Beruf – Wirtschaft – Humankapital

Alle Titel der Schriftenreihe

Autor: Prof. Dr. Erich Dauenhauer

HEFT 1: Identitätsstudien, Landau 1984, 1987
HEFT 2: Arbeitslehre. Vom Ende einer Bildungs- und Wissenschaftsidee, Landau 1983, 1984, 1997/99
HEFT 3: Die Fachfertigerausbildung, Landau 1985
HEFT 4: Mittlere Berufsbildungswege, Landau 1986
HEFT 5: Die Reform des Lehrlingswesens. Band X der Schriften des Vereins für Socialpolitik, Leipzig 1875, Landau 1988
HEFT 6: Das gewerbliche Fortbildungswesen. Band XV der Schriften des Vereins für Socialpolitik, Leipzig 1879, Landau 1988
HEFT 7: Wissenschaftsgedanken inmitten des großen Strukturwandels, Landau 1988 (Festschrift 65. Geb. Prof. Pleiß (hrsg. Prof. Dr.Dauenhauer)
HEFT 8: Besprechungskultur, Landau 1989, 1991
HEFT 9: Kategoriale Wirtschaftswissenschaft, Bd.I, Münchweiler 1998, 2002 [vormals: Wirtschaftliche Aufklärung, Bd. I, 1989, 1994]
HEFT 10: Lexikalische Beiträge, Landau 1989
HEFT 11: Wirtschaft und Erziehung im Deutschen Reich von 1871-1918; Landau 1989
HEFT 12: Vorträge I, Landau 1991
HEFT 13: Zwanzig Jahre Landauer Lehrstuhl, Landau 1992
HEFT 14: Berufspolitik, Münchweiler 1997, 1998, 2002, vormals: Berufliche Aufklärung, 1992, 1993 – 1994
HEFT 15: Kultur- und Kunstökonomie I, Landau 1992
HEFT 16: Kategoriale Wirtschaftswissenschaft, Bd. II, Münchweiler 1998+2000; 2002, vormals: Wirtschaftliche Aufklärung, Bd. 2, 1993, 1994
HEFT 17: Kultur- und Kunstökonomie II, Landau 1993
HEFT 18: Wege und Irrwege ins 3. Jahrtausend, Münchweiler 1994, 1999
HEFT 19: Berufsbildungspolitik, 1981; Münchweiler 1996, 1997,
HEFT 20: Weisheitliche Lebensführung,, Münchweiler 1996, 1999
HEFT 21: Fünfundzwanzig Jahre Landauer Lehrstuhl, Landau 1996
HEFT 22: Zeitmanagement für Entscheider, Münchweiler 1996, 1998/99
HEFT 23: Kategoriale Wirtschaftsdidaktik, Bd. I, Münchweiler 1997, 1998, 2001
HEFT 24: Spannungsfeld Familie und Beruf, Münchweiler 1999/2000
HEFT 25: Das veruntreute Land. Wohin driftet Deutschland? Münchweiler 1998, 1998
HEFT 26: Wirtschaftskategorien. Ein Beitrag zur wirtschaftswissenschaftlichen Grundlagenforschung, Münchweiler 1999, Nachdruck 2000, 2011
HEFT 27: Kategoriale Wirtschaftsdidaktik, Bd. II, Münchweiler 2001, 2004.

HEFT 28: Dreißig Jahre Landauer Lehrstuhl für Wirtschaftswissenschaft und Didaktik der Wirtschaftslehre, Münchweiler 2001
HEFT 29: Die Universität als Lebensform und Reformopfer, Münchweiler 2002
HEFT 30: Kategoriale Wirtschaftsdidaktik, Bd. III, Münchweiler 2004 2005
HEFT 31: Aktive Bürgergesellschaft in einem gebändigten Staat, Münchweiler, 2007
HEFT 32: Homo divinus nicht abgeschlossen – unveröffentlicht
HEFT 33: Wozu noch Tugenden? – Ein fälliges Erinnern ‒, Münchweiler 2013
HEFT 34: Kirche in Not. Warum lassen wir die älteste kulturelle und spirituelle Institution dahinsiechen? – Ein Weckruf an Laien – , Münchweiler 2013
HEFT 35: Wirtschaftspädagogik (1) – Disziplinkritische Anmerkungen im Rahmen einer wirtschaftspädagogischen Biografie – , Münchweiler 2013
HEFT 36: Wirtschaftspädagogik (2) –Das Landauer Doppelprofil (1971-2003) , Münchweiler 2013
HEFT 37: Gabenökonomie / Ökonomische Theologie, Münchweiler 2014, zugleich Wirtschaftspädagogik (5)
HEFT:38 Der Euro – Eine kritische Zwischenbilanz, Münchweiler 2014 /zugleich Wirtschaftspädagogik (4)
HEFT 39: Wirklichkeiten, im erkenntnisphilosophischen, energetisch-anthropischen Verständnis, Münchweiler 2014
HEFT 40: Wirtschaftspädagogik (3) – Ein begriffsanalytischer Einstieg, Münchweiler 2014
HEFT 41 Achtzig dahin – Ein Werkbiographischer Rückblick anläßlich meines 80. Geburtstages, Münchweiler 2015
HEFT 42: Ganzheitliche Selbstermächtigung im Beruf und Privaten, Ein Seminarkonzept für Führungskräfte auf wissenschaftlicher Grundlage, Münchweiler 2014
HEFT 43: Alternative Ökonomik als System- und Lebensstilkritik, Münchweiler 2015 (für Vorlesung im Sommersemester 2015 im Studium generale) zugleich Wirtschaftspädagogik (6)
HEFT 44: Wirtschaftspädagogik (7) – Versuch einer Disziplinrevision , Münchweiler 2015
HEFT 45: Mein sonderbares Leben. Ein autobiographischer Rückblick, Münchweiler 2018
HEFT 46: Alters Wege, Münchweiler 2017, Erste Auflage + Zweite leicht verbesserte. Ausgabe
HEFT 47: Unsere Hausbibliothek, Münchweiler, Januar 2018, 2019
HEFT 48: Inventar der Internetveröffentlichungen im WALTHARI-Portal, Januar 2018, 2019

Ausgewählte Beiträge von 2009 bis 2017

14. Oktober 2017

Schäubleriana

Teil 14 der Artikelserie

»Wer stoppt endlich Minister Schäuble?«, hieß es in Teil 1 dieser Artikelserie vom 19. April 2010. Die politische Klasse war dazu nicht in der Lage, nun haben es am 24. September 2017 (mit der Bundestagswahl) die Wähler besorgt. In den acht Jahren als Bundesfinanzminister hat er sich nicht nur als »Meister der Doppelbödigkeit« erwiesen (FAZ vom 17. Okt. 2017, S. 17), er hat auch auf Kosten der deutschen Sparer das unsägliche Spiel der Rechtsbrüche (im EU-Rahmen) mit staatsmännischer Pose mitgespielt und damit das Bürgervertrauen dramatisch beschädigt. Daß die EU gerade auseinanderbricht, hat er mitzuverantworten, weil er einer Europavision anhängt, die völlig unrealistisch ist. Beim Abgang feierten ihn dennoch Spitzenpolitiker einiger Nutznießerländer und -organisationen, und auch deutsche Medien äfften faktenblind das Lob ›schwarze Null‹ nach, obschon sich dahinter das EZB-Ausbeutungsgeschäft mit niedrigen Zinsen verbirgt. Die Spätfolgen der sog. Euro-Rettungspolitik stehen noch aus, dann kommt die Zeit der Wendehälse. Schäuble ist einer der raffiniertesten politischen Spieler, er entpuppte sich als Zyniker und gefährlicher Illusionist. Zu lange sind die deutschen Wähler auf seine Joungliererei hereingefallen. Wie Merkel, Seehofer und Juncker kann er gleichzeitig für und gegen eine Sache sein und erwies sich damit als machiavellistischer Konstruktivist. »Weil er ohne Politik nicht existieren kann« (FASZ Nr. 35/2017, S. 21), darf man ihn wohl als politiksüchtig halten, eine Sucht, die, wie alle Süchte, den Betroffenen zum Gefangenen des eigenen beschränkten Weltbildes macht. Die Artikelserie ›Schäubleriana« deckt seit Jahren Schäubles Politikstil schonungslos auf.
© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen die Originalzitate. Aus: www.walthari.com

Wiedergelesen: 23. November 2010

Wann rebellieren die Bürger gegen das Euro-Treiben der politischen Klasse?

Das schlimme Ende zeichnet sich immer deutlicher ab. Wenn die politische Klasse von den Bürgern nicht gezwungen wird, die Konsequenzen aus der fundamentalen Fehlkonstruktion des Euro-Systems zu ziehen, drohen ihnen, den Bürgern, gigantische Vermögensverluste. Neben diesem wirtschaftlichen ist der politische Preis in Rechnung zu stellen. Die gegenwärtige politische Herrschaftsklasse steuert nämlich geradewegs auf eine Staatskrise zu, weil sie einen doppelten Vertrauensverlust inkauf nimmt: Das Vertrauen in den Parteienstaat ist bereits schwer erschüttert; wenn der Euro, was vorauszusehen ist, scheitern wird, kommt zum politischen ein wirtschaftlicher Vertrauensverlust hinzu. Eine Staatskrise stünde dann ins Haus.

Erst eine Griechenlandhilfe, jetzt Irland, vielleicht bald auch Portugal und Spanien. Es ist so gekommen, wie ich es seit der Jahrtausendwende in diesem Walthari-Portal beschrieben habe: Die Währungsunion ist zu permanenten Transferunion mutiert, für deren Kosten vornehmlich deutsche Steuerzahler geradestehen müssen. Die unheilbaren Strukturfehler der EU-Gemeinschaftswährung habe ich an dieser Stelle mehrfach beschrieben (und auch schon 1998 in meinen Buch ›Das veruntreute Land. Wohin driftet Deutschland?‹ vgl. http://www.walthari.com/buchshop/). Es langweilt, die Fakten hier immer wieder zu wiederholen. Um das Desaster zu begreifen, genügt ein Blick auf den sog. EU-Rettungsschirm und auf die sich abzeichnende finale Entwicklung.

Deutschland sollte so schnell wie möglich aus dem Euro-System austreten und seine bewährte DM wieder einführen. Die Drohung, damit käme die EU zu Fall, kann mit Verweis auf andere europäische Länder, die der Währungsunion nicht angehören, dennoch aber der EU (England und einige Nordländer), leicht widerlegt werden. Aktuell beweist der sog. dauerhafte Krisenmechanismus, auf welch wackeligen Beinen der Euro steht. Damit gibt die politische Klasse die Fehlkonstruktion auf pompöse (!) Weise zu.

Für Deutschland ist darin die Rolle des Hauptrettungsankers vorgesehen. Deutsche Steuerzahler werden dauerhaft belastet für ein nicht behebbares strukturelles Defizitverhalten anderer Länder. Das grenzt an politisches Abenteurertum. Auf die Frage, wie viel Geld Irland denn brauche, wußte der deutsche Finanzminister jüngst keine Antwort. »Aber Sie müssen doch genauere Vorstellung haben?« Schäuble: »Das hängt immer (!) vom einzelnen Fall ab. Keiner sollte sich erkühnen (!), künftige Entscheidungen vorwegzunehmen« (FAZ Nr. 272/2010, S. 13). Das ist arrogante Dunkelkammerpolitik der Spitzensorte. Die Entscheidungen treffen dann die schlimmen Fakten. ›Stuttgart 21‹ als Anlaß für bürgerliches Aufbegehren ist geradezu ein Randphänomen im Vergleich zum sich zuspitzenden Krisengang des Euro. Ich frage mich daher: Wann begreifen die Bürger den Ernst der Lage? Wann werden sie rebellieren?

Wie absurd die Krisenlage jetzt schon ist, geht aus der Tatsache hervor, daß ärmere EU-Länder (gemessen am Pro-Kopf-Einkommen) die reicheren Iren unterstützen sollen. Eine politische Eulenspiegelei ohne geschichtliches Beispiel. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen beträgt in Lettland, Litauen, Rumänien und Bulgarien weniger als die Hälfte irischer Hauhalte. Das Einkommensverhältnis zwischen Portugal und Irland lautet 79 : 120.
Insgesamt hat sich Deutschland im Rahmen der Stützaktionen (im Rettungsschirm, über den IWF u.a.) auf über 200 (zweihundert) Milliarden Bürgschaftsverpflichtungen eingelassen. ›Dem fremden Wohle mehr verpflichtet als dem eigenen Volke‹, lautet eine Walthari-Artikelserie (vgl. unten).
© Walthari® – Aus: www.walthari.com

23. September 2017

Schäubleriana

Teil 13 dieser Artikelserie

Am 19. April 2010 (!) erschien in diesem Walthari-Portal der 1. Teil der Artikelserie ›Schäubleriana‹. Die Journaleinträge legen seither die gravierenden politischen Fehler Schäubles und seine raffinierten Strategien bloß. Nun kandidiert der Politiker zum 13. Mal für den Deutschen Bundestag, was schon rein äußerlich beweist, wie verknöchert das Altparteien- und das Wahlsystem ist. Die FAZ leitet daraus Schäubles Politsüchtigkeit ab (03.09.2017, S. 21), er könne ohne Politik nicht leben, huldigt ihm aber immer wieder trotz dieses politpathologischen Zuges, während sie ihm zwischendurch (2015 in Nr. 163, S. 17) den Rücktritt nahelegte und ihm am 20. 04. 2017 eine »Griechenlandfarce« vorhält. Welch gefährlicher politischer Phantast Schäuble ist, wurde am 13. Sept. 2017 in einem ARD-Interview überdeutlich, als er die Utopie-Rede Junckers vor dem Europäischen Parlament begrüßte. Juncker hatte eine Überdehnung des angeschlagenen EU- und Eurosystems gefordert und damit zugleich einen dauernden Konfliktherd und eine Ausbeutung Deutschland ohne Ende.
Bekanntlich wollen Süchtige primär ihren Trieb befriedigen und tragen zur Ablenkung allerhand Tarnkappen. Daraus erklären sich die vielen Unsäglichkeiten Schäubles, unter denen hier nur wenige (wiederholt) aufgezählt werden:
1. »Schäuble hält EZB-Anleihekäufe für rechtmäßig« (FAZ vom 17.08.2017, S. 17), womit er das EZB-Desaster und die Zinsenteignung deutscher Sparer (mehrere hundert Milliarden Euro bisher) gutheißt.
2. Schäubles skandalöse Rolle bei der Griechenlandkrise ist sattsam bekannt (nachzulesen in ›Schäubleriana‹ und in der SZ Nr. 137/2017, S. 7).
3. Schäuble pflichtet den Kritikern des deutschen Exportüberschusses bei (im ›Spiegel vom 15.05.2017) und gefährdet damit Hunderttausende deutsche Arbeitsplätze.
4. Schäuble preist »das europäische Eingangswerk (als) die vielleicht beste Idee, die Europäer im 20. Jahrhundert hatten« (FAZ Nr. 67/2017, S. 6). Das ist reinster Schäuble-Zynismus, und zwar gleich dreifach:
Idee der Europäer? Nein, Ideen der sog. Eliten, darunter er selber. Europäisches Einigungswerk? Die EU spaltet Europa!
Beste Vorsorge? Die EU wird Europa weiter auseinandersprengen, schon jetzt geschehen mit dem Euro, gerade wieder mit der Flüchtlingsverteilung.
5. Schäuble strebt in der EU »einen gemeinsamen einheitlichen Sozialstandard« an (FAZ v. 30.01.2017, S. 4), d.h. eine gigantische Umverteilung zu Lasten des deutschen Steuerzahlers! Welch eine permanente Selbstausbeutung!
6. Unter Schäuble stieg die durchschnittliche Steuerquote auf 22,86 Prozent, ein Höchststand (2005: 19,50 Prozent).

15. Schäuble unterschrieb die entschädigungslose Enteignung im Einigungsvertrag von 1990.

Werner Mussler bezeichnete einmal Schäuble als »größten Heuchler« (FAZ vom 30.07.2016, S. 17), und R. Bollmann bescheinigte ihm eine »Geringschätzung gegenüber dem Geld«. Seit 1972 agiert und agitiert Schäuble, der in der CDU-Spendenaffäre verwickelt war, als sei sie eine Spielwiese. Ein beschämendes Schauspiel für die Demokratie. Er zieht einen ganzen Schweif von ungeheuerlichen Aussagen und Handlungen hinter sich her: Verfassungsrechtler seien demokratisch nicht legitimiert (2008), er sprach von Internierungslagern für Gefährder (2007) usw. usw. Die Medien bieten ihm seit 45 Jahren ein breites Forum und begleiten ihn meist unfaßbar unkritisch.
Waltharius

25. März 2017

Von langer Hand geplant: Deutschland in die Knie zwingen

Teil 21
Permanente Mahntage verdrängen Erinnerungsstolz

Von Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer

Das offizielle Deutschland hat sich darauf spezialisiert, Erinnerungstage als Mahntage zu zelebrieren. Ob 27. Januar (Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus), 20. Juni (Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung), 17. Juni (Erinnerung an den niedergeschlagenen Volksaufstand in Berlin), 9. November (Gedenken an die Reichsprogromnacht) usw., es gibt keinen offiziellen Erinnerungstag, auf den die Bürger sich stolz erinnern könnten. Ausnahmslos werden die Bürger bei national und medial ausgerufenen Rückblicken ermahnt, dunkle historische Ereignisse nicht zu vergessen. Selbst auf dem 3. Oktober (Tag der Deutschen Einheit) liegt der Schatten der unsäglichen DDR-Jahre, deren Nachwirkungen vielen Bürgern die Feierlaune verdirbt. Nimmt man die vielen anderen Mahntage (1. Advent: Volkstrauertag, Tag des Umweltschutze usw.) hinzu (kein Tag des Jahres bleibt mahnfrei), so fühlen sich die Bürger geradezu täglich umstellt von einem offiziell verordneten Erinnerungsoktroi. Gewiß, Erinnerung muß sein, auch das Gedenken an unselige Ereignisse, aber schon Nietzsche warnte vor dem Erstickungstod von zu viel Geschichte. Vor mehr als zwanzig Jahren hat Harald Weinrich über die Notwendigkeit einer ›Kunst des Vergessens‹ im Kontext (!) eines notwendigen Erinnerns einen brillanten Essai geschrieben. Und seit zwei Jahrzehnten weise ich auf die fehlende Balance der beiden Einstellungen in Deutschland hin.

Nun greift eine große deutsche Zeitung die Schräglage auf und verweist darauf, daß keine andere Nation sich einen ähnlichen Trauerluxus leistet, der den Bürgern verwehrt, auf ein historisches Ereignis stolz zu sein. Die Franzosen feiern ihren 14. Juli, obschon die Revolutionsjahre mit schweren Untaten belastet sind. Die Menschenrechte, als deren Erfinder die Franzosen sich ausgeben, sind schon 1776 in den USA und 1665 teilweise auch in der Kurpfalz (Samuel Pufendorf) formuliert worden. Nationalfeiertage, die helle Erinnerungen wachhalten, sind identitätsstiftend wie kaum ein anderer Faktor. Wer ein Volk permanent in Trauerstimmung halten will, muß psychoanalytisch früh oder später mit schweren Eruptionen rechnen. Längst sind die Mahntage zur Routine von ›Eliten‹ geworden, die meisten Bürger fühlen sich vom dunklen Erinnerungshorizont niedergedrückt und schauen weg. Weil die Balance verfehlt wird, schadet man auch dem berechtigten Erinnern an dunkle Ereignisse.

Gibt es in der über eintausendjährigen Geschichte der Deutschen wirklich kein Ereignis, auf das sie stolz sein können? Ist in Deutschland ein Erinnern nur als Mahnen möglich? Die politische und mediale Klasse redet das dem Volk seit sieben Jahrzehnten ein und wundert sich, daß sich Gegenbewegungen ›von unten‹ her entwickeln, die flugs als Populismus verunglimpft werden. Die ›Aktion 18. März‹ (1848: Revolution in Berlin mit vorausgehenden Aufständen im Südwesten) als Populismus?
© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen die Originalzitate. Aus: www.walthari.com

Auf Walthari-Spuren: Was andere Stimmen wiederholen / Aufgeblasene Nachzügler

Von Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer

7. Januar 2017

Eintrag 55
Im Jahre 1998 veröffentlichte ich das Buch ›Das veruntreute Land‹. Untertitel: ›Wohin driftet Deutschland?‹. Nach bald zwanzig Jahren lesen sich die meisten der siebzig Eintragungen wie ein Fahrplan des Geschichtsverlaufs bis heute. Der vorhergesehene Verlauf läßt die Empörung der Nachzügler als aufgeblasene Ignoranten erscheinen.

Eintrag 56
Da sieht sich dieser Tage ein führender Kulturwissenschaftler Deutschlands mit dem Zusammenbruch seines universalistischen Illusionsgebäudes konfrontiert und beschimpft Islamkritiker – als ob die Attentate nicht serienweise aus dem muslimischen Milieu kämen. Postfaktische Erbärmlichkeit.

Eintrag 57
Da wiederholt der ranghöchste Politiker nach dem Bundespräsidenten die unsägliche ›kulturwissenschaftliche‹ These von den vielen Identitäten, die ein jeder Mensch habe. Er hält sie politisch folgenlos– als ob nicht wenige Identitätsmultis besonders gewaltbereit wären. Einer hatte sogar zwei Dutzend, bevor er in Berlin…

Eintrag 58
Da posaunt ein Journalist der Edelpresse in einer Glosse seine Empörung über Gefährder hinaus, eine Glosse, die er vor Jahren hätte schreiben müssen. Schlimme Ignoranz eines Nachzüglers.

Eintrag 59
Da zelebriert der SPD-Vorsitzende mit langer Verspätung einen Vorschlag, den seine Genossen, die Grünen und die Linksaußen noch vor kurzem… Seine Luftnummer: Schließung von Moscheen, in denen der Koran beim Wort genommen wird, Ausweisung von Predigern… Sowas fällt ihm erst im Wahljahr ein.

Eintrag 60
Da läßt ein UN-Bericht über Eritrea Dutzende deutsche Asylgerichte nackt aussehen, weil sie einem amtlichen On-dit auf den Leim gegangen sind und falsch geurteilt haben – als ob es nicht die gesetzliche Pflicht von Richtern wären, auf originäre Beweisaufnahmen zu bestehen. Ein veritabler Juisitzskandal, den besonders die Sendemedien kleinhalten, um die Bürger nicht…

Wir erleben gerade ein politische und mediale Kontinentalverschiebung: die alten Eliten und ihre eingespielten Sprachrohre sehen sich zunehmend entmachtet von den neuen Medien und von aufgewachten Bürgern. Früher genügte ein schneidender Verweis von oben, heute laufen selbst Weihnachtsansprachen ins Leere. Hier nun mein Fahrplan aus dem Jahre 1998 (in: ›Das veruntreute Land‹):

INHALTSVERZEICHNIS “Das veruntreute Land”

Abgeschoben: Das ist nicht mein Bier
Abwälzungen: Abwälzende Mentalitäten
Amerikanisierung: Importierte Lebens- und Medienstile
Anglifizierung: Sprachfalle
Arbeitslose: Ausgegrenzte im Aufstand
Ausländer: Angst vor Überfremdung oder Ausländerfeindlichkeit?

Bauprotz: Repräsentationsprotzerei
Bekanntmachungsrituale: Alle mal herhören!
Beziehungsvirtuosen: Intime Kennerschaften
Bildungsreformen: Pädagogische Wendehälse
Bischöfe: Katholische deutsche Bischöfe unterm Papstwort
Bürgersouveränität: Eingeschränkte Mündigkeit
Bürgerhinrichtung: Wie man schlichte Bürger medienöffentlich hinrichtet

Euro: Aufgeredetes Europageld
Events: Städtische Genußparadiese
Erfolgsgeheimnis: Denkwurzeln einer überlegenen Weltpraxis

Fusionen: Konzernmogule im Fusionsfieber

Gemeinde: Schröpfgebühren der Gemeinden
Geschichtsverengung: Fixierung auf das schwärzeste deutsche Geschichtsloch
Gläserne Welt: Netzspionage
Globalfinanzen: Von Finanzjongleuren, Steuerparadiesen und Anlagebetrügern
Globalisierung: Wenn Weltmärkte zuschlagen
Gurus: Deutschland im Zerrspiegel ausländischer Scheltgurus

Hilfe zur Selbsthilfe: Handel statt Entwicklungshilfe?
Hoffnungsträger: Noch ist Deutschland nicht verloren
Höflichkeit: Mehr als nur schlechte Manieren

Islam: Befremden nur die Islamisten?
Interessensverleugnung: Rückwärts im gebückten Gang
Jugendopfer: Im Schatten der Erinnerung

Kirchen: Was tun die Kirchen gegen den Glaubensverfall?
Kleingedrucktes: Im Dschungel des Kleingedruckten
Korruption: Bestechlichkeit in Deutschland
Kriminalität: Furchterregender Verbrechensanstieg

Libertinär: Tolerieren wir uns zu Tode?
Linke Denkmalsidole: Ein exemplarisches Denkmalsidol der Linksintellektuellen

Manager: Der verleaste Manager
Mega-Genüsse: Leben wie die neuen Götter in Deutschland
Multikultis: Auf Sand gebaut

Nationalstolz: Dürfen Deutsche patriotisch sein?
Naturfraß: Zersiedeln wir uns zu Tode?
Neonazis: Braune Horden
Neosozialismus: Postsozialistischer Aktivismus

Political Correctness: Was sich emanzipatorisch gehört
Presse: Die Meute

Quotengequengel: Gleichheit kontra Qualität

Radio: Worüber ein Rundfunk nachrichtet
Reformstau: Die Parteien, die Parteien.
Rentner: Verfrühte Frührentner

Schöner Schein: Kultur am Tropf
Single-Spaß: Fit for fun
Sozialer Sprengstoff: Arm und Reich
Sportgold: Goldgrube Profisport
Staatlichkeit: Staatlichkeit an der Kapazitätsgrenze
Staatskartell: Preisnehmer im staatliche geschützten Kartell
Staatsschulden: Was machen mit soviel Staatsschulden?
Standort D: Erstarrte Systeme
Starkommentatoren: Priester der Meinungsherrschaft
Subventionen: Am Subventionstropf

Traditionsschlächter: Die ritenverachtende Gesellschaft

Überalterung: Überaltertes Deutschland
Überregulierung: Überregulierter Alltag
Umfragen: Was Deutsche lieben und fürchten
Universitäten: Gefesselte Wissensriesen
Urteils-Dschungel: Unsere Lebenspraxis im Dschungel von Gerichtsurteilen

Vergnügungsurlaub: Überzogene Vergnügungsurlaube
Volksverachtung: Selbstrepräsentanten

Wächter: Ständig auf der Lauer
Wellnesskult: Ein gastroerotisches Spektakel

Zensur in Deutschland?: Ist die Meinungsfreiheit in Gefahr?
Schlußbetrachtung: Das veruntreute Land
Waltharius.

17. Dezember 2016

Trübe Obama-Bilanz

Beim Amtsantritt des US-amerikanischen Präsidenten Obama erschien in diesem Walthari-Portal ein Beitrag unter dem Titel ›Obama ird scheitern‹. Zu dieser Prognose mußte man nach der Lektüre seiner Antrittsrede kommen. In seinem visionären Eifer versprach er zu Vieles, was er nicht erreichen konnte.

Anzulasten ist ihm auch der angewachsene Schuldenberg der USA in Höhe von 19(neunzehn) Billionen US-Dollar, eine Zahl mit zwölf Nullen. Bei seinem Amtsantritt vor acht Jahren waren es noch 10,6 Billionen. Keiner de vorangegangenen 43 US-Präsidenten hat den staatlichen Schuldenberg wie Obama fast verdoppelt. Und keiner seiner Vorgänger hat sein Land so hoch bei Japan und China verschuldet: Beide Länderhalten 37 Prozent der US-Staatsanleihen. Die USA müßten auf der Stelle in Konkurs gehen, verlangten Japan und China wegen Bonitätsmängel eine sofortige Rückzahlung. Indirekt übt China gegenüber den USA finanzielle Kolonialherrschaft aus.

Die weltweit euphorische Begrüßung von einst, ist einer Ernüchterung gewichen und belegt erneut die mediale Blindheit gegenüber den erkennbaren Fakten. Wiederum lag eine Walthari-Prognose richtig.

Teilweise anzulasten ist Obama auch der Wahlsieg Trumps. Wer über die Jahre große Teile der amerikanischen Bürger zugunsten professioneller Selbstvermarktung (sie brachte ihm den Friedensnobelpreis ein), darf sich nicht wundern, wenn…
© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen die Originalzitate. Aus: www.walthari.com

18. Oktober 2016

Von langer Hand geplant: Deutschland in die Knie zwingen

Teil 20
Aden, M.: Das Werden des Imperiums Americanum
und sein hundertjähriger Krieg,
Ares Verlag, Graz 2016, 231 Seiten, 18,- Euro

Der Autor bietet einen geschichtlichen Schnelldurchgang von der Antike bis heute und blickt auch in die nahe Zukunft, wobei die Berichtlinie auf die »bröckelnde Pax americana« und auf Deutschland zuläuft. Aden hält es für »offenbar nicht möglich, Geschichte wirklich sine ira et studio« zu schreiben (202), was ihn ermuntert, eine Perspektive einzunehmen, die der Neuen Rechten schadet. Denn sie hat durchaus gute Argumente vorzubringen, die hier mit Wendungen wie »Hitler und seine angeblichen Welteroberungspläne« (172) untergraben werden. Natürlich »stehen deutsche Historiker… unter dem Eindruck einer überwältigenden deutschen Schuld« (202), diese hätte sie allerdings nicht hindern sollen, die Geschichtswissenschaft nach den üblichen wissenschaftlichen Standards zu betreiben, was in der Tat über Jahrzehnte nur in Ausnahmefällen geschehen ist. Der Hinweis auf die selbstauferlegte Wahrnehmungsverzerrung der Historiker rechtfertigt aber nicht »die überwältigende deutsche Schuld« im Zweiten Weltkrieg zumindest indirekt zu bezweifeln (202 ff.). Hat England »zum Sieg über Deutschland eigentlich (?) gar nichts (!) beigetragen«? Immer wieder stößt man beim Lesen auf irritierende Formulierungen. Dabei bietet der Autor eine Fülle von bedenkenswerten historischen Daten, die unstreitig zur anglo-amerikanischen Dominanz geführt haben: sprachlich, wissenschaftlich, netztechnisch usw. Auf dem Weg zu dieser Vorherrschaft waren viele Mittel recht, vor allem kolonialistische und kriegerische, um Konkurrenten auszuschalten und niederzuhalten, allen voran Deutschland, das nach wie vor nicht nur den Angelsachsen als unheimliche Mittelmacht erscheint. Ringsum Deutschland hält das Staunen, der Neid und der Überwachungstrieb an, hat sich doch die europäische Mittelmacht innerhalb eines halben Jahrhunderts aus einem Trümmerfeld (1945) zum wirtschaftlichen Hegemon entwickelt. Frankreich, Italien, Polen und andere Staaten tun alles, um die EU-Einfriedung Deutschlands und den Mittelabfluß aus diesem Wirtschaftswunderland zu erhalten. Zurecht verweist Aden auf die unsägliche angelsächsische Propagandamaschine, doch Hitler mit Hannibal zu vergleichen ist nicht nur zeitlich weit hergeholt. Manches liest sich stellenweise so, als wolle man Hitler salvieren (171 ff.).
© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen die Originalzitate. Aus: www.walthari.com

30. September 2016

Hier irrt die Bundesbank

In ihrem Monatsbericht 9/2016 hält die Deutsche Bundesbank (DBB) indirekt der EZB vor, daß das »geldpolitische Mandat« nicht auf »Verteilungseffekte« zielen dürfe. »Für die Zentralbanken (sei) daher ein vertieftes Verständnis« über die »Wechselwirkung zwischen Geldpolitik und Verteilung… wichtig« (S. 37). Das ist eine harsche Kritik an Draghi, die aber ins Leere läuft. Die DBB bestreitet nämlich gleichzeitig, »dass die expansiven geldpolitischen Sondermaßnahmen der letzten Jahre … die Ungleichheit erhöht« haben (S. 38). Dem steht entgegen: Vom 5.339 Billionen Euro privaten Geldvermögen in Deutschland werden rd. zwei Billionen unverzinst auf Sparbüchern, Giro- und Tagesgeldkonten geparkt Die Wirkungen der Nullzinspolitik der EZB treffen auch die rd. zwei Billionen Versicherungen und Pensionskassen der Altersversorgung. Insgesamt entgehen den Sparern jährlich mehr als einhundert Milliarden Zinserträge! Dieser Vermögensraub ist ein veritabler Skandal, den die Altparteien und ihre Spitzenpolitiker mit zu verantworten haben, denn… Auch die Bundesbank nimmt die skandalöse Enteignung hin. Mit 705 Milliarden Euro haben sich überdies die Euroländer bei ihr verschuldet (Targetsaldo, S. 17 im statistischen Teil).
© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer. Aus: www.walthari.com

9. September 2016

Von langer Hand geplant: Deutschland in die Knie zwingen

Teil 19
Von Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer

Schon im 14. Jahrhundert beklagte ein Chronist den »Deutschenhaß« ringsum, der die Schriften des Lehrers der Deutschen (Albertus Magnus, 1200-1280) unterdrücke. Was viel später der Engländer Francis Bacon (1561 -1626) propagierte, nämlich die Natur methodisch-nüchtern statt aus den Schriften zu betrachten, hat Albert (er wurde 1931 heilig gesprochen) vorweggenommen: Ohne religiöse Vorbehalte solle man »zu erforschen (trachten), was im Bereich der Natur durch natureigene Kräfte auf natürliche Weise alles möglich ist«. In der europäischen Geistesgeschichte gilt dennoch Bacon als der früh bestimmende Naturphilosoph, während Alberts empirische Lehre und Naturkunde vergessen ist. Im Jahre 1980, als seines 700sten Todestages zu gedenken war, fiel die Erinnerung selbst in Deutschland schwach aus.

Es gleicht einem Tabubruch, daran zu erinnern, daß Frankreich seit Jahrhunderten seinen östlichen Nachbarn listenreich kleinhalten will. Die Raffinesse und Rechtsbrüche, mit denen das Elsaß im 17. Jahrhundert einverleibt wurde, war nur ein Vorspiel für den napoleonischen Imperialismus. Fortsetzung fand das hinterhältige Spiel in den Monaten der deutschen Wiedervereinigung. Heute greift man statt zu militärischen zu EU- und Euro-spezifischen Mitteln. Das Herzland Europas kleinhalten, irgendwie fesseln gehört zum Mentalitätshaushalt ringsum. Die Transferunion, von zahlreichen EU-Staaten gefordert, am lautesten von Frankreich, wird Deutschland endgültig…

Ja gewiß, die Idiotenherrschaften in Deutschland handelten verbrecherisch. Aber begegnete Bismarck 1871 dem besiegten Frankreich hinterlistig? Frankreich hat weit mehr Kriege geführt als Deutschland, seine Kolonialkriege nicht einmal mitgerechnet. Das sagt viel.

Immer wieder treiben es die Nachbarstaaten Deutschlands so arg mit dem als tumb und hypermoralisch angesehenen Staat in der Mitte Europas, daß selbst die traditionell deutschlandkritische Neue Zürcher Zeitung sich manchmal schützend bemüht: ›Prügelknabe Deutschland‹ lautet etwa die Überschrift vom 21. Mai 2016.

Der Schuldige an beiden Weltkriegen war nach 1945 über Jahrzehnte allein Deutschland, obschon die historische Forschung rund ein Dutzend anderer Staaten mit in der Verantwortung sieht. Man lese dazu neuerdings Filippo Focardis ›Falsche Freunde?‹, Paderborn 2015. Die alliierte Propaganda, voran die Angelsachsen, hatten immer schon ganze Arbeit geleistet.

Wie kniefällig Deutschland eingeschätzt wird, belegt aktuell das ehrlose Verhalten Merkels gegenüber dem türkischen Autokraten Erdogan. Doch nicht nur weit hinten in der Türkei hält man die deutsche Politik für leicht erpreßbar.

Ein bewährtes Dauermittel für die Aufrechterhaltung der Erpreßbarkeit sind ständige Belehrungen und Nazianspielungen. Die Schweiz und England predigen aus der Pose ›Wir altbewährten Demokratien…‹ und weisen hochmütig den Weg aus der EU-, Flüchtling-, Finanzkrise usw., empören sich aber prompt, wenn deutsche Medien vorsichtig auf die Splitter in deren Augen hinweisen.

Bisher unvorstellbar ist eine Erniedrigung, die von der Europäischen Zentralbank unter der Leitung des Italieners Draghi ausgeht. Deutsche Sparer, Banken, Rentenanwärter u.v.a. büßen Wertverluste durch die Nullzinspolitik von rd. einhundert Milliarden Euro jährlich ein, während andere EU-Länder die Vorteile einstreichen. Die Deutsche Bundesbank haftet für rd. 800 Milliarden Euro im Target-Verkehr.

12. Juni 2016

Schäubleriana

– Teil 11 der Artikelserie –

Seit Jahren kann man in diesem Walthari-Portal nachlesen, wie durchtrieben Wolfgang Schäuble seit 1981 im parteipolitischen Getriebe agiert. Die Presse hat ihm alle Ausrutscher und Tricks nachgesehen, um sich ihn als Gesprächspartner mit großem Hintergrundwissen zu erhalten. Nun scheint aber das Maß voll zu sein, nachdem er die unsäglichen Sätze zu Protokoll gegeben hat: »Die Abschottung ist doch das, was uns kaputtmachen würde, was uns in Inzucht degenerieren ließe. Für uns sind Muslime in Deutschland eine Bereicherung unserer Offenheit und unserer Vielfalt. Schauen Sie sich doch mal die dritte Generation der Türken an, gerade auch die Frauen! Das ist doch ein enormes innovatorisches Potential!«

Nicht nur daß er die Deutschen als inzuchtanfällig betrachtet, was an Verleumdung kaum zu überbieten und mit seinem Amtseid nicht zu vereinbaren ist. Nicht nur daß er den deutschen Frauen offenbar ein geringeres «innovatorisches Potential« zutraut, was zusammen einen sofortigen Amtsverzicht rechtfertigte. Er verdreht kaltschnäuzig die Tatsachen in der islamischen Welt, wo Ehen innerhalb der Verwandtschaft vorzüglich angestrebt werden (Ausnahmen: vgl. Sure 4). Türkischstämmige Einwanderer in Deutschland heiraten bevorzugt Importbräute aus dem verwandtschaftlichen Umkreis. Was dabei herauskommt, kann man bei Yasemin Yadigaroglu nachlesen. Die Presse verschweigt die Befunde und zeigt sich erst nach der Türkenblut-Rede von Erdogan aufgerüttelt – und blamiert. Ein Musterbeispiel für ablenkendes Ertapptsein liefert die FAZ vom 11. Jun 2016. Der demaskierte Redakteur scheint unter den EU-Euro-Kritikern nur »Brandstifter« erkennen zu können, muß aber die katastrophalen Konstruktionsfehle der EU zugeben. Er muß sich von einem Verfassungsrechtler z.B. belehren lassen, daß einfaches (!) europäisches Recht Verfassungsrang erhält und damit der Gestaltungspraxis nationaler Parlamente entzogen ist. Das hat der ertappte Redakteur nun auch verstanden, was ihn dazu bewog, dem Finanzminister Fahrlässigkeit zu bescheinigen, gleichzeitig aber feststellt: »Schäuble rutscht so etwas nicht einfach heraus.« Dann war es aber nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich, was sich mit der Grundthese dieser Artikelserie deckt, daß Schäuble eine gefährliche Politik betreibt: voller Tricks, voller Wendemanöver, voller EU-Utopismen und sarkastischer Einstellungen. Davon will die FAZ auf erbärmliche Weise ablenken, indem sie vorzüglich den sog. Rechtspopulismus zu den »hausgemachten Idiotien« rechnet. Immerhin bequemt sie sich zur karrierevernichtenden Wendung »Schäubles obszönes Oktroi der Vielfalt.«
© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen die Originalzitate. Aus: www.walthari.com

11. Mai 2016

Von langer Hand geplant: Deutschland in die Knie zwingen

Teil 18:
Simms, B.: Kampf um Vorherrschaft.
Eine deutsche Geschichte Europas: 1453 bis heute,
Pantheon Verlag, München 2016, 896 Seite, 19,90 Euro

Kein deutscher Historiker hatte bisher den Mut, den vom britischen Professor für die Geschichte der internationalen Beziehungen behandelten Themenkomplex aufzugreifen. Er sieht die Geschichte Europas als Kampf um die Vorherrschaft, wobei es über die Jahrhunderte bis heute darum geht, die Nation in der Mitte des alten Kontinents in Schach zu halten. Was nach dem Zweiten Weltkrieg als Zähmungsmaßnahmen anzusehen ist, die Einbindung Deutschlands in die Nato und EU, findet sich in der Geschichte variantenreich als Kriege und Bündnisse. Ob Frankreich, England, Schweden(im 30-jährigen Krieg), Rußland (mit der DDR) oder das Osmanische Reich, sie und andere Staaten (einschließlich der USA) fürchten seit jeher eine deutsche Vormacht, die sich aus Bevölkerungszahl, der wirtschaftlichen Stärke usw. ergibt. So ist die Lage wieder heute, siebzig Jahre nach der verheerenden Niederzwingung der Nazi-Diktatur. Wie Phönix aus der Asche bombardierter Städte und Dörfer und nach der industriellen Ausplünderung ist Deutschland naturwüchsig wieder zum Dominator geworden, mehr beneidet als bewundert, obschon deutsche Steuerzahler die Haushalte nicht weniger Nachbarländer sanieren helfen. Die deutsche Frage ist nach wie vor offen, denke man an die mehr oder weniger deutlich erkennbaren Vorbehalte in Polen, Frankreich, Italien, Griechenland usw.). Dagegen hilft auch nicht die friedfertigste Politik und die selbstauferlegte militärische Zwergausrüstung. Simms weitet den Blick auf dieses politische Muster bis zum berühmten Wendejahr 1453 (Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen). Ich lese das faktenreiche Buch als Kommentar meiner Artikelserie ›Deutschland in die Knie zwingen‹ (bisher 17 Beiträge in: www.walthari.com). Die Überschrift der Artikelserie (›Von langer Hand geplant‹) findet in Simms ›deutscher Geschichte Europas‹ (Buch-Untertitel) reichlich Bestätigung. Der Außenblick auf Deutschland hat sich durch politisches Kleinmachen und ökonomische Hilfeleistungen nicht objektivieren lassen. Je nach Bedarf schüchtert man mit der Nazikeule deutsche Politiker ein und will dabei die unsäglichen Kolonialverbrechen (Englands, Frankreichs u.a.) vergessen machen. Auf das Mordkonto des ehemaligen belgischen Königs Leopold II. gehen etwa zehn Millionen Kongolesen.

Simms gliedert seinen gewaltigen Stoff in:
1. Reiche, 1453-1648
2. Sukzessionen, 1649-1755
3. Revolutionen, 1756-1813
4. Emanzipationen, 1814-1866
5. Vereinigungen, 1867-1916
6. Utopien, 1917-1944
7. Teilungen, 1945-1973
8. Demokratien, 1874-2011
Der Anhang von 171 Seiten bietet u.a. mit den Karten und dem Sach- und Personenregister die notwendigen Orientierungshilfen. Das Dauermuster der deutschen Geschichte Europas (nicht der deutschen Geschichte) lautet: »Für Europa beunruhigt war (und ist, E.D.)… das enorme… Gewicht Deutschlands,.. Über vierhundert Jahre lang (bis zu Bismarck, E.D.) war Deutschland in erster Linie ein Objekt (!) der europäischen Politik.« Und das ist es heute mit der Draghi- und Juncker-Zwinge geblieben.
©Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen die Originalzitate. Aus: www.walthari.com

23. April 2016

Schäubleriana

– Teil 10 der Artikelserie –

In den vorangegangenen Teilen 1 bis 9 dieser Artikelserie wurde die ebenso windungsreiche wie gefährliche Politik eines der einflußreichsten deutschen Politiker seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts offengelegt: Wolfgang Schäuble agiert und agitiert seit nunmehr dreißig Jahren auf dem politischen Feld, wobei ihm viele Medien häufig zu Füßen lagen. Demgegenüber warnte schon der erste Beitrag dieser Artikelserie vom 13. Oktober 2011 vor den Gefahren, die vom schwankenden Politikstil Schäubles ausgehen: ›Finanzminister Schäuble: eine Gefahr für Deutschland?‹, lautete z.B. eine Artikelüberschrift. Einzig die FAZ nimmt, wenn auch spät, kein Blatt vor den Mund: ›Schäuble, scheinheilig‹ (11.03.2015), ähnlich scharf der Verriß im politischen Leitartikel vom 15. April 2016. Der gleiche Schäuble, der nun vor der Niedrigzinspolitik der EZB warnt, hatte an der Konstruktion der EZB mitgewirkt und setzte seine Hausvertreter bei der Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts (es ging um Kompetenzüberschreitungen Draghis) demonstrativ an die Seite der Frankfurter Umverteilungsbanker.

Über Jahre plädierte Schäuble für ›Mehr Europa‹, zeigt aber angesichts des EU-Euro-Scherbenhaufens keinerlei Selbstkritik. Großmaulig schwadronierte er in ganzseitigen Zeitungsbeiträgen (so in der FAZ vom 12.01.2013 und 07.04.2015) für ein zentralistisches Europa, obschon die ILO vor sozialen Unruhen angesichts des EU-Euro-Desasters gewarnt hatte. Der schlimme Verriß des ehemaligen Verfassungsrichters Dieter Grimm, worin er vom »Schleichweg der Verschleierung« mit Blick auf Schäuble spricht (vgl. FAZ Nr. 31/2013, S. 28), hatte die Politkarriere des wendigen Parteimanns ebensowenig beenden können wie die Spendenaffäre samt Gerichtsverfahren. Der verstorbene Finanzprofessor Wilhelm Hankel sprach von »einer bizarren Mischung aus Rechtsbeugung, Verschleierung, Rechts- und Vertragsbrüchen«, das die EU-Euro-Politik auszeichne. Eine Politik, die einem Wolfgang Schäuble nicht fremd sein dürfte.
© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer. Aus: www.walthari.com

3. Juli 2015

Schäubleriana

Teil 9 des Schäuble-Merkel-Desasters
Von Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer

Verrückter kann die allgemeine Lageeinschätzung nicht sein. Obschon Wolfgang Schäuble einer der Hauptverantwortlichen des Eurodesasters ist, jubelt ihm die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nach Abbruch der Griechenlandverhandlung zu, und auch das Publikum zeigt sich in Umfragen von dem Bundesfinanzminister begeistert.

Zur Erinnerung: Schäuble plädiert seit Einführung der Gemeinschaftswährung gegen alle ökonomische Vernunft für deren Bestand. Als politischer Akteur tat er alles, um die völlig falsch konzipierte Eurowährung politisch über die Runden zu bringen bis zum Griechenland-Kollaps. Deutschland kostet das Abenteuer samt Konkursverschleppung 90 (neunzig) Milliarden Euro, je Kopf der Einwohner 1.085 Euro. Und dennoch jubeln ihm die Unionsparlamentarier zu und sieht ihm das beschwerte Publikum als…

Seit 2011 sind in diesem Walthari-Portal mehrere Beiträge über ›Schäubles brandgefährliche Europaspiele‹ erschienen, die genau die Entwicklung bis zum derzeitigen Kollaps beschreiben. Das fintenreiche…
Es darf gelacht und geweint werden.

Den Koran beim Wort und die Mullhas ernst nehmen

Teil 14
Teil 1: 30. Sept. 2001
Teil 7: 22. Febr. 2003

2. … Rund um den Erdball hat die islamische Welt ein verheerendes Angstklima geschaffen, das durch Terroranschläge auch in der westlichen Welt laufend unterfüttert wird. Es ist daher scheinheilig, die Islamisierung nur auf die Zahl der Muslime in einem Land zu beschränken. In den Köpfen westlicher Bürger ›islamisiert‹ es täglich, befeuert durch Horrormeldungen in Serie.

3. Wie immer man den Koran auslegt, zahlreiche Suren sind so wenig demokratieverträglich wie Stellen im AltenTestament (vgl. z.B. 3. Mose 26, 7-8; 4. Mose 33,52), in dessen Namen allerdings kein weltweiter Terror stattfindet. Dies ständig zu bestreiten oder schönzureden oder zu übergehen, ist einer der folgenreichsten Fehler westlicher Meinungsführer in Politik und Medien. Wenn Bürger, die sich mittlerweile massenhaft korankundig gemacht haben, von ›Lügenpresse‹ und ›politischer Lügenkaste‹ sprechen, dann denken sie an die Kluft zwischen der Behauptung der politmedialen Klasse, wonach der Islam generell eine friedliche Religion sei, und den Suren wie »Sind die heiligen Monate abgelaufen, dann tötet die Beigeseller [Götzendiener], wo immer ihr sie findet, ergreift sie, belagert sie und lauert ihnen auf aus jedem Hinterhalt.« »Kämpft gegen die, die nicht an Gott glauben und auch nicht an den Jüngsten Tag (…), bis sie erniedrigt den Tribut aus der Hand entrichten« (Suren 9, 5 und 25). Längst gehört es zum allgemeinen Erkenntnisstand, daß dem Islam eine historisch-kritische Aufklärung wie beim Christentum noch bevorsteht und daß, solange dieser Prozeß nicht abgeschlossen ist, seine Texte zur Rechtfertigung von Terror herangezogen werden. Es zeugt daher von grober Irreführung zu behaupten, der sog. Islamismus hätte nichts mit dem Islam zu tun (so Bundesinnenminister de Maizière u.a.). Fortsetzung
© Waltharius, ausgenommen die Originalzitate. Aus: www.walthari.com

31. Januar 2014

Im Zugriff der großen Koalition: Menschen statt Bürger

Ohne die Aura des Citoyens

Leistet Papst Franziskus unfreiwillige Hilfe?

Veröffentlicht in der Wochenzeitschrift ›Junge Freiheit‹ vom 31. Januar 2014, Seite 18, unter der Überschrift »Marktwirtschaft unter Rechtfertigungsdruck – Freiheit ist das beste Mittel«.

Von Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer

Es ist eines der erstaunlichsten Phänomene unserer Zeit, daß es dem Parteienstaat gelingt, die zunehmenden Freiheitseinschränkungen als Fortschritt erscheinen zu lassen. Noch erstaunlicher ist, daß die überwiegende Mehrheit der Bürger nicht durchschaut, warum ein Übermaß an Freiheitseinschränkungen früher oder später zu Wohlstandsverlusten führen muß. Die Geschichte ist dafür ein unbestechlicher Lehrmeister. Am erstaunlichsten ist freilich, daß dieser Prozeß, der die rechtsstaatlichen und sozialen Fundamente einer freiheitlichen Gesellschaft berührt, sich aktuell auf eine hohe Autorität berufen kann, nämlich auf ein Lehrschreiben des Papstes vom November 2013 mit dem Titel Evangelii Gaudium (Die Freude des Evangelliums). Papst Franziskus wendet sich an alle Bischöfe, Priester und auch an die Laien, damit sie das »Evangeliums in der Welt von heute« verkündigen. Gerade dieser Tage erinnerte der Papst wieder an sein Lehrschreiben, als er an die versammelte Wirtschaftselite der Welt in Davos appellierte, für soziale Gerechtigkeit zu sorgen und die Armen in der Welt nicht zu vergessen. Es lohnt sich, die beiden Grundlagenpapiere für die einleitend beschriebene Lage, den Koalitionsvertrag (KV) zwischen der CDU, CSU und SPD und das Papstschreiben einer vergleichenden Betrachtung zu unterziehen, (1) weil beide Texte im Staatstrend liegen, und (2) weil von beiden Erklärungen eine unübertroffene politische und religiöse Leitfunktion ausgeht. Natürlich hat Papst Franziskus sein Schreiben nicht mit Blick auf den Koalitionsvertrag verfaßt, aber gerade dieser Umstand belegt ungewollt einen gewissen Gleichklang der Auffassungen über wirtschaftliche Zusammenhänge.

Das Menschen- und Gesellschaftsbild im Koalitionsvertrag und das darin erkennbare Verhältnis zwischen Bürger und Staat wurden öffentlich so ausführlich erörtert, daß ich mich hier kurz fassen kann. Kein Zweifel: Die Koalitionäre verschieben die Entscheidungsgewichte deutlich in Richtung Staat und schwächen damit die Selbstverantwortung und Freiheit des Bürgers. Die Belege dafür sind zahlreich: Eingriff in die Tarifautonomie (Mindestlohn), in das Mietvertragsrecht, in die Rentenkasse und damit in die spätere Alterssicherung, in das identitätsstiftende Staatsbürgerschaftsrecht, in die ärztliche Versorgung, in die sichere Energieversorgung usw. Ohne Not und Weitsicht greift der Parteienstaat in zahlreiche bürgerliche Lebensfelder tief regulierend ein, was mit individuellen Freiheitsverlusten erkauft wird. An das staatliche »Fürsorgemodell« haben sich die Wähler schon so sehr gewöhnt, daß sie die Schattenseiten geringschätzen und die Wohlstandsverluste übersehen. Der KV beschönigt und überdeckt die Einschränkungen mit wohlfeilen Formulierungen und Leerformeln (»Wir wollen die Soziale Marktwirtschaft stärken…«). Ständig spricht ein mächtiges Parteien-Wir: »Wir wollen«…, wir wollen.« In der umfangreichen Präambel ist vom Bürger nur in einem einzigen Abschnitt die Rede. Ansonsten hat man ihn, den Citoyen und Verfassungssouverän, aus dem Blick verloren und spricht stattdessen dutzendfach vom »Menschen«, als handle es sich um eine bloß biologische Spezies, die man händchenhaltend versorgen müsse. Der aktuelle politische Leittext für Deutschland atmet nicht die Aura des souveränen Citoyens.

In dem genannten Papstschreiben kommt ein Wirtschaftsverständnis zum Ausdruck, dem auch kirchentreue Christen, sofern sie ökonomisch aufgeklärt sind, kaum zustimmen können. Unternehmer und Wissenschaftler (darunter der Verfasser dieses Beitrags), die der katholischen Soziallehre viel abgewinnen können, schauen verwundert auf das Bild, das Franziskus von der (Markt-)Wirtschaft zeichnet, die er mit dem Verdikt belegt: »Diese Wirtschaft tötet« (Ziffer 52 seines Lehrschreibens). Dem Papst selber müssen Zweifel gekommen sein, sonst hätte er nicht in Ziffer 184 zugestanden, daß »weder der Papst noch die Kirche das Monopol für die Interpretation der sozialen Wirklichkeit« besitze. Er lädt zur Diskussion ein und setzt damit das offene Amtsverständnis seines Vorgängers Benedikts XVI. fort. Wenn er aber versichert: »Dies(es Schreiben) ist kein Dokument über soziale Fragen«, so stehen dem zahlreiche einschlägige Beschreibungen der wirtschaftlich-sozialen Verhältnisse entgegen. Daneben fallen auch deutliche Worte über das Systemische allen Wirtschaftens. Die Verhältnisbeschreibungen markieren schonungslos das Skandalon kalter Marktgesinnung. Mit ihr geht der Papst zurecht scharf ins Gericht. Er spricht vom »Schrei der Armen«, vom Elend der Ausgeschlossenen und macht eine »tiefe anthropologische Krise« dafür verantwortlich. Zwar seien »die Erfolge, die zum Wohl der Menschen beitragen«, lobenswert. »Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass der größte Teil der Männer und Frauen unserer Zeit« in »Angst und Verzweiflung« lebten, »sogar in den sogenannten reichen Ländern«. »Die soziale Ungleichheit tritt immer klarer zutage.« Franziskus schreckt vor drastischen Bildern nicht zurück und versichert, er schreibe »mit Liebe und bester Absicht…, weit entfernt von jedem persönlichen Interesse oder einer politischen Ideologie«.

Dutzende Briefstellen lesen sich jedoch eindeutig als Grobzeichnung einer politischen Weltanschauung (Ideologie). Der Papst legt an die Übel der Globalisierung biblische und lehramtliche Maßstäbe an, d.h. er wird systemisch. Das Schreiben steht unter dem Motto, »die Kultur zu evangelisieren, um das Evangelium zu inkulturieren«. Diese Perspektive erzwingt neben Übelbeschreibungen auch eine Systembeschreibung, die wohl nicht nur mich zweifeln läßt, ob Franziskus und sein Berater die Kategorien (nicht die Übel) des nun mal weltlichen Wirtschaftslebens richtig sieht. Eindeutig sind die Briefstellen, die eine Zuteilungswirtschaft favorisieren. Franziskus wünscht sich nicht nur eine »arme Kirche«, sondern auch eine Gemeinwirtschaft jenseits der Marktwirtschaft. Freie Märkte lehnt er erkennbar ab, ebenso »ein undifferenziertes, naives Vertrauen auf die Güte derer…, die die wirtschaftliche Macht in Händen halten«. Dafür macht er »die sakralisierten Mechanismen des herrschenden (!) Wirtschaftssystems« verantwortlich. Er schreibt, »in dem geltenden ›privatrechtlichen‹ Erfolgsmodell scheint es wenig sinnvoll zu investieren, damit diejenigen, die auf der Strecke geblieben sind, die Schwachen oder die weniger Begabten, es im Leben zu etwas bringen können«. Er meint, die »Kultur des Wohlstandes betäubt«, und stellt somit das herrschende Wirtschaftsmodell zur Debatte. Im franziskanischen Wirtschaftsdenken kommen Unternehmer und Privateigentum zwar noch vor, aber nur in dominanter Ausrichtung auf die Armen, Schwachen und auf das Gemeinwohl. Dadurch hofft der Papst, »den schweren Mangel an einer anthropologischen Orientierung« beheben zu können. Gott erwarte eine »verbindliche Antwort…, die außerhalb der Kategorien des Marktes steht«. Dazu sei auch ein »energischer Wechsel der Grundeinstellung der politischen Führungskräfte« erforderlich. Letztlich kristallisiere sich »in den ungerechten Gesellschaftsstrukturen« von heute das »Böse« als Grund dafür heraus, »warum man sich keine bessere Zukunft erwarten kann«.

Fügt man diese und weitere Aussagen zu einem Bild zusammen, zeichnet sich ein alternatives ökonomisches Weltbild ab, das in den Medien und unter Ökonomen überwiegend auf Ablehnung stößt, erst recht bei Unternehmern, die ihre Arbeit in Wettbewerbsmärkten herabgesetzt sehen. Der Papst wolle nicht nur die Kirche »radikal verändern«, hieß es in der Neuen Zürcher Zeitung, er übe auch »scharfe Kritik« am »gegenwärtigen Wirtschaftssystem…, da es vom Gesetz des Stärkeren geleitet sei«. Daher, so das allgemeine Presseurteil, betreffe seine »Regierungserklärung« (NZZ) nicht allein Katholiken, sondern gleichermaßen Gläubige, Atheisten und Agnostiker, also alle Bürger. Vermutlich hat diese allgemeingesellschaftliche Betroffenheit Kardinal Marx (München) in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zu einer Interpretation veranlaßt, die, legt man das Papstschreiben daneben, die Sache eher verschlimmert als rettet. Zu alledem schweigen führende Unions- und SPD-Politiker, vermutlich nicht weil ihnen die radikale Systemkritik sympathisch wäre, wohl aber ist es die erwünschte zunehmende Staatskontrolle, die ihnen zupaß kommt. Es wäre daher ein schwerer Fehler, das ökonomische Franziskus-Modell einfach als inkompetent zu ignorieren. Dagegen spricht allein schon seine weltweite Wirkung. Es ist zwar kein Dogma, aber an seiner Verbindlichkeit läßt der Papst mit ausführlich zitierten biblischen Gründen keinen Zweifel (Ziffer 191ff). »Die Sonderoption für die Armen« habe alles kirchliche und weltliche Handeln zu bestimmen, weshalb die »strukturellen Ursachen« für die Fehlentwicklungen an den »Wurzeln« zu packen seien. Franziskus sieht die Lösung in einer »angemessene(n) Verwaltung (!) des gemeinsamen Hauses«, worunter er ersichtlich gemeinwirtschaftliche Wirtschaftsformen im Geiste biblischer Brüderlichkeit versteht. Seine Wirtschaftsvorstellungen übersehen, daß globalisierende Märkte die Weltarmut weit stärker verringert haben (um rd. 700 Millionen Menschen seit den 80er Jahren) als dirigistische Mechanismen. Daneben gibt es weitere, historisch gut belegte und empirisch erhärtete Einwände, die hier nur angedeutet werden können. So hat der Papst keinen Blick für Evolutionsökonomien jenseits von Gemeinwirtschaften und auch jenseits des radikalkapitalistischen Globalisierungsbetriebes. Alles Wirtschaften kann man als einen evolutionsökonomischen Prozeß verstehen, der bei sanktionierender Rahmensetzung durch den Staat dann ›Wohlstand für alle‹ (Ludwig Erhard) zeitigt, wenn Freiheitsgrade individuell anspornen. Genau dann kommt es zu ›Wirtschaftswundern‹ mittels fairer und offener Märkte. Darin und nicht in einem gutgemeinten zentralistischen Durchgreifen liegt jene ökonomische Potenz, die einer sozialen Gerechtigkeit zuarbeitet und Armut verringert. Dafür gibt es in der Geschichte und Gegenwart zahlreiche Länderbeispiele (historisch: Nachkriegsdeutschland; akutell: Litauen). Der Papst aber verkennt solche überzeitlichen Prozeßmuster, die in allem Wirtschaftsleben stecken und die stets eine häßliche und eine ethische Seite haben und die unter lebensweltlicher Bürgerperspektive immer nur auf eine Mängelminimierung hinauslaufen können. Korruption oder armutsverachtender Luxus kommen in allen Wirtschaftsformen vor, die wirtschaftende Kirche selber war und ist nicht frei davon. Das liegt in der Conditio humana begründet, die das Christentum bisher nicht wesentlich aufbessern konnte. Dennoch sind Transformationen jenseits dirigistischen und radikalkapitalistischen Wirtschaftens möglich und notwendig. Der ersten Version fehlt es an Wissen, der zweiten an Moral. Aufgerufen ist der Staat als strenger Rahmengeber, nicht als Planungskommandeur. Franziskus will seine Kirche dezentralisieren, ein Muster, das zur Marktwirtschaft paßt. Warum hier nicht weiterdenken? Das wäre auch den Koalitionären zu empfehlen.
© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer. Aus: www.walthari.com

Euro- und EU-Schlamassel

Teil 7 des Schäuble-Merkel-Desasters

Von Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer

Wie seit den 90er Jahren vorhergesagt (auch in diesem Walthari-Portal mit zahlreichen Beiträgen): Der Euro wird scheitern, er bringt die Völker gegeneinander auf, er vernichtet Privatvermögen, zwingt zur staatlichen Finanzregulierung wie in Kriegszeiten und gefährdet die Demokratie. Die politische Klasse und die ebenso vorteilsbedachten Konzerne geben dem Volksbetrug…

Ein Aufmacher in der NZZ (Nr. 9/2013) ist überschrieben: ›Braucht die Politik eine Psychotherapie?‹ Besser wäre, die politische Klasse in bürgerliche Berufe zu entlassen, um den kartellartigen Parteienstaat direktdemokratisch zu reformieren (vgl. ›Aktive Bürgergesellschaft in einem gebändigten Staat‹).

Am 28. März 2013 hat der deutsche Finanzminister wieder mal eine Nebelkerze gezündet (in SWR II, 7,10 Uhr), obschon seine raffinierte Taktik vom ehemaligen Verfassungsrichter Dieter Grimm längst vernichtend demaskiert wurde (in: FAZ Nr. 31/2013, S. 28). Schäuble macht unbelehrbar weiter und rudert im Euro-Schlamassel…

Was muß noch alles geschehen, damit der schlafmützige deutsche Bürger sein Widerstandsrecht, wie es das Grundgesetz verbürgt (Art. 20/4), endlich wahrnimmt und begreift, daß die »verfassungsmäßige Ordnung« in Gefahr ist und daß daraus eine Widerstandspflicht erwächst? Erwacht das feige Bürgertum erst, wenn auch hierzulande auf Sparguthaben zur ›Rettung‹ der Gemeinschaftswährung ein Euro-Soli erhoben wird? Verdeckt (über riesige Haftungssummen) wird ja schon auf den Steuerzahler zugegriffen…
© Walthari® – Aus: www.walthari.com

Wolfgang Schäuble in der gefährlichen Irr-Spur
Teil 6
Von Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer

… er kann eben das böse Tricksen und faktenverdrehende Beschönigen nicht lassen. Davon legte er Ende 2012 in einem Gespräch wieder ungeniert eine Probe ab. In den neunziger Jahren plädierte er für ein Kerneuropa. Als man ihn daran erinnerte und seine derzeitige Illusionsthese vom zentralistischen Europa dagegenhielt, konterte er: Der Machtverlust der Mitgliedstaaten sei hinzunehmen. Darin folgen ihm nicht einmal mehr alle Berufseuropäer im Straßburger Parlament, geschweige denn bei Beobachtern mit Realitätssinn: Diese weisen auf die unheilbare Bürgerferne der EU-Kommission und des Europäischen Parlaments hin, das nach dreißig Jahren von immer weniger Bürgern gewählt wird (weit unter 50 % Wahlbeteiligung) und deren Abgeordnete kaum jemand kennt.
Schäubles Motto: »Ohne Krise bewegt sich (in Europa) nichts« (FAS 51/2012, S. 6) zeugt von einer menschen- und kulturverachtenden Brutalität. Heißt es doch: Das Gewachsene und Bewährte zerstören, um am EU-Raumschiff weiter bauen zu dürfen.
Brutalität und Illusionslust paaren sich in der Politik häufig mit Sarkasmus. Berühmt und entlarvend die Szene vor offener Medienbühne Anfang November 2010: Schäuble blickte, so notierte es ein Journalist, »grinsend, lachend und strafend zu Offer« (seinem damaligen Pressesprecher), fiel ihm ins Wort und machte ihn vor laufenden Kameras fertig: »Herr Offer, reden Sie nicht, sondern sorgen Sie dafür, daß…« Schäuble verließ verärgert den Presseraum, nicht ohne Offer zu verhöhnen. Als der Minister zurückkehrte, steigerte er seine höhnische Mitarbeiterbehandlung: »Kann mir mal einer den Offer herholen? Wir warten noch. Er soll den Scherbenhaufen schon selber genießen.« Herholen! Öffentlich niedermachen, das verrät viel über die Denkweise schlechthin.

In der Mentalitätstrias (Brutalität, Illussionslust und Sarkasmus) gesellt sich Verdrängen. Im Spiegel 7/2000, S. 27, konnte man nachlesen, wie das bei Schäuble geht. Den Geldspender Schreiber wollte er zunächst nur einmal getroffen haben, dann waren es aber doch zwei Mal und später noch ein drittes Mal. Die erste »Version untermauerte er… mit einer eidesstattlaichen Versicherung«. Das sagt…
Was leistet er als Finanzminister? »Sparen? Fehlanzeige«, titelte das Handelsblatt Nr. 26/2012, S. 4 f. und stellte ihm ein miserables Zeugnis aus. Trotz gut laufender Konjunktur nehmen die Staatsschulden zu. Den Juristen im Fiskalgeschäft ficht das nicht an, er redet sich heraus: »Es ist nicht der Finanzminister allein, der die Politik der Regierung beschließt.« Schäuble verschweigt aber das verfassungsrechtliche Vetorecht eines Finanzministers. Hauptsache auch hier, es…
© Walthari® – Aus: www.walthari.com

16. Oktober 2012

Tricks und anmaßendes Wissen bei Wolfgang Schäuble

Teil 5
Von Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer

Jetzt haben auch die gutgläubigsten Journalisten begriffen, was für ein Politikertyp der deutsche Finanzminister ist. Das hat lange, zu lange gedauert. Was sie schreiben, nimmt sich wie ein Nachgeplapper dieser Artikelserie im Walthari-Portal aus, die seit Oktober 2011 erscheint.

Schäuble schließt einen Staatsbankrott Griechenlands aus – gegen alle ökonomische Vernunft, der sich auch die fünf führenden Wirtschaftsinstitute jüngst angeschlossen haben. Endlich platzt der FAZ (Nr. 240/2012, S 13) der Kragen: »… den ›Rettern‹ geht es erkennbar nur noch darum, zu möglichst geringen eigenen politischen Kosten Griechenland abermals Finanzhilfen zu ermöglichen. Damit die Steuerzahler in den Geberländern weiter mitspielen, muss das Athener Zahlenwerk so aussehen, als gebe es nennenswerte Fortschritte, flössen die Kredite nicht nach wie vor ins Bodenlose… Wolfgang Schäubles Glaubwürdigkeit ist im Bemühen, den Euro um jeden Preis zu bewahren, auf der Strecke geblieben. Was immer der Minister heute auch sagt – garantiert ist, dass er morgen ein Argument finden wird, das Gegenteil für richtig zu erklären. Sollen den Griechen also demnächst doch wieder Schulden erlassen werden müssen, wird Schäuble erklären, dass ein Teilbankrott natürlich kein Staatsbankrott sei, oder so ähnlich« (Hervorhebung: E.D.).

Wer Schäubles politische Trickserei durchschaut hat (vgl. die Teile 1 bis 3 dieser Artikelserie), ist nicht überrascht.

Zugrunde liegt ein grundsätzlicher Gedanke: Die ambivalente Rolle des Nichtwissens wird zur Gefahr, wenn sie mit Arroganz gepaart wird. Friedrich A. Hayek hat 1944 in seinem Klassiker ›Der Weg zur Knechtschaft‹ (Neuauflage 2007; besprochen in diesem Walthari-Portal) auf die Anmaßung des Wissens, das zu wenig weiß, mit zahlreichen Beispielen hingewiesen und die Katastrophen und Ideologien des 20. Jahrhunderts anhand der Arroganz des sich wissend gebenden Nichtwissens erklären können. Die Dialektik läßt sich vereinfacht so darstellen: Nichtwissen übertrifft Wissen in unendlichen Ausmaßen; wenn daher Nichtwissende geschlossene Entscheidungen treffen oder Vorhersagen wagen, d.h. mit unvorhersehbaren Einwirkungen des Nichtwissens nicht kalkulieren, sich also arrogant geben, machen sie Fehler; im Nichtwissen steckt andererseits eine Freiheitkomponente (der komplizierte Zusammenhang wird demnächst in einem Walthari-Heft erklärt), die aber nur wirksam wird, wenn der Nichtwissende ohne die Arroganz des Allwissenden auftritt. Märkte und politische Makroentscheidungen (Einführung des Euro usw.) sind dafür beredte Beispiele.

Die Eurokrise läßt sich auf diesem Hintergrund gut erklären. Die Politiker taten in den 90er Jahren so, als wüßten sie genau, welche segensreiche Wirkungen von der Gemeinschaftswährung ausgehen würden – eine Hybris aus politischem Machbarkeitswahn. Auch die Verteilung des Friedensnobelpreises für ein bürgerfernes System, das ein Werk nichtwissender ›Eliten‹ darstellt, kann die Fehlkonstruktionen nicht aus der Welt schaffen, ganz abgesehen davon, daß schon die Friedensbegründung angemaßt ist; denn in Europa herrscht ein psychologischer Krieg wie seit sechzig Jahren nicht mehr.

Wolfgang Schäuble ist ein prominenter Vertreter angemaßten Nichtwissens. Daran erinnerte dieser Tage unfreiwillig die FAZ (Nr. 236/2012, S. 13) mit einem beschönigenden Beitrag: »Wette verloren, Herr Schäuble!«, titelte sie neben ihrem Ausriß eines Interviews, das die Zeitung mit dem Finanzminister am 24. Juli 2010 führte. Darin warb Schäuble nicht allein für ein Insolvenzrecht für marode Staaten, wovon er heute angesichts des bankrotten Griechenlands nichts mehr wissen will. In der gewohnten Manier des angemaßten Wissens sagte er damals: »Solange Angela Merkel Bundeskanzlerin und ich Finanzminister bin, würden Sie diese Wette« (es ging um die von der FAZ behauptete Verlängerung des EFSF) »verlieren. Die Rettungsschirme laufen aus. Das haben wir klar vereinbart. Griechenland wird insgesamt drei Jahre der Kreditlinien in Anspruch nehmen können. Dann können sie noch fünf Jahre laufen. Danach ist Schluss« (Hervorhebungen: E.D.). Inzwischen sind über 400 Milliarden Euro nach Griechenland geflossen, ohne daß sie das Land gerettet hätten. Und die Rettungsschirme laufen unendlich weiter. Schäuble räumt dem Land inzwischen einen Empfängerstatus bis 2020 ein und prophezeit, daß dann Hellas wettbewerbsfähig sein wird – kein Schluß mit angemaßtem Wissen also. Das paßt alles zur Analyse in den Teilen 1 bis 3 dieser Artikelserie. »Der eingeschlagene Weg… ist gleichermaßen unvermeidlich wie erfolgversprechend«, zitierte ihn die gleiche Zeitung in Nr. 167/2012, S. 2. Woher der Mann das weiß? Und warum lassen wir uns die Tricksereien gefallen?
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19. September 2012

Schäubles raffinierter Politikstil

Teil 4
Von Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer

Länger als Adenauer, Kohl und jeder andere Politiker bedient Wolfgang Schäuble die zentralen Schalthebel der Politik. Ob der unheilbare Bruch mit Kohl, die beschämende Spendenaffäre, Merkels Demütigung und all die anderen Schläge und Brüche: er hat alles überstanden und gilt als eigentlicher Stellwerker in der Eurokrise. Das schafft nur einer, der »von allem Anfang an süchtig war« (FAZ Nr. 216/2010, S. 36) nach der Macht und es dank seiner raffinierten Strategie (vgl. die Teile 1 und 2) verstanden hat, die Medien und das Publikum davon zu überzeugen, daß Machtsucht keine gefährliche Krankheit ist. »Er spricht viel über seine Politik und sagt mit seinen verschwurbelten Sätzen in Wirklichkeit wenig«, konstatiert der Journalist Manfred Schäfers. Davon und von seiner Meisterschaft im Verdrehen und Stechen gibt er dieser Tage wieder in einem Gespräch in der FAS (Nr. 37/2012, S. 33) eine Probe ab. Nicht nur die durch den Einigungsvertrag (Schäuble war maßgeblich beteiligt) enteigneten Bürger wundern sich über Schäubles Rechtsverständnis schon lange nicht mehr, auch die Millionen Sparer nehmen ihm nicht seine Behauptung ab, die gegenwärtige stille Enteignung ihres Geldvermögens habe nicht die Inflation, sondern die »Verzerrung in den Märkten« zur Ursache. Natürlich weiß er es besser, aber mit dieser Nebelkerze bleibt er bei seinem Metier. Forsch hatte er noch vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nach Karlsruhe signalisiert: »Nicht in einem Punkt gab es jemals den geringsten Hinweis, dass das Bundesverfassungsgericht etwa der Meinung sei, dass die Übernahme der Verantwortung durch den Fiskalvertrag und des ESM nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Deshalb schließe ich ein Daumensenken nun wirklich aus« (FAZ vom 5. Sept. 2012, S. 10). Selbst die dann doch verfügten Karlsruher Korrekturen deutet er kaltschnäuzig als volle Bestätigung der Bundesregierung und rüffelt Gauweiler und Weidmann. Wer, außer Schäuble, könnte sich diesen Ton und diesen Politikstil noch erlauben?
Seit 1961 ist Schäuble im politischen Geschäft. Darüber ist er siebzig Jahre alt geworden, und er will noch weitermachen und Proben seines…
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5. Juli 2012

Schäubles brandgefährliche Europaspiele

Die Erkennung seiner politischen Muster tut not

Von Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer

Im historischen Rückblick wird nicht allein Angela Merkel als herausragende tragische Gestalt in der Eurokrise gesehen werden, sondern mehr noch Wolfgang Schäuble. Älter und wirksamer als das System Merkel ist das System Schäuble. Während die Bundeskanzlerin erst nach der Jahrtausendwende ihre politischen Machtspiele beginnen konnte, agiert der Schwabe seit 1972 in verschiedenen Rollen auf Bundesebene, die ihn zum eigentlichen Szenenkönig machen, ohne daß dieses Bild in der breiten Öffentlichkeit so wahrgenommen wird. Schäuble war schon bei den entscheidenden Gesprächen im Wiedervereinigungsprozeß (1990) maßgeblich beteiligt, war Parteivorsitzender und Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag, hatte (hat) zentrale Ministerämter inne (Inneres, Finanzen), war für das Amt des Bundeskanzlers im Gespräch (was die CDU-Spendenaffäre 2000 verhinderte, sie kostete ihm die Spitzenpositionen) u. v. a. m. Er beherrscht in der Eurokrise die Szene, wenn nicht im Vordergrund, dann im Hintergrund wie bei den Brüsseler Beschlüssen vom 28./29. Juni 2012. Seine Rolle als Epochenfigur zeigt sich auch darin, daß er immer wieder für höchste Positionen im Gespräch ist.

Was kennzeichnet das Verhaltens- und Denkmuster dieses Mannes, der sich normalen bürgerlichen Berufs- und Lebenserfahrungen längst entwöhnt hat (er konnte als Bundestagsabgeordneter nur nebenbei für sechs Jahre Rechtsanwalt sein), dafür umso mehr große Räder im politischen Spiel zu drehen gewohnt ist?

Erstens: …
Zweitens: …
Drittens: …
Viertens: …

2. August 2012

Fünftens: Um die öffentliche Meinung in die gewünschte Richtung zu zwingen, hantieren Politiker weniger mit rationalen Argumenten als mit Horrorszenarien. Holger Schulze hat Angst als Mittel der Politik ausführlich beschrieben (in: Universitas, Heft 3/2012, S. 78 ff.) und es überzeugend hirnphysiologisch begründet (›Das limbische System als Schlüssel zur Macht‹). Angst als kollektive Emotionswelle verändert die objektive Wahrnehmung und verengt die Perspektive. Verängstigte Bürger (und Wähler) sind also leichter zu manipulieren. Merkel wandte den Machttrick bei der Energiewende an (Fukushima-Schock), Schäuble treibt seit Jahr und Tag zu raschen Entscheidungen (zuletzt vor dem Bundesverfassungsgericht!) in der Eurokrise an, weil sonst Schlimmes drohe. In Kombination mit Trick 4 malt er Szenarien aus, auf die das verängstigte Publikum gebannt starrt, womit die Perspektive verengt wird. Er muß es als schlimme Niederlage empfunden haben, als das Bundesverfassungsgericht sich jüngst weigerte, nicht schon in wenigen Tagen nach der mündlichen Verhandlung über den ESM zu entscheiden, sondern bis zum 12. September zu warten. In der Sache ist dies ein Realitätstest: Bricht die Eurozone wirklich zusammen, weil der ESM (und Fiskalpakt) nicht vom Bundespräsidenten flugs ausgefertigt wurde? Bis jetzt steht Schäuble blamiert in seinem Horroszenarium.

Sechstens: Beliebt ist der Trick, eine vorgeschlagene oder schon durchgeführte Maßnahme als alternativlos hinzustellen. Ohne Alternative seien der Euro und die Rettungsmaßnahmen, tönt es aus allen Rettungsrohren, ein Rückzug (auf den Boden der ökonomischen Vernunft) sei unmöglich. Auch hierin erweist sich der Finanzminister als Meister im politischen Betreibergeschäft. Daß in einer Demokratie offen, also alternativ diskutiert werden muß, paßt schwerlich in Schäubles Denkmuster, wenn man ihn reden hört.

Siebtens: Besonders raffiniert ist die Technik, einen Versuchsluftballon steigen zu lassen. Dazu deutet man eine Idee nur an oder läßt sie durch einen Sprecher »verlauten« und wartet ab, wie die Öffentlichkeit reagiert. Fällt das Urteil mehrheitlich negativ aus, gibt man sich mißverstanden. So war es bei der Kandidatur für den Vorsitz der Eurogruppe zu beobachten. Diese Koketterie sei keine gewöhnliche Schäuble-Dialektik gewesen, sondern ein veritabler Rückzug, schrieb die FAZ (Nr. 140/2012, S. 14).

Achtens: Schäuble ist wendig genug, um auf einen fahrenden Zug aufzuspringen. Um im Gespräch zu bleiben und Trends nicht zu verpassen, springt man auf und setzt sich behände an die Spitze. Man rieb sich die Augen, als sich Schäuble plötzlich als Verfechter einer Volksabstimmung zur Politischen Union aufschwang. Jahrzehnte lang war über direkte Demokratie wenig Positives zu hören. Nachdem das Thema Fahrt angenommen hat, schien es Zeit, sich volksnah zu geben, wobei es sich lediglich um eine Sprachblase handelt; denn wenn überhaupt, liegt der Vorgang in weiter Ferne.

Neuntens: Primärer Adressat moderner Machtpolitik ist nicht das Volk, es sind die Medien. Ihre Transmissions- und Multiplikatorenrolle entscheidet über die Machtgewinn und Machterhalt, weil in ihrem Resonanzraum die öffentliche Meinung sich bildet. Machtpolitiker und ihre Parteien unternehmen also alles, um diesen medialen Resonanzraum in ihrem Sinne mit Themen zu besetzen, die von den Presseleuten nicht negiert werden können. Es gehört daher zur politischen Beherrschungs- und Überlebensstrategie, in den Medien ständig präsent zu sein. Erfahrene Politiker verfügen über ein Arsenal taktischer Instrumente und Beziehungskanäle, um die Medienpräsenz aufrecht zu erhalten. Da Medien nach Neuem, Abweichendem und vor allem nach Negativem gieren, kann man sie nach Belieben und reichlich füttern, um Aufmerksamkeit zu erregen. Ein Musterbeispiel für diese hohe Kunst ist der fünfseitige (!) Aufmacher im Handelsblatt Nr. 107/2012. Unter dem (ironischen) Motto ›Europa braucht Prinzipien‹ bietet das Blatt dem Finanzminister ein Forum wie kaum einem anderen Politiker. Schäuble kann sich nach Herzenslust austoben und Nebelkerzen zünden. Wird er an frühere, längst überholte »Jetzt-ist-Schluß«-Aussagen erinnert, weicht er aus.

Zehntens: Am 20. Juni 2012 war in einer überregionalen Zeitung die Artikelüberschrift zu lesen: ›Verfassungsrichter: ESM-Urteil beendet Heimlichtuerei der Regierung…‹ Mit dem verharmlosenden Wort Heimlichtuerei ist nichts anderes gemeint als die moderne Form der geheimen Kabinettspolitik aus altadeligen Herrschaftszeiten. Damals hielt man die Untertanen für nicht politikreif, daher beriet und beschloß man hinter verschlossenen Türen. Dieser demokratiefeindliche Politikstil ist zum Standard während der Eurokrise geworden und mußte vom Bundesverfassungsgericht mehr als einmal ausgeräumt werden. Als zentraler Krisenakteur hat Schäuble schon systemlogisch daran einen gehörigen Anteil. Das Handelsblatt vom 24. August 2011 weiß unter der Überschrift ›Schäubles Geheimdiplomatie‹ einen konkreten Fall zu berichten (vgl. das Zitat im nachfolgenden Beitrag). Die geheimen Kabinettsbestimmungem im ESM-Vertrag passen genau ins Bild.
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13. Oktober 2011

Finanzminister Wolfgang Schäuble: eine Gefahr für Deutschland?

Von Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer

Wer die Umtriebigkeit und die Äußerungen des Bundesfinanzministers aufmerksam verfolgt, den beschleicht mehr und mehr das aufschreckende Gefühl, daß hier ein verzweifelt agierender Berufspolitiker mit allen Raffinessen sich (!) ein europäisches Denkmal setzen will, koste es für Deutschland, was es wolle. Dabei geht er bei seiner Mittelwahl keineswegs immer demokratisch und im Sinne seines Ministereides (»dem Wohle des Deutschen Volkes« Art. 56 GG) verträglich zu. Mehr noch: Wenn er über die desaströse Eurorettung spricht, stellt sich unwillkürlich der Eindruck ein: Er weiß mehr, als er sagt, und er verfolgt in pectore offenbar einen Plan, dessen Umrisse für Betrachter sich erst abzeichnet, wenn man Signalstellen seiner Äußerungen zusammenfügt. Der offensichtliche Plan: Schäuble hatte nicht nur vor, (1) die Budgetsouveränität des Bundestags zu beschneiden, wenn nicht gar auszuhöhlen (die Währungssouveränität Deutschlands ist ohnehin vergemeinschaftet), er strebte weiterhin (2) das höchst umstrittene Ziel ›Vereinigte Staaten von Europa‹ an, das den Ländern nur noch Reste ihrer Souveränität läßt (wie in den USA) und nationale Identitäten nach und nach folkloristisch verzwergt. Gefährlich ist dieser Weg, weil er die aus Jahrhunderten herausgewachsenen Mentalitäts- und Kulturunterschiede einzuebnen versucht, woraus sich zwangsläufig schwere Konflikte ergeben. Schäuble läßt sich, wie alle politischen Missionare ohne Bodenhaftung (Politik ist sein einziger Beruf, er kennt daher nicht den Berufsalltag der Bürger), davon nicht abschrecken, obschon vor seinen Augen der erste Stützpfeiler seiner illusionären Europa-Idee, die Gemeinschaftswährung, gerade zusammenbricht und die Völker, entgegen allen Versprechungen, einander entfremden läßt wie seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht mehr. Vor keinem Tribunal müssen sich die politisch Verantwortlichen für diesen gewaltigen Zivilisationsrückschritt verantworten, daher ihre ungezügelte Experimentierlust.

Schäuble (und die politische Klasse fast insgesamt) weiß, daß das Parteiensystem eine Art Immunitätsschutz für waghalsige Experimente ist, weil plebiszitäre Kontrollen von der Verfassung nicht vorgesehen sind. Weder die Mehrheit der Medien noch die Justiz braucht er zu fürchten, erst recht nicht den Verfassungssouverän, das Volk (vgl. Art. 20,2 GG), dem er seine Pläne bisher nicht offen auf den Tisch gelegt hat. Nebulös heißt es, wir (d.h. die politische Klasse, nicht das Volk) brauchen »mehr Europa«. Um sein Ziel zu erreichen, operiert Schäuble auch im Geheimen, wie das Handelsblatt, vom 24. August 2011 zu berichten weiß: »Schäubles Geheimdiplomatie: Parlament unerwünscht. Der Finanzminister beschreibt in einem vertraulichen Dokument, das er an fünf Spitzenpolitiker verschickte, die Arbeitsweise des mit 780 Milliarden Euro ausgestatteten Euro-Rettungsschirms. Die Parlamentarier sollen demnach eine Generalermächtigung aussprechen…Die Abgeordneten des Bundestags dürfen – so sieht es Schäubles Papier vor – lediglich den EFSF-Rahmenvertrag abnicken.« Erst das Euro-Rettungsschirm-Urteil des Bundesverfassungsgerichts brachte ihn von diesen Plänen teilweise ab. Nach dem Gesetz liegt nun die eigentliche Entscheidungsmacht nicht beim Bundestag, sondern bei einem parlamentarischen Ausschuß, der geheim tagt – eine überschaubare Gruppe für politische Einflußnahme. Was Schäuble stört, sind (1) die Grenzen des Grundgesetzes, mit dem die gewünschten Vereinigten Staaten von Europa nicht zu machen sind, (2) plebiszitäre Einsprüche und (3) die aufdeckende Pressekritik. Zu 3 ein seltenes Beispiel: »Finanzminister Wolfgang Schäuble sieht Europa als sein (!) Projekt. doch in der Eurokrise spricht er wirr und agiert unberechenbar« (FAS vom 17. Juli 2011, S. 29). Ja, er operiert unberechenbar und auch herablassend (»Ich habe meine spöttische Seite.“ Vgl. die denkwürdige öffentliche Abfertigung seines Pressesprechers Michael Offer Anfang November 2010). Zu 2: …
Zu 1: Die politische Klasse wird schon einen Weg finden, das Grundgesetz europafreundlich umzubiegen. In europarechtlichen Vertragsbrüchen hat sie ja eine bemerkenswerte Übung. Die Rechtskrise in Deutschland und Europa ist so weit gediehen, daß kaum jemand im Lande gefordert hat, die Rechtsbrecher vor Gericht zu stellen. Gespenstisch daher die Euro-Verhandlungen vor dem Bundesverfassungsgericht.
Schäuble »will Deutschland nun in Europa aufgehen lassen«. So deutlich schreibt es der Journalist Reinhard Müller. »Geschickt mischt er… Selbstverständliches mit Visionärem.« Selbstverständlich ist für Schäuble, »daß es für unser Land keine wirkliche Alternative zur europäischen Einigung und zur europäischen Wirtschafts- und Währungsunion gibt«. Das ist typischer Schäuble-Nebel, in welchem nicht erkennbar bleibt, wie die Einigung aussehen soll. Die öffentlich gehandelten Modelle reichen von einem Europa der Vaterländer bis zum Brüsseler Superstaat mit zentralistischer französischer Dominanz. Darüber läßt sich der Bundesfinanzminister nicht aus, obschon zu vermuten ist, daß er die zentralistische Variante bevorzugt, bevorzugen muß, weil anders eine fiskalpolitische Gemeinschaftslinie nicht zu erreichen ist. Auch hier ist die Mißachtung eingetretener Fakten oberstes politisches Prinzip: Was geldpolitisch total mißlungen ist (die EZB ist zur Bad Bank geworden), wird fiskalpolitisch nicht anders ablaufen, weil es nicht nur dem Souveränitätsverständnis, sondern auch den unterschiedlich gewachsenen Mentalitäten der Länder widerspricht.
Schäuble muß sich wenig darum kümmern, kann er doch in einem weitgehend sanktionslosen politischen Freiraum agieren (vgl. oben). Wird er einmal ernsthaft konfrontiert, wie bei dem denkwürdigen Gespräch mit dem ehemaligen Chefökonom der EZB, Otmar Issing, reagiert er wie seinerzeit gegenüber seinem untergebenen Pressesprecher: »Unterschätzen Sie die Entschlossenheit derer nicht, die jetzt an Europa bauen wollen. Es trifft mich persönlich, wenn Sie das eine Alibiveranstaltung nennen. Europa ist schon jetzt nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts viel mehr als ein Staatenbund.« Es beleidigt ihn also persönlich (!), wenn man die »Sorge« äußert, »daß man in der Krise nur eine Art Alibikontrolle in Europa hinbekommt, die nicht politisch legitimiert ist« (so Ottmar Issing). Das Interview ist entlarvend: (1) Die »Entschlossenheit« der politischen Klasse (»derer …, die«) darf nicht unterschätzt werden, die Völker haben nicht mitzureden (und wenn, wertet man es als Unfall auf dem Weg zu…). (2) Dieses epochale Vorhaben, das in Gestalt einer Euro-EU-Mißgestalt angestrebt wird (Alternativmodelle werden verteufelt), macht einer zu seinem persönlichen Anliegen – eine der gefährlichsten politischen Konstellationen, wie die Geschichte zeigt. Denn persönlicher Überehrgeiz schert sich wenig um Gesetze und Volksmeinung (vgl. oben).

Wenn schon Schäuble seine Person ins bitterernste Spiel bringt, dann muß er sich auch Anmerkungen zu seiner Person gefallen lassen. Der Finanzminister ist Jurist, eine Berufsgruppe, die sich bekanntlich für alles und jedes zuständig fühlt, auch für Finanzen. Juristen sind Verfahrensspezialisten, denen Substanzen leichterhand als knetbare Sache erscheinen. »Der wahrhaft juristisch Gebildete beantwortet Rechtsfragen stets mit der ernst gemeinten Floskel: ›Es kommt darauf an« (Milos Vec, MPI, Frankfurt/M.). Die Sachen selber werden stets unter Verfahrenspassigkeit gesehen, wobei man das Verfahren auch locker sehen kann (s. die Mißachtung des Bail-Out-Verbots). Daß manche Sachverhalte prozessual nicht mit sich spaßen lassen, weil ihnen eine besondere Wucht und Logik innewohnen, kommt in juristischem Denken nicht vor. »Habituell drückt sich der Besitz juristischer Bildung darin aus, jedes Problem als eine (bloße, E.D.) Rechtsfrage wahrzunehmen… Der Jurist nimmt jeden als jedermanns potenzieller Prozeßgegner wahr. Von hier aus bis zum Querulantentum ist es nur ein kleiner Schritt« (Milos Vec).

Wolfgang Schäuble wird erkennbar von einem brennenden Ehrgeiz angetrieben, den auch härteste Schicksalsschläge nicht brechen. Das ist solange bewundernswert, wie dieser Ehrgeiz nicht…

Allen übermotivierten Ehrgeizlingen sollten sich freilich diejenigen Zahlen hinter den Spiegel stecken, die Wirtschaftsforscher vom Münchener Ifo-Institut gerade vorgelegt haben. Beim Euro-Rettungsabenteuer stehen für Deutschland im schlimmsten aller Fälle nicht weniger als 472 Milliarden Euro Kosten auf dem Spiel. Das übersteigt den jährlichen Bundeshaushalt. Die maximale Kreditvergabe an schlingernde Länder beträgt 1.691 Mrd. Euro. Und selbst diese gigantische Summe wird nicht reichen, wenn Italien kollabiert. Wolfgang Schäuble ist der Hauptakteur in dieser Tragödie.
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Walthari-Vorhersagen

  1. Der Euro wird scheitern. Das ergibt sich aus seiner Fehlkonstruktion und aus den Mentalitäts- und den vielfältigen Unterschieden der beteiligten Länder.
  2. Merkel wird die Gesellschaft in Deutschland spalten. Die geschah nicht erst seit der Flüchtlingskrise.
  3. Merkel betreibt eine Politik auf Sicht (»Schritt für Schritt«), es geht ihr also eine strategische Begabung ab. Gravierende Fehlentwicklungen sind daher unausweichlich. Beispiele: abrupter Atomkraftausstieg, riskante EU-Erweiterung nach Osteuropa.
  4. Die ökonomische Dominanz Deutschlands wird früher oder später das Land isolieren, trotz milliardenschwerer Unterstützung an die Nehmerländer.
  5. Brüssel wird ohne demokratische Legitimation immer mehr Kompetenzen an sich ziehen und wird die EU-Bürger der Europa-Idee entfremden.
  6. Mit der Ernennung Draghis zum Chef der EZB hat man den Bock zum Gärtner gemacht. Er war vorher Chef des Finanzkonzerns, der Griechenland auf den Eintritt in die EU mitvorbereitet hat. Bekanntlich schaffte es Griechenland mit gefälschten Statistiken.
  7. Der Italiener Draghi wird als EZB-Präsident eine Vermögensumschichtung von Nord- nach Südeuropa betreiben, und zwar auf eine finanztechnische Weise, die für den Bürger schwer durchschaubar ist. Diese ›Geheimoperation‹ ist in vollem Gange und übersteigt bisher schon eine Billion Euro.
  8. Die Großmachtillusion unter dem Motto ›Mehr Europa‹, damit man nicht zum Spielball der etablierten Großmächte werde (USA, China, Rußland) wird platzen. Die Unterschiede der europäischen Staaten sind zum Bundesstaat nicht geeignet. Merkel, Schäuble und die anderen Euro-Euphoriker werden von den Fakten bestraft. Heute: Die EU gleicht einem Scherbenhaufen.

10. Dezember 2011

Der Rubicon im Euroland ist überschritten – die EU im unaufhaltsamen Spaltungs- und Zerfallsprozeß

Von Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer

Es war schon in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts unschwer vorherzusehen: Die EU und ihre sog. Gemeinschaftswährung werden nicht halten, was ihre Propagandisten damals versprachen. Ich wagte darüber hinaus noch die These: Der Euro wird Europa spalten und einen über Jahre anhaltenden Streit- und Zerfallsprozeß auslösen. Das war wiederholt nachzulesen in diesem Walthari-Portal. Nun spielt sich das Drama vor aller Augen ab. Für jedermann leicht erkennbar war und ist die Fehlkonstruktion des EU- und Eurogebälks (z.B. anhand der unsäglichen Zinspolitik der EZB und der zunehmenden Staatsverschuldung). Doch fast alle schlossen die Augen und wollen selbst heute noch nicht wahrhaben, was die Krise im Kern antreibt: die Machterhaltungsmaschinerien in den Parteienstaaten.

Parteien wetteifern um die Macht und können sich Konkurrenzvorteile vor allem mit Wahlgeschenken verschaffen. Dieser Mechanismus trieb (und treibt) die Parteien zum Schuldenmachen an, d.h. zu Staatsausgaben weit über die Steuereinnahmen hinaus. Das führte in Deutschland zu einem Schuldenberg von über drei Billionen Euro (zusammen mit den immanenten Schulden sind es fünf Billionen), in den USA zu fünfzehn Billionen Dollar.

Und ein Weiteres war unschwer vorherzusagen: Ohne scharfe direktdemokratische Kontrolle laufen die Parteienstaaten aus dem Ruder und auf bürgerkriegsähnliche Zustände zu. Genau dieser Unruhe-Prozeß beginnt gerade auf breiter Front an Fahrt zu gewinnen. Dennoch lehnen die Parteien direktdemokratische Kontrollen entschieden ab, weil sie, wie einst der Adel, um ihre bürgerferne Machtstellung fürchten müssen.

Diese Notlage treibt die Krisenverursacher zu wildem Aktionismus einschließlich Rechtsbrüchen an, ohne zu begreifen, was die Geschichte lehrt und worauf ich (und andere) immer wieder hingewiesen haben: Wenn die Politik planwirtschaftlich in das Wirtschaftsgeschehen eingreift, provoziert sie zwangsläufig ein Ausweichverhalten. Wer Märkte stranguliert, erzeugt unabweisbar Schwarzmärkte und wirtschaftliche Engpässe. Politik kann, wenn sie Wohlstand erzeugen oder erhalten will, die Wirtschaft nur einfrieden, ihr ein strenges Regelwerk vorgeben.

Es liegt also in der Logik der Parteienstaaten, den Machterhalt durch fortwälzendes und steigendes Schuldenmachen zu sichern, d.h. Wähler mit der Illusion zu gewinnen, daß sie über ihre Verhältnisse leben können. Dieser Prozeß muß dann zu Ende kommen, wenn der Schulden- und Zinsdienst aus eigener Kraft nicht mehr zu bedienen ist und Dritte als Zahlesel nicht mehr einspringen wollen. Für Griechenland, Italien, Spanien und Portugal ist dieser Zustand eingetreten und nur dadurch formell hinauszuschieben, daß Dritte (hier besonders Deutschland) zur Zwangsunterstützung herangezogen werden. Ob Eurobonds, Targetverschiebungen oder Rettungsschirme, alle diese Salvierungsmaßnahmen heilen nicht die Strukturfehler und den desaströsen Schuldenmechanismus in den Parteienstaaten.

Was auf den vielen Polit-Gipfeln (zuletzt vom 8. auf den 9. Dezember 2011) beschlossen wurde, gleicht nicht nur einem betäubenden Getue der sog. EU-Eliten. Das Getue hat nun auch sichtbar den Spaltungs- und Niedergangsprozeß der EU beschleunigt.

Was gerade in Brüssel beschlossen wurde, hat die eingetretene Krise in keinem Punkt verbessert:

  1. Die sog. Merkozy-Beschlüsse ändern nichts an der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit Griechenlands, Italiens und anderer Staaten.
  2. In Rechtsbrüchen und Tricksereien geübt, werden auch künftig…
  3. Den Gipfelbeschlüssen müssen Parlamentsbeschlüsse folgen, deren Ausgang ungewiß ist.
  4. Die fiskalische Zwangsverwaltung von Brüssel aus wird schwere Konflikte in den Ländern auslösen, die …
  5. Keiner der Beschlüsse wird die miserable Wettbewerbslage der Südländer beseitigen, eher verschlimmern.

Alea iacta sunt (die Würfel sind gefallen), mit diesen Worten soll Cäsar im Norden Italiens das Flüßchen Rubicon überschritten haben (49 v. Chr.), um in Rom seine Diktatur zu errichten. Die schicksalsträchtige Grenzscheide zur Verbrüsselung Europas wurde gerade überschritten und wird von den ›EU-Cäsaren‹ (auch sie halten das Volk mit Spektakel und Subventionen statt mit Abstimmungen bei Laune) selbstherrlich gefeiert, umrauscht von medialem Beifall. Wieder schaut die feinere, sich erschrocken gebende Bürgerschaft geduckt zu und wartet darauf, daß nützliche Idioten das Schlimmste verhüten, um danach voller eigenem Stolz … Die bekannte historische Feigheitsfigur der besseren Gesellschaft.
So läßt die Geschichte den Dingen ihren seltsamen Verlauf und…
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30. Juni 2012

Brüsseler Paukenschlag: Deutschland in die Knie zwingen

Teil 8: Frau Merkel hat es geschafft.

Von Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer

Mit der Verabschiedung des Europäischen Finanzstabilitätsmechanismus (ESM) durch den Deutschen Bundestag und Bundesrat am 29. Juni 2012 ist der Schlußstein im langjährigen Prozeß der Selbstentmachtung Deutschlands gesetzt worden. Das sog. Jahrhundertwerk ging an diesem Tag innerhalb weniger Stunden über die beiden Entscheidungsbühnen, obschon über eine Gesetzesvorlage abgestimmt wurde, die nach den Brüsseler Beschlüssen der Staats- und Regierungschefs in der Nacht vorher schon nicht mehr aktuell war. Absurder kann sich der Parteienstaat nicht mehr gebärden.

Mit dem ESM sind die Weichen unwiderruflich gestellt für schwere Verwerfungen, für Bürgerunruhen innerhalb Deutschlands, ja für eine sich ausweitende Staats- und Verfassungskrise. Gegen alle ökonomische Vernunft und gegen den politischen Verstand haben die im Bundestag vertretenen Parteien (mit einer Ausnahme) ein Räderwerk installiert, das neben den öffentlichen Haushalten und Bankensicherungsfonds in Deutschland nun auch bald die Sparvermögen der Bundesbürger auszehren wird, über Inflation und EU-weiten Haftungsmechanismen im europäischen Bankensystem und in staatlichen und halbstaatlichen Bereichen. Diese Ausraubung ist bereits in vollem Gange, verdeckt und offen. Man vergegenwärtige sich nur die der Deutschen Bundesbank aufgezwungenen schrottwertigen Target-II-Lasten aus Südeuropa in Höhe von derzeit 727 Milliarden Euro (Stand Mai 2012); seit Februar 2011 hat sich dieser Schrottberg verdoppelt.

Die Maßnahmenliste des finanzpolitischen Abenteurertums um die sog. Eurorettung ist lang, ebenso die Liste der Rechtsbrüche, der falschen Versprechungen und der Irreführung der Öffentlichkeit. Sämtliche Stationen dieses verlustreichen Unternehmens wurden in diesem Walthari-Portal kritisch ausgeleuchtet, immer wieder verbunden mit Aufrufen zum bürgerlichen Widerstand; denn das Parteien- und EU-System hat sich längst bürgerfern eingerichtet (vgl. dazu das Kapitel ›Parteienstaatliches Mißlingen‹ in Aktive Bürgergesellschaft in einem gebändigten Staat ). Jetzt erst, nachdem es wohl zu spät ist, rollt eine öffentliche Empörungswelle über das Land, man setzt alle Hoffnungen nun auf das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Merken die Bürger nicht, wie feige und armselig …

Die NGO Attac hat in einer Postkartenaktion an alle Bundestagsabgeordneten vor der ESM-Abstimmung an das Ermächtigungsgesetz von 1933 erinnert, was die Volksvertreter empörte, aber wohl nur wenige unter ihnen veranlaßte (sonst hätten sie anders abgestimmt), im ESM-Text genau zu prüfen, welche ungeheuerlichen Ermächtigungen dem autistisch agierenden Gouverneursrat unwiderruflich übertragen werden und welche nationalsozialistische Dr. Geiger- und Mangoldtspuren immer noch umhergeistern (vgl. die Nachweise der Grundrechtepartei, teilweise wiedergegeben in diesem Portal).

Das durchgängige Muster des trickreichen, demokratieverachtenden und daher widerlichen Spiels der politischen Elite wird demnächst in diesem Walthari-Portal transparent gemacht.

In unzähligen Vorlagen haben die Eurokritiker aufgezeigt, auf welche solide Weise man ein geeintes (nicht bundesstaatlich zwangsvereintes) Europa bauen kann: Schritt für Schritt, mit jeweils demokratischer Legitimation durch Volksabstimmungen, föderativ nach Schweizer Muster, mit Beschränkung auf das Machbare und Akzeptierte im Rechts-, Bildungsbereich usw., mit einer Leitwährung oder Einheitswährung unter annähernd gleich gelagerten Staaten, ohne Transferautomatismen (wie in den USA und der Schweiz) usw.
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5. April 2012

Schachtschneider, K. A.: Die Rechtswidrigkeit der Euro-Rettungspolitik.

Ein Staatsstreich der politischen Klasse
Kopp Verlag, Rottenburg 2011, 254 Seiten, 19,95 Euro

Das gut lesbare Buch gleicht einem Paukenschlag im gespenstisch anmutenden Klima bürgerlicher Lähmung. Wer auch nur halbwegs aufmerksam die abenteuerliche Euro-Politik der politischen Klasse verfolgt, muß um Frieden und Wohlstand fürchten. Ein drittes Kernelement sieht er bereits schwer beschädigt: die Rechtsstaatlichkeit. Kaltblütig geht das Parteiensystem über Recht und Gesetz hinweg, um zwei seiner gescheiterten Großillusionen zu retten: die fehlkonzipierte Währungsunion und die Europäische Union nach Brüsseler Bürokratenoktroi. Wer es wagt, auf die Folgen hinzuweisen, gilt als Anti-Europäer und Unruhestifter. Doch die schlimmen Fakten lassen sich davon nicht beeindrucken: Der Euro hat bereits die Völker Europas tief gespalten und gegeneinander aufgebracht; der deutsche Steuerzahler haftet mit rund 400 (vierhundert!) Milliarden Euro für sinnlose Rettungspakete usw. Und das Schlimmste steht noch bevor.

Der emeritierte ordentliche Universitätsprofessor Schachtschneider hat sich vorgenommen, das dritte Element, die Rechtsstaatlichkeit, in Zeiten der Euro-Rettungspolitik genauer zu untersuchen. Er kommt zu einem Schluß, der als Weckruf zu verstehen ist:

  1. Die Euro-Rettungspolitik ist rechtswidrig.
  2. Die Rechtswidrigkeit gleicht einem Staatsstreich der politischen Klasse.
  3. Jeder Deutsche hat nicht nur das Recht, sondern angesichts des Staatsstreiches die Pflicht, Widerstand zu leisten.

Die Widerstandspflicht ergibt sich nach Artikel 20 Absatz 4 Grundgesetz, wenn Rechtsverstöße von »allgemeiner Bedeutung« vorliegen. Das ist der Fall und mehr noch: Ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Grundrechtsgefährdung zu erwarten, sind die Bürger als Hüter des Rechts zum Handeln aufgerufen (argumentum ex a Abs. 2 lit b BVerfGG; zitiert bei Schachtschneider, S. 447 ff). Dafür muß eine »drohende grundrechtswidrige Maßnahme außergewöhnlicher Bedeutung für das Gemeinwesen« gegeben sein. Auch das ist der Fall, denn das absehbare Scheitern des Euro beschädigt das Eigentumsrecht (durch die zu erwartende Inflation entwertet das private Geldvermögen) und das Vertrauen des Bürgers in den Rechtsstaat. Der zuletzt genannte Schadensfall ist der gravierendere, er hat Langzeitfolgen. Wenn die Bürger zusehen (müssen?), wie die politische Klasse fortgesetzt und folgenlos geltendes Recht bricht, erschüttert diese Staatsstreichpolitik die Grundfeste der Demokratie. Warum, fragen Bürger, gebietet das Bundesverfassungsgericht diesen Rechtsverletzungen von außergewöhnlicher Bedeutung keinen Einhalt, wo doch schon kleinere Steuerhinterziehungen als Straftat gelten und streng geahndet werden? Welche Autorität haben noch Gerichte in den Augen von Angeklagten, wenn diese auf sanktionslose Rechtsverachtungen der politischen Klasse verweisen können?

Schachtschneider führt detaillierte Nachweise der geduldeten Rechts- und Demokratiekrise in drei Hauptkapiteln:

  1. Der Sachverhalt
  2. Vertrags- und Verfassungsverletzungen
  3. Rechtsschutz der Deutschen.

Das Buch führt vor Augen, wie bürgerfern sich die politische Klasse in ein kompliziertes Netz von Verträgen und Gesetzen eingesponnen hat. Das System der Intransparenz hat Methode, es will die Mitsprache von Bürgern aussperren und Rechtswidrigkeiten verdecken. Der ESM (Europäische Stabilitätsmechanismus) z.B. wird von einem demokratisch nicht legitimierten Gouverneursrat geleitet, dessen Entscheidungen gerichtlich nicht überprüft werden können. Als Quasi-Bank arbeitet der EMS geheim, obschon er über gigantische Steuergelder verfügt – ein Hohn auf die parlamentarische Etatpraxis. Angesichts solcher Sachlagen übernehmen die Bürger ein historische Verantwortung, wenn sie nicht…
© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen die Originalzitate. Aus: www.walthari.com

23. Juni 2009

Zur kulturellen Wende der Ökonomie

Zur ökonomischen Funktionslogik

Die antiken Oikos- und Oikeiosislehren hatten die Haushaltswirtschaft zum Mittelpunkt und verbanden damit das Tugendkonzept vom rechten Leben auch in der Polis (vgl. den Beitrag in diesem Heft ›Oikos-Strategien im Zeichen der Globalisierung‹). Produktion und Handel hatten sich auf das Notwendigste zu beschränken, ebenso der Besitz. In allem Wirtschaften sah man die Tendenz zu Übertreibungen und damit eine moralische Versuchung. Der Oikos war dennoch zugleich das Fundament der Bürgerdemokratie und des kulturellen Lebens. Das Konzept wurde im adeligen Herrschaftsbetrieb des Mittelalters und der Neuzeit um das bürgerdemokratische Element gekappt und aufgeteilt in eine Hausvater- und Kameralwirtschaft. Hausväter waren nur die Fürsten und die privaten Hausvorstände. Auch die Kameralwirtschaft war nunmehr eine Art Oikos, allerdings verkürzt um die anthropologischen, bürgerdemokratischen und familiär-ethischen Elemente. Wichtige ökonomische Prinzipien wurden vom Fürstenhaushalt mißachtet. Verschwendung war ihm nicht fremd, und für Opportunitäten hatte er wenig Sinn. Dieser kulturell entleerte Fürstenoikos diente Niccolo Machiavelli als Vorlage für sein rigoroses Staats- und Machtkonzept (in: ›Der Fürst‹), das weder von Moral noch von metaphysischer Einbindung geprägt ist. Politik und Moral fallen dabei nicht mehr zusammen, der Fürst handelt ausschließlich machtpragmatisch, er darf lügen, sein Wort brechen usw. An diesem Muster einer rein funktionellen Politikoptimierung orientierte sich Adam Smith 1776 in seinem Buch ›Reichtum der Nationen‹. An die Stelle der Politik trat der Markt. In beiden Fällen geht es um einen Optimierungsmechanismus, der am besten funktioniert, wenn er von kulturellen Elementen freigehalten wird. Märkte sind, wie die staatliche Politik, anonym, familienfern, a-moralisch. Ihre Funktionslogik ist ausschließlich auf mechanische Optimierung ausgerichtet. Um dieses ›Maschinenmodell‹ zu verstehen, bedarf es keiner kulturellen Maßstäbe, im Gegenteil, sie versperren den Blick für Wesen des rein Funktionellen. Das heißt aber keineswegs, daß Politik und Markt nicht kulturell eingebettet sind und moralisch nicht zu zähmen wären. Das Herauspräparieren des politischen und marktlichen Modells hat lediglich den Zweck, seine Funktionsweise richtig zu verstehen. Dieser analytische Blick mußte in der Folge von Machiavelli und Smith dafür herhalten, daß Politik und Marktwirtschaft zu kulturfernen und moralfeindlichen Bereichen erklärt wurden. Ein Großteil der Wirren und Schrecknisse im 19. und 20. Jahrhundert geht auf dieses Mißverständnis samt seiner Praxis zurück. Den Marktmechanismus analytisch sauber freizulegen heißt noch lange nicht, seine Funktionslogik ohne rechtliche, kulturelle und ethische Regulierung zu propagieren. Genau darin aber ergehen sich die Auseinandersetzungen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik und lange Zeit auch in den Wirtschaftswissenschaften.

Kollektivsubjekt und Individuum in der Ökonomie

Adam Smith hatte die ›Marktkälte‹ mit dem Theorem abzumildern versucht, daß die Summe egoistischen Wirtschaftshandelns zugleich das Gemeinwohl fördere. Diese Hoffnung erfüllt sich nicht immer. Lange Zeit richteten daher die Wirtschaftswissenschaften ihr ganzes Augenmerk auf die Bedingungen eines optimierenden Zusammenspiels der beiden Wirtschaftssubjekte Staat und Individuum. Da aller ökonomischer Reichtum auf die Handlungen Einzelner zurückgeht, modellierte man die Kunstfigur des Homo oeconomicus, der auf Märkten rein rational entscheidet…

Kulturelle Wende der Modell-Ökonomie

Unter den einschränkenden Bedingungen (ceteris paribus) war und ist das ökonomische Modelldenken berechtigt, damit Grundfunktionen klar erkennbar werden. Fehlerhaft wird diese Betrachtung erst bei einer Übertragung auf die Realität, wenn die kulturelle und gesellschaftliche Einbettung der Wirtschaft unberücksichtigt bleibt. Richtig ist auch der Einwand, daß Konsumenten, Sparer und Unternehmer nicht durchweg rational entscheiden, d.h. sich nicht immer an Knappheits-, Kosten- und Nutzenoptimierungskriterien halten, schon deshalb nicht, weil sie nicht umfassend informiert sind, um streng zweckrational vorzugehen. Zudem ist die Präferenzstruktur selber nicht sauber rational geordnet. Güter lassen sich exakt kalkulieren (in Kosten, Preise), Bedürfnisse und Nutzen nicht, weshalb die Wirtschaftswissenschaften in der Realität mit einer nur begrenzten Rationalität zu tun haben, die auch Entscheidungsfehler und -anomalien zuläßt. Menschen handeln nicht allein nach Optimierungskriterien, sondern auch nach Gewohnheiten, Vorlieben (darunter auch unrationale Präferenzen), Macht- und Prestigegesichtspunkten, öffentlicher Stimmungslage, in Krisenzeiten auch aus Angst und Panik…

Literatur als kulturökonomische Provokation

Regelmäßig scheitern literarische Figuren an sich selber, an der Gesellschaft, an Institutionen, Gruppen und Traditionen, also an Mächten und Kräften, die nur begrenzt beherrschbar und daher schicksalhaft sind. Woran sich die Marktökonomie die Zähne ausbeißt, erfahren Protagonisten in Romanen, Bühnenstücken und Gedichten leidvoll seit der Antike: Sie sehen sich in eine undurchschaubare Umwelt gestellt und werden gleichermaßen zu Opfern von Kontingenzen und dunklen Trieben. Wie in der Ökonomie hegen sie Hoffungsmuster, die von Realitätsproben zerzaust werden. Doch der symbolischen Kulturökonomie, welche Rettung jenseits von Kalkülen sucht, ergeht es nicht besser: Diskurse und soziale Währungen (Hingabe, Liebe, usw.) ›heilen‹ die lebensökonomische und wissenschaftliche Lage nur unzureichend. Insofern besteht eine erstaunliche Problemverwandtschaft zwischen einer sich kulturell einkleidenden Ökonomie und der Literatur sowie Literaturwissenschaft…

Literaturhinweise:

Becker, Gary S.: Der ökonomische Ansatz zur Erklärung menschlichen Verhaltens, Tübingen 1983.
Berger, Peter L.: The Capitalist Revolution. Fifty Propositions about Prosperity, Equality and Liberty, New York 1986.
Biervert, B. / Held, K. / Wieland, J. (Hrsg.): Sozialphilosophische Grundlagen ökonomischen Handelns, Frankfurt/M. 1990.
Bourdieu, Pierre: Praktische Vernunft. Zur Theorie des Handelns, Frankfurt/M. 1998.
Daniel, Ute: Kompendium Kulturgeschichte: Theorien, Praxis, Schlüsselwörter, Frankfurt/M. 2001.
Dueck, Gunter: Abschied vom Homo Oeconomicus. Warum wir eine neue ökonomische Vernunft brauchen, Frankfurt/M. 2008.
Durkheim, Emile: Die Regeln der soziologischen Methode, Neuwied/Darmstadt 1895.
Gay, Paul du (Hrsg.): Cultural economy: cultural analysis and commercial life, London 2002.
Gigerenzer, G. / Selten, R. (Hrsg.): Bounded Rationality. The Adaptive Toolbox, Cambridge/Mass./London 2001.
La Mettrie, Julien Offray: Der Mensch als Maschine, Nürnberg 1985.
Lenk, Hans: Der methodologische Individualismus ist (nur?) ein heuristisches Postulat, In: Eicher, K. / Habermehl, W. (Hrsg.): Probleme der Erklärung sozialen Verhaltens, Meisenheim 1977.
Mill, John Stuart: Einige ungelöste Probleme der politischen Ökonomie, Frankfurt/M. 1976.
Norkus, Zenonas: Max Weber und Rational Choice, Marburg 2001.
Ökonomie und Gesellschaft, Jahrbuch Nr. 11/1995: Markt, Norm und Moral, Frankfurt/M. 1995.
Polanyi, Michael: Implizites Wissen, Frankfurt/M. 1985.
Schmidt, Jürgen: Die Grenzen der Rational Choice Theorie. Eine kritische theoretische und empirische Studie, Opladen 2000.
Siegenthaler, Hansjörg: Geschichte und Ökonomie nach der kulturalistischen Wende, in: Geschichte und Gesellschaft, 25/1999, S. 276-301.
Veblen, Thorsten: Theorie der feinen Leute. Eine ökonomische Untersuchung der Institutionen, Frankfurt/M. 1993.
Wehler, Hans-Ulrich (Hrsg.): Geschichte und Ökonomie, Köln 1973.
© WALTHARI® – www.walthari.com
Der Volltext kann durch den Erwerb der Literaturzeitschrift WALTHARI, Heft 52/2009, bezogen werden.

8. März 2010

Zur ökonomischen Vormacht des Staatssektors

Aus: Kategoriale Wirtschaftswissenschaft, Band II, 7. Auflage, S. 183 ff., Münchweiler 2002

Im ordnungspolitischen Konzept der Marktwirtschaft fällt dem Staatssektor(1) eine dreifache Rolle zu:
a) Er setzt und verwaltet den wirtschaftlichen Rahmen in Form von Gesetzen, Verordnungen und Erlassen (von Gebührensätzen, Bauvorschriften usw.; Aufgabe der Legislative und Exekutive).
b) Er kontrolliert die Einhaltung des wirtschaftlichen Rahmens und sanktioniert Verstöße (Aufgabe der Exekutive und Judikative).
c) Er tritt als Wirtschaftssubjekt auf, sei es (*) in Gestalt eines Trägers öffentlicher Haushalte und Aufgaben (z. B. im Sozial- und Bildungsbereich), sei es (**) in Gestalt eines gleichrangigen Marktpartners im Wirtschaftsgeschehen (z. B. als Bauherr).

Zu a) Bei der Wahrnehmung der ersten Rolle (Rahmengestaltung der Marktwirtschaft) treten Legislative und Exekutive in hoheitlicher Funktion auf. Es werden Gesetze (z. B. das Kartellgesetz) und Verordnungen (z. B. die Handwerksordnung) erlassen und angewandt, in deren Rahmen sich das wirtschaftliche Handeln aller Wirtschaftssubjekte (Haushalte, Unternehmen usw.) entfalten kann. Der gesetzliche Rahmen ist das notwendige Regulativ für den komplexen marktwirtschaftlichen Koordinationsprozeß und damit immanenter Bestandteil der Wirtschaftsordnung. Das Netzwerk aus Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften ist der Marktwirtschaft demnach nicht äußerlich, sondern fungiert als ein integrierter Bestandteil des Systems. Diese Vormacht des Staatssektors ergibt sich aus seiner hoheitlichen Stellung und ist als allgemeines Gestaltungsprinzip nicht strittig, wohl aber in einigen speziellen Formen: Das normative Netzwerk (2) kann zu eng und zu weit geknüpft sein. Wenn z. B. bei der Gründung oder Erweiterung eines Unternehmens mehrere behördliche Genehmigungsverfahren zu durchlaufen, Dutzende von Unterschriften einzuholen und lange Wartezeiten durchzustehen sind, so liegt die Frage nach einer überbürokratischen staatlichen Marktverwaltung auf der Hand. Auch Fälle eines zu weiten oder gar fehlenden Gesetzesrahmens treten immer wieder auf und führen zu Verwerfungen im Marktgeschehen.

Zu b) Die Aufgaben der Kontrolle und Sanktionierung nimmt der Staatssektor ebenfalls in hoheitlicher Funktion wahr. Berufsgenossenschaften z. B. überwachen als Körperschaften des öffentlichen Rechts die Einhaltung unfallverhütender Vorschriften und verhängen bei wiederholten Verstößen harte Strafen. So richtig es ist, daß keine Marktwirtschaft ohne Sanktionssystem rahmenverträglich funktionieren kann, so häufig stellt sich die Frage nach der Angemessenheit von Kontrolle und Sanktion sowie der Kostengestaltung.

Zu c) In der Rolle als Wirtschaftssubjekt ist der Staatssektor der härtesten Kritik ausgesetzt. Es stellt sich die Frage, ob er verantwortungsvoll handelt, wenn er die Steuer- und Abgabenquote so stark erhöht, daß die Leistungsfähigkeit der Privaten nachläßt, die Staatsverschuldung so sehr überbordet, daß deren Zinsdienste die konjunkturbelebende Investitionskraft des Staates faktisch aufhebt. Kritische Fragen ergeben sich auch angesichts des staatlichen Marktgebarens: Welche Dienst- und Regionalmonopole (kommunale Versorgungswerke usw.) sind marktwirtschaftswidrig? Welche Marktverwerfungen treten ein, wenn der Staatssektor als Großnachfrager (im Baubereich etwa) und damit quasi als Nachfragemonopolist auf der Wirtschaftsbühne erscheint?
Das ökonomische Gewicht des Staatssektors läßt sich rein quantitativ an seinem Beteiligungsgrad ablesen; Seine Ausgaben betragen in Deutschland rund die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts (Staatsquote). Die ökonomische Vormacht des Staatssektors ist allein schon aus diesem Grunde kritisch zu prüfen. Wenn Marktwirtschaft nicht zur Staatswirtschaft mißraten soll, ist das ökonomische Auftreten des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der quasi-staatlichen Institutionen jeweils zu legitimieren. Dies soll anhand folgender Leitfragen geschehen:
1. Welche Gestaltungskategorien prägen die staatliche Rahmenpolitik?
2. Wie ist die Effizienz des staatlich gehandhabten Sanktionsmechanismus zu beurteilen?
3. Wann liegt ein Mißbrauch staatlicher Macht bei der Kreditfinanzierung öffentlicher Haushalte und bei den staatlichen Wirtschaftsaktivitäten am Markt vor?

1 – Die wirtschaftlichen Handlungen der privaten Haushalte und Unternehmen sowie des Staatssektors laufen in einem hoch vernetzten Normensystem ab, das 1997 aus 100.000 Gesetzen (Handelsgesetzbuch, Aktiengesetz usw.), Verordnungen (Preisauszeichnungsverordnung, Marktordnung usw.), Verwaltungs- und Genehmigungsvorschriften (im Bausektor u.v.a.) und aus nichtkodifizierten Spielregeln (Marktnuancen) bestand. Ohne ein Mindestmaß an Normen wäre kein erfolgreiches wirtschaftliches Handeln möglich. Die täglich millionenfach geschlossenen Kaufverträge z.B. ruhen auf den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches auf (§§ 433 ff.) und richten sich in allen Vertragsbestandteilen nach diesen gesetzlichen Normen. Jedem Wirtschaftshandeln liegen, ausdrücklich oder unausgesprochen, solche regulativen Normen zugrunde, sei es beim täglichen Einkauf oder bei betrieblichen Investitionen. Die gesamte reale Wirtschaftswelt ist normativ ummantelt. Regulativ wirken u.a. folgende Gestaltungskategorien: (***)

Rechtssicherheit: Jedes wirtschaftliche Handeln geschieht auf eigene oder fremde Rechnung. Im ersten Falle trägt der Eigentümer des Wirtschaftsgutes (Waren, Dienstleistungen, Energien) das Risiko der Erhaltung und des Verwertungsergebnisses, im zweiten Falle ist gegenüber einem Dritten Rechenschaft abzulegen. In beiden Fällen sind sowohl die Vertragsgestaltungen (Kauf-, Werk-, Arbeitsverträge usw.) als auch die Vertragsverletzungen (Lieferung falscher Waren usw.) rechtlich abzusichern bzw. zu ahnden. Das Vertrauen in den Rechtsrahmen und in dessen Justiziabilität ist also die Voraussetzung für ökonomisches Entscheiden und Tun auf allen Ebenen. Kein vernünftiger Sparer vertraut sein Geld einem Gläubiger an, wenn Tilgung und Zinszahlungen rechtlich nicht abgesichert sind; und kein ausländischer Investor entscheidet sich für eine Kapitalanlage in einem Land der sog. Dritten Welt, wenn Rechtsgarantien (auf Eigentumswahrung usw.) nicht gewährleistet sind.
Transparenz:…
Wettbewerbsfairneß:…
Maßstabserfindung:…

(*) Der Terminus Staatssektor wird hier weit gefaßt; er umschließt die klassische Exekutive, die Legislative, die Judikative und die quasi-staatlichen Institutionen (Körperschaften des öffentlichen Rechts u.a.).
(**) Die Kommission »Schlanker Staat« hat gegen Ende der 90er für Deutschland rund 100.000 Staatsnormen (Gesetze u.a.) ausgemacht. Vgl. dazu: Dauenhauer, E.: Das veruntreute Land. Wohin driftet Deutschland?, 2. Auflage, Münchweiler 1998, S. 43 ff.
(***) Eine Übersicht über die Wirtschaftskategorien bietet Dauenhauer, E.: Wirtschaftskategorien, 2. Auflage, Münchweiler 2000.

© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer. Aus:www.walthari.com

Der Volltext kann durch den Erwerb von Kategoriale Wirtschaftswissenschaft, Band II, bezogen werden. Näheres unter Fenster ›Sachbücher‹, Sektion Wirtschaftswissenschaft und Didaktik.

11. Dezember 2009

Dem fremden Wohle mehr verpflichtet als dem eigenen Volke

Teil 5

Wessen Außenminister? Dem von steifer Überdrehtheit und Staatsmännlichkeit strotzenden Guido Westerwelle ist im deutschen Parteienstaat die Rolle des Außenministers zugefallen, was sich schon in den ersten Wochen als politisches Risiko erwiesen hat. Nicht nur kopfschüttelnde Bürger, auch Medien fragen besorgt, ob er seinem Eid nach Artikel 56 Grundgesetz gerecht wird: »Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohl des Deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe. Der Eid kann auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden.« Anlaß zu erheblichem Zweifel gaben seine Antrittsbesuche in Polen und Israel.

Wessen Kanzlerin? Der bekannte Publizist Alfred Grosser stellte in der FAS Nr. 48/2009, S. 55, fest, daß die Bundeskanzlerin »im vergangenen Jahr vor der Knesset (dem Parlament in Jerusalem) so auftrat, als sei sie ein Mitglied der Likud-Partei«. Diesem schlimmen Vorwurf ging die Kritik an der Merkel-Doktrin in diesem WALTHARI-Portal voraus.

Wessen Alt-Kanzler? Gerhard Schröder, ehemals deutscher Kanzler, schrieb diese Woche in der ›Zeit‹, deren unrühmliche Rolle in Sachen Wiedervereinigung noch in guter Erinnerung ist, einen Scheltartikel über angeblich verblendete Islamkritiker, die er in der Schweiz und auch hierzulande angesiedelt sieht. »Der Islam ist keine politische Ideologie, sondern eine friedliche Religion«, so der Altkanzler, der die alltäglichen Gewaltausbrüche in der islamischen Welt offenbar geringschätzt. Schröders Argumente verraten eine Weltblindheit, die von Necla Kelek zurecht scharf gerügt wurde (in: FAZ, Nr. 288/09, S. 31): Der »Islam selbst kennt keine Aufklärung, relativiert Menschenrecht unter den Vorgaben der Scharia…« Der Altkanzler falle »uns säkularen Muslimen… in den Rücken«. Kelek läßt den Erdogan-Freund als Gaskaiser ohne Kleider erscheinen – ein Verriß der Sonderklasse.

Verschenkte Ausbildungskosten. Die Auswanderung einer Ärztin kostet den Staat rd. eine Million Euro (Summe aus Ausbildungskosten plus entgangener Einnahmen aus Steuern usw.), diejenige eines Facharbeiters etwa 280.000 Euro (Ifo-Institut München). Schätzungsweise 100.000 ausgebildete Deutsche fanden allein seit 2003 im Ausland ihre Arbeit, woraus sich eine Verlustsumme i.H.v. 64 Milliarden Euro ergibt (unter Annahme eines Durchschnittswerte je Person von 640.000 Euro). Auf ein Jahr gerechnet, verschenkt Deutschland mehr als neun Milliarden Euro Humankapital an ausländische Staaten.

Deutsche Abwrackprämie unterstützte ausländische Autobauer. Genaue Berechnungen fehlen bisher – warum wohl?

Deutsche Steuergelder für Nahost. Wohlweislich fehlen auch hierzu Statistiken. Es fließen milliardenschwere Transfergelder zu Händen der Palästinenser und Israelis, welche die Fremdgelder nicht nur zu humanitären Zwecken verwenden.
© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen zitierte fremde Texte. Aus: www.walthari.com

6. März 2009

Dem fremden Wohle mehr verpflichtet als dem eigenen Volke

Teil 4

Deutsches Geld für die ganze Welt. Über Jahrzehnte haben sich deutsche Politiker weltweit dadurch beliebt zu machen versucht, daß sie sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit sehr spendabel zeigten. Kein Besuch in Afrika, in vielen Ländern Asiens, im Nahen Osten, in Mittel- und Südamerika ohne Zahlungsversprechen. Diese Scheckbuchdiplomatie wurde ergänzt durch das noch kostspieligere Verhalten ›beim Aufbau Europa‹: Aberhunderte Milliarden deutsche Steuergelder flossen über die Brüsseler Verteilungsmaschine nach Portugal, Spanien, Italien, Griechenland und Irland, ohne daß diese Länder auch nach Jahrzehnten der Subventionierung ihr künstlich erreichtes Niveau selbständig hätten halten können. Der deutsche Parteienstaat war sogar, um Europa willen, bereit, einen der wichtigsten Identitätsanker des Landes, die Deutsche Mark, auf dem Altar des Wohlverhaltens zu opfern.

Hat sich an dieser deutschen Demutshaltung, deren politische und wirtschaftliche Effizienz mehr als fragwürdig ist, etwas geändert? Wenig, obschon am Fall Irlands aktuell zu studieren ist, wohin es führt, wenn ein Land auf ›Europakosten‹ künstlich hochgehalten wird. Was viele insgeheim denken: Die gegenwärtigen Unruhen in Griechenland und anderswo hätte man früher ›mit deutscher Kasse‹ leicht aus der Welt geschafft.

Doch auch die verminderten Geldströme aus Deutschland in alle Welt sind noch beträchtlich. Allein die Weltbank erhielt 2008 rund 548 Mio. Euro. In den Europäischen Entwicklungsfond flossen 770 Mio. Euro. Bezeichnenderweise wird der Öffentlichkeit keine Gesamtstatistik über die (einseitigen) Zahlungen Deutschlands in alle Welt vorgelegt. Es dürften jährlich Dutzende von Milliarden sein. Eine öffentliche Debatte darüber (wie in der Schweiz) findet hierzulande nicht statt. Wo viel Geld fließt, ist aber Verschwendung unabwendbar mit im Spiel. Während Schulen, Universitäten, Museen, Arztpraxen u.a.m. unterfinanziert bleiben, spielt man nach außen immer noch den Spendieronkel. Wohlgemerkt: Deutsche Hilfsgelder sind in speziellen Fällen angebracht, doch den Steuerzahler sollte man darüber aufklären und ihm mitteilen, wo Mißstände aufgetreten sind. Wenn die EU vorhat, Hilfen für defizitäre Euro-Staaten zu starten, verstößt sie gegen § 103 Absatz 1 des EG-Vertrages: »Die Gemeinschaft haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen von Mitgliedstaaten und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein.« Trotz jahrelanger massiver Unterstützung liegt die Risikoprämie für Staatsanleihen einiger EU-Länder zwischen 1,5 und 3,5 Prozent über der Prämie für Deutschland, ein sicheres Indiz für einen auch strukturell nicht auszugleichenden Stabilitätsabstand.

Vom Mahnmal zum Schandmal. Diese Wendung steht im politischen Leitartikel der FAZ vom 5. März 2009. Ein Mitherausgeber der Zeitung spricht von »unverhohlener politischer Erpressung«. Anzuzeigen ist eine weit über den Tag hinaus nachwirkende Erniedrigung der Berliner politischen Klasse, angeführt von Kanzlerin Angela Merkel. Die Vorgänge um die Stiftung ›Flucht, Vertreibung, Versöhnung‹ sind so bekannt wie beschämend, vor allem für Polen, dessen Hauptsprecher, der ehemalige Außenminister Wladyslaw Bartoszewski, jeglichen politischen Anstand vermissen läßt. Er betreibt sogar eine Dämonisierung von Frau Steinbach mit verleumderischen Ausdrücken (»blonde Bestie«) und scheut nicht den strafrechtlichen Bereich. Über Wochen ließ die deutsche politische Klasse und sogar ihre eigene Partei Frau Steinbach, die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen, ungeschützt im polnischen Schmutzregen stehen (in der polnischen Presse wurde Frau Steinbach in SS-Uniform abgebildet). Als sich Bundestagspräsident Lammert u.a. endlich zum minimalen Selbstschutz aufrafften (darunter nicht die Bundeskanzlerin) und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, besprang, verhöhnte der offizielle Deutschland-Beauftragte der polnischen Regierung, eben dieser verbal verwilderte Bartoszewski die Verteidiger von Frau Steinbach als »Narren« und Blödlinge: »Wenn jemand sich blöd stellt, hilft auch nichts mehr«, gab er der Zeitung ›Dziennik‹ zu Protokoll. Die polnische Regierung pfiff Bartoszewski nicht zurück, und Frau Merkel ist wohl nach wie vor stolz auf ihr »herzliches« Verhältnis zur Regierung in Warschau. Manche Sozialdemokraten und Grüne rieben sich insgeheim sicherlich die Hände über die öffentliche Steinigung von Frau Steinbach. Unsagbar dämlich bei dieser Treibjagd war die Rolle der SPD-Kandidatin für das höchste Staatsamt in Deutschland, Frau G. Schwan. Sie sich als Bundespräsidentin vorzustellen gleicht nach alledem einem zynischen Gedankenspiel. Wieder einmal wird Deutschland vorgeführt, von außen. Und wieder einmal finden die Vorführer kräftige Unterstützung im Land, das vierzehn Millionen Vertriebene aufnahm, deren Leid und Tod (zwei Millionen) linken ›Moralisten‹ offensichtlich weniger zu Herzen geht als das Froschsterben (wie Frau Steinbach bemerkte). Das offizielle Polen will selbst um den Preis von Wahrheitsfälschungen und der moralischen Selbstdemontage seine über Jahrzehnte gepflegte reine Opferrolle nicht ablegen. Während Deutschland und die Vertriebenen (diese schon seit den 50er Jahren!) die Nazi-Verbrechen anerkannten, dafür die moralische Verantwortung übernahmen und eine Versöhnungs- und Verzichtspolitik betrieben, beharrt Polen mit lautem Geschrei und mit Verleumdungen darauf, seine Vertreibungsverbrechen nicht begangen zu haben (vgl. dazu die Rezension im Archiv dieses WALTHARI-Portals). Holocaust-Leugner werden verurteilt, Vertreibungsleugner (man spricht von Umsiedlung) finden öffentlichen Beifall, nicht nur in Polen. Alfred de Zayas, ein international anerkannter Völkerrechtler, schrieb am 28. Februar 2009 (S. 10) in der FAZ: »Sowohl in Kriegs- als auch in Friedenszeiten sind Vertreibung und Verschleppung völkerrechtswidrig… Vertreibung kann als Völkermord bezeichnet werden, wenn es nachweislich die Absicht des Vertreiberstaates ist, eine Volksgruppe auch nur teilweise zu vernichten… Wenn etwa Srebrenica als Völkermord gilt, so könnten auch größere Massaker während der Vertreibung der Deutschen als Völkermord eingestuft werden. Das Völkerrecht gilt gleichermaßen für alle. Juristerei à la carte ist ein Widerspruch in sich.« Wenn die Nachbarschaft zwischen Polen und Deutschland endlich versöhnlich gestaltet werden soll, muß eine Anerkennung der ganzen historischen Wahrheit vorausgehen. Dabei wird sich herausstellen, daß Polen keineswegs immer in die Rolle eines bedrängten und überfallenen Landes geraten war. Es trat in der Geschichte durchaus auch als Aggressor und Kriegstreiber auf. In den Veröffentlichungen von Stefan Scheil kann man neuerdings darüber einiges nachlesen. »Tod oder Nizza« lautete der Schlachtruf aus Warschau, als es um einen EU-Vertrag ging. An solchen politischen Infantilismus kann man sich gewöhnen, nicht aber an die polnische Lust, Deutschland zu demütigen und eigene historische Verbrechen zu leugnen.
© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen zitierte fremde Texte. Aus: www.walthari.com

2. Mai 2009

Ist die Europäische Union noch zu retten?

Von Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer

Die gegenwärtige globale Finanz- und Wirtschaftskrise legt deutlicher als sonst die Systemschwächen der Europäischen Union bloß. Es lohnt sich, gerade vor der anstehenden Europawahl an die Defizite zu erinnern, auf ihre Auswirkungen hinzuweisen und mögliche Auswege aufzuzeigen. Ich gliedere meine Ausführungen nach folgenden Punkten:

1. Die EU als überkomplexes und extrem binnendifferenzierte System
2. Auswirkungen auf die Systempraxis, auf die Wirtschaft (einschließlich Finanzen) und die Bürger
3. Spezifische politökonomische Systemmerkmale
4. Auswege aus der Krise

1. Die EU als überkomplexes und extrem binnendifferenziertes System

Überkomplexität ist der Feind von Transparenz und Bürgernähe. Die EU ist auf 27 Mitgliedstaaten angewachsen, von denen 16 Euroländer sind. Elf Staaten gehören dem Währungssystem also nicht an. Island und Kroatien drängen vehement in die EU. Die wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Unterschiede sind gewaltig. Bulgarien und Rumänien gelten strukturell, Griechenland, Irland und Ungarn aktuell als Problemländer. Spanien strebt auf eine Arbeitslosenquote von über 20 Prozent zu, in Rumänien liegt sie darüber. Irland, Griechenland und andere Staaten laborieren in der Nähe des Staatsbankrotts.

Neben diesen extremen Unterschieden zeichnet sich die EU durch eine hochkomplexe Binnenkonstruktion aus. Ihre Hauptorgane sind: der Europäische Rat (alle Regierungs- bzw. Staatschefs der Mitgliedsländer sowie der Präsident der Kommission), die Kommission (die Exekutive in Brüssel mit rd. zwei Dutzend Kommissaren und 23 Generaldirektoren), der Ministerrat (Regierungsvertreter aller Mitgliedsstaaten), das Parlament (mit gleich zwei Sitzen: in Straßburg und in Brüssel), der Europäische Gerichtshof mit Sitz in Luxemburg (daneben gibt es den Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als Organ des Europarates in Straßburg). Unterhalb dieser Ebene existieren zahlreiche Einrichtungen, darunter mehrere Agenturen, das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung, der Europäische Rechnungshof, die Europäische Investitionsbank (EIB), das Europäische Amt für Statistik u.a.m.

Auf der Währungsseite ist die Lage nicht weniger komplex: Die EZB arbeitet mit sechzehn Nationalbanken zusammen und ist als Institution intern differenziert gegliedert: Geleitet wird sie vom Direktorium, dem der Rat der EZB zur Seite steht, der seinerseits aus einem Direktorium und den Präsidenten der nationalen Zentralbanken besteht.

Schon dieser grobe Überblick zeigt: Das EU-System ist überkomplex konstruiert. Nicht nur die Komplexitätsforschung und alle historischen ›Vorbilder‹ bestärken den Bestandszweifel, auch die bisherige EU-Praxis und weitgehend fehlende Akzeptanz der europäischen Bürger geben diesem Europa keine lange Zukunft.

2. Auswirkungen auf die Systempraxis, auf die Wirtschaft (einschließlich Finanzen) und die Bürger

Ein System mit einem so hochkomplexen horizontalen und vertikalen Verflechtungsgrad kann nicht effizient arbeiten. Kommunikationen und Kompetenzen sind unmöglich optimal aufeinander abzustimmen. Negative Binneneffekte sind unvermeidlich, darunter vor allem wuchernde Bürokratie, Ressourcenverschwendung und motivationsschädliche Selbstreferenzen. Man denke nur an die enormen Kosten der jährlichen Wanderzüge des Europäischen Parlaments von Brüssel nach Straßburg und zurück.

Gravierender sind die negativen Außeneffekte. Ein System dieser Größe und Schwerfälligkeit neigt, um sich zu stabilisieren und zu legitimieren, zur Machtkonzentration, zur Nivellierung gewachsener Länderunterschiede und zum sachfremden Aktivismus. Belege zu allen drei Effekten gibt es zuhauf. So strebt die Kommission beharrlich eine EU-Steuer an, sie verfügt bereits über achtzig Prozent im Gesetzes- und Erlaßwesen. Anfang 2007 wurde die Idee zu einem ›Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung‹ (EGF) aus der Taufe gehoben – mit beträchtlichen Mitnahmeeffekten. Die Versuche (und auch ›Erfolge‹) in der Nivellierungspraxis sind Legion. Der permanente Aktivismus der EU-Exekutiven und -Legislative verrennt sich in Utopien, so etwa, wenn das Parlament alle (!!) »seltenen Erkrankungen ausmerzen« und die Antidiskriminierung über den Wirtschafts- und Berufssektor hinaus in den Alltag ausdehnen will (mit Vorschriften zur positiven Diskriminierung z.B. an der Supermarktkasse). Wie alle dirigistisch ausgerichteten Systeme können sich EU-Organe nicht vorstellen, daß freiheitliche Bürger vieles, wenn nicht das meiste unter sich regeln, effizienter sogar als jede Obrigkeit. Neuere Beispiele für bürokratische EU-Maßlosigkeit sind die horrenden Kartellbußen. Selbst der Europäische Gerichtshof überschreitet mit Urteilen nicht selten seinen Kompetenzbereich, so unlängst beim Arbeitsrecht.

Anlaß zur heftiger Kritik gibt seit Jahrzehnten das Fonds-Unwesen der EU. Die Fehlleitung von Steuergeldern und die andauernden Korruptionsfälle verschlingen Milliardenbeträge. Beispiel Irland: Die grüne Insel wurde mit EU-Geldern künstlich zum ›Wohlfahrtsstaat‹ hochgezüchtet, die Irländer lebten so luxuriös wie die Schweizer – bis alles zusammenbrach, weil die Staatsschulden des Landes, trotz EU-Subventionen, explodierten. Ähnlich ist die Lage in Griechenland, Portugal und in zwei baltischen Staaten. Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (Olaf) kann angesichts des verschlungenen Verwendungssystems (bei europaweiter Dislozierung) alle Betrugsfälle unmöglich aufspüren. Das Amt selber (mit über 400 Mitarbeitern) kämpft z. Zt. gegen undichte Stellen und ist der Kritik des Europäischen Rechnungshofes ausgesetzt.

Es verwundert nicht, daß dieses komplizierte EU-System den Bürgern wie eine ferne, völlig undurchschaubare Großmaschinerie erscheint, die viel Geld verschlingt und bedrohlich wirkt. Hinzukommen immer noch bestehende, schwerwiegende demokratische Defizite: Die beiden Exekutiven (Kommission und Ministerrat) sind für ihre Entscheidungen nicht dem Parlament verantwortlich; die Gesetzesinitiative liegt einzig bei der Kommission; die Wahlen zum Europaparlament sind keine Direktwahlen, sondern Parteilistenwahlen, so daß Spitzenkandidaten schon als gewählt gelten, bevor die Wahlen stattgefunden haben; die Stimmen der Bürger zählen nicht gleich (eine luxemburgische Stimme schlägt elfmal mehr zu Buche als eine deutsche) usw. Deutschland als größter Nettozahler ist seit Jahrzehnten in den Organen unterrepräsentiert: im Rat, im Parlament und in der Kommission. Kein Wunder, daß die Wahlbeteiligung zuletzt nur wenig über vierzig Prozent lag. Es hapert an demokratischen Urprinzipien wie Gewaltenteilung, Öffentlichkeit und Unmittelbarkeit der Wahl. Permanent wird das Subsidiaritätsprinzip verletzt, weil sowohl Kommission wie Gerichtshof zur Kompetenzausweitung neigen. »Alles zusammen begünstig geradezu eine Art EU-Imperialismus«, schreibt Prof. Dr. H. H. von Arnim in der NJW Nr. 35/2007, S. 2534. »84 % der Gesetze kommen bereits aus Brüssel, nur 16 % originär aus Berlin.« Altbundeskanzler Helmut Schmidt bescheinigt denn auch der EU »Funktionsuntüchtigkeit« (FAZ Nr. 96/2009, S. 8), nicht zuletzt auch deshalb, weil die EU ständig nationalen Egoismen ausgeliefert ist, besonders französischen (Überschrift des Leitartikels in der ›Welt‹ vom 1. Nov. 2008: »Sarkozys Brüsseler Putschversuch«).

Die Organe der EU werden umlagert von Heerscharen aus dem Lobbybereich (17.000!). Allein 469 deutsche Auslandsberichterstatter sind in Brüssel tätig. Nach der Untersuchung von O. Hahn und J. Lönnendonker hat die Hälfte unter ihnen keine Lust an investigativen Recherchen, man berichtet lieber positiv, um bequem zu leben. Wer kritisch berichtet, gilt leicht als Europafeind und bekommt dies gelegentlich auch von der Kommission zu spüren. Hunderte von Wirtschaftsverbänden und sogar einzelne Regionen haben in Brüssel ihre Büros, um möglichst früh Informationen zu erhalten und Einfluß auszuüben. Rund eine Milliarde Euro fallen jährlich an Übersetzungs- und Dometscherkosten an. Englisch und Französisch beherrschen das Feld. Der Sprachdienst besteht aus weit mehr als 2000 Personen.

Sichtet man die Stimmen, die sich über das EU-System äußern, fällt auf, daß vor allem Nutznießer am System Gefallen finden. Unter den Kritikern hält die Mehrheit die Systemmängel für durchaus heilbar. Es handle sich eben um einen langwierigen Verbesserungsprozeß. Nur eine kritische Minderheit bewertet die Mängel für systemimmanent und daher für nicht behebbar. Die Berichte, Bücher und wissenschaftlichen Untersuchungen über den Alltagsbetrieb sind nicht mehr überschaubar und damit ein spiegelbildlicher Reflex des Systems. Bekanntlich haben Romane von Insidern den schärften Blick. In Jean Moose’s ›Schleifchenspiel‹ kann man diesen scharfen Blick auf die EU kennenlernen.

3. Spezifische politökonomische Systemmerkmale

Die EU ist nach wie vor primär eine Wirtschafts- und Währungsunion. Um sich ein zuverlässiges Urteil über die ökonomische Lage zu machen, sollen zuerst einige Grunddaten vorgestellt werden. Danach geht es um die Funktions-weise und Effizienz des finanzökonomischen Binnensystems und um seine Auswirkungen.
a) Ökonomische Grunddaten
Die EU will denkbar unterschiedliche Länder zu einer Einheit zusammenbinden. Trotz aller historischen Gemeinsamkeiten und trotz der kontinentalen Nähe bestehen erhebliche kulturelle Unterschiede, besonders im Mentalitätsraum. Man denke etwa an die Unterschiede zwischen Bulgarien und Irland, zwischen Griechenland und Norwegen. Selbst zwischen Deutschland und Frankreich, die Rücken an Rücken leben, bestehen beträchtliche Mentalitätsdifferenzen auch nach mehr als zwölf Jahrhunderten, die sich konfliktgeladen äußern. Darüber kann die mediengerichtete Lächel- und Küßchenkultur der politische Klasse nicht hinwegtäuschen.

Europaweit am größten sind die Unterschiede in der Wirtschaft und im Finanz-gebaren. Das betrifft nicht nur die schiere ökonomische Größe und Stärke, sondern vor allem die einschlägigen Mentalitäten. Die Deutschen reagieren z.B. auf Inflationen weit empfindlicher als romanische Länder. Hier nun einige Grunddaten:

Systematische Fachbeiträge

Ironische Ökonomik

Für die meisten Ökonomen ist ihr Fach ein bitterernstes Arbeitsfeld, auf dem es nur unfallhalber lustig zugehen kann. Bitterernst, weil der Gegenstand sich widerborstig zeigt und an unheilbaren Wunden leidet (vgl. das Vorkapitel). Gelegentlich lustig und unterhaltsam, weil die Wirtschaft immer für Überraschungen sorgt und Kapriolen schlägt. Der störrische Sachverhalt macht häufig nicht, was man von ihm erwartet und erweist sich so in seinen Fundamentalschichten als Schwarzer Kasten. Diese widersprüchliche Lage halten Ökonomen mit ausreichender Lebenserfahrung und Bildung nur aus, indem sie gegenüber ihrem Fach ein ironisches und gegenüber der eigenen Disziplinkompetenz ein selbstironisches Verhältnis pflegen, um nicht an dem Fach und an sich selber zu verzweifeln. Das geschieht beispielsweise modellsatirisch dadurch, daß sie sich eine Wirtschaft ohne den Regulator Zins ausmalen und eines Morgens aufwachen, um aus den Medien zu vernehmen, daß die EZB das Gedankenspiel in die Tat umgesetzt hat. Vor lauter Lachen können Ökonomen mit gehobener Bildung für einige Tage nicht lehren, geschweige denn forschen. Sie melden sich krank. Danach besteht die Gefahr, daß sie die Lust an ihrem Fach verlieren oder den depressiven Leerlauf einschalten, um nicht mehr überrascht zu werden. Denn schwere Lachanfälle zehren ebenso an der Substanz wie eine Nullzinspolitik an der Glaubwürdigkeit von Marktwirtschaften. Ironie kann nicht nur schützen, sie kann psychisch und intellektuell auch gefährlich werden, wenn der Anlaß den Verstand überfordert.

Ein anderer Fall von ironischer Verarbeitung aus purer Erklärungsnot stellt sich bei einer ernsthaften Überprüfung der Frage ein, ob die berühmte »unsichtbare Hand« von Adam Smith ein bloßes Gespenst ist oder ob es diese Zauberhand wirklich gibt, auch wenn sie noch niemand gesehen hat. Gedankliche Zuschreibungen sind ja noch keine empirischen Beweise. Um so mehr macht die Karriere dieser Metapher staunen: Kein vernünftiger Ökonom hat die Existenz der »unsichtbaren Hand« (UH) je bestritten, obschon selbst Starökonomen, die laut Preisverleihungen den besten Durchblick beanspruchen dürfen, die metaphorische Huschgröße niemals zu Gesicht bekommen haben. In einer solchen Lage hilft wiederum dialektische Ironie aus. In mystisch anmutenden Ritualen sucht man die UH zu besänftigen, um ihre menschliche Kälte zu mildern (sie kennt nämlich kein Mitleid wie überhaupt keine Moral). Mit Lobgesängen, die auch in volkswirtschaftlichen Lehrbüchern angestimmt werden, um die zauberhaften Ergebnisse zu feiern, preist man die UB wie einen mal gnädigen, mal strengen Gott. Das alles ist für aufgeklärte Ökonomen, die ihren Nietzsche gelesen haben, zum Totlachen. In der Ökonomik ist Gott nicht tot wie bei Nietzsche, sondern nur unsichtbar und unberechenbar, womit man einen modernen evolutionstheologischen Standpunkt einnehmen kann.

Ein wahres ironisches Kabinettstückchen liefert ‒ ein dritter Fall ‒ die Ökonomik mit ihrem methodologischen Individualismus. Vereinfacht formuliert besagt er: Alles Ökonomische geht von Motiven, Kalkülen usw. einzelner Menschen aus, weshalb das Individuum der Dreh- und Angelpunkt zum Verständnis der Ökonomie ist und die menschliche Natur genau unter die Lupe genommen werden muß. Nun ist im wirtschaftlichen Leben bekanntlich ein Herdentrieb zu beobachten, den die Ökonomik als Schweine-Zyklus beschreibt, nicht weil die menschlichen Herden aus Schweinen bestehen, sondern weil die Bauern – aber das muß hier nicht weiter beschrieben werden, da allbekannt. In der Herde aber vergißt das Individuum bekanntlich seine Individualität, d. h. sein eigenes Nachdenken. Herdenpsychologie unterscheidet sich von Individualpsychologie nämlich fundamental. Wie nun wird die Ökonomik mit dem Problem fertig, daß sie einerseits ganz auf das Individuum setzt, andererseits zugeben muß, daß Kollektivverhalten und -mentalitäten die Wirtschaft mitbestimmen, ja häufig dominieren? Zum methodologischen Kollektivismus kann sie sich aus Angst vor der schlecht beleumdeten sozialistischen Planwirtschaft nicht anfreunden, also versucht sie das Kunststück, mit einem Kollektivsingular zu arbeiten. Auch den haben Evolutionsbiologen und Anthropologen als Handlungstyp zwar noch nie gesichtet und auch in der langen Menschheitsgeschichte keine Spuren gefunden, doch Ökonomen wären keine Ökonomen, hielten sie sich nur an Realitäten und nicht auch an Wahrscheinlichkeiten. Fachintern ist dieser Zwiespalt längst eine heitere Nummer, die der Zunft deshalb immer wieder auf die Beine hilft. Man will ja nicht wie die Soziologen ewig in der methodologischen Sackgasse verharren.

Zahlreiche weitere Fälle von ökonomischer Ironie als spaßiges Treiben wären noch zu beschreiben, unter ihnen die Folgen der Annahme durchgängiger Rationalität (Homo oeconomicus). Mit Ceteris paribus macht man damit die schrägsten Modelle stimmig.
Aus: Dauenhauer, E.: Alternative Ökonomik als System-. und Lebensstrilkritik, Walthari-Verlag, Münchweiler /Rod. 2015

23. August 2014

Europas Verderbnis – Verachtung des Bürgerwillens als Prinzip

Das Sündenregister der Systembeherrscher ist lang:
1. Rechtsbrüche in Serie und fortwährend. Man lese dazu z. B. die Abrechnung des ehemaligen Verfassungsrichters Paul Kirchhoff in: Politische Studien, Heft 454/2014, S. 33 ff. Erhellend, daß sich dafür keine Richter finden. Kläger schon, aber keine Richter.

2. Enteignung von Millionen Sparern, denen Verzinsung verweigert wird bei gleichzeitigem Kaufkraftverlust. Beschämend, daß sich die Betrogenen nicht wehren. Bürgerfeigheit als politisches Kapital der Mächtigen.

3. …

4. Verdummungspraxis der Systemmächtigen: Sie haben den Machtapparat so sehr verkompliziert, daß Normalbürger nicht mehr durchblicken und resignieren. Man lese dazu den Hans-Werner Sinn Beitrag im Handelsblatt Nr. 86/2014, S. 56. Versklavung als Kalkül.

5. …

6. Meisterdiener des EU-Euro-Abenteuers: Für jedes politische Abenteuer haben sich noch sog. Elitestimmen gefunden, Professoren…

7. Gegnerverleumdung als politische Kunst: Rechtspopulismus ist noch eine milde Version. Wenn es um Macht und staatliche Futtertröge geht, ist jedes

8. …

9. Kriminelle Staatsverschuldungen und kriminelle Bankgeschäfte gab es in der Geschichte zuhauf, aber noch nie so dreist und uferlos wie derzeit. Probate ›Rettungsmaßnahmen‹: … Wiederholung ist angesagt: vgl. J. Gokhale: The Goverment Debt Iceberg, London 2014. Unter Verhältnissen der direkten Demokratie unterbleiben solche Finanzverbrechen (s. CH).

10. …

11. Hurra-Europäer wie Jürgen Habermas sitzen zusammen mit Berufseuropäer fest im Sattel. »Soviel Verblendung war selten«, schrieb die FAZ in Nr. 122/2014, S. 17. Doch mit Argumenten war dem ideologischen Eiferertum noch nie beizukommen.

12. Draghis EZB-Geldmaschine könnte irgendwann in Zukunft als mafios anmutender Akt … Kollege Manfred J. M Neumann kündigt es höflich als »notwendige Grenzen der Geldpolitik« an. Aber mit Höflichkeit und Fakten war noch nie…

13. …

14. Europa ist nicht nur mehr, sondern weit besser als sein EU-Eurozerrbild. Ein Blick in die Geschichte und auf den kulturellen Reichtum…

15. Wilhelm Hankels 11-Punkte-Widerlegung in der JF Nr. 35/2013, S. 10, gehört zu den Meistertexten im Kampf gegen Europas Verderbnis.

© Walthari®, ausgenommen Originalzitate. – Aus: www.walthari.com

30. August 2014

16. Die Geldmenge der zwei wichtigsten Zentralbanken (EZB, Fed) hat sich innerhalb von sieben Jahren verdreifacht (2007 – 20013): von rund zwei auf über sechs Billionen (umgerechnet) Dollar. Dieser Geldwahn soll keine Auswirkungen auf…?

17. Die Europäer leiden derzeit unter vier großen Heimsuchungen: unter der Eurokrise, dem Brüsseler Fernoktroi (fremde Vögte), der Verteufelung der direkten Demokratie und…

18. Weitere große Heimsuchungen senden ihre Vorboten: eine massenhafte Zuwanderungsanbrandung aus Afrika und dem Nahen Osten, kriegerische Unruhen in Osteuropa als Folge multikulturellen Unfriedens und russischer Begehrlichkeit, islamistischer Binnenterror, Energiekrise, Generationenstreit, Stadtkrise (Slums, Überfremdungseruptionen), Geschlechterstreit (Gendervirus)…

19. Erstes Ludwig-van-Mises-Theorem: Mißtrauen gegen staatliche Akteure zeugt von Bürgerreife aus Erfahrung. Denn die Inhaber von Staatsmacht sind keine alltagsnorme Zeitgenossen mehr, sie fühlen sich…

20. Zweites Ludwig-van-Mises-Theorem: Billiges Geld produziert Scheinblüten, Enteignungen, ungerechte Umverteilungen und verändert die erzwungene Preisrelationen, was zusammen zu schweren Krisen führt. Vor allem die Veränderung von Preisrelationen ist ökonomisches Teufelswerk.

21. Deutschland hat seine ihm angemessene Rolle noch nicht gefunden, noch nicht finden dürfen. Einst als Militärmacht gefürchtet, nach zwei verlorenen Kriegen als besetztes Land gehalten, neuerdings als pazifistische Mittelmacht gehänselt und gescholten. Wie hätte man die Deutschen gern?

22. Ewiges Mißverständnis: daß Rechtsgehorsam eine moralische Gesinnung verlange. Letztere ist Privatsache, nicht zu erzwingen und politisch nicht abzupressen. Dem Recht soll man gehorchen, auch wenn man von seinen Regeln nicht überzeugt ist. Nur Euroretter & Co denken…

23. …

24. EZB-Chef Draghi war im Handelsblatt in italienischer Galauniform abgebildet (in Nr. 53/2013, auf der Titelseite): Geschenkte Herrschaft über Millionen Menschen und…

25. Eine der üblen Schutzlügen der Euroretter: daß ein Ausscheren rechtlich nicht möglich sei. Irgendwann erzwingen es die Fakten.

26. …

27. Arroganz aus Philosophenmunde: »Der dezisionistische Kern der politischen Macht verflüssigt sich im Schmelztiegel der Kommunikationsflüsse transnationaler Verhandlungen und Diskurse.«

Rezensionen

27. Juni 2018

Pörksen, B.: Die große Gereiztheit. Wege aus der kollektiven Erregung

Verlag Carl Hanser, 2. Auflage, München 2018, 256 Seiten, 22,- Euro, ISBN 978-3-446-25844-0

Wenn auch aufgeklärte Zeitgenossen die Kerninformation des Tübinger Medienwissenschaftlers selbst erfahren und damit gewußt haben, so lohnt sich doch die Lektüre wegen der analytischen Leistung des Autors. Er gliedert den Stoff in fünf Krisen und in ein Abschlußkapitel, worin er dem Untertitel des Buches gerecht zu werden versucht. Für Pörksen ist die Medienwelt (einschließlich des Netzkosmos) von einer Wahrheits-, Diskurs-, Autoritäts-, Behaglichkeits- und Reputationskrise befallen. Wenn auch nicht alle diese Begriffe auf einer kategorialen Ebene liegen, so klärt doch das Ensemble die komplexe Lage zutreffend auf. Wer sich mit Kurzfassungen begnügen will, lese den sehr informativen Einleitungstext oder das NZZ.-Interview vom 16. Februar 2018. Die Kernthese hält einen Sachverhalt fest, den Pörksen begrifflich ungenau markiert, obschon der gesamte Textbau sich seinem Muster unterordnet, das der Autor nicht einmal begrifflich ins zentrale Spiel bringt: Ambivalenz. Noch haben die Sozialwissenschaften nicht realisiert, was in den Geisteswissenschaften zur Ideologie geworden und eine veritable Fehlgeburt des Konstruktivismus geworden ist. Die kontroverse Informationsüberflutung führt zur Überforderung selbst professioneller Medienleute und führt zu einseitigen Reaktionen aus Ohnmacht. Gerechtfertigt erscheint diese Konfliktlage aus Ambivalenz: Im Meer der Informationen das Zutreffende auszumachen, weil Fakten mit Gegenfakten in Schach gehalten werden. Also bunkert man sich konstruktiv-autistisch ein, dekonstruiert Autoritäten und fühlt sich behaglich im permanenten Skandalbetrieb. Pörksen schildert die chaotische Info-Lage mit wissenschaftlicher Distanziertheit und setzt auf Aufklärung, überfordert aber mit seinem Konzept der »redaktionellen Gesellschaft« die Mehrheit der Bürger, die entweder wegschaut oder an der Infoteilhabe mehr mit Emotionen als mit Verstand ihren »Spaß« hat. Der so kaschierten Ohnmacht und bürgerlichen Unreife steht eine Destruktionsneigung gegenüber. Man kann sich so richtig in der Gemengelage austoben. Zurecht hält der Autor von einer »Verschärfung der Rechtslage« wenig, sie sei »einer Demokratie unwürdig«. Von den Netzbürgern allerdings zu verlangen, was die Presseprofis in großen Teilen nicht einhalten (Kampagnejournalismus usw.), greift zu kurz. Die Presselandschaft zeigt sich allzu häufig ideologisch-autistisch (mit links-grüner Gesamtneigung) und führt dem Bürgern vor, wie mit Emotionalisierungen Quoten zu ergattern sind.
© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen die Originalzitate, www.walthari.com

26. Juni 2018

Lenzen, M.: Künstliche Intelligenz – Was sie kann & was uns erwartet

C. H. Beck Verlag, München 2018, 272 Seiten, 16,95 Euro, ISBN 978-3-406-71869-4

Was die Wissenschaftsjournalistin vor allem aus angelsächsischen Quellen zusammengetragen hat, ist für Nichtinformatiker die derzeit wohl beste Quelle über Künstliche Intelligenz, zumal das Taschenbuch flott und gut verständlich geschrieben ist. Die hier schon gefilterte Fülle an Informationen ist immer noch überwältigend und verlangt daher vom Leser ein Durchstehvermögen, dem das Register zu wenig beiseite steht: es fehlen wichtige Stichworte, die im Text vorkommen (z. B. Überwachung). Die Autorin verfällt nicht in den verbreiteten Fehler, schwarz-weiß zu malen. Neben der Fülle von technischen Grundinformationen und Begriffsklärungen (Algorithmen, Cyborgs usw.) bietet Lenzen ständig Einordnungen und kritische Abwägungen und scheut auch nicht vor moralischen Urteilen zurück, so im Kapitel ›Moralische Maschinen‹. Den Leser erwarten dreizehn Kapitel:

  1. Was ist Künstliche Intelligenz?
  2. Wie Maschinen denken
  3. Die Roboter kommen
  4. Warum Maschinen Spiele spielen
  5. Grenzüberschreitungen
  6. Die letzten Bastionen
  7. Künstliche Intelligenz verändert die Wissenschaft
  8. Die Algorithmisierung der sozialen Welt
  9. Alles vernetzt
  10. Die Umwälzung der Arbeitswelt
  11. Künstliche Intelligenz und das Militär
  12. Pseudogefährten
  13. Künstliche Intelligenz für eine menschlichere Welt

Fast jedes Hauptkapitel ist mehrfach untergliedert. Beispiel:
12. Pseudogefährten: Unsere intelligenten Assistenzen – Soziale Roboter – Das unheimliche Tal – Gib dich nicht mit Androiden ab! – Pseudogefährten

Wer das Taschenbuch mit kritischem und vor allem historisch-humanistischem Geist liest, d. h. nicht gänzlich der infotechnischen Faszination unterliegt, wird Mühe haben, die Zukunft nicht eher düster als euphorisch zu sehen. Ist doch die menschliche Natur anfällig für riskante Abenteuer und Entwicklungen, die ab einer bestimmten Stufe nicht beherrschbar sind. Nicht nur Diktaturen und Autokratien werden die Künstliche Intelligenz zu Herrschaftsinstrumente ausbauen, die neue Formen der Versklavung hervorbringen. Noch mehr als heute schon findet ein kaum kontrollierbarer Machtzuwachs bei technischen und politfunktionellen Eliten statt, die bürgerfern agieren und Demokratien aushöhlen können. Nicht weniger beängstigend sind die transhumanistischen Versuchungspotenziale. Mit Rechtsschranken ist solchen Überschießungen so wenig beizukommen wie mit Moralcodizes.
© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen die Originalzitate, www.walthari.com

6. Juni 2018

Schlaudt, O.: Die politischen Zahlen – Über Quantifizierung im Neoliberalismus

Rote Reihe, Vittorio Klostermann Verlag, Frankfurt/Main 2018, 192 Seiten, 19,80- Euro, ISBN 978-3-465-04339-3

Das Taschenbuch kann als Fortsetzung der ›Philosophie der Wirtschaftswissenschaften‹ gelesen werden, wie der Untertitel der Schrift ›Wirtschaft im Kontext‹ (2016) lautet (vgl. die Besprechung in diesem Walthari-Portal vom 19. März 2018). Die Grundfolie der Argumentation »im Kontext« liegt auch dieser Neoliberalismuskritik zugrunde, und damit bestehen meine damaligen zahlreichen Einwände weiter, mit einer Ausnahme: Schlaudt erwähnt den Ordoliberalismus (34), ohne näher auf ihn einzugehen oder in Fußnoten oder im Literaturverzeichnis auch nur zu verorten. Er bleibt dominant bei angelsächsischen und französischen Vorlagen, ganz so, als bestünden zwischen den deutsch-österreichischen und den angelsächsischen sowie französischen Wirtschaftsschulen keine kontroversen Auffassungen. Thünen, Sambart, Marx und wenige andere deutsche Ökonomen stehen einer Armada angelsächsischer Autoren gegenüber. Das Buch hat also Tendenz, teilweise schon in der Sprache, aber auch in der illustren und illustrierten Auswahl von Beispielen und extrem-aversen Zuspitzungen. Dennoch ist das ›Zahlen‹-Buch von einem anderen Kaliber als das ›Kontext‹-Buch. Will man nach teilweise mühsamer Lektüre stark verkürzt den Grundtenor angeben, so könnte er lauten: (1) Seit je reduzieren Ökonokraten, neuerdings besonders Neoliberale, die komplexe Wirtschaft auf mechanistische Modelle und Zahlenwerke. Der Bogen reich von Paciolis Doppik bis zu den Humankapitalisten.
(2) Diesem Funktionsdenken gehen die kulturellen, moralischen und sozialen Dimensionen ab, so daß der Ökonomie humane Züge weitgehend abgehen.
(3) Der Übermut der Ökonomen negiert anthropologische Grundphänomene, etwa mit der Annahme konstanter individueller Präferenzen oder bei dem Versuch, Glück und Wohlstand zu messen.
(4) Gänzlich in die Irre führt die Verwechslung von Präferenz mit Werten sowie die Ökonomisierung von Ethik.
(5) Dem ökonomischen Quantifizierungsfuror hat sich seit den 70-er Jahren ein neoliberaler Staat zugesellt. Ein Evaluierungs- und Rankingeifer verbindet beide Sphären.

(6) Insgesamt hat sich der Kapitalbegriff auf »Mensch, Gesellschaft, Natur und Kultur« ausgedehnt (99 ff.). Werte werden durch Bepreisungen auch dort ökonomisiert, wo Werte einer Quantifizierung unzugänglich sind (Ehe, Bildung usw.).

Obschon sich beim Lesen unzählige Gegenargumente einstellen (in der modernen Verhaltensökonomie sind Präferenzen z. B. Variablen, keine Konstanten, das Ceteris-.paribus wird rein modellsituativ gebraucht, um Effekte zu erkennen), lohnt sich die Lektüre auch dieses Buches, weil es auf ein Gesamtphänomen verweist. Sind nicht auch die Medizin (Honorierung nach Wundgröße) und die Justiz (Schmerzensgeld) durchquantifiziert? Da dies (und in vielen anderen Bereichen) nicht bestritten werden kann, ist die Schlaudt’sche Anklageperspektive zu einseitig auf Ökonomie gerichtet. Politik und Gesellschaft sind keineswegs nur Kontext, abhängige Variablen in einem angeblich alles dirigierenden Ökonomiebereich. Die einseitige Perspektive begräbt den lebensweltlich unverzichtbaren Oikos unter sich, weil alles Wirtschaftliche unter den Generalverdacht der Inhumanität gerät. Das läßt sich bei Schlaudt exemplarisch im Kapitel über das Humankapital studieren.

Zurecht kritisiert der Autor die Generalisierung der ökonomischen Bildungskalküle. Die Schwächeanalyse der Beckerschule ist brillant (und übrigens Standard unter deutschen Wirtschaftspädagogen, die Schlaudt nicht kennt). Bildung hat zugleich beides zu sein, Kultur- und Ausbildungsinvestition, sie daher gänzlich einer Kosten-Nutzen-Analyse zu unterwerfen, ist verfehlt. Statt aber die verzahnte Balance herauszuarbeiten, wie es die Wirtschaftspädagogik seit über einhundert Jahren versucht, ergeht sich Schlaudt ausschließlich und genußvoll in einer Schwächeanalyse und übergeht den fundamentalen Oikosgedanken und die komplexe Bildungsbalance.
© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen die Originalzitate, www.walthari.com

27. Mai 2018

Sprenger, R. D.: Radikal digital.

Weil der Mensch den Unterschied macht – 111 Führungsrezepte, Deutsche Verlagsanstalt, München 2018, 266 Seiten, 25,- Euro, ISBN 978-3-421-04809-7

Radikal ist in der Tat das Hauptpostulat des Autors: »Wesentlich ist… die menschliche Seite der Digitalisierung, … der Mensch ist der einzige ›Rechner‹, der das leistet«, nämlich die technische Transformation. Es gehe um »die Wiedereinführung des Menschen in die Unternehmen«. Scharf wendet sich Sprenger gegen den Opferkult des Menschlichen im gigantischen technischen Umwälzungsbetrieb. Entscheidend sei die »Konzentration auf das Wesentliche, was nur Menschen können:
– die Wiedereinführung des Kunden,
– die Wiedereinführung der Kooperation und
– die Wiedereinführung der Kreativität.
Nur diese »drei Ks« hätten die Kraft, die »Unternehmen radikal zu verändern«. Das ist fürwahr ein Querschuß im allgemeinen Digitalisierungsbetrieb, und viele Unternehmer werden darüber erschrecken, zumal der Autor behauptet, »das größte Opfer des Effizienz-Paradigmas« sei die Kreativität, danach der Kunde und die Kooperation. Denn: Entscheidend sei, »daß die digitale Transformation keine Frage der Technik ist, sondern der Kultur«. Tendenziell ist das richtig, aber nicht in dieser Totalität, zumal selbstlernende Roboter Konkurrenz zur menschlichen Kreativität machen werden und Teile der Kundenstrategie übernehmen können. Sprenger geht von der VUKA-Welt aus und möchte in diese human fragwürdige Ökonomie die Kultur als Ordnungskraft implantieren. Die digitale Technik gleicht in vielen der Entwicklung der Kriegstechnik, die Humanität und Recht bekanntlich nach Belieben beiseite schiebt. So weit wird es vermutlich nicht schnell kommen, doch die technischen Überwältigungen werden von Sprenger unterschätzt, wie am Beispiel China zu ersehen ist. Dennoch lohnt es sich um so mehr, und zwar nicht nur für Führungskräfte, die »111 Führungsrezepte« (Ratschläge wäre angemessener) daraufhin zu überprüfen, was sie für ein neues Geschäftsmodell hergeben. Es wird zu einer »neuen Art, Unternehmen zu führen«, kommen, wobei aber der Takt mehr digital als menschschlich vorgegeben wird. Indirekt muß das auch Sprenger zugeben (19), spricht aber den Führungskräften unverdrossen Mut zu. Das ganze Sommersemester 2018 widme ich an der Universität in Landau der Digitalisierung in all ihren Facetten und binde auch Sprengers Ideenwelt kritisch ein, worin es praxisnah, originell und witzig zugeht. Die neue Datenschutz-Grundverordnung macht freilich manches Rezept schon obsolet, etwa die vom Datenwarenhaus. Es geht im Buch, sowohl in der Sprache als auch in der Stoffbehandlung, amerikanisiert zu, auch was die Hintergrundgesinnung betrifft: verengter Kulturbegriff, Instrumentalisierung des menschlichen Faktors. Amazon wird unkritisch bewundert. Sprenger ist trotz seiner Kultur- und Anthroposthematisierung ein Funktionalist. Dazu lese man als Beispiel für viele die Seiten 40 f. In der aristotelischen Drei-Ebenen-Lehre (funktional, kategorial, existenzial) bleibt er auf der Funktionsebene hängen.
© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen die Originalzitate, www.walthari.com

23. April 2018

Hank, Rainer: Lob der Macht.

Klett-Cotta, J. G. Cotta’sche Buchhandlung, Stuttgart 2017, 272 Seiten, 20,- Euro, ISBN 978-3-608-96179-9

Machtverachtung ist ein zivilisatorisches Dauerphänomen seit der Antike. Zu den Verächtern zählen Enttäuschte, Verlierer und autistische Esoteriker, aber auch philosophische Schulen und religiöse Weltverweigerer. Man muß zwischen erlebnisbedingter und systematischer Machtverachtung unterscheiden, wofür es jeweils gute Gründe geben kann. Denn Macht hat ihre unausrottbare Schattenseiten, ein Phänomen, das in der Natur des Menschen und in der magischen Anziehungskraft der Potestas ihre Ursachen hat. ›Macht macht süchtig‹, ist ein geläufiger Spruch, den man besonders in der Politik und Wirtschaft anschaulich bestätigt finden kann. Kein Bundeskanzler hat noch freiwillig auf sein Amt verzichtet, auch Merkel muß dazu gedrängt werden. Das wäre nicht schlimm, würde Machtgier nicht eine beachtliche Negativbilanz hinterlassen, sie reicht von entgangenen besseren Alternativen bis zu Rechtsbrüchen, Korruption, Ausbeutung, Menschenschindereien und Morden. Gewiß muß man zwischen kriminellen und demokratischen Machtgebrauch unterscheiden, aber auch bei demokratisch legitimierter Macht sind Rechtsbrüche, Korruption, Mittelverschwendung u.a. an der Tagesordnung. Generell also darf Macht nicht schöngeredet werden, vielmehr ist Skepsis angebracht. Nicht ohne Grund empfahl einst ein US-Präsident, den Regierungen eher Mißtrauen als Vertrauen entgegenzubringen, weil Vertrauen die Machtversuchung verstärkt. Diesen ideengeschichtlichen und anthropologischen Hintergrund sollte man bedenken, bevor man bei Hanks ›Lob der Macht‹ zu lesen beginnt. Schon der Titel stimmt bedenklich, auch wenn kein Zweifel darüber bestehen kann, (1) daß Macht allem Leben immanent ist (auch in der Tierwelt) und (2) Macht auch als human und rechtlich geregelte Praxis unverzichtbar ist. Es kann also nicht darum gehen, Macht generell zu verachten, sondern darum, den mehrfachen Vorbehalt (Skepsis, Humanität, Recht u.a.) nicht nebensächlich zu behandeln. Hank berichtet nach Journalistenart über die Faszination, die Gefahren usw. des Machtgebrauchs, entscheidet sich aber für die Bestimmung »oszillierende Ambivalenz« (9). Für ideengeschichtlich Kündige wird damit vorweg klar: Die Vorbehalte (vgl. oben) haben in ›Lob der Macht‹ nicht den gebührenden Stellenwert. Das Machtpositive überwiegt nicht nur im Titel, den ausführlich geschilderten Schattenseiten kommt eher ein historisch und aktuell bedauerlicher als systematischer Rang zu (11). Diese beiden Sichtweisen unterscheiden sich fundamental. Wer sich als Leser dessen bewußt ist, kann trotz dieses Vorbehalts die acht Kapitel (nebst Einleitung und Schluß) mit Gewinn lesen, weil der Autor die Szenarien des Machtgebrauchs plastisch schildert: Aufstieg, Absturz, Ohnmacht, Götter, Daten, Geld und Utopie. Dabei unterlaufen ihm gelegentlich Fehler, so im Kapitel Götter, wenn er Jan Assmanns monotheistische Machtthese anführt (der Heidelberger Ägyptologe fehlt übrigens im Personenregister); Assmann hat seine These später relativiert, weil sie einer theologischen und philosophischen Kritik nicht standhielt. Das gilt auch für andere Aussagen in Hanks Götterkapitel (etwa zur Theodizee u.a.).
© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen die Originalzitate. Aus: www.walthari.com

27. März 2018

Rid, Thomas: Mythos Cyberwar. Über digitale Spionage, Sabotage und andere Gefahren

Aus dem Englischen von Bettina Engels und Michael Adrian, Edition Körber, Hamburg 2018, 347 Seiten, 18,- Euro, ISBN 978-3-89684-260-2

Die englische Originalausgabe erschien 2013. Der unveränderte Nachdruck nach fünf Jahren wirft die Frage nach des Überholtseins auf, denn in der Netzwelt sind fünf Jahre eine Ewigkeit. In seinem im Mai 2017 verfaßten Nachwort rechtfertigt Rid eine Aktualisierung u.a. damit, daß eine »umfassende… Fortschreibung… schlicht unmöglich gewesen« wäre (299). Der Autor hält einen Netzkrieg (Cyberwar) für unwahrscheinlich, wenn man die drei seit Clausewitz klassischen Kriterien an den Kriegsbegriff anlegt: Staatlichkeit, Gewalt und Tödlichkeit. Das ist nicht erst seit den Rußlandattacken unbestrittene Realität. Auch andere staatliche Geheimdienste (u.a. Israel) führen digitale Kriege weit über das Hacker-, Sabotage- und Spionageniveau hinaus, wobei Menschenleben zu beklagen sind. Noch kommt es nicht zu digital gesteuerten Massentötungen, doch die Potenziale dazu sind gegeben und steigern sich. Die Begriffserörterungen Rids um Krieg, Gewalt u.a. können die Clausewitz’sche Möglichkeit nicht verdecken. In einem Epilog unter dem Titel ›Der Cyberkrieg wird stattfinden!‹ widerspricht daher Josh Stone (285 ff.) der Hauptthese des Buches, das trotz seines Aktualitätsrückstands gute strukturelle Einblicke in die digitale Beherrschung der Menschen gewährt. Daraus lassen sich Lehren ziehen, so u.a. (1) daß Skepsis und Gegenwehr wichtiger sind als Vertrauen (über Vertrauen reflektiert Rid zu naiv, 50 ff.), (2) daß ohne staatlich sanktionierte Grenzziehung private Nutzer der Ausforschung und Überwältigung ausgeliefert bleiben. Der aktuelle Facebook-Skandal (mit 50 Millionen Netzopfern) ist ja nur die bekannt gewordene Spitze der Abgreifmaschinerie im Dunkeln. Rid schildert die »Cyberwaffen« (72 ff.), die Dimensionen der Sabotage (103 ff.), Spionage (142 ff.) und Subversion (189 ff.). Daß die letzte US-Wahl und der Brexit subversiv beeinflußt wurden, ist für Fachleute evident und entgeht dem ›Mythos Cyberwar‹. Relativ aktuell ist das Kapitel ›Attribution‹ (229 ff.), worin es um die Zurückverfolgung von Cyberangriffen geht.
© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen die Originalzitate. Aus: www.walthari.com

8. November 2017

Riesewieck, M.: Digitale Drecksarbeit. Wie uns Facebook & Co. von dem Bösen erlösen.

Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 2017, 304 Seiten, 16,90 Euro, ISBN 978-3-423-26173-9

Der Autor ist Mitglied der Laokoon-Gruppe, woran seine Mission unschwer zu erkennen ist. Der sagenhafte trojanische Priester machte auf die Gefahr aufmerksam, die von dem trojanischen Pferd ausging – vergebens. Gegen die Prophetie der Metapher stemmt sich der Verfasser mit einem wuchtigen Protest, mit dem er die leichtsinnigen Zuträger aufrütteln will, um die listigen Nutznießer (Facebook & Co.) in die Schranken zu verweisen. Die das Netz beherrschenden IT-Konzerne tragen Masken der Menschenfreundlichkeit und Weltverbesserung, hinter denen sich in Wahrheit die raffinierten Techniken der Ausbeutung verbergen. Millionen naiver Internetteilnehmer stellen auch private und geschäftlich vertrauliche Daten ins Netz, wo sie nach geheimen Algorithmen abgegriffen, sortiert und zur Werbung sowie mentalen Beherrschung zugerichtet werden. Jeder IT-Teilnehmer erfährt das augenfällig seit Jahren. Doch mit dem Oktroy ist es nicht getan, man übt auch Zensur aus und greift in kollektive Mentalitäten ein (etwa bei Wahlen). Riesewieck läßt einen Orkan aus aufdeckenden Praktiken und Daten los, die zu Verhaltensänderungen animieren. Schon die Inhaltsangabe gleicht einem Geschützfeuer:

  • Digitale Drecksarbeit
  • Walled garden
  • Das größte Medium der Welt
  • Rühr mich nicht an
  • Unkrautvernichtung
  • Ein ekelerregender Aperitif
  • Mitten im World Wide Web
  • Wurzeln und Triebe von Freiheit
  • Die Verantwortung für das Böse

Die mittlerweile weltbeherrschende Internetwelt (allein Facebook hat über zwei Milliarden Nutzer) zeigt sich dreiteilig:

1. Als nützliches Alltagsinstrument für private, geschäftliche und amtliche Zwecke,
2. als unsägliches Schmutzfeld (aus Terror, Pädophilie, Anleitungen zum Bombenbau usw.) und
3. als Beherrschungsinstrument der gigantischen Internet-Oligopolisten. Jenseits der gerade auf Hochtouren laufenden Digitalisierung hat sich ein dunkles Reich von Beschmutzern, Diktatoren, Zensoren usw. gebildet, das uns Angst bereitet (61 u.a.), weil es undurchsichtig ist und keine Aussicht besteht, der Knechtschaft zu entkommen. Gezielte Info-Askese verringert zwar die Lage, entschärft aber die diktatorischen Asymmetrien nicht. Das Buch sollte man im Unterricht behandeln, um von der Basis her eine Gegenwehr gegen die neuen Weltbeherrscher vorzubereiten. Auch diese Walthari-Rezension wird abgegriffen und in das Dossier über den Rezensenten eingestellt.
© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen die Originalzitate. Aus: www.walthari.com

3. Mai 2017

Schreiber, Constantin: Inside Islam. Was in Deutschlands Moscheen gepredigt wird

Econ Verlag, Berlin 2017, 253 Seiten, 18,- Euro, ISBN 978-3-430-20218-3

Unter Mitwirkung von Hamza Jarjanazi hörte sich der TV-Journalist ein gutes Dutzend Freitagspredigten in Moscheen hierzulande an und kommt nach acht Monaten zu dem wenig überraschenden Ergebnis: Was die Imame predigen, genauer gesagt: einhämmern, verhindert Integration und stabilisiert die bestehenden Parallelgesellschaften. Der Moscheen-Report kann zwar nicht als repräsentativ gelten, da nur Berlin, Hamburg, Leipzig, Magdeburg, Karlsruhe und Potsdam auf dem Besucherprogramm standen; die Erkundungen vor Ort begannen im Juni 2016 und endeten im Dezember des gleichen Jahres, sind aber exemplarisch. Schneider spricht arabisch, kann also authentisch berichten. Schon die Kapitelüberschriften erschrecken: »Ich möchte über die größte Gefahr sprechen, nämlich über die Gefahr von Weihnachten«, »Ihr könnt nicht sagen: Ich bin Demokrat und Schiit«, »Wir leben in dieser Umgebung, die stark auf uns einwirkt, dich auslöscht« usw. Da wird auch schon mal ein Prediger eingeladen, der zuvor zum Judenmord aufgerufen hatte. Moscheen sind keineswegs nur Gebetsräume, sondern vielfältig auch Indoktrinationsstätten und noch etwas mehr. Was nicht gepredigt wird, kann man in schriftlichen Auslagen nachlesen: Der Koran schließe die parlamentarische Demokratie aus. Ein Kreuz um den Hals sei ein Mordwerkzeugt (13) usw. Es werden zur Weltordnung islamische Staaten gefordert, wobei das Staatsoberhaupt »die gemeinsamen Gebete leiten« soll. »Die Scharia«, findet Schneider gedruckt, »steht über den deutschen Gesetzen« (22 f.). Der Autor berichtet schon in seiner Einleitung über Haarsträubendes, darunter: Selbst das Statistische Bundesamt weiß nicht, wieviele Muslime in Deutschland leben. Niemand kennt die genaue Zahl von Moscheen und damit auch nicht den Umfang verfassungsfeindlicher Aktivitäten. Ganz schlimm: Islamwissenschaftler an deutschen Universitäten verweigerten beim Interpretieren der Predigttexte die Zusammenarbeit (39 f.). Mit deutschen Steuergeldern und unter dem Deckmantel der Wissenschaftsfreiheit hat sich unter Islamwissenschaftlern offenbar ein Feigheitsklima breitgemacht. Man rät sogar von Schneiders Projekt ab (40). Sprengstoff in Fülle, mitten in Deutschland. So »entwickelt sich hier ein Staat im Staate«, kommentiert ein beigezogener Islamexperte mit Bezug auf eine Predigt in einer Berliner Moschee (101).
© Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen die Originalzitate, www.walthari.com

Berichte, Zeitschriftenschau u.a.

Den Koran beim Wort und die Mullhas ernst nehmen

Teil 14
Teil 1: 30. Sept. 2001
Teil 7: 22. Febr. 2003

Unbestreitbar ist die Tatsache, daß die islamische Welt ganz überwiegend in einem voraufklärerischen Zustand lebt, religiös und politisch. Kein einziger islamischer Staat ist demokratieförmig. Das heißt: Eine Milliarde Muslime wird korangläubig und demokratiefern gehalten. Damit lauern hinter den koranischen Friedengeboten Gewaltpotenziale, die ununterbrochen eruptiv hervortreten, wie täglich zu erleben ist. Selbst in der halbaufgeklärten Türkei schimmern die dunklen Seiten der Denkmuster immer wieder durch.

Jeden aufmerksamen Medienbeobachter fällt der Widerspruch auf, daß über Untaten in und aus der islamischen Welt laufend berichtet, nicht aber auf die mentalen Ursachen verwiesen wird. Vom unaufgeklärten Riesenpotenzial der islamischen Welt (vgl. oben) gehen global spürbare Wirkungen aus, darunter die Neurotisierung der USA und nun auch Frankreichs.

Angesichts dieser Mentalitäts- und Faktenlage friedliche Pegida-Demonstranten hierzulande als »Ratten« (NW-Ministerpräsidentin Kraft), »Chaoten« (Bundespräsident Gauck) oder »üble Nationalisten« (SPD-Fraktionsführer Oppermann) zu bezeichnen, zeugt von einer schlimmen Bürgerverachtung, auch wenn man in Rechnung stellen muß, daß sich bei Pegida Religions- und Demokratiefeinde eingemischt haben. Am unerträglichsten ist der Vorwurf »Schande für Deutschland« des Innen- und Verfassungsministers Heiko Maas (SPD), zu dessen Aufgabe es rechnet, die Demonstrationsfreiheit zu schützen, gleichgültig, wer demonstriert, solange es friedlich bleibt. Das ist bei Pegida der Fall, weshalb unter entwickeltem rechtsstaatlichem Bewußtsein Heiko Maas sofort hätte zurücktreten müssen. Der Vorgang spricht Bände über unsere parteienstaatliche Herrschaftsklasse. Das hat auch die FAZ erkannt: »Denn sogar für Minister, die für den Schutz der Verfassung zuständig sind, scheint es eine Schande zu sein, dass Bürger zur Kundgabe ihrer Ansichten auf die Straße gehen« (FAZ Nr. 5/2015, S. 1). Fortsetzung
© Waltharius, ausgenommen die Originalzitate. Aus: www.walthari.com

2. Dezember 2014

Drobinski, M.: Diese Wirtschaft tötet.

Süddeutsche Zeitung Edition Streitschrift, München 2014, 47 Seiten,… Euro

Der Papst als Stichwortgeber, wenn der Slogan in die eigene Weltanschauung paßt. Wirkungsmächtiger kann man sich nicht anhängen, auch wenn das ökonomische Weltbild des Papstes nicht nur weit entfernt von der Realität, sondern von möglichen Reformmodellen ist. Der Unterschied ist wesentlich, ich habe ihn vor Monaten in einem ganzseitigen Zeitungsbeitrag herausgearbeitet. Die aktuelle ökonomische Realität ist gewiß nicht zukunftsfähig, aber die meisten Kritiker wollen partout nicht die Transformationsökonomie begreifen, die mit dem Ziel eines wirtschaftlichen Fundamentalismus am wenigsten gelingen kann. Das päpstliche Lehrschreiben ›Evangelii gaudium‹ ist nicht frei von Fundamentalismen, mag man noch so beschwichtigend argumentieren. Die Wirtschaft ganz aus der Sicht der Armen (mit dem absoluten Teilungsgebot) zu sehen ist schon für die Kirche selbst eine Utopie, geschweige denn, daß sie dem Grundmechanismus des Oikos (vgl. meine Wirtschaftskategorien) entsprechen. Drobinski bewegt sich klagend und anklagend auf der Ebene der schlechten Realität und ihres fundamentalistischen Widerparts. Kein Blick für den extrem komplizierten Übergang zu alternativen Modellen, wie ich sie erneut im Sommersemester 2015 an meiner Universität vorstellen werde. Auf herzzerreißende Zustände hinzuweisen ersetzt keinen Sachverstand. Heribert Prantl, der das Vorwort schreibt, weiß das auf dem Felde der Justiz nur zu gut (vgl. meinen Roman ›Gerichtsasche‹.
©Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer, ausgenommen die Originalzitate. Aus: www.walthari.com

20. Dezember 2013

Draghi & Co regieren Europa – Schafft die EZB die Demokratie und die Bürgerrechte ab?

In einer fulminanten Abrechnung mit der Draghi-EZB deckt Werner Sinn, Ifo-Präsident in München, die finanzwirtschaftlichen und politischen Verhältnisse in Europa auf. Es geht dabei nicht nur um das Euro-›Rettungsdesaster‹ und um das Abzocken der deutschen Sparer und Steuerzahler. Sinn weist auf einen in Gang befindlichen Umsturz der demokratischen Verhältnisse hin.

Die »Verteilungswirkungen zwischen den Völkern Europas (werde) nicht von den Parlamenten vorgenommen, … sondern vom EZB-Rat, einem technokratischen Gremium, in dem Deutschland nicht mehr Gewicht hat als Malta und Zypern und in dem es seit Mai 2010 laufend überstimmt wird… Die Parlamente Europas stehen beim Aufbau der Rettungsarchitektur vor fast alternativlosen Entscheidungen, die schon vor Jahren vom EZB-Rat vorbereitet wurden, und wurden zu Erfüllungsgehilfen degradiert. Für mich stellt sich angesichts dieser Verhältnisse die Frage, ob die fiskalische Regionalpolitik, die hinter den verschlossenen Toren der EZB beschlossen wurde und für die es im amerikanischen Notenbanksystem keine Parallele gibt, noch mit den Regeln der parlamentarischen Demokratie und der deutschen Verfassung vereinbar ist.«

Das bedeutet nichts weniger als die Aushebelung der rechtsstaatlichen Ordnung, die fordert, daß alle Gewalt vom Volk bzw. seinen Repräsentanten ausgeht und nicht vom EZB-Rat. Sinn spricht »von einer Enteignung der deutschen Sparer durch die Niedrigzinskonkurrenz mit der Druckerpresse« in Höhe von 203 Milliarden Euro (bisher).

Wenn jetzt nicht bürgerlicher Widerstand nach Artikel 20/4 Grundgesetz angesagt ist, wann dann? »Gegen jeden, der es unternimmt…« Dieser jeder…
Um die demokratiewidrige Regelungsmacht der Draghi-Behörde zu veranschaulichen, schreibt der Ifo-Präsident weiter: »Die EZB betätigt sich als Einkaufsorganisation für deutsche Ersparnisse, die diese Ersparnisse zu Konditionen bedient und an die Krisenländer weiterverteilt, die sie selbst für angemessen hält. Nach dem gleichen Muster könnten wir demnächst etwa eine EU-gesteuerte Einkaufsorganisation für den Weiterverkauf deutscher Autos zu gerechten Preisen nach Südeuropa gründen und die damit fallenden Autopreise als Vorteil für die deutschen Verbraucher bejubeln« (FAZ Nr. 260 v. 8. Nov. 2013, S. 14).

Im G-30-Club, gegründet 1978, haben sich weltweit Zentralbanker zusammengeschlossen, die regieren mit Central Banking die Welt. Mitglied ist auch Mario Draghi. In dem Buch ›Die Alchemisten – Die geheime Welt der Zentralbanker‹ kann man nachlesen, wie man Parlamente…
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17. November 2011

Warum bleiben öffentliche Aufrufe zum Rechtsbruch unbestraft?

»Wer die Finanzierung von Staaten durch die Zentralbank fordert, ruft öffentlich zum Rechtsbruch auf und stellt die ›Rettung‹ des Euro über das Gesetz. Darüber hinaus nimmt er eine dramatische Geldentwertung in Kauf.«
Holger Steltzner, Mitherausgeber der FAZ, in: derselben Nr. 264/2011, S. 11

Sind öffentliche Aufrufe zum Rechtsbruch nicht mehr strafbar? Und was die zu erwartende »dramatische Geldentwertung« betrifft: Der Wert aller weltweit produzierten Güter und Dienstleistungen beläuft sich auf 63 (dreiundsechzig) Billionen Dollar. Parallel dazu werden für 87 (siebenundachtzig) Billionen Dollar Aktien und Anleihen gehandelt, daneben Finanzderivate im Wert von 601 Billionen Dollar. Der Geldüberhang gegenüber dem Weltsozialprodukt beläuft sich demnach fast auf das Zehnfache (Quelle: HB Nr. 175/2011, S. 10). Die Folgen liegen auf der Hand: …
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Meine Euro-Prognose aus dem Jahr 1998

Aufgeredetes Europageld

Aus: Dauenhauer, E.: Das veruntreute Land. Wohin driftet Deutschland?, Münchweiler, 2. Auflage

Die Einführung des Euro ist ein Lehrbeispiel für die Verachtung des mehrheitlichen Volkswillens in Deutschland. Kein amerikanischer Präsident würde es wagen, gegen die nachhaltig geäußerte Meinungsmehrheit der Wähler einen so einschneidenden Schritt zu unternehmen wie die Abschaffung des Dollars zugunsten eines riskanten Nafta. Der Bundeskanzler und fast die gesamte deutsche politische Klasse beharren trotz massiver Bedenken auch der meisten Fachleute hartleibig darauf, die bewährte Mark nach politischem, nicht nach wirtschaftlich vernünftigem Fahrplan auszuwechseln. Was sollen die Bürger von einem System halten, in welchem die Herrschenden den erdrückenden Mehrheitswillen und den soliden Sachverstand, zwei unerläßliche Anker einer jeden Demokratie, kurzerhand übergehen? Dabei richten sich die Bedenken nicht so sehr gegen den Euro generell, als gegen seine zu frühe und daher unnötig riskante Einführung. Folgende Einwände sind nicht von der Hand zu weisen:

Die Einheitswährung wird den politischen Integrationsprozeß vermutlich nicht beschleunigen, sondern erschweren, solange kein gemeinsamer wirtschaftlicher, rechtlicher und vor allem sozialer Rahmen der teilnehmenden Länder hergestellt ist.

Trotz guter Absichten gibt es gute Gründe anzunehmen, daß der Euro inflationieren wird, also auf Dauer nicht so stabil ist wie die Mark. Das liefe auf eine gigantische Enteignung von Sparern und auf die bekannten Verwerfungen hinaus (Lohn-Preis-Spirale usw.). Unter den guten Gründen für Skepsis werden beispielhaft die fehlende nachhaltige Stabilitätskultur bei inflationsunsensiblen Ländern (Italien u.a.) und der politische Druck auf die Europäische Zentralbank EZB genannt (vor allem durch Frankreich).

Die Geldpolitik der EZB könnte durch die exorbitant hohe Arbeitslosigkeit in den Teilnehmerländern in eine Zerreißprobe geraten: entweder ist mit leichterem Geld der Beschäftigungsrahmen zu verbessern oder mit hartem Geld die Preisstabilität zu sichern. Dem »Druck der Straße« (im Verein mit dem Druck von Regierungen wie Frankreich, Italien u.a.) wird die EZB auf Dauer nicht gewachsen sein.

Die Hoffnung, daß eine Einheitswährung die Verkrustungen auf dem Arbeitsmarkt (besonders in Deutschland) aufbricht, wird sich als trügerisch erweisen. Kommt es aber infolge eines Billiglohnwettbewerbs dennoch dazu, sind soziale Unruhen zu befürchten.

Eine Währungsunion ohne vorausgegangene Rahmenangleichung führt zwangsläufig zu einer Transferunion. Die Brüsseler Fonds werden noch weiter anschwellen, um die finanziellen Engpässe in strukturschwachen Ländern abzu-fangen. Die zahlenden Länder werden auf Dauer nicht mitspielen, d.h. neben sozialen wird es auch zu politischen Spannungen kommen.

Die gigantischen Staatsschulden, die bei manchen Teilnehmerländern das jährliche Bruttoinlandsprodukt um mehr als einhundert Prozent übersteigen (Italien und Belgien) und bei anderen Ländern nur infolge von Buchungstricks (kreative Buchführung) unter die 60-Prozent-Grenze gedrückt wurden, zwingen die EZB zu stabilitätsgefährdenden niedrigen Zinssätzen, um die Zinslast der Schuldnerstaaten in Grenzen zu halten.

Der ursprünglich vorgesehene Sanktionsautomatismus, wonach fiskalpolitische Sünden unnachgiebig geahndet werden, war politisch nicht durchsetzbar und läuft auch in einer milderen Form ins Leere: denn welcher Sünder bestraft schon seinen Nachbarsünder, wenn dieser jenen auch sanktionieren kann?
Vielleicht nicht nominal, wohl aber real wird der Wechselkurs die deutsche Wirtschaft benachteiligen, d.h. den Deutschen steht eine Aufwertung über veränderte Preisrelationen (nicht über Devisenkurse, die es EU-intern nicht mehr gibt) ins Haus, was den Export erschweren wird.

Ganz ungewiß ist, wie die internationalen Kapitalmärkte auf eine Einheitswährung mit den beschriebenen sozialen und politisch offenen Flanken reagieren werden. Ob der Euro als Anlagewährung im Wettbewerb mit dem Dollar bestehen kann, steht in den Sternen. Das Risiko trägt der Bürger, nicht die politische Klasse. © Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer. www.walthari.com

12. Februar 2010

Der Euro wird scheitern – heißt es seit Jahren in diesem WALTHARI-Portal

Von Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer

Der Skandal nimmt europäische Ausmaße an, ohne daß die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden können. Zu den Fakten:

Schon vor der Einführung der Währungsunion habe ich, wie andere Kollegen auch, auf die nicht heilbaren Strukturfehler hingewiesen, die den Euro scheitern lassen müssen. Die Mängelliste wurde in diesem Portal mehrmals ausführlich beschrieben.
Es wurde ein Scherbenhaufen prognostiziert, dessen finanzielle (für die Bürger), politische (für die politische Klasse) und soziale (auf Kosten des gesellschaftlichen Friedens) Folgen alles übertreffen werden, was an Wirtschafts- und Finanzkrisen je war. Nur der Zeitpunkt blieb offen.
Dieser Zeitpunkt rückt faktenschwer näher. Nicht allein die ehemaligen Schwachwährungsländer, auch die abenteuerliche Staatsverschuldung der als solide geltenden Euro-Länder treiben sichtbar auf einen EU-GAU zu.
Es gleicht einem nicht mehr überbietbaren Offenbarungseid, daß angesichts der Griechenlandkrise der deutschen Regierung von allen (!) anderen Partnerländern zugemutet wurde, den griechischen Schuldenberg zu schultern, obschon der sog. Lissabon-Vertrag (LV) in seinen Artikeln 123 und 125 ein Herauskaufen durch die Partnerländer oder die EU-Kommission ausdrücklich verbietet. Gleich drei Masken fielen endgültig: a) Der EU-Vertrag steht für einen Rechtsbruch jederzeit zur Disposition. b) Deutschland wird nach wie vor als tölpelhafter Zahlesel angesehen. c) Die Währungsunion ist auch politisch und mentalitätsspezifisch eine Kunstwährung, die nicht halten wird.
Der Gipfel des Skandals:

a) Gegen einen Rechtsbruch könnte Deutschland nicht einmal klagen (es ist im LV nicht vorgesehen).
b) Eurosünder können nicht ausgeschlossen werden (es ist im LV nicht vorgesehen).
c) Zahlesel Deutschland kann in Geiselhaft genommen werden, und zwar auf Dauer, ohne sich dagegen wehren zu können.
Ich wiederhole daher meinen Vorschlag von vor Jahren: Nicht Griechenland, Portugal und die anderen Schwachwährungsländer sollten aus der Währungsunion austreten, sondern Deutschland, indem es die bewährte DM wieder einführt.
Die politische Klasse hat die Entmündigung der Bürger auf die Spitze getrieben. Den machtlosen Untertanen stehen gigantische Einkommens- und Sparrisiken ins Haus. Aktuelles Indiz dafür ist der Wertverfall des Euro gegenüber dem an sich schon schwachen Dollar. Für wie dumm die Staats- und Regierungschefs ihr Publikum halten, belegen sie mit der Garantieerklärung (für Griechenland) in diesen Tagen: Wie anders als mit Finanztransfers könnte diese Garantie eingelöst werden? Das aber wäre ein Rechtsbruch, den man durch trickreiche Transfers nicht kaschieren kann. Was die Sache unsäglich verschlimmert: In den Monatsberichten vom Januar 2010 gehen die EZB und die Deutsche Bundesbank mit keinem Wort auf die Eurokrise ein – ganz so, als herrschte Normalität! Für die obersten Hüter einer Währung wahrlich ein Debakel.
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Glossen

15. Oktober 2017

Der Soli als Spaltpilz. Was als Soli-Darität gedacht war, hat sich weitgehend in sein Gegenteil verkehrt. Der Soli wird von vielen Westdeutschen als endlose Transferfortsetzung von West nach Ost empfunden: jahrelang Berlin-Opfer auf Briefmarken, permanente Osthilfen offizieller und inoffizieller Art zu DDR-Zeiten, Rententransfers nach 1989, dann der Soli. Allein seit 1990 sind rund zwei Billionen Euro (darunter der Soli) in die neuen Länder geflossen, auch dann noch, als es nicht mehr angebracht war, weil zahlreiche westdeutsche Gebiete (Pirmasens z.B.) das Geld nötiger gehabt hätten.

Geschützte Luftverschmutzer. Im Jahr 2015 legten Passagier- und Frachtflugzeuge mehr als zwei Billionen Kilometer zurück, am meisten in Nordamerika und Asien. Die dadurch entstandene Luftverschmutzung wird tunlichst verschwiegen, während man den kleinen Bürger mit Holzofenverordnungen bürokratisch quält. Ein Flugkilometer verpestet die Luft mehr als tausend PKWs der gleichen Strecke.

Steueroasen. Trotz (teils rechtswidriger) Verfolgung (durch Ankauf von gestohlenen Datensätzen) ist das Problem der Steuerhinterziehung nicht zu lösen. Es finden sich immer Länder und Banken für dunkle Geldgeschäfte. Nach seriösen Schätzungen beläuft sich die Summe rund um den Globus annähernd fünf Billionen Euro, eine gewaltige Summe, die gewinnbringend (und heimlich) angelegt werden will. Das läßt eine mächtige dunkle Finanzwelt erahnen. Immer noch lagern 1.800 Milliarden Euro fremdes Vermögen auf Schweizer Konten, 1.000 Milliarden aus europäischen Ländern, der Rest aus Golfstaaten, Asien, Latein- und Nordamerika, Afrika und Rußland (vgl. FASZ vom 13. Juli 2014, S. 27). Junckers Luxemburg demaskiert den EU-Spieler.

Kriminalität. Wenn ausländische Geheimdienste, insbesondere aus Rußland, China und Israel in gut geschützte Regierungsnetze gelangen, dann läßt sich leicht vorstellen, in welchem Ausmaß deutsche Unternehmensportale ausgeplündert werden, die weit weniger gut gesichert sind. Beim Exportriesen Deutschland gibt es viel zu holen.
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5. Februar 2014

Angelsächsische Überwachungsdiktatur

Jetzt ist es heraus, fast vollständig heraus: die angelsächsischen Datensammler und Ausspäher im Netz greifen rund um den Erdball Informationen ab und verwerten sie. Geltendes Recht und die Menschenwürde sind ihnen wurscht. Jeden Erdenbürger können sie orten und über ihn ein Dossier erstellen, um ihn… Google dringt über Heim-Vernetzung in Privathäuser ein, der Konzern kann sogar Rechner ausspähen, die nicht ans Netz angeschlossen sind. Mit dem sog. Internet der Dinge, das über Mikrocomputer alles mit allem verbindet (Arzttermine mit Zahnbürsten usw.), vollendet sich eine Weltdiktatur, die in Amerika und England ihre Zentren hat.

Gibt es kein Gegenmittel? Doch! Mindestens zwei: erstens ein politisches Pharmacon, d.h. Abkommen kündigen, die den Diktatoren wehtun, und die gibt es genug. Wir haben es nämlich in Deutschland mit einer »peinlichen Bankrotterklärung der politischen Klasse zu tun« (Constanze Kurz) – »Kuschende Duckmäuser« nennt die Journalistin die Berliner Politriege, die längst weiß, daß ehemalige Siegermächte seit 1945 (!) Deutschland ununterbrochen überwachen. Dazu lese man den Bericht in der NZ vom 24. Juli 2013, Seite 22. Lügt das Kanzleramt?, fragte die SZ vom 14. Januar 2014. Das Skandalon ist so gravierend, daß jeder Bürger augenblicks…

Das zweite Gegenmittel sollte man im Netz nicht hinausposaunen, weil…

Ja, wir befinden uns im Krieg mit einer Überwachungsarmee, die Menschen versklavt, ohne daß die Politik und Justiz…
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Streitgespräche

23. Mai 2018

Professorenprotest gegen die geplante Haftungsunion im Euroraum

Der nachfolgende Text wurde zuerst veröffentlicht in: Frankfurter Allgemeine Zeitung,
Online-Ausgabe vom 21. Mai 2018 und Druckausgabe vom 22. Mai 2018

154 Wirtschaftsprofessoren warnen davor, die europäische Währungs- und Bankenunion noch weiter zu einer Haftungsunion auszubauen. Wir dokumentieren ihren Aufruf im Wortlaut.

Wir – 154 Wirtschaftsprofessoren – warnen davor, die europäische Währungs- und Bankenunion noch weiter zu einer Haftungsunion auszubauen. Die in der Berliner Koalitionsvereinbarung erwähnten Vorschläge des französischen Präsidenten Macron und des EU-Kommissionschefs Juncker bergen hohe Risiken für die europäischen Bürger.

1. Wenn der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) wie geplant als Rückversicherung für die Sanierung von Banken (Backstop) eingesetzt wird, sinkt für Banken und Aufsichtsbehörden der Anreiz, faule Kredite zu bereinigen. Das geht zu Lasten des Wachstums und der Finanzstabilität.

2. Wenn der ESM wie geplant als „Europäischer Währungsfonds“ (EWF) in EU-Recht überführt wird, gerät er unter den Einfluss von Ländern, die der Eurozone nicht angehören. Da einzelne Länder bei dringlichen Entscheidungen des EWF das Vetorecht verlieren sollen, könnten Gläubigerländer überstimmt werden. So würde zum Beispiel der Deutsche Bundestag sein Kontrollrecht verlieren.

3. Wenn die Einlagensicherung für Bankguthaben wie geplant vergemeinschaftet wird, werden auch die Kosten der Fehler sozialisiert, die Banken und Regierungen in der Vergangenheit begangen haben.

4. Der geplante europäische Investitionsfonds zur gesamtwirtschaftlichen Stabilisierung und der geplante Fonds zur Unterstützung struktureller Reformen dürften zu weiteren Transfers und Krediten an Euroländer führen, die es in der Vergangenheit versäumt haben, die notwendigen Reformmaßnahmen zu ergreifen. Es wäre falsch, Fehlverhalten zu belohnen. Über das Interbankzahlungssystem Target2 hat Deutschland bereits Verbindlichkeiten der Europäischen Zentralbank (EZB) in Höhe von mehr als 900 Milliarden Euro akzeptiert, die nicht verzinst werden und nicht zurückgezahlt werden müssen.

5. Ein Europäischer Finanzminister mit Fiskalkapazität würde als Gesprächspartner der EZB dazu beitragen, dass die Geldpolitik noch stärker politisiert wird. Die sehr umfangreichen Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (2550 Milliarden Euro bis September 2018) kommen schon jetzt einer Staatsfinanzierung über die Zentralbank gleich.

Das Haftungsprinzip ist ein Grundpfeiler der Sozialen Marktwirtschaft. Die Haftungsunion unterminiert das Wachstum und gefährdet den Wohlstand in ganz Europa. Dies zeigt sich bereits jetzt in einem sinkenden Lohnniveau für immer mehr, meist junge Menschen. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, sich auf die Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft zurückzubesinnen.

Es gilt, Strukturreformen voranzubringen, statt neue Kreditlinien und Anreize für wirtschaftliches Fehlverhalten zu schaffen. Die Privilegierung der Staatsanleihen in der Risikovorsorge der Banken ist abzuschaffen. Die Eurozone braucht ein geordnetes Insolvenzverfahren für Staaten und ein geordnetes Austrittsverfahren. Die Kapitalmarktunion sollte vollendet werden – auch weil internationale Kapitalbewegungen asymmetrische Schocks kompensieren. Bei der EZB sollten Haftung und Stimmrechte miteinander verbunden werden. Die Target-Salden sind regelmäßig zu begleichen. Die Ankäufe von Staatsanleihen sollten ein schnelles Ende finden.

Der Aufruf wurde initiiert von den Wirtschaftsprofessoren Dirk Meyer, Thomas Mayer, Gunther Schnabl und Roland Vaubel. Zahlreiche Ökonomen schlossen sich ihm an, darunter Univ.-Prof. Dr. Erich Dauenhauer von der Universität in Landau

5. Juli 2012

Erste Publikationsforen: Technische Universität Dortmund und Frankfurter Allgemeine Zeitung

10. Juli www.walthari.com/Persönlichkeitsmanagement: Diskussionsbeiträge

Offener Brief von Ökonomieprofessoren

Liebe Mitbürger,

die Entscheidungen, zu denen sich die Kanzlerin auf dem Gipfeltreffen der EU-Länder gezwungen sah, waren falsch. Wir, Wirtschaftswissenschaftlerinnen und Wirtschaftswissenschaftler der deutschsprachigen Länder, sehen den Schritt in die Bankenunion, die eine kollektive Haftung für die Schulden der Banken des Eurosystems bedeutet, mit großer Sorge. Die Bankschulden sind fast dreimal so groß wie die Staatsschulden und liegen in den fünf Krisenländern im Bereich von mehreren Billionen Euro. Die Steuerzahler, Rentner und Sparer der bislang noch soliden Länder Europas dürfen für die Absicherung dieser Schulden nicht in Haftung genommen werden, zumal riesige Verluste aus der Finanzierung der inflationären Wirtschaftsblasen der südlichen Länder absehbar sind. Banken müssen scheitern dürfen. Wenn die Schuldner nicht zurückzahlen können, gibt es nur eine Gruppe, die die Lasten tragen sollte und auch kann: die Gläubiger selber, denn sie sind das Investitionsrisiko bewusst eingegangen und nur sie verfügen über das notwendige Vermögen.

Die Politiker mögen hoffen, die Haftungssummen begrenzen und den Missbrauch durch eine gemeinsame Bankenaufsicht verhindern zu können. Das wird ihnen aber kaum gelingen, solange die Schuldnerländer über die strukturelle Mehrheit im Euroraum verfügen. Wenn die soliden Länder der Vergemeinschaftung der Haftung für die Bankschulden grundsätzlich zustimmen, werden sie immer wieder Pressionen ausgesetzt sein, die Haftungssummen zu vergrößern oder die Voraussetzungen für den Haftungsfall aufzuweichen. Streit und Zwietracht mit den Nachbarn sind vorprogrammiert. Weder der Euro noch der europäische Gedanke als solcher werden durch die Erweiterung der Haftung auf die Banken gerettet; geholfen wird statt dessen der Wall Street, der City of London – auch einigen Investoren in Deutschland – und einer Reihe maroder in- und ausländischer Banken, die nun weiter zu Lasten der Bürger anderer Länder, die mit all dem wenig zu tun haben, ihre Geschäfte betreiben dürfen.
Die Sozialisierung der Schulden löst nicht dauerhaft die aktuellen Probleme; sie führt dazu, dass unter dem Deckmantel der Solidarität einzelne Gläubigergruppen bezuschußt und volkswirtschaftlich zentrale Investitionsentscheidungen verzerrt werden.

Bitte tragen Sie diese Sorgen den Abgeordneten Ihres Wahlkreises vor; unsere Volksvertreter sollen wissen, welche Gefahren unserer Wirtschaft drohen.

Über 200 Wirtschaftsprofessoren schlossen sich dem offenen Brief an, darunter Univ.-Prof. Dr. Erich Dauenhauer von der Universität in Landau.

31. März 2011

Wo bleibt der Aufstand gegen die ausbeuterische Transferunion?

Von Univ.-Prof. Dr. E. Dauenhauer

Im Vergleich zu den schweren Belastungen für den deutschen Steuerzahler, welche die gerade verordnete Euro-Transferunion bewirkt, nehmen sich alle anderen Protestanlässe geradezu als provinziell aus. Was wiegt schon ›Stuttgart 21‹, über Monate für Zehntausende ein Ärgernis, gegen den gigantischen Euro-Krisenfonds, der Deutschland für 163,3 Milliarden Euro in Haft nimmt und mit rd. 22 Milliarden sofort zur Kasse zwingt!

Wo bleibt der Aufschrei der Medien und Verbände, da nun vor aller Augen deutsche Interessen kurzerhand und ohne Not geopfert werden? Der 24. März 2011 ist für Deutschland als schwarzer Währungstag zu vermerken. An diesem Tag beschlossen die siebzehn Staats- und Regierungschefs der Eurozone die Transferunion mit einem Fondsvolumen von 700 (siebenhundert) Milliarden Euro. Davon muß Deutschland 27,15 Prozent schultern, weit mehr als dreizehn (!) kleinere Länder zusammen. Und das ist noch lange nicht die Grenze der Belastung. Denn die hehren Grenzmarkierungen der Merkel-Schäuble-Politik sind heiße Luft, wie die Vergangenheit gezeigt hat.

Grausamer noch: Der Rettungsschirm kann die Strukturschwächen des Euro nicht heilen. Daher wird er, besonders für Deutschland, »zu einem Faß ohne Boden« (L. Gerken vom ›Centrum für Europäische Politik, Freiburg). Gezahlt wird in einen Fonds perdu, ganz nach französischem Hegemonialgeschmack. Wie auch in anderen Fällen treibt der napoleonisch forsche Sarkozy die prinzipienschwache Bundeskanzlerin vor sich her. Ganz offen halten französische Finanzgewaltige ein ewig transferbelastetes Deutschland für gerechtfertig (vgl. Handelsblatt v. 9. Febr. 2011, S. 8 f.).

Am grausamsten: Unter dem ablenkenden Medienlärm um Fukushima, um Libyen und während der letzten Landtagswahlen ließ die Merkelregierung den Abenteuerfonds ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) hindurchschlüpfen. Finanzminister Schäuble erweist sich dabei als williger Ausverkaufshelfer, da er, so wird spekuliert, als großer Europäer in die Geschichte eingehen will. Und nicht wenige Medien spielen mit.

Wo bleibt der Aufstand, wenn heute schon feststeht, daß Griechenland, Portugal, Spanien, Irland und bald auch Frankreich den ESM »dauerhaft in Anspruch nehmen« werden (L. Gerken) und den deutschen Aderlaß noch steigen läßt? Die Wortbrüche von Frau Merkel sind die beste Risikoabwehr für die bedienten Länder.

Alle Warnungen von Ökonomen, auch von der EZB und der Deutschen Bundesbank wurden in den Wind geschlagen. »Unter den jetzt geschaffenen Bedingungen hätte die Ablösung der Deutschen Mark durch den Euro keine Chance gehabt«, befindet der ›Kronsberger Kreis‹. Im Klartext: Deutsche Politiker haben ihre Landleute in einer existenziellen Frage hinters Licht geführt. Kann es noch schlimmer kommen? Ja, es kann, denn…