. 180/2007, S. 24.

Abrißbirne
»Abrißbirne sozialdemokratischer Programmatik.«
Andrea Nahles als Juso-Vorsitzende 1997 über Gerhard Schröder, zitiert in ›Politiker beschimpfen Politiker‹, S. 177. A. Nahles wurde auf dem SPD-Parteitag in Hamburg (Okt. 2007) zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.

Sollen Politiker auf Stimmungen reagieren?
»Natürlich müssen sie reagieren, sie sollen es sogar mit Feingefühl tun. Aber doch bitte nicht so vordergründig wie der Parteivorsitzende der SPD, Kurt Beck. Sich ein kleines Problem herauszugreifen wie das Arbeitslosengeld für alte Arbeitslose und das zur sozialen Frage hochzustilisieren ist schon zynisch. Beck gaukelt Lösungen vor, die keine sind in dieser Welt.«
Guy Kirsch, Schweizer Politökonom in FAS Nr. 43/2007, S. 37.

Bemerkenswerte Zitate
Teil 16
Tour de France
»Wer einen Hang zum Kriminellen hat, der soll sich die Tour anschauen. Denn kriminell zu kriminell, das hat im Leistungssport schon Jahrzehnte gepasst. Man kann sich die Tour ja ansehen wie einen Dokumentations-Krimi. Geboten wird eine Aufzeichnung von kriminellen Taten, manches, was man sich wünscht, sieht man bis jetzt zwar noch nicht, etwa was so im Hintergrund läuft.«
Prof. W. Franke am 30. 06. 2007.
»Lug und Betrug gehört zur Tour de France wie der Eifelturm zu Paris.«
Henning Peitsmeier, in FAZ Nr. 173/2007, S. 2.

EU-Identität
»Europa hatte ja einmal sehr nationale Traditionen. Im 20. Jahrhundert gerieten diese jedoch wegen blutiger, nationalistisch motivierter Kriege in Verruf. Jetzt bemüht man sich, eine ›europäische Identität‹ zu basteln; sie ist aber ziemlich inhaltsleer.«
Francis Fukuyama in: WamS Nr. 14/07, S. 68.

›Pofalla-Deutsch und Prinzipienverlust‹
Unter dieser Überschrift führt der Chefredakteur des Handelsblattes (HB) aus: »Die Sätze dieses Programms mischen sich zu einer Sprache, die ihre drei Hauptquellen niemals verbergen kann: das kirchliche Erweckungsbrevier, die bürokratische Umlaufmappe und den linken Soziologenjargon. Aus dem Brevier stammen theologische Plattweisheiten wie ›Jeder Mensch ist Irrtum und Schuld ausgesetzt‹. Aus der Habermas-Kiste kommen solche Unwörter wie ›Generationenbeziehungen‹ oder ›Lebensumwelt‹. Aus den Tischvorlagen der Beamten stammen solche Ungetüme wie ›Zuwanderungs- und Aufnahmebedingungen‹.«
Bernd Ziesemer, Chefredakteur, HB v. 22.05.07, S. 11.

Deutscher Kulpismus
»Das ist eine einzigartige und erschreckende Desavouierung der gesamten deutschen Versöhnungspolitik gegenüber Polen seit Willy Brandt. Indessen ist noch keineswegs sicher, ob nach dieser ›Brüsseler Lektion‹ den Protagonisten des deutschen Kulpismus, die von Anfang an die erste Geige spielten im Stück, endlich zu dämmern beginnt, welchen Bärendienst sie nicht allein Deutschland, sondern Europa im Ganzen geleistet haben, als sie das Verschweigen der kategorialen Dimension der massenmörderischen Deutschenvertreibung als Epochenverbrechen und dessen fraglose Hinnahme im Wiedervereinigungsprozess durch die ›schuldigeren‹ Deutschen zur puren historischen Selbstverständlichkeit herunterdeklarierten. Es scheint, hier muss auch innerhalb unserer Republik etwas neu und anders als bisher verhandelt werden.«
Andreas Gizewski, in: FAZ Nr. 151/07, S. 8.

›L’Etat, c’est Sarkozy‹
Unter dieser Überschrift des Aufmachers in der NZZ Nr. 137/2007 war zu lesen: »Der französische Präsident verfügt über eine beispiellose Machtfülle. Mit einer sicheren Mehrheit im Parlament wird er zu einer Art Sonnenkönig auf Zeit. Diese Allmacht ist verfassungsrechtlich gesehen nicht unproblematisch. Von einer echten Gewaltenteilung kann kaum mehr die Rede sein. Regierung und Parlament sind nicht viel mehr als dem Präsidenten zuarbeitende Organe. Angesichts der Energie und des legendären Ehrgeizes von Nicolas Sarkozy wird dessen Macht sogar noch konzentrierter sein als gewöhnlich in dieser Konstellation.«

Sarkozy und die Presse
»Nicht von ungefähr lassen sich französische Politiker gern mit Journalistinnen ein. Die Kumpanei beider Sphären bietet Gewähr, dass nichts nach außen dringt. Fast ein Drittel der Pariser Minister ist offiziell mit Journalistinnen liiert. Auch Sarkozy tröstete sich laut Bloggern vor zwei Jahren mit einer Frau vom ›Figaro‹. Damals war Cécilia mit einem Werbemanager durchgebrannt.«
FTD v. 19.06.07, S. 28.

Nochmals Sarkozy
»Unangenehm wird es, wenn man Sarkozy im Weg steht. Das hat sich herumgesprochen, daher legen sich französische Politiker, Journalisten und beamte schon jetzt vorsorglich bäuchlings auf den Boden, wenn irgendwo auch nur sein hektisch fuchtelnder Schatten erscheint. Weshalb einer, der selbst das Gegenteil eines solchen Verhaltens kultiviert, diese Servilität goutieren soll, ist ein Rätsel.«
FAS Nr. 19/2007, S. 36.

Homosexuellen-Rente
»Warum soll es zu den staatlichen Solidaritätspflichten der Kinder einer katholischen Familie gehören, die Hinterbliebenenrente des überlebenden Partners einer homosexuellen Lebensgemeinschaft zu erarbeiten?«
Philosoph Peter Koslowski in: FAZ v. 11.11.06, S. 15.

Entwicklungshilfe
»Die Afrikaner haben nur die Mechanismen der Entwicklungshilfe durchschaut und machen sie sich zunutze. Entwicklungshilfe ist die einzige Industrie auf der Welt, die keine Rechenschaftsberichte ablegen muss. Das Erfolgskriterium ist oft nur, ob der Mittelabfluss geklappt hat oder nicht. Was dabei wirklich herauskommt, ist unwichtig.«
Thomas Scheen, in: FAZ Nr. 129/2007, S. 6.

Modekrieg
»Die Modewelt ist keine schöne Welt. Mode ist Krieg…, es geht nur um Verdrängung.«
Wolfgang Joob, in: HB Nr. 65/2007; S. 2.

Politische Todeszone
Die »politische Todeszone ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden, denn zwischen ›rechts‹ und ›rechtsextrem‹ wird in der Debatte immer seltener unterschieden. Die Linke in diesem Lande hat es unter Ausnutzung ihrer Diskursüberlegenheit dahin gebracht, dass selbst brave CDU-Mitglieder nur dann nicht vor dem Attribut ›rechts‹ zurückschrecken, wenn sie die Unschuld ihrer Gesinnung durch die Beteiligung an einer der vielen Kampagnen ›gegen rechts‹ beweisen können.«
Berthold Kohler, Mitherausgeber der FAZ, am 24. Mai 2007-07-28.

Oskar Lafontaine
»So einer ist kein linker Befreier, sondern ein Helfershelfer der Taliban, dem es egal ist, ob die Leute in Afghanistan gefoltert und unterdrückt werden.«
Sigmar Gabriel, SPD-Bundesumweltminister, in: FAS Nr. 21/2007, S. 8, über seinen ehemaligen Genosse Vorsitzenden.

Ökonomische Bildung
»Politiker in Deutschland haben meist keine wirtschaftliche Bildung und verschließen die Ohren für Expertenrat«.
Bernd Ziesemer, Chefredakteur, HB Nr. 26/2007, S. 9.

Gedächtnispflege
»… schreibt man auf die Grabstätte, was einer gesündigt hat? Steht auf Stalins oder Churchills Grab, wie viele auf ihren Befehl zu Tode kamen? Welche Vergehen oder Irrtümer, welche Schuld schreibt man den Millionen deutscher Frauen und Kinder zu, die im Kriege und oft erst lange danach umkamen? Zwölf Millionen Menschen wurden aus ihrer Heimstätten vertrieben, weil sie deutscher Sprache waren, etwa vier Millionen kamen dabei um – die größte Vertreibung, die die Weltgeschichte je gesehen hat. Das Gedächtnis an all diese Toten zu erhalten, das ist die Aufgabe der Gedächtnisstätte. Nicht Gedanken der Schuld und einer ›historischen Aufarbeitung‹ ist sie gewidmet, ebenso wenig der Vergeltung, sondern allein dem liebenden und ehrenden Gedächtnis der Toten und ihrer Leiden.«
Prof. Dr. Theodor Schmidt-Kaler am 18. Juli 2007 in: FAZ Nr. 164/2007, S. 17.

Bemerkenswerte Zitate
Teil 15

Deutschlandflüchtlinge
»Es ist geradezu peinigend absurd: Deutsche Spitzenkräfte wandern zunehmend ab, und ausländische Spitzenkräfte machen immer deutlicher einen Bogen um dieses Land. Die Zuwanderer, die unter dem Schutz unserer Gesetze kommen und die wir uns nicht aussuchen können, entsprechen in ihren beruflichen Profilen oft nicht unserem Bedarf.«
Klaus J. Bade, Historiker an der Universität Osnabrück.

Vermögenspreisinflation
»Die Chancen, daß die Geldpolitiker den Weg zurück zum stabilern Geld finden, stehen leider nicht gut. Sie wollen nur die Konsumentenpreise stabil halten und ignorieren de facto die Vermögenspreisinflation. Vor allem aber dürften die Geldpolitiker vor unpopulären Schritten zurückschrecken.«
Thorsten Polleit, Finanzexperte.

Schweizer Rosinenpickerei
»Tatsächlich sind die Schweizer begabte Rosinenpicker, dahinter steckt ein kühles Kalkül. Schließlich war die Schweizer Außenpolitik schon immer hauptsächlich Außenwirtschaftspolitik. Der Beitritt bringt dem Land ökonomisch nicht viel, der Nutzen ist zumindest geringer, als es die Kosten sind. Man müßte nicht nur etwa drei Milliarden nach Brüssel überweisen, sondern letztlich auch den Franken mit seinen niedrigen Zinsen opfern.«
Konrad Mrusek, Journalist.

Geld
»Alles, was die Sozialisten von Geld verstehen, ist die Tatsache, daß sie es von anderen haben wollen.«
Konrad Adenauer, ehemaliger Bundeskanzler.

»Die Rücknahme des Euro wäre die ideale Lösung.«
Prof. Dr. Wilhelm Hankel im Telebörse-Interview

Goethe-Institute
»Die Goethe-Institute sind auch deshalb beliebte Partner, weil sie so nett sind. Sie fordern nämlich nicht viel. Womöglich, weil wir Deutschen erst allmählich unbefangen mit der Frage umgehen, wer wir sind oder sein wollen. Unsere Kulturvertreter im Ausland müssen früher, als die Mittel noch reichlich flossen, ein sehr merkwürdiges Bild abgegeben haben: In den entlegensten Winkeln der Weltkugel lehrten sie eine Sprache, die sie sich nicht zu lieben trauten, und erzählten von einem Land, dessen sie sich vorauseilend so bereitwillig schämten, als hätte es vor Hitler und nach Hitler keine deutsche Geschichte gegeben.«
Paul Ingendaay, Journalist.

Konfliktfähigkeit
»Wir bekommen seit frühester Jugend das Prinzip ›Konsens durch Kompromiß‹ vermittelt. Wir haben kulturell einen Mangel an Konfliktfähigkeit. Die Engländer lernen in Debattierklubs, mit Konflikten umzugehen. Bei uns zeigt man in Verhandlungen oft von vornherein eine Haltung, mit der dann nur der kleinste gemeinsame Nenner erreicht wird. Auch das erschwert Veränderungen. Das gilt für unsere gesamte Gesellschaft.«
Paul Achleitner, Finanzvorstand

Streit
»Nicht jene, die streiten, sind zu fürchten, sondern jene, die ausweichen.«
Marie von Ebner-Eschenbach, Dichterin.

Parteigeklingel
»Themen wie Schule, Armutsdebatte oder Steuergerechtigkeit – das alles können Sie sehr kompetent jenseits von ausschließlich parteipolitischem Geklingel und Geklungel diskutieren.«
Günther Jauch, Fernsehmoderator

Familiendiskriminierung
»Frauen sollen durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zwar vor Diskriminierung geschützt werden – nicht aber die Familie. Da stimmt was nicht in einem Land, das angeblich mehr Kinder will. Das sage ich nicht nur als Anwalt, sondern auch als dreifacher Familienvater. Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin (Aktenzeichen 2 Sa 1776/06) macht das jetzt deutlich. Denn Familie spielt in der Begründung keine Rolle.«
Marc Steffek, Anwalt.

Über Deutschland
»Sowohl der Arbeitsmarkt als auch die Finanzmärkte sind in verheerendem Zustand. Die Mitbestimmung, der Kündigungsschutz – all das ist schädlich… Schauen Sie sich doch diese typisch europäische Rachsucht gegenüber dem Arbeitgeber an, der unternehmerisch, visionär und zuversichtlich genug ist, einen Menschen einzustellen und eine Chance zu geben, dessen Projekt aber fehlschlägt, so daß er wieder entlassen muß und im Saldo ein paar Monate lang jemandem ein Gehalt gezahlt hat – das ist einfach bösartig. Es ist feindselig gegenüber dem Unternehmertum.«
Edmund Phelps, Wirtschaftsnobelpreisträger 2006

Am Wähler vorbei
»Die grundlegende Veränderung der ›terms of peace‹ vollzieht sich am Souverän vorbei. Zwar werden, etwa in Deutschland, Militäreinsätze ›out of area‹ letztlich vom Parlament entschieden, die Entscheidungsgründe bleiben jedoch für die Wählerinnen und Wähler vage. Wer sich vor Augen führt, mit welchen Argumenten das Publikum, egal, von welcher Partei, zur Rechtfertigung der entsprechenden Beschlüsse abgespeist worden ist, wird hier eher eine außerpolitische Ideologie erkennen, hinter der sich jegliche harte Interessen verbergen und durchsetzen könnten. Oder will jemand ernsthaft behaupten, daß die Rede des ehemaligen Außenministers Fischer über die Bedeutung von ›Auschwitz‹ für seine Biographie auch nur den Hauch einer Begründung für einen konkreten Militäreinsatz liefern könnte? Hat der deutsche Politiker, der das Bonmot von der Verteidigung Deutschlands am Hindukusch in die Welt gesetzt hat, auch nur einmal den konkreten Nachweis führen müssen, welche terroristischen Aktivitäten durch die deutschen Soldaten in Afghanistan von Deutschland abgehalten wurden?«
Wieland Elfferding, Publizist.

Radarfalle
»In der Schweiz, dieser Hochburg der Raubritter, schiebt, als wäre die Kaffee- und Tobleronepause beim Transit ans Mittelmeer nicht schon teuer genug, der heimtückische Lichtschrankenwärter bereits eifrig Dienst.«
Andreas Rossmann, Journalist.

Verbrechenspolitik I
»Die Verbrechen kommunistischer Diktaturen im 20. Jahrhundert sind noch nicht aufgearbeitet worden. Dieser Ansicht ist der deutsch-französische Publizist und Politologe Alfred Grosser (Paris). Als bedenklich bezeichnet er im Magazin ›Cicero‹ (Potsdam) die Tatsache, dass ›die Millionen Toten, die die Verbrechen Stalins und Maos hervorgebracht haben, bis heute verniedlicht werden.‹ Hier gebe es erstaunliche Interessengemeinschaften zwischen ehemaligen Kommunisten und jüdischen Organisationen, schreibt der Jude Grosser. ›Beide treffen sich in der Intention, es solle nur ‚Auschwitz’ da sein.‹ Bis heute schienen viele nicht zu wissen oder nicht wissen zu wollen, ›welches Ausmaß die Verbrechen Stalins und Maos gehabt haben. So habe die PDS im Europarat in Straßburg verhindert, dass eine Resolution über die Notwendigkeit einer Verurteilung der Verbrechen kommunistischer totalitärer Regime verabschiedet wird.« (Hervorhebungen im Original)
Redaktionszitat in ACP-Information Nr. 1/2007, S. 14(APC = Arbeitskreis für christliche Publizisten)

Verbrechenspolitik II
»Der Herrscher macht sich gewissermaßen zum Mitschuldigen an dem Verbrechen, das er nicht bestraft.«
Friedrich der Große, Politisches Testament (1752).

Bemerkenswerte Zitate
Teil 14

Abstoßender Maoismus
»Abstoßend ist es, wenn man heute, auch nach der schonungslosen Enthüllung Maos als der Welt größter Massenmörder (rund 70 Mio. Opfer), in Peking westliche Touristen weiterhin ein Souvenir mit Mao-Bild oder eine Kleinausgabe des roten Büchleins kaufen sieht und die kichernden Käufer dies offensichtlich noch ganz originell finden. Man stelle sich vor, dasselbe würde in Berlin mit Hitler-Memorabilien geschehen. Noch fragwürdiger ist allerdings, dass von all den 68ern, die vor vierzig Jahren an westlichen Universitäten die Mao-Bibel schwenkten und ihre Unterstützung für die ›Kulturrevolution‹ skandierten, kaum ein Wort der Reue zu hören ist. Es wird die damalige Mao-Verehrung als ein Element des allgemeinen Zeitgeists gesehen, so ähnlich wie die poppige Mao-Ikone von Andy Warhol… Im Rückblick muß zudem auffallen, wie leichtfertig die einstige Mao-Begeisterung bei vielen westlichen Intellektuellen dem kollektiven Vergessen und Verdrängen überantwortet wurde
Urs Schoettli in: NZZ Nr. 214/06, S. 25.

Kunst als Firlefanz
»Und angesichts der Tatsache, daß wir dauernd von Geld, das wir nicht haben, Dinge kaufen, die uns nicht gefallen, um damit Leute zu beeindrucken, die wir nicht leiden können, lohnt es sich ja vielleicht doch, gerade beim Kunstkauf noch einmal darüber nachzudenken: Keinen Firlefanz, nichts, was andere schon besser gemacht haben, nichts, was man sich eigentlich gar nicht leisten kann – und vor allem: nur das, was einem selber wirklich zusagt, egal ob alle anderen das für Schwach-, Wahn- oder Irrsinn halten.«
Peter Richter, in: FAZ Nr. 253/2006, Beilage ›Kunstmarkt‹

Islamisches Europa
»Der libysche Staatschef Muammar Gaddafi: ›Einige Menschen glauben, Mohammed sei lediglich der Prophet der Araber oder Moslems. Das ist ein Irrtum. Wir haben 50 Millionen Moslems in Europa. Es gibt Anzeichen, dass Allah dem Islam den Sieg über Europa schenken wird. Ohne Schwert, ohne Gewehre, ohne Eroberung wird Europa moslemisch‹…. ›Es ist einem Moslem verboten, jemandem, der nicht an Allah und seinen Propheten glaubt, ein loyaler Freund zu sein.‹ Aus einem Unterrichtsbuch diverser moslemischer Länder«
Aus: ACP Nr. 4/2006, S. 22.

Scheren im Kopf
»Überall in der westlichen Welt schnappen die Scheren der Zensur, der kollektiven Selbstzensur säkularer Demokratien zu: ›Idomeneo‹ in Berlin, das Gesetz über die Leugnung des Völkermords an den Armeniern in Frankreich – überall hört man das metallische Zischen im Blätterwald.«
Philip Blom in: FAZ Nr. 241/2006, S. 39.

Schiefer Vergleich
Frage: »Rechtfertigt der Islam Gewalt?« Antwort des Integrationsministers von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet: »Nein, der Koran hat Stellen, die Gewalt legitimieren, aber die Bibel hat sie auch. Doch das Christentum hat die Aufklärung hinter sich, und die steht dem Islam in weiten Teilen noch bevor. Die Geschichte des Christentums ist eine viele zu kriegerische, als daß man sagen könnte, das Christentum sei die friedliebendere Religion.«
Aus: FAZ Nr. 234/06, S. 4.

Gewaltfreier Islam?
»Die Behauptung, daß ein gewaltfreier Islam der ›eigentliche‹ Islam sei, steht im globalen Maßstab derzeit gegen die Behauptung derer, die sich auf den Koran berufen, wenn sie Frauen knechten oder Bomben zünden. Daß Menschenrechte die Praxis der Religion bestimmen und nicht etwa umgekehrt, dieser Universalismus hat nur dort eine Chance, theologisch fundiert zu werden, wo die heiligen Bücher der Religion sich der historisch-kritischen Methode öffnen.«
Christian Geyer in: FAZ Nr. 248/06, S. 43.

Thomas Bernhards Dichterschelte
»Es gibt ja fast nur opportunistische Schriftsteller. Entweder hängen sie sich rechts an oder links, marschieren dort oder da, und so, und davon leben sie ja. Das ist halt unangenehm, warum soll man das nicht sagen, der eine arbeitet mit seiner Krankheit und seinem Tod und kriegt seine Preise, und der andere rennt für den Frieden herum und ist im Grunde ein gemeiner blöder Kerl, also was soll’s?«
Thomas Bernhard in FASZ Nr. 42/22. Okt. 06, S. 25.

Berüchtigte Frauenfrage
Rheinischer Merkur: »Seit neun Monaten leiten Sie als Beiratsvorsitzende die strategischen Geschicke der Würth-Gruppe. Es gibt nicht viele Frauen an der Spitze von Großunternehmen. Waran liegt es?«
Bettina Würth: »O je, darüber habe ich noch nie nachgedacht. Für mich ist die berüchtigte Frauenfrage überhaupt kein Thema!«
RM Nr. 48/06, S. 12.

Schweizer Schlaumeier
»Auch wenn die Schweizer nun mehrere Male hintereinander mit Ja gestimmt haben, so war dies doch keineswegs das große Ja zu Europa. Es war immer eine kühlkalkulierte Entscheidung. Die Bürger wollen den Beitritt nicht, sie werden den bilateralen Weg so weit gehen, solange er begehbar ist, sprich, solange eine Union von 25 oder 27 Staaten bereit ist, mit dem Schweizer Sonderling spezielle Verträge zu schließen, etwa bei der Öffnung des Strommarktes oder beim Freihandel mit landwirtschaftlichen Produkten. Der Beitritt würde all dies vereinfachen, doch er wäre teurer für das Land. Man müßte nicht nur Milliarden nach Brüssel überweisen, sondern auch den Franken mit seinen niedrigeren Zinsen opfern.«
Konrad Mrusek in: FAZ Nr. 278/29. Nov. 2006, S. 10.

Wüstenbildung in Europa
»Es gibt Regionen, wo die Auswirkungen dramatisch sind, die Wüstenbildung in Europa wird ein echtes Thema.«
DWD Gerhard Adrian in: FAZ Nr. 280/06, S. 37

Zwei Drittel menschlicher Klimaeinfluß
»Als zu mindestens 90 Prozent gesichert gelten … der Rückgang von kühlen Tagen und Nächten und die Zunahme von warmen Tagen und Nächten über den Landmassen seit den 1960er Jahren. Dies wird mit über 66 Prozent Wahrscheinlichkeit auf menschlichen Einfluß zurückgeführt.«
Heidi Blattmann in: NZZ Nr. 254/06, S. 29.

Süssmuths eiliges Buch
»Zahllose Wiederholungen von Allgemeinplätzen, Quellenangaben, die der Überprüfung nicht standhalten, und die Wiedergabe weitverbreiteter, aber falscher Behauptungen (so hat die Lehrerschaft der Berliner ›Rütli-Schule‹ im Februar 2006 nicht die Auflösung ihrer Schule gefordert) sind Hinweise auf die Eile, in der das Buch erarbeitet wurde.«
Stefan Luft über ein neues Buch von Rita Süssmuth, in: FAZ Nr. 284/06, S. 8.

Bemerkenswerte Zitate
Teil 13

Taube Regierungen
»Wir Regierenden wirken zunehmend so, als würden wir nicht mehr auf unsere Völker hören. Das ist der eigentliche Grund aller EU-Müdigkeit.«
Griechenlands Präsident Karolos Papoulias in: FASZ Nr. 37/2006, ›Politik‹ S. 7.

Große Koalition I
»Die Große Koalition ist Gift für die Demokratie. Wollen Union und SPD verhindern, dass die Unterstützung für das politische System und damit ihre eigene Legitimation weiter schwindet, müssen sie Macht an die Bürger abgeben. Nur so können überzogene Erwartungen an die Politik und an die Große Koalition gebremst werden.«
Leo Klimm in: FTD 22. Nov. 2006, S. 30.

Große Koalition II
»Eine große Koalition hat in unserer Demokratie denselben Stellenwert wie ein Putsch in Thailand. Beides kommt gelegentlich vor. Meist ist es unblutig. Es gibt zu jeder Zeit Befürworter in der Bevölkerung und in den Medien, die glauben, die Probleme des Landes seien nur so zu lösen. Und der Ausnahmezustand hält zum Glück nicht sehr lange an.«
Wolfang Münchau in FTD 27. Sept. 2006, S. 30.

Schröder und Merkel als »Deformer«
»Angela Merkel setzt fort, was Gerhard Schröder begonnen hat. Das ist ein fürchterlicher Satz, denn er stimmt. Dabei war Schröder ein Springinsfeld, seine fahrige Regierung endete mit einem ausgeschüttelten Zettelkasten namens Agenda 2010. Frau Merkel hatte hingegen ein Konzept vor Beginn. Hatte! Schröder nahm der SPD und dem Land in seinem Abwahlkampf jenen Reformmut, den er zuvor selbst gemacht hatte. Er hat ihn auch Frau Merkel genommen. Sie beide sehen sich als Reformer, zeigten sich aber – er zum Schluß, sie zum Start – als Deformer. Schröder hatte zu spät begriffen, daß es grundfalsch war, ›nicht alles anders, aber vieles besser‹ machen zu wollen. Diese Regierung hat das nicht begriffen. Sie ist schlecht für Deutschland.«
Wulf Schmiese in FASZ Nr. 40/2006, ›Meinung‹ S. 14.

Werbeanzeige
»Die 3000 Jahre alte Stadtgeschichte in Metz reicht von galloromanischen Ruinen über den italienischen Einfluß im Mittealter bis zum Kaiser-Viertel, das die deutsche Besatzung 1871 – 1918 hinterließ.«
Aus einer Werbeanzeige des lothringischen Touristenverbandes in Deutschland, in: WamS vom 27. Aug. 2006.

Teure Kunstwerke
»175.000 Euro zahlt der Bundestag jedes Jahr für Kunstwerke. Doch er verzichtet darauf, den Künstlern auch ihre Verwertungsrechte abzukaufen.«
Sebastian Heiser in: SZ Nr. 207/2006, S. 11.

Kinderlose Politiker…
»… wird der Kinderlosenanteil in Politik und Medien immer dominanter!…
Davon will die Politik deshalb nichts hören, weil in Deutschland inzwischen 75 Prozent der Haushalte kinderlos sind… Hinzu kommt die Tatsache, daß das politische Gewicht der Gruppe lebenslang Kinderloser noch weit höher als ihr Bevölkerungsanteil ist. In den Parteivorständen der CDU, der SPD, der FDP und der Grünen waren sie im Jahr 2004 zum Beispiel mit 34, 30, 46 und 41 Prozent vertreten und mittlerweile entstammen sogar die letzten zwei Bundeskanzler ihren Reihen. Noch höher ist ihr Anteil in den Medien, wie Zahlen belegen, denen zufolge Journalistinnen und Medienschaffende zu gut 60 Prozent kinderlos bleiben (RBS 2006).«
Dr. Jürgen Borchert, Richter am Landessozialgericht Darmstadt, in: Infobrief Nr. 16/06 der Pro Conscientia.

Utopische Vollbeschäftigung
»Zum ersten Mal nimmt jemand, der diese Republik über Jahrzehnte an führender Stelle mitgestaltet hat, Abschied von dem ›Goldenen Kalb‹, um das die Wirtschaftspolitik immer noch tanzt: In der globalisierten technisierten Welt ist ›Vollbeschäftigung‹ in einem Hochlohnland, dessen demographische Pyramide sich sukzessive und unaufhaltsam auf den Kopf stellt, reine Utopie – und solange die ›machtversessene und machtvergessene‹ (O-Ton Weizsäcker vor 15 Jahren) politische Klasse sich das nicht offen eingesteht, sind sämtliche Subventionen, Strukturmaßnahmen und Umschulungen schlichtweg Veruntreuung von Steuergeldern.«
Christian W. Röhl, in: ZJ-Magazin Nr. 30/06, S. 16.

Deutsches Zukunftsszenario
»Wenn heute zwei produktive Menschen einen älteren unterstützen müssen, dann werden es 2050 eben nicht mehr zwei sein, sondern einer. Das geht nur, wenn dieser eine mindestens doppelt so produktiv und bereit ist, über die soziale Umverteilung ein viel größeres Stück von seinem Einkommen an andere Menschen abzugeben als heute. Es müßte eine Solidaritätsexplosion stattfinden in diesem Land, von der das Christentum nicht einmal zu träumen wagte. Und ich vermute, daß das nicht passieren wird…«. »Wir werden alles gleichzeitig haben: Verelendung, Dritte Welt in Deutschland und daneben einen obszönen Reichtum und Luxus. Die Gesellschaft wird sich spalten oder zerfallen. Es wird Menschen geben, die zwar im gleichen Land leben, aber nicht in der gleichen Welt…«
Prof. Dr. Herwig Birg am 28. August 2006 (in: FAZ Nr. 199/06, S. 32).

Literarisches Schwadronieren
»Im Eifer des Schwadronierens hatte Menasse bei seinem Überblick über die Entwicklung von Begriff und Praxis des Engagements darauf vergessen, den Erfinder dieses Begriffs, Jean-Paul Sartre, und dessen hervorragendsten Praktikanten, Albert Camus, auch nur zu erwähnen.«
Leopold Federmair über Robert Menasses Poetikvorlesung in Frankfurt/Main 2006. (in: NZZ Nr. 146/2006, S. 27).

Uniformierte Räuber
»In Afghanistan, wo ich mich in diesem Jahr zweimal aufgehalten habe, hauptsächlich in ländlichen Gebieten der Provinz Herat, wird die afghanische Polizei anders apostrophiert. Die Leute sagen: ›Früher hatten wir Räuber, heute haben wir Räuber in Uniform.‹ An den Checkpoints kann man es erkennen, alle Passanten werden ausnahmslos ausgenommen. Wer nicht zahlt, wird geschlagen, auch alte Leute, auch schwangere Frauen. Wenn die uniformierten Räuber sehen, daß ein Ausländer dabei ist, ändern sie gleich ihre Taktik. Unser afghanischer Grünhelme-Teamleiter berichtet von überall denselben Erscheinungen. Es werden an den Checkpoints sogar Handys konfisziert, wenn es den uniformierten Räubern so gefällt.«
Rupert Neudeck in: FAZ Nr. 204/06, S. 8.

Verfassungswidrige Länderhaushalte
»Im Länderfinanzausgleich sind inzwischen 11 von 16 Bundesländern zu Nehmerländern geworden, 12 der 16 Bundesländer haben verfassungswidrige Haushalte. Schon lange hat kein Bundesland (mit Ausnahme Bayerns im Jahr 2006) mehr einen ausgeglichenen Haushalt zu Stande gebracht. Nach dem Saarland und Bremen will sich nun auch Berlin vor dem Bundesverfassungsgericht zusätzliche Finanzhilfen erstreiten (was scheiterte, W.). Spätestens wenn sich die Einsicht durchsetzt, dass auch das Bundesverfassungsgericht kein Geld hat, wird man um eine Neuordnung der Finanzverfassung nicht herumkommen.«
Hans-Olaf Henkel in HB Nr. 146/06, S. 9.

Überall Schiffbruch
»Wenn du es recht betrachtest, ist überall Schiffbruch.«
Petronius Arbiter (11 – 66 n. Chr.

Bemerkenswerte Zitate
Teil 12

Große Kolalition
»Der Wahnsinn dieser Koalition liegt gerade darin, dass das Streben nach einem Konsens stets mit neuen staatlichen Leistungen erkauft wird und dass es letztlich CDU und CSU sind, die sich dazu hergeben. So wird just im bürgerlichen Lager die sogenannte Reichensteuer als die normalste Sache der Welt betrachtet, und man findet dort nichts dabei, dass auch im Gesundheitsbereich, wo man hart um Reformen ringt, von einer finanziellen Entlastung nicht die Rede sein kann.«
NZZ Nr. 101/06, S. 3.

Sepp Blatter
»Sepp Blatter beherrscht dieses Spiel von Freundschaft und Verrat, von Rivalität und Täuschung meisterlich.«
Peter Hartmann in: NZZ Folio Nr. 5/06, S. 30.

Habermas-Adepten
»Deutschland und Europa, lendenlahm und feige geworden, stehen einer vitalistischen Kultur gegenüber, die schon lange nicht mehr vor den Toren Europas steht, sondern in den vergreisenden europäischen Metropolen in den nächsten Jahrezehnten die Bevölkerungsmehrheit stellen wird. Die ›Ethnomorphose‹ (Irenäus Eibl-Eibesfeld) Europas, einst als bizarres Hirngespinst rechter Populisten abgetan, dämmert nun unerbittlich über dem Kontinent herauf. Der politisch-geistigen Klasse, die noch bis vor kurzem Warnungen vor dieser Entwicklung höhnisch verächtlich gemacht und der volkspädagogischen Aufsicht von Verfassungsschutzämtern unterstellt hat, rutscht das Herz in die Hose. Jetzt will man es nicht gewesen sein, der diesen Schlamassel herbeigeführt hat. Der Leichengeruch der eigenen Kultur zieht durch die Straßen, während die Morgenröte des Islam anbricht. Verdutzt sehen die Habermas-Adepten der morbiden ›Zivilgesellschaft‹ auf eine Parallelwelt mit kraftvollen Werten.«
Dieter Stein in: JF Nr. 8/06, S.1.

Tatoo
»Bemalung und Punktierung des Körpers ist eine Rückkehr zur Tierheit.«
Goethe, Sprüche in Prosa, Ziff. 1.26.

Parteien
»Solange die Parteien sich nicht für Quereinsteiger öffnen, solange also dem Abgeordneten-Mandat eine Jahrelange Ochsentour durch Ortsvereins-Hinterzimmer und innerparteiliche Kungelrunden vorangeht (und die kann sich eben in der Regel nur jemand leisten, dessen Arbeitgeber diese politischen Ambitionen unterstützt!), wird der ›unabhängige Abgeordnete‹ ein frommer Wunschtraum puristischer Demokraten bleiben, ebenso wie das von der politischen Klasse gern beschworene, de facto aber nicht gewollte ›Parlament der Fachleute‹.«
Reinhard Röhl in: ZJ Magazin Nr. 27/06, S. 15.

Staatsverschuldung
»Der Befund ist eindeutig: Das Grundgesetz ist in der jetzigen Form nicht geeignet, die Staatsverschuldung wirkungsvoll einzudämmen. Die Regeln sind an dieser Stelle zu diffus und lassen der Politik zu viele Hintertürchen offen.«
Dieter Engels in: WiWo Nr. 14/06, S. 30.

»Fiskalische Räuber«
»In einem Staat, in dem das Subsidiaritätsprinzip ernst genommen wird, gerät der Bürger nicht so leicht unter die fiskalischen Räuber… Mit ausufernden Krediten jedoch hat die Politik – nicht nur, aber auch in Deutschland – sich auf eine Weise ›steuerunabhängig‹ gemacht, die mit dem Grundsatz der Nichtwidmung nichts zu tun hat. Getrieben von schlechter Politik, wird so der Staat in die kaum mehr zu kontrollierende Freiheit freihändiger Mittelbeschaffung entlassen.«
H. D. Barbier in: FAZ Nr. 155/06, S. 13.

Gleichbehandlungsgesetz
»Fest steht nur, die Großkoalitionäre haben das Ende der Vertragfreiheit beschlossen und hierfür den unverdächtigen Namen ›Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz‹ erfunden. Fürs Protokoll sei festgehalten: In der Opposition hatten CDU und CSU die rot-grüne Attacke auf die Privatautonomie noch scharf verurteil. Heute – als Regierung – will man davon nichts mehr wissen. Auch möchte die Kanzlerin Angela Merkel nicht mehr an ihr Versprechen erinnert werden, Brüsseler Regelungswut im deutschen Übereifer nicht mehr überbieten zu wollen.«
Holger Seltzner in: FAZ Nr. 156/06, S. 11.

Deutsches Volk
»Ich glaube, dass das Volk auseinander bricht. Es gibt nichts, was es zusammenhält, um ein Problem wie die aktuelle Wirtschaftskrise zu überleben. Das macht Deutschland so unerfreulich. Es hat keine nationale Identität.«
Markus Lüpertz in: Die Zeit Nr. 216/06, S. 57.

Deutscher EU-Botschafter
»Die Deutschen selbst sind die schlimmsten Feinde der deutschen Sprache. Das wird auch aus dem Beitrag des ungarischen Germanisten Csaba Földes deutlich, der von einer Beschwerde des EU-Botschafters in Budapest berichtet. Dieser EU-Botschafter ist Deutscher und erhält von einem Kollegen von Földes einen Brief auf deutsch. Worauf der Botschafter in der Universität anrufen läßt und sich beschwert, daß er auf deutsch angeschrieben worden wäre; man hätte Briefe an den Botschafter auf Englisch einzureichen.«
Walter Krämer in: SN Nr. 3/06, S. 26.

Wehners große sozialistische Einheitsfront
»In der illegalen KPD und später in den vier düsteren Moskauer Jahren von 1937 bis 1941 wollte er schon das, was er gleich nach 1945, anders zwar, auch wieder wollte: die große Einheitsfront, die mit sich versöhnte sozialistische Partei. Geistig offensichtlich schon auf dem Absprung, funktionierte er doch noch – und recht fleißig – im Moskauer System wechselseitiger Bespitzelung und Denunziation zur Zeit der mörderischen Schauprozesse.«
Thomas Schmid in: FAS Nr. 25/06, S. 10.

»Lebenslüge unserer politischen Klasse«
»In Wahrheit entscheiden nicht die Bürger, wer ins Parlament kommt, sondern die politischen Parteien. Wen sie auf einen sicheren Listenplatz platzieren oder in einem sicheren Wahlkreis aufstellen, dem können die Wähler nichts mehr anhaben… Auf diese Weise wird der Verfassungsgrundsatz, dass Abgeordnete unmittelbar vom Volk zu wählen sind, unterlaufen. Solche Abgeordneten sind deshalb in Wirklichkeit keine Repräsentanten des Volkes, sondern Parteifunktionäre… Der Verfassungsgrundsatz des freien Mandats steht nur noch auf dem Papier…. Die angebliche Verantwortlichkeit der Abgeordneten gegenüber ihren Wählern erweist sich als Lebenslüge unserer politischen Klasse.«
H. H. v. Arnim in: NJW Nr. 24/06, S. 1715.

Kopftuch und Judenstern
»Das Kopftuch ist die Flagge des Islamismus. Das Kopftuch ist das Zeichen, das die Frauen zu den anderen, zu Menschen zweiter Klasse macht. Als Symbol ist es eine Art ›Branding‹, vergleichbar mit dem Judenstern.«
Alice Schwarzer in: FAZ Nr. 152/06, S. 45.

Kurt Beck
»In einer biederen Rede reihte er Gemeinplatz an Gemeinplatz und würdigte noch einmal ausführlich die Errungenschaften des deutschen Sozialmodells, das unmittelbar zuvor Platzeck in dieser Form für obsolet erklärt hatte. Ob Mitbestimmung, Kündigungsschutz oder Verzicht auf Studiengebühren – Beck sprach den Anhängern der traditionellen Sozialdemokratie aus dem Herzen. Der Parteitag dankte es ihm mit einem Wahlergebnis von 95 Prozent Zustimmung.«
Seite-1-Kommentar in NZZ Nr. 111/06, anläßlich der Wahl Becks zum SPD-Vorsitzenden.

Bonner Vertreibungsausstellung
»Dem Besucher werden zum Beispiel die bereits vor der Potsdamer Konferenz von der polnischen Miliz erlassenen und brutal durchgeführten Vertreibungsbefehle vorenthalten, die Gewalttätigkeiten der Sieger einschließlich der Massenvergewaltigungen nicht thematisiert und das menschenunwürdige Zusammentreiben und anschließende Abtransportieren von mehreren Millionen Ostdeutschen in Viehwaggons nicht näher beleuchtet. Jedenfalls kann sich mittels der Schau ein Unbeteiligter kein wahres Bild von der größten Vertreibung in der Menschheitsgeschichte verschaffen.«
Harald Dierig in: FAZ Nr. 130/06, S. 8.

»Männer müssen untergehen«
»Und wer überlebte nun auf der ›Titanic‹? Die wichtigste Frage, die zuerst gestellt werden muß, ist diejenige nach dem Geschlecht. Falls es sich um einen weiblichen Passagier handelte, wurde die Frage nach der Klasse zur Überlebensfrage. Falls es sich um männliche Passagiere handelte, wurde die Frage ›Kind oder Erwachsener‹ zur wichtigsten Überlebensfrage: Alle männlichen Kinder der ersten und zweiten Klasse überlebten. Als erwachsener Mann war dagegen die Frage, in welcher Klasse man befördert wurde, zweitrangig.«
Thomas Härter in: NZZ Nr. 149/06, S. 15 bei der Erläuterung von ›Entscheidungsbäumen als ›praktische Hilfe bei Investitionsfragen‹.

Bemerkenswerte Zitate
Teil 11

Kein Vertrauen in den Parteienstaat
»Nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik war die Glaubwürdigkeit der politischen Klasse ähnlich erschüttert, das Vertrauen in den Parteienstaat vergleichbar marode. 86 Prozent der Deutschen gehen mittlerweile davon aus, dass Politik käuflich ist. Nur noch 17 Prozent vertrauen den Parteien.«
Rudolf Augstein im ›Spiegel‹ Nr. 7/2000, S. 25.

Fernsehen gefährdet geistige Gesundheit
»Eigentlich müßte in jedem TV-Programm ständig ein Untertitel laufen: Vorsicht, Fernsehen gefährdet ihre geistige Gesundheit.«
Rüdiger Safranski im ›Handelsblatt‹ Nr. 249/2005, S. 17.

Arbeitslosigkeit in 20 Jahren
»Das Basisszenario: Alles geht so weiter wie bisher, dann haben wir in 20 Jahren eine Arbeitslosenquote von 17 Prozent.«
Randolf Rodenstock im ›Handelsblatt‹ Nr. 6/2006, S. 2.

Neuer Gesellschaftsvertrag
»Aus der einst nahezu absoluten Sicherheit ist eine relative Sicherheit geworden. Für den modernen Staat, der seine Legitimität nicht zuletzt daraus herleitet, daß er seine Bürger zu schützen imstande ist, hat dies weitreichende Konsequenzen. Die Regierungen müssen ihrer Bevölkerung einen neuen Gesellschaftsvertrag abringen. Sie müssen eingestehen, daß sie ihre Bürger im Zeitalter von Terrorismus und Massenvernichtungswaffen nicht mehr allumfassend schützen können«.
Michael Rühle, in: FAZ Nr.27/2006, S. 6.

Schröders Ethos
»Schröders behender Griff nach dem Job des Verwaltungsratschefs eines russisch dominierten Gaspipeline-Unternehmens ist eine hochpolitische Angelegenheit, die auch dann brisant wäre, wenn es sich nicht um den eben erst abgetretenen Bundeskanzler handelte. Da Schröder aber jahrelang eine veritable Frère-et-Cochon-Politik mit seinem russischen Präsidentenfreund Putin betrieb und dieser nun den wohl recht lukrativen Deal für seinen Kumpan eingefädelt hat, liegen Fragen nach Ethos und Moral solchen Tuns auf der Hand.«
Kommentar in der NZZ Nr. 294/2005, S. 3.

Frevler und Rachegöttin
»Raro antecedentem scelestum deseruit pede Poena plaudo. – Nur selten läßt vom Frevler, der vorauseilt, die Rachegöttin ab, trotz ihres lahmen Fußes.«
Horzaz: Oden und Epoden, Carmina, 2,31 f.

Bad Simple English
»Wissen Sie, welcher Autobauer zur Zeit in Deutschland die meisten Fehler produziert? Die alte Traditionsmarke Mercedes-Benz! … Denn nicht zufällig nehmen diese Qualitätsmängel erst seit der Einführung von BSE (Bad Simple English) als Konzernsprache im Jahr 1999 so dramatisch zu… Seitdem man dort nicht mehr die deutsche Sprache pflegt, hat der Börsenwert des Unternehmens um 20 Milliarden Euro abgenommen, das entspricht dem jährlichen Sozialprodukt von Luxemburg.«
Prof. Dr. Walter Krämer, in: ›Sprachnachrichten‹ Nr. 1/2006, S. 2.

Multikulti in Deutschland
»Da sitzen sie nun, 30 Kinder: 5 deutscher Herkunft, 15 moslemische aus der Türkei, 2 Sintis aus dem Kosovo, 5 Rußlanddeutsche aus Kasachstan, 1 moslemischer Tunesier und 2 Kosovaren. Die Zuwanderer müssen sich mühsam an das ›Sie‹ gewöhnen, gemeinsame kulturelle Voraussetzungen gibt es nicht. Da trifft es sich gut, daß die Deutschen auch keine Ahnung haben. Ob irgend jemand bei den Schulreformen der 70er Jahre daran gedacht hat, was noch alles auf uns zukommen würde? Durch das Umkippen der Bevölkerungsstruktur – nicht die der Alterpyramide –, sondern die des Mentalitäts-Umschwungs, verliert Deutschland jede Bedeutung im internationalen Wettbewerb. Wer will für welche ›Deutschen‹ noch eintreten, wenn sie zu einem Drittel oder bald zur Hälfte aus Anatolien stammen?«
Aus: ›Mittwissen Mittun‹ Nr. 15/2005, S. 20.

Polen und die EU
»Die Polen interessiert, was mit Polen geschieht, und nicht die Zukunft der gesamten EU.«
Der polnische Staatspräsident Kaczynski im Februar 2006 in Paris (zit. in FAZ Nr. 48/2006, S. 4).

Bedrohung der Schweiz
»Wir sind derzeit und wohl auf längere Zeit hinaus nicht von anderen Armeen bedroht, sondern von Bedrohungen ›unterhalb der Kriegsschwelle‹, namentlich durch den Terrorismus.«
Bundesrat Samuel Schmid, in: NZZ Nr. 16/2006, S. 35.

Kultusministerielle Staatsverwechslung
»Wir haben inzwischen eine Demokratie. Wohl hat auch sie ihre Staatsräson. Aber die kann nicht darin bestehen, daß sechzehn Kultusminister – amtlich also noch immer: eine Hand voll – sich mit dem Staat verwechseln. Sie fordert keineswegs, daß sie die Mehrheit des Volkes für dumm verkaufen. Übrigens auch nicht, daß die Ministerpräsidenten, wie vorauszusehen, nichts Besseres wissen, als ihnen hinterherzulaufen. Die Staatsräson scheint mir im Gegenteil zu gebieten, daß die Kultusminister das praktizieren, was unser Staat so dringend nötig hat, nämlich Ehrlichkeit und Bereitschaft zu Reformen, vermutlich auch etwas Schneid. Es ist ja wohl auch ein akutes Problem, das verlorengegangene Vertrauen in die Politik zu restabilisieren.«
Althistoriker Prof. Dr. Christian Meier, in: FAZ vom 27. Febr. 2006, S. 39.

Globalisierung
»Ein Kilogramm Spargel, aus Mexiko eingeflogen, verbraucht über vier Liter Kerosin. Gleiches gilt für Bohnen aus Südafrika, Artischocken aus Kalifornien oder Frischfisch aus Oman. Selbst ein so unscheinbares Ding wie ein Erdbeerjoghurt ist heutzutage weit herumgekommen: Erdbeeren aus Polen, Milch aus Südengland, der Plastikbecher aus Portugal und der Aluminiumdeckel aus Norwegen. Allein die Bestandteile haben so bereits eine Strecke von 7695 Kilometern zurückgelegt.«
Michel Baeriswyl, in: ›Universitas‹ Nr. 8/2005, S. 895.

Karachis Kessel
»Karachi ist keine Stadt vor dem Infarkt, es ist eine Stadt nach dem Infarkt. Ich habe keine Ahnung, wohin das am Ende führen wird. Das Aggressionspotential, das sich zwangsweise in einem solchen Kessel ansammelt, entlädt sich in den bürgerkriegsartigen Unruhen, die in der Stadt regelmäßig ausbrechen. Wenn wieder einmal eine Militärregierung im Amt ist, dann ist es eine Zeit lang ruhig. Aber sobald man den Topfdeckel ein bißchen hochhebt, kocht alles über.«
Ruth Pfau, in: ›Liebe und tu, was du willst‹, S. 105.

Schäubles Islam
»Wir Deutsche sollten uns immer wieder klarmachen, daß der Islam keine Bedrohung für uns ist.«
Innenminister Wolfgang Schäuble, in: FAS Nr. 10/2006, S. 4.

Apparatschik Westerwelle
»Nach innen ist Westerwelle ein Partei-Apparatschik reinsten Wassers – eine Art liberaler Müntefering.«
Martin Noé, in: Handelblatt Nr. 90/2002, S. 12.

Rivalitätsdenken der Frauen
»Frauen haben ein ausgeprägtes Rivalitätsdenken – das rührt schon von der Evolution und dem Kampf um den Mann her. Diese Rivalität schließt jede Art von Koexistenz aus.«
Prof. Dr. Sonja Bischoff, zitiert in ›Handelsblatt‹ v. 5./6. Juli 2004, Beilage „Karriere & Management“, S. 1.

Verfassungsverletzungen
»Man kann wohl sagen, daß sich die Massen, wenigstens bei uns zulande, in einem Zustand befinden, in dem sie Verfassungsverletzungen kaum noch wahrnehmen. Wo dieses Bewußtsein einmal verloren gegangen ist, wird es künstlich nicht wieder hergestellt.«
Ernst Jünger, in: ›Der Waldgang‹, S. 71.

Bemerkenswerte Zitate
Teil 10
Politikerprivilegien
»Daß selbst verfassungswidrige Steuerprivilegien von Abgeordneten und Parteien über Jahrzehnte fortbestehen, liegt daran, daß Verfassungsgerichte nur auf Antrag tätig werden. Einen Antrag könnten aber nur Politiker und Parteien selbst stellen, nicht auch ein steuerzahlender Bürger. Wir haben hier also die absurde Situation, daß die, die klagen könnten, nicht wollen, und die, die wollen, nicht können.«
H. H. v. Arnim in: FAZ Nr. 208/2005, S. 39.

Reichwerden
»König Archelaos von Makedonien lud Sokrates zu sich ein und versprach, ihn reich zu machen. Da ließ ihm der Philosoph mitteilen, daß man in Athen vier Liter Getreide um einen Obolos kaufen könne, und außerdem laufe überall Wasser aus den Brunnen.«
Stobaios: Anthologie, 4. Buch, 33,28.

»Man fragte Sokrates, wie jemand reich werden könne. Er antwortete: ›Wenn er arm wird an Wünschen.‹«
Stobaios: Anthologie, 3. Buch, 17,30.

Darsteller
»Zur Eigenart unserer Zeit gehört die Verknüpfung bedeutender Auftritte mit unbedeutenden Darstellern.«
»Jeder Komfort muß bezahlt werden. Die Lage des Haustiers zieht die des Schlachttiers nach. Die Katastrophen prüfen, in welchem Maße Menschen und Völker noch original gegründet sind. Ob wenigstens noch ein Wurzelstrang unmittelbar das Erdreich aufschleißt – daran hängen Gesundheit und Lebensaussicht jenseits der Zivilisation und ihrer Versicherung.«
Ernst Jünger: Der Waldgang, S. 22; 27.

Heiner Geißler
»Raufbold der Regierung.«
Johannes Rau (1984), zitiert in: Politiker beschimpfen Politiker, S. 54.

»Ein Hetzer ist er, seit Goebbels der schlimmste Hetzer in diesem Land.«
Willy Brand (1985), dito, S. 55.

»Geißler wird nicht Verteidigungsminister, eher wird Rita Süßmuth deutsche Schönheitskönigin.«
Franz Josef Strauß (1987), dito, S. 55.

Gesetz und Gesittung
Quid leges sine moribus? – Was nützen Gesetze ohne Gesittung?
Horzaz: Oden und Epoden, Carmina, 24,35.

Berliner Käseglocke
»Mehr als die Hälfte der Deutschen wohnt immer noch in Gemeinden mit weniger als 50 000 Einwohnern, fast 30 Prozent in Gemeinden unter 30 000. Diese Tatsache gerät in manch abgehobener Reformdebatte unter der Berliner Käseglocke aus dem Blickfeld. Wenn in Gemeinden zuerst das einzige Lebensmittelgeschäft, dann die Schule, das eigene Rathaus und dann auch die Kirche geschlossen oder wegrationalisiert werden, geht immer auch ein Stück örtliche Identität verloren – und damit die Basis für bürgerschaftliches Engagement.«
Reiner Brüderle: Bürgerliche Werte, FAZ Nr. 295/2005, S. 8.

Weibliche Regierungsspitze
»Stehen Frauen an der Spitze der Regierung, so ist der Staat in Gefahr.«
G.W.F. Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, § 166, S.s 247.

Entnapoleonisierung
»187 Jahre nach Waterloo braucht Frankreich eine Entnapoleonisierung… In keinem anderen Land der Welt wird ein Personenkult betrieben, wie ihn Frankreich um Napoleon inszeniert. Er ist der blinde Fleck seines kollektiven Erinnerns.«
Le Temps (Genf) v. 5./6. Okt. 2002.

Swiss finish – Schweizernutzen
»Vor diesem Hintergrund machte sich Bundesrat Blocher dafür stark, die allen internationalen Abkommen und Standards eigenen Interpretationsspielräume voll zum eigenen Vorteil auszunutzen und auf unnötige Perfektion in der Umsetzung zu verzichten. Damit rückt auch der Magistrat von der hierzulande gepflegten Musterknaben-Philosophie ab – das sogenannte ›Swiss finish‹, die Orientierung am maximal Machbaren…«
NZZ Nr. 253/2005, S. 15.

Universitätsoligarchen
»Die akademischen Gremien haben kaum noch Kompetenzen. Die Hochschulleitungen und Dekanate werden gestärkt. Das wissenschaftliche Personal empfängt hochschulinterne statt staatliche Weisungen und Zuweisungen. Die Präsidenten und Dekane verteilen die Mittel und schließen Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit den Ministerien ab, ohne daß die zur Ausführung Berufenen daran mitwirken. Das Verwaltungspersonal empfindet sich schon jetzt vielfach nur als Serviceleister für die Präsidien, nicht für die Wissenschaftler und Studierenden.«
Hans Peter Bull: Autonomie oder Planung, in: FAZ, Nr. 5/2006, S. 34.

Olympische Spiele dienten nicht der Völkerverständigung
»Keinem Hellenen wäre im Traum eingefallen, sich mit einem Barbaren – wie sich die Nicht-Griechen nennen lassen mußten – auf eine Stufe zu stellen und sei es nur beim Stadionlauf. Im übrigen war die ›Nationalität‹ nicht die einzige Zulassungsbeschränkung, die heute als krasse Diskriminierung gelten würde: Es durften nur Männer, nur Freie und nur Griechen an den Olympischen Spielen teilnehmen. Verheirateten Frauen erlaubte man nicht einmal das Zuschauen, sollten sie es trotzdem wagen, sich bei den Spielen zu vergnügen, mußten sie sogar mit der Todesstrafe rechnen. Das Verbot galt aber nicht für unverheiratete Mädchen. Warum, ist unbekannt. Sklaven zählten nicht als Menschen, sondern als ›beseelte Werkzeuge‹«.
Lexikon der Fitness-Irrtümer, S. 390.

Fußball im Fernsehen schadet niemandem
Holland, 22. Juni 1996: »Am Tag des Spiels (gegen Frankreich) gab es 50 Prozent mehr Tote durch Herzinfarkt und Schlaganfall als sonst. Die Forscher sahen sich in ihrer Vermutung bestätigt, daß seelische Erregung diese Ereignisse auslösen kann.«
Lexikon der Fitness-Irrtümer, S. 162.

Der weise Aristoteles
»Als Aristoteles hörte, jemand verleumde ihn, sagte er: ›Wenn ich nicht dabei bin, kann er mich meinetwegen verprügeln.‹«
Diogenes Laertios: Leben und Meinungen berühmter Philosophen, 5. Buch, S. 18.

Bemerkenswerte Zitate
Teil 9

Große Koalition
»… man (hat) es schon vier Wochen nach der Wahl geschafft, die gut gepolsterten Sessel der Minister, Staatssekretäre und Parlamentspräsidenten mit genau den Protagonisten zu besetzen, die im Hinblick auf drängende Zukunftsfragen wie Parteibuch, Geschlecht oder Zugehörigkeit zu bestimmten Landesverbänden und Netzwerken die profundeste Qualifikation aufweisen. Kein Wunder also, dass es auf der konstituierenden Sitzung des frisch gewählten Bundestages fast so ausgelassen zuging wie einst auf der Titanic.«
Christan W. Röhl am 23. Oktober 2005.
»Ich habe nicht das Gefühl, daß sie bald auseinanderbricht. Beide großen Parteien haben fast jedes Wahlversprechen gebrochen. Deshalb ist ihre Angst vor dem Wähler so groß, daß es für eine volle Legislaturperiode reichen könnte.«
Guido Westerwelle am 20. November 2005.

»Hätte jemand bei Aufnahme der ersten Sondierungsgespräche das Regierungsprogramm der schwarz-roten Koalition so prognostiziert, wie es jetzt beschlossen wurde, dann hätte man ihn der üblen Vorrede beschuldigt. Höhere Mehrwertsteuer, Reichensteuer, Unternehmenssteuerreform als Merkposten für bessere Zeiten; Sozialreformen vertagt, dafür aber ein beherztes Bekenntnis zum Verfassungsverstoß bei der Kreditaufnahme in der Haushaltsplanung; betriebsindividuelle Lohn- und Beschäftigungsvereinbarungen nur mit Genehmigung des Tarifkartells, dafür aber eine einladend breite Türöffnung für Mindestlohnvereinbarungen mit Allgemeinverbindlichkeit. Das alles hat sich nicht ein ökonomisch gebildeter Kabarettist ausgedacht.«
Hans D. Barbier am 18. November 2005.

Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts anläßlich der Vertrauensfrage im Bundestag
»Was realiter als eine Seilschaft organisierter Verantwortungslosigkeit bezeichnet werden muß, verharmlost das Gericht ›… als System der gegenseitigen Kontrolle…‹, dem ›das Grundgesetz vertraut‹. Nähern wir uns der Verfassungswirklichkeit der DDR?
Heinrich Wehner, in: FAZ Nr. 213/2002, S. 9.

Zum Rücktritt Franz Münteferings als SPD-Vorsitzender
»Die Herren Jüttner, Gabriel und Schreiner sowie die Damen Vogt und Nahles waschen derweil ihre Hände in Krokodilstränen. Niemand habe damit gerechnet, daß Müntefering nicht wieder als Vorsitzender antrete, wenn sein Vorschlag abgelehnt würde. Diese Beteuerungen gleichen den Entschuldigungen halbreifer Jugendstraftäter vor Gericht: Man hab doch nicht wissen können, daß man mit Kugeln einen Menschen wirklich umbringen kann.«
Andreas Platthaus, in: FAZ Nr. 255/2005, S. 39.

Schröderiaden
»Es ist nicht zu erwarten, dass Deutschland nun über Nacht dem Extremismus anheim fällt, auch wenn sich die SPD von ihrem populistischen Rausch nach dem unerwarteten Wahlresultat erst noch erholen muß. Wenn Schröder öffentlich die Beherrschung verliert und sich wie Napoleon selber zum Kanzler krönen will, obwohl seine Partei eine der schlimmsten Niederlagen ihrer Geschichte erlitten hat, so ist das zumindest Ausdruck eines getrübten Demokratieverständnisses.«
Kommentar in der NZZ Nr. 222/2005, S. 3.

»In der SPD hat die Seligsprechung für den früher ungeliebten Machtpolitiker ohnehin schon begonnen.«
Andreas Rinke, in: HB Nr. 196/2005, S. 12.

»Unser Polittyrann spielt sich als Wahlsieger auf, obwohl er der Verlierer ist.«
Alice Schwarzer, in FAS Nr. 38/2005, S. 7.

Wählerbetrug
»Der Wähler steht vor der Klemme, daß er zur freien Entscheidung eingeladen wird durch eine Macht, die sich ihrerseits nicht an die Spielregeln zu halten gedenkt. Es ist die gleiche Macht, die ihm Eide abfordert, während sie selbst von Eidbrüchen lebt. Er leistet also einen guten Einsatz bei einer betrügerischen Bank.«
Ernst Jünger, in: Der Waldgang, S. 16.

Edelgard Bulmahn als Vorsitzende des Wirtschaftssausschusses des Bundestages
Daß sie Vorsitzende des »Wirtschaftsausschusses wurde, ist eine interessante Fußnote der Geschichte. Schließlich hat Bulmahn mit 21, unmittelbar nach dem Abitur, ein Jahr in Israel im Kibbuz Bror Chail verbracht – um eine Gesellschaft zu erleben, in der es kein Privateigentum gibt und in der sie für ihre Arbeit nicht mit Geld belohnt wurde.«
Nico Fickinger, in: FAZ Nr. 268/2005, S. 16.

Verrücktspielen
»Dulce est disipere in loco« (hübsch ist es, zur rechten Zeit verrückt zu spielen).
Horaz, Carmina, IV, 12,28.

Multikulturalismus
»Das Ideal einer multikulturellen Gesellschaft darf nicht dazu führen, dass wir unsere Werte auf dem Altar der Völkerverständigung opfern. Wir müssen unsere zivilisatorischen Errungenschaften verteidigen und die Integration fördern, wenn nötig mit Druck. Es existieren Grenzen der Toleranz.«
Per Olov Enquist, schwedischer Schriftsteller, in: NZZ Nr. 235/2005, S. 49.

»In Frankreich lernen die nihilistischen Brandstifter, daß stark ist, wer Schaden anrichtet… Eine ähnliche nihilistische Politik wütet im Inneren. Beispiele für erpresserisches Verhalten gibt es im Überfluß. Die rechtsfreien Räume sind schmierige Ölflecken in Frankreich geworden – für die oberen ebenso wie für die unteren Schichten.«
André Glucksmann am 20. November 2005.

Über Helmut Kohl
»Sie sind ein unchristlicher Zitatenfälscher.«
Helmut Schmidt, SPD, 1980. Aus: ›Politiker beschimpfen Politiker‹, hrsg. v. J. Falke u. U. Kaspar, Leipzig 1998, S. 84.

»Mann mit pausbäckigen Dummheiten.«
Horst Ehmke, SPD, 1980. Aus: ›Politiker beschimpfen Politiker‹ hrsg. v. J. Falke u. U. Kaspar, Leipzig 1998, S. 84.

Achtundsechziger
»Der psychosoziale Kern dieser politischen Generation besteht in einer hysterischen Identifikation mit den Ermordeten – und dem damit verknüpften Anspruch, in ihrem Namen anklagend das Wort zu ergreifen… Die persönliche Aufladung der historischen Erbschaft zum Gestus der Dauerbetroffenheit und das Schwelgen in der ›erborgten‹ Schuld gehören ebenso zum festen Repertoire dieser Generationsgestalt wie der aus der Opferidentifikation hergeleitete Anspruch einer unangreifbaren moralischen Überlegenheit…«
Christian Schneider, in: Mittelweg, Nr. 4/2005, S. 68.

Berliner Regierung
»Das seit längerer Zeit anhaltende Drama der deutschen Bundespolitik nimmt seinen Lauf. Nach den turbulenten letzten Monaten der rot-grünen Regierung Schröder und dem unglücklichen Wahlresultat vom 18. September zeigt sich nun mit drastischer Deutlichkeit, wie schmal die Basis für die Regierungsarbeit in Berlin geworden ist.«
Aus: Kommentar der NZZ Nr. 256/2005, S. 3.

Franz Müntefering
»Ein Chamäleon als Vizekanzler« (Überschrift): »Fast so häufig wie die Posten wechselte er die Überzeugungen. Forderte er Ende 2002 noch, die Privathaushalte sollten beim Konsum sparen und dafür höhere Steuern zahlen, mutierte er bald darauf zum unbedingten Verteidiger der von Bundeskanzler Schröder verkündeten Reformagenda. Ein Jahr später, Müntefering hatte inzwischen den Parteivorsitz übernommen, fiel er Schröder in den Rücken. Er verglich ausländische Investoren mit Ungeziefer und präsentierte sich als Vertreter eines Wirtschaftsverständnisses, das näher bei Karl Marx als bei Ludwig Erhard angesiedelt zu sein schien. Während Schröder seine Reformen durchboxte, förderte Müntefering gezielt den linken Parteiflügel.«
Aus: Kommentar der NZZ Nr. 240/2005, S. 4.

Türkei in der EU
»Die EU-Mitgliedschaft der Türkei wird die Tendenz zum Islam nicht untergraben – sie könnte den Islamismus sogar stimulieren. In der EU müßten auch die Türken ihre Identität herausstellen, sie werden sich fragen müssen: ›Wie unterscheiden wir uns von den anderen Ländern in der EU?‹«
Samuel S. Huntington, in: FAS Nr. 43/2005, S. 28.

Deutsche Sprache
»Unser Heil in diesem so heillosen Land ist unsere deutsche Sprache. Sie ist differenziert, genau, subtil, liebevoll, scharf und behutsam zugleich. Sie ist reich. Sie ist der einzige Reichtum in diesem Land, das sich reich glaubt und es nicht ist. Sie ist all das, was dieses Land nicht mehr ist, noch nicht wieder ist, vielleicht nie mehr sein wird.«
Wim Wenders, zitiert in: Deutsche Sprache Nr. 4/2005, S. 18.

Altathenischer Bürgersinn
»Wir lieben das Schöne in Schlichtheit, lieben Wissen und Bildung, aber frei von Weichlichkeit. Reichtum ist bei uns zum Gebrauch in der rechten Weise, aber nicht zum Geprahl mit Worten da. Armut einzugestehen bringt keinem Schande, sondern nicht tätig aus ihr fortzustreben ist schlimmere Schande… im einzelnen aber will mir scheinen, daß jeder bei uns sich gleichzeitig auf den verschiedensten Gebieten anmutig und mit vollendeter Sicherheit als ganze, auf sich selbst gestellte Persönlichkeit erweist.«
Thukydides, in: Die Geschichte des Peloponnesischen Krieges, 2, 37 ff.

Universitäten
»Vielmehr ist der skandalöse Unwille, in Bildung mit Verstand zu investieren, genauer: die riesige Dummheit der Länder, auch der unionsregierten, blind an den Segen der neuen Studiengänge (Bachelor und Master) und ihre studienzeitverkürzenden Wirkungen zu glauben, die einzige Konstante der jüngeren Hochschulpolitik.«
Jürgen Kaube, in: FAZ Nr. 247/2005, S. 35.

»Die Wissenschaftler dort (in den USA) konzentrieren sich ausschließlich auf die Forschung und Lehre in ihren Fachgebieten. Allein das fachliche Renommee zählt, die Gespräche kreisen ständig um Fragen der Wissenschaft, man ist interessiert, an welchem Buch oder Thema jemand arbeitet, nicht daran, ob er irgendwo einen ›Antrag‹ durchgebracht, gerade wieder einen neuen Evaluationsbericht oder aber die zehnte Neufassung einer Studienordnung geschrieben hat. Wie soll ein deutscher Professor, der von Bürokratie und Politik in und außerhalb der Universität mehr und mehr daran gehindert wird, seine eigentliche Arbeit in Forschung und Lehre zu tun, mit dieser Art höchst professioneller Wissenschaftlichen noch konkurrieren? Dabei ist die Antwort so einfach, und so unbequem zugleich: Es fehlt an unseren Universitäten an Freiheit.«
Univ.-Prof. Dr. Klaus Antoni, Tübingen am 20. November 2005.

Historische Narren
»Ich habe nun schon hundert Mal befohlen, daß gesiegt werden soll, und es geschieht doch nicht.«
Der deutsche Kaiser Wilhelm II. am 24. Oktober 1914 als oberster Kriegsherr, der mit einem Hofstab von mehreren tausend Personen die Front im Westen besuchte.

»Ich brachte Hitlers Person in Zusammenhang mit Gandhi, weil mir beide, so drückte ich mich aus, wie kaum voneinander unterscheidbare Exemplare der gleichen Ausländer-Gattung in ihrem Privatleben wie verrückte Mullahs vorkamen: Sie waren Nichtraucher, Anti-Alkoholiker, Vegetarier, sie ritten nicht und lehnten den Jagdsport ab.«
Arnold J. Toynbee,englischer Historiker, nach einem Besuch bei Hitler 1936.

»Zivilisationen werden nicht umgebracht, sie begehen Selbstmord.«
Arnold J. Toynbee.

Arnulf Barings Warnungen
»Ich halte es durchaus für möglich, daß es mit Deutschland in diesem Jahrhundert zu Ende geht… Ohne Patriotismus wird unser Land nicht optimistisch und zukunftsfähig werden.«
In: HB Nr. 181/2005, S. 2.

Bemerkenswerte Zitate
Teil 8

Rot-grüne Regierungsbilanz: »eine einzige Katastrophe«
»… ist es schon bemerkenswert, wie sich der gutgelaunte Kanzler als großer Friedensstifter und Sozialreformer geben kann, obwohl seine Bilanz nach sieben Jahren eine einzige Katastrophe ist. Wenn Schröder jetzt mit dem Vorsatz durchs Land tingelt, die SPD wolle mit einem Sieg die Fortführung der Reformen sicherstellen, so müßte schon jemand die Frage stellen, welche Reformkunststücke die rot-grünen Konkursverwalter denn überhaupt noch im Ärmel haben. Eine ehrliche Antwort würde lauten: ›Keine‹.«
NZZ Nr. 193/2005, S. 1.

Staatliche Insolvenz
»Wir fahren mit offenen Augen in die staatliche Insolvenz.«
BDJ-Chef Jürgen Thumann, zitiert in: FAZ Nr. 236/2005, S. 11.
Vgl. dazu die WALTHARI-Beiträge über ›kriminelle Staatsverschuldung‹.

Bankrott des Sozialstaates
»In unserer Nationalgeschichte zeigt sich leider immer wieder, dass die Deutschen im Zweifelsfall die Freiheit immer zu Gunsten der Gleichheit aufgeben… In Deutschland wurde daraus – bis in die Gegenwart – die soziale Gleichheit, die auf die Rechtsgleichheit der Menschen pfeift… Welche Bedeutung die öffentlichen Finanzen wirklich haben, rückt erst jetzt, angesichts des Bankrotts des Sozialstaates, ins Bewusstsein.«
Götz Aly in: HB Nr. 153/2005, S. 5.

Große Koalition
»Die erste große Koalition hat Staatsdefizite salonfähig gemacht. Es wäre schon ein Wunder, wenn die zweite sie halbierte.«
Prof. Dr. M. J. M. Neumann, Universität Bonn, am 28. Sept. 2005.

Polittyrann Gerhard Schröder
»Unser Polittyrann spielt sich als Wahlsieger auf, obwohl er der Verlierer ist… Und seine ganze Politfamilie klatscht dazu. Denn das ist die Logik solcher geschlossenen Systeme: der Tyrann macht das Gesetz… Nicht nur der überraschend knappe Sieg, auch Schröders Pöbeleien haben Angela Merkel angefaßt. Und vorgeführt. Denn es liegt in der Logik des Tyrannen-Systems, daß die Schwächeren von ihm fasziniert sind… Schröders Motiv ist unübersehbar Verachtung, ja Haß auf die Frau, die ihm gewachsen sein könnte.«
Alice Schwarzer in: FAS Nr. 38/2005, S. 7.

Rechtsbeugung
»Die Politik versucht, das Recht für ihre Zwecke zurecht zu biegen.«
Heribert Prandl in: SZ Nr. 220/2005, S. 4, über den Mißbrauch des Art. 68 GG durch Gerhard Schröder u.a.

Die Stümper zum Teufel jagen
»Was soll man von einem Lande denken, das seit 20 Jahren einen Fehlgriff nach dem anderen begeht, und das nicht einmal sieht? Und die Stümper nicht zum Teufel jagt?«
Wilhelm Röpke, zitiert in: ›Ein Leben in der Brandung‹ von H. J. Hennecke, Stuttgart 2005.

Phantasterei
»Die politische, kulturelle, soziale, mentale und historische Schnittmenge ist für eine Mitgliedschaft nicht groß genug. Und die Versöhnung zwischen dem Westen und dem Islam, welche eine Mitgliedschaft der Türkei erbringen und die das neue europäische Leitmotiv sein soll, ist Phantasterei.«
K.-D. Frankenberger in: FAS Nr. 39/2005, S. 14.

Histrio
»Soziale Bindungsunsicherheit und die Inszenierungsgesellschaft zusammen formen den modernen Sozialcharakter: Den Histrio, bestens erzogen für ein ständiges Eindrucksmanagement in der postindustriellen Dienstleistungsgesellschaft. Seine Gefühle sind schnell erregt, flach, theatralisch und wenig differenziert. Sein Denken ist egozentrisch, wenig strukturiert und impressionistisch. Er neigt zu einer romantischen Weltsicht und zu schwärmerischen Idealisierungen. Sein Verhalten ist durch Interesse für alles Lebhafte, emotional Aufgeladene und Provozierende gekennzeichnet, das er schnell imitiert. Er füllt sich innere Leere mit aufregenden äußeren Ereignissen und beschäftigt sich intensiv mit seiner körperlichen Attraktivität.«
Peter Winterhoff-Spurk in: Forschung & Lehre, Nr. 10/2005, S. 524.

Bemerkenswerte Zitate
Teil 7

Täglicher Krieg der Parteien gegen die Bürger
»Wer verstehen will, warum unsere Parteien so maßlos geldgierig geworden sind, muß verstehen, daß sie einen tagtäglichen Krieg führen – alle, ohne jeden Unterschied, gegen uns, ›die Menschen draußen im Lande‹. Jeden einzelnen möchte man einfangen, damit er da sein Kreuz hinsetzt, wo es hingehört. Nur in der Skrupellosigkeit der Mittelbeschaffung zur Auffüllung der Kriegskasse unterscheiden sich unsere Parteien allenfalls noch ein wenig. In diesem Krieg hat es auch schon Tote gegeben: Uwe Barschel und Möllemann auf jeden Fall. Die Blessierten – seit Lambsdorff, Kiep, Kohl und unzähligen anderen steigt ihre Zahl von Skandal zu Skandal.«
Prof. Dr. Wilhelm Hennis, Universität Freiburg, am 9. Febr. 2004.

Erschütterte Rationalität demokratischer Verfahren
»Es sind die zerfaserten Mechanismen der Macht, mit denen sich die Legislative ihren Wählern entfremdet hat und ständig an Glaubwürdigkeit verliert. Das Vertrauen in die Festigkeit politischer Entscheidungen und in die Rationalität demokratischer Verfahren ist erschüttert… Die Mehrheit der direkt vom Wähler legitimierten Volksvertreter im Bundestag und noch stärker in den Landtagen schaut gelähmt dabei zu, wie Entscheidungen von einem kleinen Grüppchen bei viel Kaffee und geschlossenen Türen in den frühen Morgenstunden getroffen werden. Der Vermittlungsausschuß hat den Charakter eines Geheimkabinetts.«
Prof. Peter Klotz, ehemals Generalsekretär der SPD, Universität St. Gallen, am 11. Nov. 2003.

Bilanz nach sieben Jahren Rot-Grün »eine einzige Katastrophe«
»Es ist schon bemerkenswert, wie sich ein gut gelaunter Kanzler als großer Friedensstifter und Sozialreformer geben kann, obwohl seine Bilanz nach sieben Jahren eine einzige Katastrophe ist.«
NZZ vom 20. Aug. 2005.

Ellenbogen-Rabulistik
»Barings Ellenbogen-Rabulistik umlügen in jenes von Schirrmacher phantasierte Bürgertum, das sich heute noch als gesellschaftliche Gruppe versteht, welche zu den Pflichten eines Gesellschaftsvertrages steht… Denn das Ziel seines ›unruhigen bürgerlichen Temperaments‹ (Schirrmacher) ist nicht der Aufstand der Zivilgesellschaft. Ziel des Barrikadenbaus ist die präsidentielle Notverordnung. Utopie ist nicht der Kommunitarismus, sondern die Endphase der Weimarer Republik. Der Bourgeois verkleidet sich als Citoyen und erklimmt die Barrikade – damit der Staat es richte.«
Jürgen Trittin, langjähriger Umweltminister, am 23. Dez. 2002.

Gewerkschaftliche Übermacht
»Solange den Gewerkschaften nicht der Platz zugewiesen wird, der ihnen als Interessenvertretung einer Minderheit zukommt – sie vertritt gerade einmal ein Fünftel der arbeitenden Menschen dieses Landes -, ist es beinahe unmöglich, die Stagnation zu überwinden.«
Prof. Dr. Meinhard Miegel, Direktor des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft, Bonn, am 6. Dez. 2002.

Fehlende Leistungsträger
»Der politische Apparat, im und außerhalb des Parlaments, ist nicht von den Leistungsträgern in diesem Land geprägt, sondern von jenen, die den Marsch durch die Institutionen gemacht haben.«
Stefan Aust, ›Der Spiegel‹, am 9. Dez. 2002.

Angst vor dem Volk
»Allerdings haben Politiker Angst vor demVolk.«
Dieter Salomon, OB von Freiburg/Br., am 8. Dez. 2002.

Entrechtete deutsche Bürger
»Staat und Politik sind insgesamt in einem Zustand, von dem nur noch Berufsoptimisten oder Heuchler behaupten können, er sei aus dem Willen der Bürger hervorgegangen. Jeder Deutsche hat die Freiheit, Gesetzen zu gehorchen, denen er niemals zugestimmt hat; er darf die Erhabenheit des Grundgesetzes bewundern, dessen Geltung er nie legitimiert hat; er ist frei, Politikern zu huldigen, die kein Bürger je gewählt hat, und sie üppig zu versorgen – mit seinen Steuergeldern, über deren Verwendung er niemals befragt wurde. Die Deutschen dürfen die Hälfte ihres Einkommens als Steuern und Sozialabgaben in die große öffentliche Hand legen, ohne dazu jemals ihr Einverständnis gegeben zu haben, und damit einen Staat finanzieren, der nicht einmal seine Kernfunktion voll erfüllt – wie Sicherheit, Rechtsschutz und Verteilungsgerechtigkeit.«
Prof. Dr. H. H. v. Arnim, in: ›Das System‹.

Gerhard Schröder: »dieser unverbesserliche Spieler«
»Gerhard Schröder und sein Bündnis haben eine Wahl nach der anderen verloren. Statt den Bettel hinzuschmeißen, nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen schlicht zurückzutreten, hat dieser unverbesserliche Spieler in einer Mischung von Walhall und Herostrat noch einmal ein dolles Ding versucht. Aus dem Staub hinauf zu den Sternen! Das Kunststück wird nicht gelingen, und für eine ›Richtungswahl‹ ist dieser Kandidat nun wirklich untauglich.«
Prof. Dr. W. Hennis, Universität Freiburg/Br., am 27. Juni 2005, kurz vor der Entscheidung des Bundespräsidenten über das getürkte Mißtrauensvotum im Bundestag.

»Gesetzlose im Parlament«
»Während sich ein kleiner Beamter nicht mal die Bratwurst spendieren lassen darf, nutzen Parlamentarier üppige Beraterverträge – alles ganz legal, nach selbst gemachtem Recht.
Hans Mundorf am 30. Juli 2002 im ›Handelsblatt‹.

Generalverdacht
»Denn in Wahrheit hat der Staat seinen Bürgern schleichend das Mißtrauen erklärt und stellt jeden unter Generalverdacht. Der Bürger muß sich rechtfertigen, kontrollieren lassen, muß beantragen, nachweisen – ob als Unternehmer oder Arbeitsloser, Anleger oder Stifter, Hausbauer, Vermieter oder Forscher. Der Staat traut jedem alles Böse zu. Als Gegenleistung für seine Fürsorge verlangt er Kontrolle. Dem Wohlfahrtsstaat wohnt daher die Tendenz zum Überwachungsstaat inne.«
Romanus Otte am 10. Juli 2005 in der ›Welt am Sonntag‹.

Freies Abgeordnetenmandat?
»Simmert selbst erhielt zwei Tage vor der Abstimmung einen Anruf des Bundestagspräsidenten. Er wolle doch nicht etwa mit einem ›Nein Verantwortung für einen Regierungssturz tragen‹, hielt Thierse dem Abgeordneten vor. Simmert reagierte fassungslos. ›Wie konnte der Bundestagspräsident versuchen, auf eine Gewissensentscheidung frei gewählter Abgeordneter Einfluß zu nehmen?‹«
Jochen Staadt in seiner Rezension vom 2. Okt. 2002 des Buche von Christian Simmert (›Die Grüne‹): ›Die Lobby regiert das Land‹.

Bemerkenswerte Zitate
Teil 1

Wozu noch Opposition?
»Sich selber machen sie es damit leicht, den Bürgern aber nicht. Wo alle ungefähr dasselbe wollen, wird es für die Wähler immer schwerer, eine verantwortliche Entscheidung darüber zutreffen, wer regieren soll. Wozu wählen, wenn man die Dinge eh nicht mehr versteht, wohl auch nicht mehr verstehen soll? Nachdem sich der von der Verfassung gewollte Gegensatz zwischen Regierung und Parlament weit gehend abgeschliffen hat, scheint sich nun auch der Antagonismus zwischen Regierungs- und Oppositionspartei zu verlieren.«
Konrad Adam in: Die Welt vom 19. Mai 2001, S. 8.

Mehr Autonomie und mehr Wettbewerb
»Auch die ›Affären‹ tun es, die bei aller Verschiedenheit im Einzelnen sich darin gleichen, dass die Parteien sich nicht mehr als die privaten Vereine verstehen, die sie sind, sondern als Inhaber politischer Macht, die sich nicht rechtfertigen zu müssen meint. Als einzelne Partei oder als Parteienkartell haben sie sich in Einrichtungen eingenistet, die in einem freiheitlichen Verständnis von Demokratie der parteipolitischen Durchdringung entzogen bleiben sollten: dem öffentlichen Dienst in Bund, Ländern und Gemeinden, den Institutionen der Rechtsprechung, und dies nicht nur in den Obersten Bundesgerichten, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Chefarztstellen in Kreiskrankenhäusern, den Vorständen staatseigener Betriebe, Landesbanken und Sparkassen, der Volksbildung und kulturell tätigen Kuratorien.«
Günther Gillessen, in: FAZ vom 29. März 2000, S. 52.

Multikulturelle Gesellschaft?
»Der große Propagator dieses Schlagwortes war Heiner Geißler: multikulturelle Gesellschaft. Ich habe das Konzept immer für falsch gehalten. Ich glaube nicht, daß wir mit Fleiß weitere religiöse Minderheiten oder ideologisch-religiöse Minderheiten in unser Land ziehen sollten, weil offensichtlich unsere Gesellschaft damit nicht gut fertig wird. – An der Propagierung einer multikulturellen Gesellschaft würde ich mich nicht beteiligen wollen, ganz im Gegenteil.«
Helmut Schmidt, Altbundeskanzler, zitiert in: Arbeitskreis Christlicher Publizisten, Nr. 1/2000, S. 6.

»Das Vertrauen in die politische Klasse ist heute geringer als je zuvor, von ihr geht weder politische noch moralische Führung aus… Eine Politik ohne Grundwerte ist zwangsläufig gewissenlos, sie ist eine Politik der moralischen Beliebigkeit und tendiert zum Verbrechen.«
Helmut Schmidt, Altbundeskanzler, in: tv, Hören und Sehen vom 15. Januar 2000, S. 8.

50 Jahre Grundgesetz – Verfassungsentwicklung in europäischer Perspektive
»Erwähnenswert ist immerhin, ob für Verfassungsänderungen nicht grundsätzlich die unmittelbare Zustimmung des Volkes im Wege eines Volksentscheides erforderlich sein sollte…. Grundsätzlich wäre es … ein Vorteil für die Demokratie, wenn wir auf diese Weise die Möglichkeit schaffen würden, Sachentscheidungen unmittelbar durch das Volk herbeizuführen. Wer in dem Zusammenhang, und das geschieht ja bisweilen, auf die schlechten Erfahrungen der Weimarer Republik verweist, der, glaube ich, hat die Geschichte der Weimarer Republik nicht richtig studiert.«
Otto Schily, Bundesminister des Innern, in: Bulletin der Bundesregierung vom 15. Juli 1999, S. 471.

Wie steht es um die öffentliche Moral?
»Und um noch ein Wort zum neuen Politikertypus zu sagen: Ich habe mich schon des öfteren gefragt, ob ein Politiker wie Konrad Adenauer angesichts der Medienmacht heute noch eine Chance hätte…. Dabei weiß nahezu jeder, dass dieses Land eigentlich in eine Reparaturwerkstätte gehörte.«
Joachim C. Fest, ehemaliger Mitherausgeber der FAZ, in: Welt am Sonntag vom 19. Dezember 1999, S. 36.

Zahlmeister Deutschland
»Wir sind ziemlich willkommen, wenn es irgendwo brennt und sich unsere Politiker mit deutschem Geld förmlich aufdrängen, ohne dafür konkrete Gegenleistungen zu erwarten – ganz im Gegensatz etwa zu den Amerikanern… Wir nehmen ganz freiwillig immer neue Lasten auf uns. Wenn jetzt zum Beispiel die Ost-Erweiterung der Europäischen Union auf uns zukommt, dann sehe ich schon unsere Politiker in Scharen hinlaufen, um möglichst viel Geld anzubieten… Zum Thema ›Wiedergutmachung‹ fällt den Deutschen eben nichts anderes ein als Geld.«
Peter Scholl-Latour, in: tv Hören und Sehen vom 25. September 1999, S. 8.

Ruinierte deutsche Sprache
»Wir waren über vierzig Jahre nicht souverän, wir standen unter psychiatrischer Aufsicht, da verlieren die Wörter ihre Deckung. Unsere Sprache ist ruiniert, wir sprechen eine Art Pidgin-Deutsch.“
Dietrich Schwanitz, erstorbener Hochschullehrer und Buchautor

Die Politik braucht „Sauberkeit“
»Schröder ist nach drei Scheidungen zum vierten Mal verheiratet, Fischer ist vier Mal geschieden. Zugleich mahnte Meisner christdemokratische Politiker, das C im Parteinamen ernster zu nehmen, um glaubwürdig zu bleiben. Bei den christlichen Werten dürften sie ›keine Abstriche macht – auch auf die Gefahr hin, einmal eine Wahl zu verlieren‹. Mit Blick auf Entwicklungen in ganz Europa kritisierte der Kardinal eine ›aus den Fugen geratene Gesellschaft‹, in der alles möglich und alles erlaubt sei. Meisner wörtlich: ›Es gibt einen liberalen Fundamentalismus, der ist schlimmer als der muslimische‹.«
FAZ-Zitat vom 20. Dezember 2004, S. 4 über eine Äußerung von Kardinal Joachim Meisner.

Regulierung in Deutschland schießt am Ziel vorbei
»Die Fehlallokation der geballten Staatsmacht zeigt sich eindrucksvoll in der Prüfung von Wertpapierprospekten. So wird penibel das Einhalten von Hinterlegungsfristen verfolgt, ohne auch nur ansatzweise auf den Inhalt der Prospekte einzugehen. Auch dürfen gestandene Banker die üblichen Genehmigungsrituale des BaKred über sich ergehen lassen und acht Monate auf die Erteilung ihrer Geschäftsführereignung warten. Tatenlos müssen sie zusehen, wenn die SPD-Politikerin Mathäus-Maier in den Vorstand der Staatsbank KfW gehoben und sich auf ein 4-köpfiges Vorstandskasino, das allein für den 5-köpfigen Vorstand kocht, freuen darf, ohne daß sie über jegliche Berufserfahrung in einem Institut vergleichbarer Größe verfügte.«
Andreas Woitzik, in: Handelsblatt vom 16. Juni 1999, S. 41.

Zum Deutschlandbild in Frankreich
»Dabei sollte man vielleicht mehr über ein wirkliches Problem schreiben: über das Deutschlandbild hier im Fernsehen. Unser Fernsehen bringt ununterbrochen nur Dokumentarfilme, Spielfilme oder Diskussionen über die Hitlerzeit. Über die letzten 50 Jahre dagegen existiert nichts. Die moderne Bundesrepublik gibt es nur in der Tagesschau. Darin liegt die Gefahr, dass sich Deutschland für einen jungen Franzosen nur aus Hitler einerseits und aus Steffi Graf und Michael Schumacher andererseits zusammensetzt.«
Alfred Grosser, in: Welt am Sonntag vom 3.Oktober 1999, S. 99.

Darum bin ich aus der Kirche ausgetreten
»Unsere evangelische Kirche verändert sich dramatisch. Die Friedensbewegung, die Ökogruppen, die Antikernkraftbewegung, die Feministinnen benutzen die finanziellen und die publizistischen Möglichkeiten der Landeskirchen als ›Trampolin‹, um für ihr ›Einthemen-Christentum‹ einzutreten. Sie bestimmen sehr wesentlich das Erscheinungsbild und die Arbeit der Kirche… Viele Christen stimmen mit den ›Füße‹ ab. Sie verlassen ihre Kirche. Sie können immer weniger erkennen, welchen Wert ihre Mitgliedschaft für sie noch hat.«
Hans Apel, ehemaliger Bundesminister, in: Welt am Sonntag vom 21.November 1999, S. 37.

Die grüne Teflon-Partei
»Keine andere Partei in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat derart umfassend ihre Gründungsprinzipien über Bord geworfen wie eben die Grünen.«
Thomas Schmid, in: FAZ vom 20. Dezember 2004, S. 1.
Bemerkenswerte Zitate
Teil 2

Überdehntes Parteiensystem
»Man wird über das Parteiensystem generell nachdenken müssen. Nicht erst jetzt, sondern seit Jahren herrscht in unserem Land eine gewisse Parteienverdrossenheit. Das hat nach meiner Überzeugung damit zu tun, dass die Parteien ihren Handlungsrahmen in den zurückliegenden Jahren überdehnt haben. Sie haben sich für alles und jedes zuständig erklärt. Parallel dazu ist der Finanzbedarf gewachsen. Die Parteien sollten sich stärker auf ihren eigentlichen Auftrag konzentrieren, der ihnen vom Grundgesetz aufgegeben worden ist, nämlich Mittler zwischen Staat und Gesellschaft zu sein.«
Jürgen Rüttgers, nordrhein-westfälischer CDU-Chef, in: Welt am Sonntag vom 23. Januar 2000, S. 4.

Der Berufspolitiker Jürgen Rüttgers
»Jürgen Rüttgers, der seit seinem Jurastudium nie etwas anderes als Politik gemacht hat, ist zumindest vorerst wieder auf der sicheren Seite, und dafür unterzieht er sich auch Dingen, die er nicht besonders gut beherrscht: der öffentlichen Rede beispielsweise.«
Martin Noé, in: Handelsblatt vom 5./6. Mai 2000, S. 14.

Die Partei, die Partei, die hat…
»An erster Stelle steht das Wohl der Partei.«
Angela Merkel, CDU-Vorsitzende, in: FAZ vom 23. Dezember 2004, S. 2.

Omnipotenz der Parteien
»Es geht darum, die Selbstüberhebung der Parteien zu beenden: ›Sie wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit‹, heißt es im Grundgesetz. Doch der einschlägige Artikel 21 ist die mißbrauchteste Vorschrift der deutschen Verfassung. Gemeint ist nämlich die Mitwirkung in den Organen, die dazu berufen sind – nicht die ›Mitwirkung‹ der Parteien in Verwaltung und Justiz, Universitäten, Schulen, Sparkassen, Krankenhäusern, Rundfunk- und Fernsehanstalten… Die Omnipräsenz der Parteien in allen Staatsgewalten empfinden Parteipolitiker ja nicht als Übel, sondern als Wohltat. Es ist dieses Hase- und Igelspiel, das den Bürger so entsetzlich nervt: Überall, wo er hinkommt, sind die Parteien schon da. Jetzt sollte der Druck groß genug sein, dies zu ändern.«
Heribert Prantl, in: Süddeutsche Zeitung vom 12./13. Februar 2000, S. 4.

Wie aus der Krise eine Chance werden kann
»Es ist höchste Zeit, über derartige direktdemokratische Reserveverfahren ohne überkommene obrigkeitsstaatliche Vorurteile nachzudenken und sie neu zu bewerten… Dann gilt es, nach wirksamen Kontrollmechanismen Ausschau zu halten, und diese liegen eben in einer Aktivierung des common sense der Bürger. Das bedeutet nicht nur direktdemokratische Sachentscheidungen, sondern auch unmittelbare Wahlen.«
Hans Herbert von Arnim, in: FAZ vom 11. Februar 2000, S. 44.

Die Restsumme Volk – Moloch Parteienstaat – Staatskrise
»Die täglich neuen Meldungen über Verletzungen der Verfassung und des Parteiengesetzes durch Spitzenpolitiker der CDU können dazu führen, das Geschehen als einen unvermeidlichen Skandal zu interpretieren. Tatsächlich erleben wir die Folgen einer Staatskrise. Sie besteht darin, dass unsere politische Ordnung zu einem Parteienstaat verkommen ist… Während die Bürger ein ausgeprägtes Demokratiebewußtsein haben, ist bei Teilen der Mitglieder der politischen Elite das Verständnis für die Demokratie verloren gegangen. Helmut Kohl hat, indem er sein Ehrenwort über das Gesetz stellte, dokumentiert, dass er nicht weiß, was eine parlamentarische Demokratie ist: Er setzt Partei und Staat gleich. Demokratische Verfahren sind für ihn ›rein formale Überprüfungen‹. Schaden wollte er nicht vom deutschen Volk, sondern von seiner Partei abwenden… Die Strukturen des Parteienstaates sind nicht geeignet, dieses Vertrauen zu fördern, Sie müssen daher geändert werden.«
Christine Landfried, lehrt Politische Wissenschaften an der Universität Hamburg, in: FAZ vom 5. Februar 2000, S. 44.

Geächtetes Plebiszit
»Am wichtigsten wäre die maßvolle Rückbesinnung auf ein vom Grundgesetz geächtetes Element, das Plebiszit, für das ja wohl nicht zufällig der letzte Bundespräsident, der Staatsrechtslehrer Roman Herzog, so oft geworben hat. Wer die Dominanz des eingeschliffenen Parteibetriebs durchbrechen will, braucht einen zweiten Legitimationsstrang, auf den sich alle die berufen können, die über keine schwarzen Kassen, Anderkonten oder Ähnliches verfügen.
Konrad Adam, in: FAZ vom 26. Januar 2000, S. 49.

EU: Autisten unter sich
»Die Menschen spüren, dass sie das Geschehen in Brüssel durch Wahlen und Abstimmungen kaum noch beeinflussen können. Was dort geschieht, bleibt für sie immer fremd, und das heißt: immer angreifbar.«
Konrad Adam, in: FAZ vom 10. März 2000, S. 41.

Heiße Mischung – Welchen Consensus braucht die EU?
»Recep Tayipp Erdogan, der immerhin noch 1998 gesagt hatte: ›Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.‹ Inzwischen zieht Erdogan ein Gesetz, das Ehebruch bestrafen sollte, auf der Stelle zurück, wenn unsere Erweiterungskommissar das verlangt. So muß es sein. Aber wird es so funktionieren? Und wie lange?«
Peter Glotz, in: FAZ vom 24. Dezember 2004, S. 33.

Die Zuwanderung findet im Kreißsaal statt
»Das bedeutet: Inzwischen werden etwa 12,5 Prozent des Kindergeldes in Deutschland für ausländische Mädchen und Jungen ausgezahlt… 4.293 Kinder, für die das Kindergeld gezahlt wird, wohnen in der Heimat ihrer Eltern, aber nur fünf ihrer Mütter/Väter.«
Jochen Kummer, in: Welt am Sonntag vom 26. September 1999, S. 4.

Stellen Sie sich vor, jemand nennt Sie „Faschist“. Überlegungen über Volkskontakte jenseits des Fernsehraums
»Im selben Maße, wie sie an Reichweite und televisionärer Allgegenwart gewannen, verloren sie den Nahkontakt zum Volk, den die ›Populisten‹ pflegen… Die televisionäre Allgegenwart der staatstragenden Parteien kommt einer demokratischen Selbstermächtigung gleich.«
Frank Böckelmann, in: FAZ vom 1. April 2000, S. 46.

Der Euro als Konsumkiller
»Der Euro hat unsere wirtschaftliche Entwicklung nicht gefördert. Und es wäre mehr konsumiert worden, wenn wir die D-Mark behalten hätten.«
Univ.-Prof. Dr. Herbert Giersch, ehemals Wirtschaftsweiser und Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 25. Dezember 2004, S. 27.

Verschlampte Politik
»Sobald der Dienst für die öffentlichen Dinge aufhört, eine hauptsächliche Angelegenheit der Bürger zu sein, und sie es vorziehen, dem Staat lieber mit ihrer Börse als mit ihrer Person zu dienen, ist der Staat schon seinem Untergang nahe. Muß man in den Kampf ziehen? Sie bezahlen Truppen und bleiben zu Hause. Muß man zur Ratsversammlung gehen? Sie benennen Abgeordnete und bleiben zuhause. Kraft der Bequemlichkeit und des Geldes haben sie am Ende Soldaten, um das Vaterland zu knechten, und Repräsentanten, um es zu verkaufen.«
J. J. Rousseau

Eine Reduzierung des Erinnerns auf Schuld und Verbrechen
»Wer heute durch das Reichstagsgebäude geht, findet weder Bebel noch Ebert noch Haase, Richter oder Camphausen, Bennigsen oder Erzberger. Namen, die keiner mehr kennt? Jeder von ihnen wäre verzichtbar – alle zusammen aber sind sie es nicht, denn es geht nicht um Personen, die gewesen sind, wohl aber um die Identität jener, die heute den Anspruch erheben, deutsche Politik machen und das Wohl des deutschen Volkes mehren zu wollen. Es geht um das Selbstverständnis des deutschen Parlaments und damit auch um sein Verhältnis zur Geschichte des eigenen Volkes. Aus dieser Sicht fehlt dem neu ausgestatteten Reichstagsgebäude das Wichtigste. Es erklärt den Mangel an Zuwendung, die Kühle, die das Innere prägt.«
Karl Feldmeyer, in: FAZ vom 28. August 1999, S. 3.

Verachtete Wiedervereinigung Deutschlands
Willy Brandt: »Lebenslüge der Zweiten deutschen Republik«.
Stern: »Die Wiedervereinigung ist ein Schlagwort von vorgestern. Wir brauchen sie nicht«.
Gerhard Schröder: noch im Sommer 1989 über die Chancen einer Wiedervereinigung: »Es gibt sie nicht.«
Egon Bahr: »Laßt uns um alles in der Welt aufhören, von der Einheit zu träumen oder zu schwätzen.«
Theo Sommer in der Zeit über die DDR respektvoll: »eine einzige Großbaustelle«.
Günter Gaus über die DDR: »solide bis ins Biedermännische hinein«.
Der Spiegel pries »die günstigen Wirtschaftsdaten« der DDR.
Zitatenquelle: Welt am Sonntag vom 28. September 1997, S. 3.

Prophezeite Globalisierung
»Die Bourgeoisie hat durch die Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet. Sie hat zum großen Bedauern der Reaktionäre den nationalen Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet, sie werden verdrängt durch neue Industrien, deren Einführung eine Lebensfrage für alle zivilisierten Nationen wird, durch Industrien, die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich verbraucht werden. An die Stelle der alten durch Landeserzeugnisse befriedigten Bedürfnisse treten neue, welche die Produkte der entferntesten Länder und Klimate zu ihrer Befriedung erheischen. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander.«
Karl Marx und Friedrich Engels: Aus dem Kommunistischen Manifest, das im Februar 1848 in deutscher Sprache in London erschien.

Bemerkenswerte Zitate
Teil 3

Die deutsche Gesellschaft ächzt
»Die deutsche Gesellschaft ächzt zur Stunde unter der bitteren Entdeckung, daß das, was man bisher für Politik gehalten hat, nicht mehr möglich ist. Der politische Raum ist bereits so stark vom Gesetz der gegenseitigen Behinderung geprägt, daß es de facto nur noch simulatorische Politik geben kann. Die größte Leistung des Politikers besteht heute darin, in der Bevölkerung die Phantasie am Leben zu halten, unter seinen Händen würden die Dinge im Land souverän vorangetrieben.«
Peter Sloterdijk, in: Die Welt vom 22. März 2005.

Deutschland brennt?
»In dieser pittura metafisica, in der die Kontraste unseres Gemeinwesens unter Auslassung von plötzlich nebensächlich Gewordenem wieder überscharf hervortreten, leuchtet Deutschland im gehärteten Licht eines magischen Realismus. Oder muß man, ohne den Standort schlechtreden zu wollen, schon sagen: Deutschland leuchtet nicht, es brennt?«
FAZ Nr. 64/2005 , S. 33 (gey).

Aufnahme der Türkei in die EU
»Sie ist erst möglich, wenn die Menschenrechte und der Acquis communautaire in der Türkei ebenso lückenlos gelten wie in der EU. Um ein nahe liegendes Beispiel zu nennen: Christliche Kirchen müßten dann in der Türkei ebenso ungehindert errichtet werden können wie Moscheen in Deutschland, Frankreich und anderen EU-Staaten. Davon sind wir gegenwärtig noch um Lichtjahre entfernt.«
Hans Maier, in: Rheinischer Merkur Nr. 52/53/2004, S. 3.

Antidiskriminierungsgesetz
»Das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung rüttelt an den Grundfesten unseres grundgesetzlich vorgegebenen Wirtschaftssystems. Die Soziale Marktwirtschaft beruht auf der Vertragsfreiheit, die von Artikel 2 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich garantiert wird. Die Vertragsfreiheit umfaßt das Recht, Verträge im Rahmen der zivilrechtlichen Ordnung frei zu schließen und aufzulösen. Es entspricht dem Menschenbild des Grundgesetzes, daß der einzelne seine Rechtsverhältnisse eigenverantwortlich und nach seinem eigenen Willen gestalten kann. Freie und gleiche Bürger können verlangen, ohne staatliche Einmischung zu bestimmten, wie sie ihre gegenläufigen Interessen ausgleichen. Es ist der Vertragsfreiheit fremd, dem einzelnen vorzuschreiben, welche Gesichtspunkte für den Abschluß oder die Gestaltung eines Vertrages maßgeblich sein dürfen.«
Christean Wagner, Minister der Justiz in Hessen, in: FAZ Nr. 299/2004, S. 12.

Das Böse und die Gewalt
»Das Böse ist kein Mißverständnis… Alle Parteien mobilisieren auch bösartige Gefühle, aber in abmildernder, zivilisierender Weise: Man sagt nicht Neid, sondern soziale Gerechtigkeit, nicht Schadenfreude, sondern ›Partei der Besserverdienenden‹… Es war eine Flucht aus der Komplexität modernen Lebens in Einfachheit, Eindeutigkeit, Identität, Authentizität. Diese Fluchtbewegung steht immer der Gewalt sehr nahe… Diese Wonne der Unterkomplexität verspricht auch die Gewalt. In Thomas Manns ›Felix Krull‹ weiß Professor Kuckuck: Wird der Druck der Differenziertheit für den einzelnen zu groß, vergafft er sich ins Blöde, weil ihm dort das Geheimnis der Erlösung liegt…«
Jan Philipp Reemtsma, in: FASZ Nr. 6/2005, S. 3.

Vergreisung Deutschlands
»Die Chinesen sind hoch intelligent und fleißig und schnell. Dienstleistungen, wie wir als Deutsche oder Europäer sie da erbringen, erbringen wir vielleicht noch fünf, höchstens zehn Jahre. Dann kann China das alles sehr viel besser. Einschließlich der Probleme der Ökologie und der Technologie in der Infrastruktur… Was wir brauchen, ist Kreativität, anderes Denken, andere, verdichtete und stadtnahe Wohnformen statt des isolierten Häuschens im Grünen.«
Albert Speer, in: FAZ Nr. 45/2005, S. 39 .

›Politiker beschimpfen Politiker‹
Unter diesem Titel präsentieren J. Falke und U. Kaspar in ihrem sehr lesenswerten Taschenbuch (Reclam Verlag, Leipzig 1998) folgende Zitate über und von Joseph (Joschka) Fischer, derzeit Außenminister der Deutschen:

1985: »Das Monster mit den Zähnen«. Rolf Olderog, CDU, über den hessischen Grünen.
1986: »Schröders Verhalten halte ich für töricht, um nicht zu sagen für bescheuert, dieses Rumtaktieren. Es hat etwas sehr Schlüpfriges an sich, weil man ihm eigentlich an der Nasenspitze ansieht, daß es erstunken und erlogen ist, was er da erzählt«. Joschka Fischer über den SPD-Politiker Gerhard Schröder.
1987: »Jutta von Ditfurth läuft immer dann zur Hochform auf, wenn die Weihe des Märtyrertums droht.« Joschka Fischer.
1991: »Joseph Fischer ist der Prototyp des gescheiterten Spontis.« Jutta Ditfurth.
1993: »Es mag ja sein, daß ich etwas von Kartoffelchips verstehe. Wenn man die ißt, verehrter Herr, muß man zumindest nicht zurücktreten.« Joschka Fischer, Bündnis 90/Die Grünen, im Zusammenhang mit dem Rücktritt von Wirtschaftsminister Möllemann.
1994: »Ich muß damit leben, daß mich bei den Grünen 85 Prozent für ein Arschloch halten.« Joschka Fischer über sich selbst.
1994: »Dann bitte ich Außenminister Rudolf Scharping, mich zum Botschafter beim Heiligen Stuhl zu machen.« Joschka Fischer, Die Grünen, für den Fall, daß es in Bonn für eine rot-grüne Regierung nicht reicht, es statt dessen zu einer Großen Koalition kommt.
1995: »Sie sind und bleiben ein Trittbrettfahrer der Geschichte, kein Gestalter.« Helmut Kohl, CDU, Bundeskanzler, zu dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Joschka Fischer, der eine Teilnahme am Großen Zapfenstreich abgelehnt hatte.
1996: »Herr Fischer, lachen Sie doch nicht wie ein Ziegenbock! Das ist ja wirklich kaum zu ertragen.« Wolfgang Schäuble, CDU.
1996: »Hoch rücktrittsreif – eigentlich müßte er von sich aus gehen.« Joschka Fischer, Fraktionssprecher Bündnis 90/Die Grünen, über Finanzminister Theo Waigel.
1997: »Wenn die Mehrheit es morgen erfordert, daß er sich zu Kaiser Wilhelm stilisiert, würde er sich einen wunderbaren Zwirbelbart zulegen. Und wenn es notwendig wäre, als bayerischer König Ludwig II. ins Kanzleramt zu kommen, würde er im Starnberger See schwimmen und einen Schwan küssen.« Joschka Fischer, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen, über Gerhard Schröder.

Vox populi
Antisthenes (444 bis etwa 368 v. Chr.) schlug den Athenern vor, durch Volksbeschluß alle Esel zu Pferden zu machen. Als sich die Athener darüber empörten, hielt der Philosoph dagegen: »Bei euch kann man doch auch Feldherr werden, ohne eine blasse Ahnung von irgend etwas zu haben, nur durch Handaufheben!«
Diogenes Laertios, in: ›Leben und Meinungen berühmter Philosophen‹, V, 8, Ausgabe Meiner Verlag, Hamburg 11990, S. 298.

Bemerkenswerte Zitate
Teil 4

Führungslose Deutsche
»Heute fehlt der Antrieb, möglicherweise fehlt die geistige oder seelische Führung. Von der Kirche geht keine Führung aus, nicht von den politischen Parteien, nicht von den Vorstandsvorsitzenden der großen Konzerne oder der großen Banken, auch von den Journalisten geht keine Führung aus. An der Jammerei der letzten Jahre sind die deutschen Zeitungsschreiber wesentlich beteiligt.«
Helmut Schmitt auf die Frage: Auf welche Gesellschaft treiben wir zu? In: FAZ Nr. 82/05, S. 36.
Schröderiade
»Bei Gerhard Schröder bin ich mir sicher, daß er die Macht will. Wofür er sie dann nutzt, ist nicht so sicher.«
Hans-Jochen Vogel, Ehren-Vorsitzender der SPD, im Jahre 1996, Quelle: Politiker beschimpfen Politiker, S. 176.

Enkelbschimpfung
»Konrad Adenauer würde sich im Grabe umdrehen, wenn er seine Enkel bei der Arbeit sähe.«
Oskar Lafontaine 1995, damals SPD-Vorsitzender, Quelle: Politiker beschimpfen Politiker, S. 95.

Irrtumsanfälligkeit
»Nur wer nicht sucht, ist vor Irrtum sicher.«
Albert Einstein

Hohle Sprüche
»Sie können von mir nicht verlangen, daß ich den hohlen Sprüchen der Parteien… einen weiteren hinzufüge.«
Bundespräsident Horst Köhler, in: Handelblatt Nr. 52/05, S. 10.

Hasardspiel
»Daß sich der deutsche Kanzler dadurch in die Abhängigkeit französischer Großmannssucht und russischen Machtstrebens begab und dies auch noch als ›strategische Neuausrichtung‹ und ›deutschen Weg‹ vermarktete, gehört ins Bild einer Berliner Außenpolitik, die man füglich als Hasardspiel bezeichnen darf.«
Aufmacher in der NZZ Nr. 88/05, S. 1.

Türkeibeitritt
»Ich bin nach wie vor strikt gegen den Beitritt der Türkei.«
Hans-Werner Sinn, Ifo-Chef, in: Deutsche Handwerks-Zeitung Nr. 9/05, S. 2.

Scheißegal
»… pausenlos und auf allen Kanälen, daß die Arbeit noch billiger werden müsse. So billig und willig wie die Arbeitskräfte aus Osteuropa, die hier zu Hungerlöhnen ausgebeutet werden. Legal, illegal, scheißegal.«
Der Grundstein. Mitgliederzeitschrift der Industriegewerkschaft Bau-Agrar-Umwelt Nr. 5/05, S. 7.

Todesstoß des Stabilitätspakts
»Bevor wir dies beklagen, sollten wir uns zunächst an die eigene Brust klopfen. Schließlich hat Deutschland die Verschuldungsgrenze bereits drei Jahre in Folge gebrochen und dem Stabilitätspakt selbst den Todesstoß versetzt.«
Holger Schmieding, Bank of America, in: FAZ Nr. 106/05, S. 32.

Jobkrise
»Die Jobkrise erreicht auch die verkehrsberuhigten Studienratsquartiere.«
Roland Tichy, in: Handelsblatt Nr. 99/05, S. 1.

Über SPD-Genossen
»Er (Müntefering) hat keine Ahnung, was Kapitalismus ist. Er war noch nie an Theorien interessiert, Schröder schon gar nicht… Über Schröder muß ich doch nicht reden, oder?«
Peter von Oertzen, zeitweise Kultusminister in Niedersachsen, im März 2005 trat er nach fast sechzigjähriger Parteizugehörigkeit aus der SPD aus, in: stern, Nr. 23/05, S. 166.

Größenwahnsinnige Europabastler
»Von diesen großenwahnsinnigen Europabastlern, die das Erreichte und das Erreichbare der europäischen Einigung grobfahrlässig aufs Spiel setzen, haben freilich immer mehr Europäer genug, glücklicherweise.«
FAZ Nr. 131/05, S. 12, über das Türkeibild Günter Verheugens, ehemaliger Erweiterungskommissar der EU.

Bald Weinkrug, bald Nachttopf
»Als die Athener den Themistokles einmal aus seinem Amt stießen und dann doch wieder zurückberiefen, meinte er: ›Ich kann Leute nicht loben, die ein und dasselbe Gefäß bald als Nachttopf und bald als Weinkrug benützen.«
Claudius Aelianus: Varia historia, II, S. 40.

Politischer Denunziant
»Herr Schily ist ein politischer Denunziant. Ich muß das leider sagen; und jeder Bürger kennt ja das Sprichwort: ›Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant‹«.
Heiner Geißler, CDU, im Jahre 1986, Quelle: Politiker beschimpfen Politiker, S. 160.

Lichtsucher
»Die Menschen drängen sich zum Lichte, nicht um besser zu sehen, sondern um besser zu glänzen.«
Friedrich Nietzsche, in: Menschliches, Allzumenschliches.

Augenblicksglanz
»Was glänzt, ist für den Augenblick geboren.«
Goethe, in: Faust, Vorspiel.

Intelligenz und Politiker
»Als ich jung war, glaubte ich, ein Politiker müsse intelligent sein. Jetzt weiß ich, daß Intelligenz wenigstens nicht schadet.«
Carlo Schmid, ehemals Bundestagsabgeordneter der SPD.

Staatsversagen
»Der Staat kann viele Dinge besorgen, außer Liebe und zärtliche Fürsorge.«
Mutter Teresa

Parteinutzen
»Partei ist der Wahnsinn der Vielen zum Vorteil von Wenigen.«
Alexander Pope, in: Vermischte Gedanken.

Vom Besserwisser zum Wissensverweigerer
»In der Opposition sind Politiker unübertreffliche Besserwisser, in der Regierung unübertreffliche Wissensverweigerer.«
Waltharius im Jahre 2005, in: Literaturzeitschrift www.walthari.com.

Bemerkenswerte Zitate
Teil 5

Verlorene Trinität
»Wer heute für die Durchsetzung der säkularisierten Trinität ›Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit‹ kämpfen würde, müßte früher oder später im Gefängnis sein Leben aushauchen.«
Michael Krüger in einer Laudatio anläßlich der Verleihung des Ludwig-Börne-Preises 2005.

Nicht belangbar
»Die Vorstellung, dass man Wirtschafts- und Finanzpolitik justiziabel machen könnte, ist abenteuerlich.«
Bundesfinanzminister Hans Eichel am 14. Febr. 2005, in: Handelblatt Nr. 31/2005, S. 2.

Kanzlerehen
»Am Ende scheint es dann immer um ihn zu gehen, auch jetzt wieder. Das simuliert allenfalls Mitte. Und es stiftet kein Vertrauen, sondern Kalküle. So sonderbar und ein bißchen wehmütig es anmutet: Das stärkste Element von Kontinuität in Schröders Kanzlerleben scheint seine vierte Ehe. Es sei ihm gegönnt.«
Volker Zastrow im Leitartikel der FAZ Nr. 151/2005, S. 1.

Konkursverschleppung
»Auch der europäische Säckel ist leer. Was ihn bläht, sind die Schulden der Nationalstaaten. Ihn weiterhin in Brüsseler Kungelnächten und mit Blick auf allerlei Petenten mit sogenanntem frischem Geld nachzufüllen entsprich dem Tatbestand der Konkursverschleppung. Im Privaten ist so etwas kriminell, und Unrecht ist es auch in den etwas biegsameren Rechtskategorien des Politischen.«
Hans D. Barbier, in: FAZ Nr. 150/2005, S. 13.

Gewalt im Fernsehen
»Im wesentlichen verderbt ihr die Jugend mit Gewalt.«
Altbundeskanzler Helmut Schmidt zu einem Fernsehjournalisten, in: ACP Information 4/2005, S. 5.

Aushöhlung des Eigentums
»Das Grundrecht am privaten Eigentum unterliegt in Deutschland seit 1990 einer Aushöhlung durch all drei Gewalten.«
Klaus Peter Krause, in: Junge Freiheit Nr. 28/2005, S. 5.

Fischers UN-Volte
»Zum Streben nach einem ständigen Sitz für Deutschland im Sicherheitsrat hatte Fischer noch in den neunziger Jahren erklärt: ›Wird Deutschland einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erhalten, dann wird die Debatte über die vollständige Souveränität beginnen, und dies ist in der heutigen Welt die nukleare Souveränität. Dies wiederum würde die Nachbarn verstärken – mit allen unliebsamen Konsequenzen.‹ Umso mehr erstaunt heute, dass Fischer und Schröder mit allem erdenklichen Nachdruck dieses Ziel anstreben und dies mit Deutschlands materiellen und finanziellen Leistungen rechtfertigen.«
Christian Hacke, in: NZZ Nr. 137/2005, S. 6.

Schröders weibliche Wähler
»Festzuhalten wäre gleichwohl, dass sich unter Rot-Grün die soziale Ästhetik nachhaltig gewandelt hat. Das erklärt auch den auffälligen Erfolg dieser Regierung bei weiblichen Wählern.«
Joachim Güntner, in: NZZ Nr. 146/2005, S. 35.

Mitterands Deutschlandliebe
»Frankreichs Präsident Mitterand ist selbst zu Gorbatschow nach Kiew gereist, um sich gegen die Widervereinigung Deutschlands auszusprechen.«
André Glucksmann, in: Handelsblatt Nr. 121/2005, S. 2.

Staatliche Schuldenbremse
»Der Staat wird um das Eingeständnis nicht herumkommen, daß er seine Leistungsversprechen nicht einzuhalten vermag. Diese Chance sollte er nutzen und auch gegenüber jenen, die seine Anleihen halten, die Zahlungsunfähigkeit erklären. Die Bonität des Fiskus wäre damit nachhaltig erschüttert. Anleger würden ihm Kredite verweigern und lieber in die private Wirtschaft und damit in Wachstum investieren. Die Politik käme nicht mehr in Versuchung, Schulden aufzunehmen.«
Karl Heinzen, in: Junge Freiheit Nr. 30/2005, S. 15.

Euro-Stabilität
»Es gibt keinen Unterschied zwischen der D-Mark und dem Euro, was die Glaubwürdigkeit und Stabilität der Währung angeht.«
Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank, zitiert in: Handelsblatt Nr. 105/2005, S. 9.

Bemerkenswerte Zitate
Teil 6

»Wir nähern uns der DDR an.«
So zitiert die FAS Nr. 20/05, S. 47, keinen geringern als den Professor Jan P. Krahnen, Leiter des Center for Financial Studies.

Respektlosigkeit gegenüber dem Eigentum
»Das Erstaunliche an den Sozialisten in allen Sparten der Gesellschaft ist neben ihrer Respektlosigkeit gegenüber dem Eigentum anderer doch immer wieder ihre Urteilssicherheit – und die bodenlose Anmaßung, darüber zu befinden, was denn ›unverdient‹ ist.«
Karen Horn in einer FAZ-Besprechung von Heribert Prantls (SZ) Buch ›Kein schöner Land‹.

EU-Biotop
»Abgeschottet von der Wählerbasis, bildet sich auf der oberen Ebene der EU eine sonderbare Elite, eine Art Biotop, da nach eigenen Gesetzmäßigkeiten Werte generiert und sie gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern durchsetzt. Dies beginnt schon bei den Grundrechten, wo die Elite nach jeweils erfundener Political Correctness zu entscheiden beliebt.«
Univ.-Prof. Dr. Ch. B. Blankart, Humboldt Universität Berlin, in: HB Nr. 241/04, S. 11.

Teurer Natobeitritt
»Im Mai 1955 trat die Bundesrepublik als 15. Mitglied der atlantischen Verteidigungsallianz bei. Deutschlands Beitritt war bei der Nato sehr erwünscht. Aber der Preis war hoch, denn das Bündnis liess sich die deutsche Mitgliedschaft etwas kosten.«
NZZ Nr. 155/05, S. 6

»Korruption im öffentlich-rechtlichen Rundfunk«
»Bestechung scheint das normale Mittel der Programmplanung zu sein; ohne ›Beistellung‹, die der HR-Intendant Reitze trotz allem für prinzipiell zulässig hält, wird kaum noch etwas produziert, wie das letzte Exempel der ARD-Volksmusiksendung ›Kein schöner Land‹ beweist, zu der im Laufe der Jahre Tourismusverbände 360.000 Euro zugezahlt haben.«
FAZ Nr. 174/05, S. 2.

»Das Höchste, wozu der Mensch gelangen kann, ist das Erstaunen.«
Goethe zu Eckermann am 18.02.1829.

Kindererziehung bei Homopaaren
»Kinder können bei gleichgeschlechtlichen Eltern ebenso gut aufwachsen wie in Familien.«
Familienministerin Christine Bergmann im Jahre 2002, zitiert nach: Mann, T.: ›Rot-grüne Lebenslügen‹, 2005, S. 143.

Identitätsbildung in der Kindheit
»… prägt sich die geschlechtliche Identität des Menschen in der Kindheit an Mutter und Vater als Vorbilder aus. Durch die Identifikation des Jungen mit dem Vater, des Mädchens mit der Mutter erwirbt das Kind seine Sicherheit in der Akzeptanz seines angeborenen Geschlechts. Und am gegengeschlechtlichen Elternteil wird die spätere Zuneigung zu einem gegengeschlechtlichen Partner vorbereitet.«
Christa Meves, zitiert nach: Mann, T.: ›Rot-grüne Lebenslügen‹, 2005, S. 143.

Mittelmäßige Hochschullehrer
»Langfristig ist zu befürchten, daß viele Fakultäten eher mittelmäßige Hochschullehrer berufen, weil dann der gemeinsame Finanztopf der Leistungszulagen der älteren Stelleninhaber unangetastet bleibt. Durch die Berufung eines hervorragenden Kollegen griffen sie sich nur selbst in die Tasche.«
Heike Schmoll über die Hochschulreformen unter Rot-Grün, in: FAZ Nr. 185/2005, S. 4.

2. Januar 2016
Bemerkenswerte Zitate
Teil 41

»Die EU hat uns schon längst verlassen… Großbritannien hat kein Solidaritätsgefühl zur EU.«
Gisela Stuart MP, Abgeordnete des Britischen Unterhauses für die Labour Partei, in:
›Politische Studien‹, 2/2015 Themenheft, S. 91)

»Politiker antworten im Grunde gar nicht auf die Bürger und ihre Sorgen, sondern beschränken sich auf die Rückmeldung ihrer eigenen Vollzüge. Die Probleme einer modernen Gesellschaft sind nämlich unlösbar – man kann sie nur von außen nach innen verschieben. Parteien, die überhaupt noch Bodenhaftung haben, können gar nicht anders als divergierende Anforderungen von außen in interne Konflikte zu transformieren. Es geht dabei vor allem um die Folgelasten der Modernisierung und des Wohlfahrtsstaates.«
Univ.-Prof. Dr. Norbert Bolz, in:›Forschung & Lehre‹ 8/2002, S. 415)

»Der Rückzug der christlichen Religion in Deutschland ist in vollem Gange. Wir Christen werden im Jahr 2050 dafür dankbar sein, wenn man uns wenigstens in Ruhe lässt. Doch die Kirchenleitungen haben längst den Blick für die Prioritäten verloren….«
Michael Inacker, Vorsitzender der Internationalen Martin Luther Stiftung.

»„Die deutsche Islam-Show“ in Berlin im Juli 2015. Zwischen 3000 und 4000 Teilnehmer zählte die Polizei zuerst, später war sogar von 10.000 die Rede. Und die meisten derer, die den Pariser Platz nicht einmal annähernd füllten, waren wohl Mitglieder deutscher Parteien und Gewerkschafter.«
Ali Ertan Toprak, Präsident der säkularen Immigrantenverbände: „Das war eine staatliche Inszenierung“, Welt am Sonntag, Nr. 30/2015, S. 5.

»Deutschland verschwindet jeden Tag immer mehr, und das finde ich einfach großartig.«
Jürgen Trittin, zitiert in: FASZ vom 02. Jan. 2005

»Was unsere Urväter vor den Toren Wiens nicht geschafft haben, werden wir mit unserem Verstand schaffen!«
Cem Özemir, in: Hürriyet vom 08. 09. 1998 (auf türkisch), abgedruckt im Focus am 14.09.1998

»Der Generalverdacht gegenüber Männern ist nämlich gleichzeitig eine Generalamnestie aller Frauen – ich habe aber in meiner Berufslaufbahn auch Kindergärtnerinnen, Mütter, Großmütter, Lehrerinnen, Sporttrainerinnen kenngenlernt, die Kinder sexuell missbraucht haben.«
Werner Meyer-Deters, Sozialpädagoge und Traumaberater, in: ›chrismon‹ vom 01/2015, S. 44

»Aber Range ist nicht der persönliche Referent des Ministers, sondern oberster Ankläger des Landes. … Offenbar soll die Anklagebehörde nur dann gänzlich unabhängig sein, wenn vorher die Regierung das gewünschte Ergebnis festgelegt hat. Womöglich soll das dann auch gleich für die Gerichte gelten. Gut, dass viele sich jetzt daran erinnern, wie wichtig eine freie Presse für unser Gemeinwesen ist, und dafür kämpfen. Aber in einer Bananenrepublik ist dieser Kampf von vornherein vergebens.«
Reiner Müller, in: FAZ Nr. 179/2015, S. 1

»In jenem Sommer 1948 fuhr eine junge Journalistin und promovierte Volkswirtin von Hamburg nach Frankfurt am Main, um für die Wochenzeitung ›Die Zeit‹ die erste Pressekonferenz des neuen Direktors der Verwaltung für Wirtschaft im bizonalen Wirtschaftsrat zu besuchen. Ihr Eindruck von dem bis dahin gänzlich unbekannten Mann, von seinen neoliberalen Visionen? Blankes Entsetzen. Marion Gräfin Dönhoff jedenfalls berichtete den Redaktionskollegen: »Wenn Deutschland nicht schon eh ruiniert wäre, dieser Mann mit seinem vollkommen absurden Plan, alle Bewirtschaftungen in Deutschland aufzuheben, würde das ganz gewiss fertigbringen. Gott schütze uns davor, dass der einmal Wirtschaftsminister wird. Das wäre nach Hitler und der Zerstückelung Deutschlands die dritte Katastrophe.«
Marion Gräfin Dönhoff mit Bezug auf Ludwig Erhard, in: FAZ vom 20. Nov. 2015, S. 16

»Erst vor wenigen Tagen wurden sämtliche Bürger Deutschlands in Gestalt der Vorratsdatenspeicherung unter Generalverdacht gestellt. Generalverdacht steckt hinter den gläsernen Bankkonten sämtlicher Bürger. Die Regeln gegen die Geldwäsche stellen ebenfalls einen Generalverdacht gegenüber jedermann dar und so weiter und so weiter. Wir lernen, jeder Bürger darf generell verdächtigt werden, der Flüchtling aber ist über jeden Verdacht erhaben.«
Lutz Bauermeister, Wilhelmshaven, in: FAZ vom 27. Nov. 2015, S. 29

»Der Übergang zur Demokratie war nach den Worten des Jenaer Historikers Norbert Frei auch innerhalb der Redaktion in der Schwebe. Antisemitische Klischees, personelle NS-Kontinuitäten und ein forscher Landserton lebten in den Fünfzigern fort. Lutz Hachmeister nannte die ehemaligen SS-Hauptsturmführer Georg Wolff und Horst Mahnke, die Augstein ganz gezielt an wichtigen Positionen installiert habe, weil er mit den NS-Apparaten vertraute Leute für seine investigativen Erfolge brauchte. Alte NS-Leute saßen freilich auch noch in anderen Redaktionen.
Thomas Thiel über Augsteins ›Spiegel‹,, in: FAZ Nr. 224 vom 25. Sept. 2012, S. 33

»Langsam erkennen die Länder der Euro-Zone, dass die Zeit des Augenzwinkerns im Angesicht der Krise vorbei ist: Man kann keinen Staat wie Griechenland retten, der gar kein Staat ist.«
Clemens Wergin, in: ›Die Welt‹ vom 17. Febr. 2012, S. 3.

»Zum Kreislauf der Korruption gehört auch die Tatsache, dass man in China für alles Beziehungen braucht, sei es ein Arzttermin, ein Spitalaufenthalt, medizinische Pflege oder auch nur Kostenrückerstattung durch eine Krankenkasse, insbesondere aber für die Schulauswahl, den Schuleintritt und schliesslich die Arbeitssuche. Die Höhe der zur Bestechung eingesetzten Beträge nimmt dabei inflationär zu. Bestehende Beziehungen müssen auch gepflegt werden. Wer sich die hohen ›Investitionen‹ in die richtigen Beziehungen am besten leisten kann, sind die hohen Beamten selber.«
Wie Zhang, in: NZZ Nr. 150/2014, S. 26

»Gerade hatte sich ein Freundschaftskartell zwischen dem Springer-Verlag, dem Spiegel und der FAZ gebildet, das allerlei Zauberstückchen vollführte – von der versuchten Konterrevolution in Sachen Rechtschreibung über das Cross-Marketing eigener Bücher, orchestrierter Meinungsmache bis hinzu geschäftlichen Allianzen im Druckgeschäft. Kaum hatte andererseits die SPD versucht, diesem neuen Amigo-Dreieck mit der umstrittenen Einverleibung der Frankfurter Rundschau in die parteieigene Zeitungsgruppe ein Gegengewicht zu setzen…«
Detlef Gürtler, in: ›Cicero‹ Nr. 4/2005, S. 104

»Er wird heute als Retter des Vaterlands und genialer Heerführer verehrt – der Eroberer Berlins und Marschall der Sowjetunion, Georgi Schukow. Das Geheimnis seiner Kriegskunst hatte Schukow einmal dem amerikanischen Kollegen General Eisenhower verraten: ›Wenn wir auf ein Minenfeld stossen, greifen unsere Soldaten so an, als ob es gar nicht da wäre. Auf Schukows Tod hin schreib Joseph Brodsky ein Gedicht, eines seiner besten.«
Boris Schumatsky, in: NZZ Nr. 106/2014, S. 25

»Wir werden das Ausbeutergeschmeiß, das heute den Young-Plan auf dem Rücken der Arbeiterklasse durchführt, unter die Diktatur der Arbeiterklasse beugen. Dabei werden die Köpfe rollen, nicht jene Köpfe, von denen heute Hitler spricht, nicht die Köpfe der Arbeiter, sondern die Köpfe der besitzenden Klasse…«
Herbert Wehner, nach: Harmut Soell: ›Der junge Wehner. Zwischen revolutionärem Mythos und pragmatischer Vernunft‹, Stuttgart 1991.

»Am BGH studieren meistens nur zwei von fünf Richter die Akten.«
Reinhard Müller, in: FAZ vom 15. Sept. 2013, S. 14.

»Frankreichs Politik seit der Unabhängigkeit seiner Kolonien. Die französischen Regierungen betreiben dort seit 1960 ein System aus Korruption, Kriminalität und Ausplünderung und haben die Politik zu sehr von den Wirtschaftsinteressen großer Konzerne abhängig gemacht. Zum Beispiel vom Nuklearkonzern Areva und der Erdölgesellschaft Total.«
Werner Ruf, pensionierter Professor für Internationale Beziehungen und Außenpolitik, in: ›chrismon‹ Nr. 04/2014, S. 47.

»Heute sind die politischen Parteien keine Vereinigung von Bürgern, sondern Zusammenschlüsse von Berufspolitikern, denen die Ambitionen ihrer leitenden Damen und Herren wichtiger sind als die Interessen ihrer Mitglieder und Wähler.«
Konrad Adam, in ›Merkur‹ Nr. 4/2009, S. 385