Belletristik

Einige Bücher können zum Antiquariatspreis beim Walthari-Verlag bestellt werden (solange vorrätig)!

Romane

Archäus

Erich Dauenhauer legte mit ›Archäus‹ seinen neunten und letzten Roman vor. Der Romancier hatte über drei Jahrzehnte einen Lehrstuhl an der Universität in Landau/Pfalz inne. Er lebte bis zu seinem Tod in seinem Geburtsort in Münchweiler a.d. Rodalb.

8 – Vergewisserung

… Nach seinem letzten Besuch sahen wir den Zeitpunkt für gekommen, das Experiment gründlich zu überdenken. Abbrechen, weil uns der Gast zunehmend rätselhafter vorkam? Weil immer noch unklar war, in wessen Auftrag er um die halbe Welt flog? Und wie sein Auftrag lautete? Und vor allem: bestand wirklich keine Gefahr für uns? Machte sein wiederholter Eifer, uns zu beruhigen, ihn nicht um so verdächtiger? Zuletzt hatte er eine stumme Vorstellung zelebriert. Zelebriert trifft seinen Aufenthalt genau.

Schon bei seiner telefonischen Anmeldung bat er darum, in unserem Garten nur die Natur und die Stille genießen zu dürfen. Er wolle nachdenken und in einem Buch lesen, das er mitbringen werde. Ich hatte mich am Telefon überreden lassen, mußte mir aber danach von meiner Frau Vorhaltungen anhören.

»Er saß nur da draußen und hat uns nicht weiter gestört.«
»Findest du es nicht ungewöhnlich und störend, daß einer stumm in unserem Garten herumsitzt?«
»Vergiß nicht, alles bei diesem Experiment ist ungewöhnlich«.
»Du weichst mir aus.«…

Ohne Dekor

Obschon Alfred Döblin bereits 1913 eine Abkehr vom Requisitenroman forderte, wird bis heute munter so weitererzählt, als gäbe es nicht das Fernsehen, das Internet und das Kino. Mit ›Gerichtsasche‹ legt der Autor einen anspruchsvollen Reflexionsroman auf rechtsphilosophischem Hintergrund vor. Gedanken und Gespräche kreisen um die Justiz, die sich in einer Krise befindet. Als im Sommer 2012 ein bekannter Staatsrechtslehrer und ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht den ›Verfassungsnotstand!‹ ausrief (mit Ausrufezeichen), war das Manuskript zu ›Gerichtsasche‹ weitgehend abgeschlossen. Die dramatischen Zuspitzungen einer auch politisch motivierten Rechtsverachtung haben sich lediglich in den Schlußkapiteln niedergeschlagen.

Ein junger, hochbegabter Jurist will promovieren und erhält bei seiner Materialsammlung für seine Dissertation überraschende Einblicke in das judikative, legislative und professorale Rechtsdenken und –handeln. Das Promotionsvorhaben scheitert und kann als Reflex interpretiert werden für den Bruch zwischen dem Recht und der Gerechtigkeit, die sich beide aus unterschiedlichen Quellen speisen. Von besonderer Brisanz sind fiktionale Einflechtungen nationalsozialistischer Unrechtsspuren. Am Ende hat der gescheiterte Doktorand den besseren Teil ›erwählt‹, worüber bei anderen Hauptfiguren keine Freude aufkommt.

150 Seiten, flexibler Einband, Bezug über: siehe oben

Inhaltsbeschreibung

Ganz unterschiedliche Stimmen melden sich in der ›Poetischen Collage‹ (Untertitel) zu Wort: historisch verortbare und zeitlos anonyme, diesseitige und jenseitige. Die ›Stimmen im Labyrinth‹ können als konkurrierende Sicht-weisen auf die Welt gelesen werden. Sie fügen sich auf den ersten Blick zu keinem Gesamtbild. Verwirrend wirken zudem die verschiedenen Zeitschichten, aus denen heraus erzählt wird. Irritierend mag schließlich wirken, dass manche Stimmen sich gelegentlich selber widersprechen.

Insgesamt ist, so scheint es, die perspektivische Vielfalt schwerlich auf einen Nenner zu bringen, es sei denn auf einen poetischen, der es dem Leser anheimstellt, sich ein eigenes Bild zu machen. In der Poesie kann nämlich Unmögliches möglich werden, und Disparates verwandelt sich dabei unversehens in eine dissipative Struktur. Dazu will u.a. die leitmotivische Erzählstruktur beitragen. Wie in der Musik werden zentrale Themen (Kontingenz u.a.) immer wieder aufgegriffen und variiert. Heft 54 der Literaturzeitschrift WALTHARI kommentiert unter dem Schwerpunktthema ›Poetische Labyrinthe‹ diese pointilistische Erzählweise, die im 21. Jahrhundert einen Trendbruch markiert.

Synthetische Biologie und der Roman ›Stimmen im Labyrinth‹ von Erich Dauenhauer

Meist hinkt die Literatur den Realitäten hinterher. Geschildert werden dann in Romanen, wie es einmal war. Balzac, Fontane und Thomas Mann stehen für Hundertschaften von Schriftstellern, die im Rückblick ihre ästhetischen Nester bauten. Der Leser kann sich darin sozialkritisch oder einfach nostalgisch wärmen. Riskanter und meist gar nicht wärmend sind Romane, die den Blick in die Zukunft wagen. Riskant, weil sie von künftigen Ereignissen gnadenlos widerlegt werden können. Im günstigen Fall teilen sie das Schicksal des Vergessens, ansonsten steht der Autor blamiert da (Autorinnen wagen sich kaum an Zukunftsromane). Wärmen kann man sich an prognostischer Literatur deshalb selten, weil der Leser zu vieles mental und emotional umsortieren muß. Nestbauten trifft man auf diesem Feld nicht an.

Mit der poetischen Collage (Untertitel) ›Stimmen im Labyrinth‹ habe ich einen solchen literarischen Blick in die Zukunft gewagt. Seither blicke ich gespannt auf die neuesten Forschungsergebnisse derjenigen Wissenschaften, die für Zukunftsszenarien bedeutsam sind. In der Zeitschrift ›Science‹ (Nr. 336/2012, S. 341) konnte man jüngst lesen, daß zwei Entwicklungssprünge gelungen seien: (1) Im Labor gelang es, künstliche Nukleinsäuren mit eigens dafür erzeugten Enzymen in DNA zu übersetzen und (2) aus der so entstandenen DNA weitere künstlichen Nikleinsäuren zu erzeugen. Herkömmliche Bio-Bausteine (Zellen) können somit um künstliche Nukleinsäuren ergänzt werden (Fall 1) und aus deren Nachkommen völlig neue biologische Einheiten (Fall 2). Damit sind die naturhaften Erbmoleküle DNA (Desoxynukleinsäure) und RNA (Ribonukleinsäure) nicht mehr die einzigen Moleküle, die genetische Informationen speichern und weitergeben können! Im neuen Baustein XNA steht X als Platzhalter für sechs Zuckervarianten, darunter TNA: T = Threose.

Die Sensationsmeldung in ›Science‹ sorgt unter Wissenschaftlern für gehörige Aufregung, war aber in den Plappermedien allenfalls eine Randnotiz wert. Immerhin handelt es sich um den Startschuß für neues, künstliches Leben, wie es die Evolution in Jahrmillionen nicht hervorgebracht hat. Aber nicht nur in der Medienszene, auch in der Literaturszene wird der Entwicklungsbruch in der Menschheitsgeschichte kaum wahrgenommen. Was die synthetische Biologie auf ihrem zukünftigen Entwicklungsprogramm hat, ist mit plastischen Schilderungen im Roman ›Stimmen im Labyrinth‹ seit 2010 zu besichtigen, und zwar genau in den beiden oben geschilderten Gestaltvarianten. Homun gehört zur ersten neuen Homokategorie, Technovero zur zweiten. Wie die neue Welt um Althomo …

Was in meinem Roman ›Stimmen im Labyrinth‹ (2010) fiktional vorweggenommen wurde, wird nach und nach zur Realität. Wiederum ging die literarische Phantasie der wissenschaftlichen, gesellschaftlichen usw. Entwicklung voraus. Dafür liefert Karin Harrasser mit ihrem Buch ›Körper 0.2. Über die technische Erweiterung des Menschen‹ (2013) ein neueres Beispiel. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis meine Romanfiguren Technovero, Homun und Humana als reale Figuren auftreten werden. Dann könnte man Homuna laut sagen hören:

»Unschätzbar wertvoll an meinem Design: daß mein Körper immun gemacht wurde gegen Krankheiten, wie sie in tausendfältigen Variationen unter dem alten Menschengeschlecht auftraten. Den Seuchen etwa war über Jahrhunderte nicht beizukommen, bis die medizinische Forschung dem Übel nach und nach auf die Schliche kam. Aber dann war schon die Schlußphase der naturwüchsigen Homospezies erreicht. Nicht mehr Seuchen, Kriege und Hunger waren die zivilisatorischen Feuerproben, es war die geschundene Erde, die sich rächte. Meine eingebauten Mikrotechnos bilden mit den naturbelassenen Körperteilen eine Symbiose, eine angeblich vollkommene Einheit aus gewachsener Natur und feinsensorischer Technik, die zusammen mich vor Krankheiten immun macht. Gefeit bin ich zudem vor inneren Schwächeanfällen und Attacken von außen, dank eines Überwachungssystems, dem alle Daten über meinen Zustand laufend übermittelt werden, ohne daß ich es merke. Schon bei geringen Abweichungen von den Standardwerten tritt das Überwachungssystem in Aktion und behebt per Fernsteuerung die Gefahr, alles ganz automatisch.«

Auch das dicke Ende der Anthropotechnik, die aus dem Althomo (eine weitere Romanfigur) einen versklavten Menschen gemacht hat, wird im Roman vorweggenommen. Der Transhumanismus entspricht der Fortschrittslogik des technischen Zeitalters, das den alten Menschen…
Wie die Welt im Jahre 2050 aussehen könnte, kann man nachlesen, nein, vorweglesen.

Inhaltsbeschreibung

Ein angesehener Chefarzt in pensionsnahem Alter wird von der fixen Idee befallen, sein bisheriges Junggesellendasein aufzugeben und seine Altersjahre neu einzurichten. Voller Hoffnungen heiratet er diese Frau (sie bleibt, wie die meisten Romanfiguren, namenlos), die sich jedoch alsbald als Femme fatale entpuppt. Was als späte eheliche Erfüllungsidylle gedacht ist, endet in einer Katastrophe: Völlig überraschend für alle, die den angesehenen Gehirnchirurgen kennen, wählt er den Freitod, der von seiner Umgebung und in der Öffentlichkeit als Verzweiflungstat gedeutet wird. Um seinen Selbstmord nachträglich verständlich zu machen, hat er testamentarisch bestimmt, daß »seine letzte Lebensstrecke« recherchiert und nachgezeichnet werde.

Mit dieser Aufgabe wird eine junge Schriftstellerin betraut, die gehalten ist, Faktenlücken erzählerisch zu schließen. Obschon sich der biographische Bericht auf einen umfangreichen schriftlichen Nachlaß und auf Befragungen von ›Lebenszeugen‹ stützen kann, schält sich kein dominierendes Tatmotiv heraus. Die Biographin selber gerät, mitgenommen von den verwirrenden Nachforschungen, immer mehr in eine eigene Identitätskrise.
Als literarischer Reflex auf die Vexiergestalt der Postmoderne wird mehrperspektivisch erzählt. Eine der zahlreichen Hintergrundfolien gibt der Roman ›Godwi‹ von Clemens Brentano (1778-1842) ab. Prägend für die Kompositionstechnik insgesamt ist das ›bestürzende‹ Verhältnis zwischen Literatur und Wissenschaft.

Inhaltsbeschreibung

Der Roman erzählt die Reiseerlebnisse eines deutschen Arztes, der – überstürzt – zunächst nach Brasilien reist und später nach Peru weiterfliegt, um seinen ausgeflippten Sohn zu suchen. Unterwegs lernt er eine dunkelhäutige Brasilianerin kennen, die ihm bei seinem aussichtslos scheinenden Unternehmen beistehen will. Speranza ging in Deutschland zur Schule und lebt als Reiseführerin in Rio. Zwischen Dr. Zeiser und der wesentlich jüngeren Speranza entwickelt sich ein kompliziertes Liebesverhältnis, in dessen Verlauf nicht nur die Lebensgeschichten und die Hoffnungen der beiden grundverschiedenen Menschen erkennbar werden, sondern auch die allgemeinen Gegensätze zwischen Weiß und Schwarz, Reich und Arm, Amtskirche und afrobrasilianischem Animismus, zwischen Ratio und Mythos, zivilisatorischer Ordnung und chaotischer Kriminalität.

Im Figurenensemble um die beiden Hauptpersonen gewinnt der Armenpriester Frederico, ein Jesuit aus Schlesien, exemplarische Bedeutung: Seinen Kampf gegen Armut und Okkultismus muß er mit dem Leben bezahlen. Angesichts des menschenverachtenden Zynismus’ der brasilianischen Oberschicht und des Elends der meist farbigen Bevölkerung drängt sich – mit jedem Reisetag stärker – die Frage nach dem Sinn von Hilfe und von Leben überhaupt auf. Verzweifelt sucht der deutsche Arzt Halt und neues Glück an der Seite Speranzas (d.h. Hoffnung), doch die Geliebte ist unverschuldet aidsinfiziert. In dieser ausweglosen Situation findet der Vater endlich seinen Sohn … (In 4. Auflage 2001)

ed-989

… und kamen nach Santo Domingo

Auf einem spanischen Flughafen bricht ein unbefristeter Streik aus. Um dem zermürbenden Warten ein Ende zu bereiten, entschließen sich zehn deutsche Urlauber, die sich in einem  Sprachkurs kennengelernt haben, zu einem riskanten Experiment: sie wollen die Zeit bis zum Rückflug in einer nahen Benediktiner-Abtei überbrücken und sich dort einem “mentalen Training” unterziehen. Ruhe und Abgeschiedenheit des Klosters scheinen die ideale Voraussetzung für die geplanten Identitäts- und Toleranzübungen zu bieten. Doch das Unternehmen will nicht gelingen…

Endläufe

Eine wahre Odyssee durch die spätindustrielle Postmoderne erleben die deutsche Psychologin Roberta und der geflohene ehemalige Rotgardist Huang. Das kinderlose Ehepaar, das im Westen seinen Lebensunterhalt im Beratungsgeschäft bestreitet, gerät dabei in Situationen, die den überdrehten Zeitgeist schonungslos offenlegen. Ob leere Kongreßbetriebsamkeit oder überzogene Urlaubskulte, ob globale Unternehmertätigkeit oder feministische Kirchenreform – auf fast allen Etappen ihrer Odyssee treffen sie auf Welt-Anschauungen, die an Endläufe gemahnen.

Die Abordnung

Irgendwo in einer deutschen Provinzstadt tritt ein junger Richter sein neues Amtes an.  Er ist “abgeordnet”, um den Prozeß um den Bau eines Kernkraftwerkes in die Wege zu leiten. Fleißig und sachkundig – sein Erststudium galt der Physik – vertieft er sich in den Gutachterstreit, aber das städtische Umfeld, wohlstandsverwöhnt und korrupt zugleich, absorbiert ihn zunehmend und entfremdet ihn seinem Auftrag, bis er sich  eines Tages entschließt “auszusteigen”.

Helles Geleit

Erzählt wird die Geschichte von Alice und Reimar. Alice weiß, dass sie nicht mehr lange zu leben hat. Mit Reimar, einem Rauschgiftfahnder, entscheidet sie sich, ihre letzte Zeit einer gefahrvollen Operation gegen die Drogenmafia zu opfern.

Gedichte

Bilderschaum – Inhalt

Rechnerlyrik
Zeitgeist
Geburtstage
Fahr nach Peru
Einfalt
Deutscher Saal0
Durch-Sagen2
Einer dieser Nachmittage
Loreley im Einerlei
Zweitausend
Die Herren von der Revolution
In meinem Garten
Kämpfen
H Am Ei D (Hei-del-berg)
Staunendes Erschaudern
fern-sehen
höllischer friede
Marssonde
Das Wichtigste
Ökulei im Arabasta
Mit dem Mut der Laubfrösche
Fremde Heere
Entmarterung 90
Altes Frühlingslied

93 Seiten, flexibler Einband

Leseprobe aus Bilderschaum

klimawechsel

oft, öfter als sonst
schau ich zum himmel
wo fette wolken taumeln
als habe hohes gebälk
das gleichgewicht verloren

oft, öfter als sonst
lege ich mein ohr
an die lärmwand
dahinter die zungen zanken
bis aller verstand versandet

oft, öfter als sonst
halte ich meine nase
in den alten wind
der seine patentierten gerüche
in unseren lungen versteckt

oft, öfter als sonst
fühle ich etwas fortziehen
im weiten kreise
die zeit verhöhnend
und unsere heile champagnerwelt

Rot und Zeit – Inhalt

Die neue Gesellschaft
Deutsch-deutsche Wertschätzung
Unter der Sonne des Fortschritts
Abkehr und Hinwendung
Elitärer Spottvers
erinnerung an die zukunft
Angstanfall
Wohlständische Frauen
Textverwehungen
Ich rolle mich ein
leittraum
Schrittklang
Worte finden
zum friedhof der vögel
Der Grundton
wort-gewalt
Proletarischer Scham

54 Seiten, flexibler Einband

Kleine Prosa

Schreiben als Meuterei – Inhalt
Poetologische und poetische Stücke

I. Literaturbriefe
Schreiben als Meuterei
Kotzästhetik
Literaturbrief zur Anthropodizee
Referenzloses Dasein
Sendschreiben an die Bürger eines zunehmend (ver)fassungslosen Landes
Scheltbrief: Pamuks unfriedliche Friedenspreisrede
Fragmentarischer Literaturbrief: Bellarmin an Hyperion
Das versäumte Europa

II. Literarische Befindlichkeiten
Über antreibende Schreibunruhe
Ästhetische Empfindungen beim Schreiben
Ästhetische Empfindungen beim Lesen
Schreiben auf brennendem Fell
Walthariaden: Tagebuchnotizen

III. Sprechtexte
Schelling im Gespräch
Vielgesichtige Natur
Gipfelgespräch
Der Literaturagent
Netzkonferenz
Lob akademischer Torheiten

IV. Theaterreflexionen
Aufstieg und Fall des radikalen Regietheaters
Theaterwelten: Exzentrik schlägt Normalität
Rezensierte Rezensionen
Theaterkritik: Wedekinds „Lulu“
Das Theater als Widerlager zum System

V. Poetologische Reflexionen
Anakreon verlacht Pindar
Das Böse als ästhetische Kategorie
Literatur am Abgrund

VI. Buchbesprechungen
Warum uns das Böse fasziniert
Brecht-Handbuch
Die Wahrheit des Poetisch-Erhabenen
Das doppelt Erhabene

VII. Polemische Prosa
Zwei bescheidene Vorschläge
Nachtrag zum vorstehenden Beitrag
Genussvolle Kinderlosigkeit
Vertreibung aus Politik und Gesellschaft

VIII. Tsunamische Apokalypse

IX. Zum Walthari-Projekt. Ein Werkstattbericht

226 Seiten, flexibler Einband

Schreiben als Meuterei – Leseprobe

Der vorliegende Sammelband enthält Texte, die an anderer Stel-le bereits veröffentlicht wurden (mit zwei Ausnahmen). Erst in der Gesamtschau ergeben sie ein literarisches Gemälde. Wohl die meisten Schriftsteller sind im Laufe ihrer Arbeit zu der Überzeugung gelangt, daß literarisches Schreiben nur noch als Meuterei möglich ist, nicht laut polternd, sondern leise in ironi-schen und satirischen Tonlagen, immer aber mit der Schärfe des treffenden Wortes, das der genauen Beobachtung entspringt. »Agundum atque obviam eundum est« – Handeln und Widerstand leisten, so schon Sallust. Und sein römischer Landsmann, Juvenal: »Delicias hominis« – Welch ein Spleen hat der Mensch! Dies erkannt zu haben ist zwar nicht das Privileg von Schriftstellern. Der Philosoph Schelling bezweifelte, ob die Vernunft des Menschen ausreiche, sich und die Welt tief genug zu begreifen. »Es kann alles in der logischen Idee seyn, ohne daß irgend etwas erklärt wäre… Die ganze Welt liegt gleichsam in den Netzen… der Vernunft, aber die Frage ist eben, wie sie in diese Netze gekommen sey, da in der Welt offenbar noch etwas anderes und etwas mehr als bloße Vernunft ist, ja sogar etwas über diese Schranken Hinausstrebendes.« Dieses Hinausstrebende ist die Signatur der Literatur, der Kunst generell. Von einer Schreibunruhe angetrieben, entstanden die hier vorgestellten rund drei Dutzend Texte. Sie gehören unterschiedlichen Gattungen an und belegen so den weiten Bogen, den ich beim Durchwandern der realen und fiktiven Welten geschlagen habe.

Republikanisch-satirische Skizzen – Inhalt

Fortbildungsstunde
Terroristenphilosophie
Befragung eines Marxisten zum Thema Gewalt
Kriminalität:. Ein Brief an den Herrn Bundeskanzler
Kerriertechniken
Befragung eines Abgeordneten über eine parlamentarische Kleinkunst
Lexikalische Visionen
Die Parteibeichte
Aus dem Wörterbuch der Sozialmoral
An freien deutschen Hochschulen

92 Seiten, flexibler Einband

Republikanisch-satirische Skizzen – Leseprobe

Helle freundliche Büros. Junge Herren, die sich duzen. Man ist geduldig, beinahe nachsichtig und beantwortet jede seiner Fragen. Manchmal stehen die Gremienleiter selbst Rede und Antwort und beziehen sich nur in Ausnahmefällen auf das Gesetz. Das Gesetz zieht deutliche Linien. Als er es damals, an der Wende zur neuen Gesinnung und Sprache, zum erstenmal las, listete er das frische Vokabular auf, fein säuberlich auf zwei Doppelbogen, und bemühte sich um begriffliche Klärung. Das kann so schlimm nicht sein, meinte er und mit ihm einige seiner älteren Kollegen. Andere waren skeptisch: Die neue Gesinnung sei stets so gut und so schlecht wie die Sprache, die man vorausschicke.

Das Gesetz hat viele Paragraphen der Praxis vorauseilen lassen. Es folgten die Herren, die so trefflich zu lächeln verstehen. Das Auswechseln von Termini kann listiges Vergnügen bereiten: Fachbereich statt Fakultät und so fort. List und Vergnügen im Amt sind ihm fremd. Sein wacher Stundenaufguß in den Nächten ist seit der Wende angefüllt mit Rundschreiben, die ihm das Dekanat in das Postfach legt. Man verlangt, daß er Lehrkapazitäten berechnet und die Studienordnung seines Faches nach vorgegebener Dezimalklassifikation formalisiert; dass er mündliche Prüfungen nach einem Einheitsprotokoll standardisiert und stets seine Urlaubsanschrift beim Dekanat hinterläßt. Gelegentlich reichen die Büros fehlerhaft ausgefüllte Papiere an ihn zurück, mit Sichtvermerken rechts oben. Er gibt sich Mühe. Das Einheften der Senats-, Fachbereichs- und anderer Beschlüsse in die Ordner besorgt er selbst. Es herrscht eine buchhalterische Ordnung, die Gremienleiter sind stolz darauf und können ohne Sorge einer Prüfung des Landesrechnungshofes entgegensehen.

Auf dem Weg zur Bibliothek trifft er des öftern Kollegen oder Büroangehörige. Sie fragen, ob er sich zurechtfinde, und loben seine gesunde Gesichtsfarbe. Er erkundigt sich nach den allerneuesten Beschlüssen. Vor Jahren hat man ihn von der Zugehörigkeit fast aller Gremien überredend entlastet, und nun muß er Rundschreiben und Protokolle besonders sorgfältig studieren und auf dem Weg zur Bibliothek die letzten Auskünft einholen.

Er geht häufig nur aus diesem Grunde zur Bibliothek. Darüber kann er seine gewohnten Lesestunden an den Dienstag- und Freitagnachmittagen vergessen. Die Gespräche vor den Leseräumen sind notwendiger geworden als das Studium der wissenschaftlichen Zeitschriften.

Es geht das Wort vom Altersfleiß der alten Herren. Sogar der Herr Präsident hat sich unlängst, bei der Verabschiedung eines noch älteren Kollegen, des Wortes bedient und ein allgemeines Lob ausgesprochen: Man beobachte mit Anerkennung, ja Bewunderung, wie aktiv die verehrten älteren Kollegen noch am akademischen Leben teilnähmen und die erforderlichen Reformen mittrügen.

Noch zwei Jahre bis zur Emeritierung. In den wachen Aufgußstunden bespricht er mit seiner Frau, ob er früher dem Amte entsagen solle, um der Pensionierung und dem anderen zuvorkommen. Seit der Wende hat er keinen neuen Text veröffentlicht. Rechnungshöfe fragen danach nicht.

Sprechtexte / Bühnenstücke

Hetärengold und andere Theaterstücke

Inhalt

  • Hetärengold. Ein Stück aus der Sattelzeit
  • Medienlust. Eine Tragikomödie
  • Chaostage. Komödie in vier Akten
  • Die Rednerschule. Komödie im magilitischen Stil
  • Singlei. Komödie
  • Der Evaluator. Einakter
  • Exposés